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Veröffentlicht am 05.12.2019

Ganz mein Humor

Die Ewigkeit in einem Glas
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London, 1863. Bridie Devine hat eine neue Mission. Für ihren Auftraggeber soll sie dessen entführte Tochter wiederfinden, doch irgendetwas scheint seltsam an diesem Kind zu sein. Zu allem Überfluss stolpert ...

London, 1863. Bridie Devine hat eine neue Mission. Für ihren Auftraggeber soll sie dessen entführte Tochter wiederfinden, doch irgendetwas scheint seltsam an diesem Kind zu sein. Zu allem Überfluss stolpert Bridie bei Recherchen auf dem Friedhof noch über den Geist des Boxers Ruby. Der beschließt aus Mangel an Beschäftigung - denn was soll man als Toter schon groß mit sich anfangen? - unserer Protagonistin zu folgen, um ihr bei den Ermittlungen zur Seite zu stehen. Dabei ist er im Übrigen nur mit einer langen Unterhose und einem Hut bekleidet und behauptet steif und fest, Bridie und er würden sich bereits kennen. Doch warum hat die ihn dann völlig vergessen?

Wie schon die Kurzbeschreibung des Inhalts verrät: dieses Buch ist herrlich skurril. Das beginnt schon bei den Figuren. Da wäre beispielsweise Bridie mit der wohl hässlichsten Witwenhaube überhaupt oder Cora, ihr zwei Meter großes Hausmädchen. Nicht zu vergessen: ein Pfarrer, der aus Verachtung für seine menschliche Gemeinde beschlossen hat, seine Kirche von nun an mit tierischen Bewohnern zu füllen. (Wer will es ihm verübeln?)

Der Schreibstil unterstreicht das Sonderbare der Handlung gekonnt, der Ton ist humorvoll-ironisch, aber dennoch liebevoll. Erzählt wird im Präsens und der sie-Form; hauptsächlich aus zwei verschiedenen Perspektiven: der von Bridie selbst und derjenigen des Kindermädchens Mrs Bibby. Doch auch in die Köpfe der anderen Figuren kann der personale Erzähler blicken und beleuchtet so das Geschehen aus verschiedenen Blickwinkeln. Dabei erfährt der Leser nicht nur etwas über Bridies aktuellen Fall, sondern es sind auch zahlreiche Rückblenden in die Vergangenheit der beiden Frauen eingebaut.

So spinnt Jess Kidd gekonnt zahlreiche Handlungsfäden, die sie am Ende zu einem runden Ganzen verwebt. Genretechnisch lässt sich das alles nur schwer in eine Schublade zwängen: historischer Krimi mit fantastischen Elementen - das wäre mein Versuch. Aber letztendlich spielt das ja auch keine Rolle, denn "Die Ewigkeit in einem Glas" ist einfach grandios!

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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.11.2019

Harter Tobak

Das Ritual des Wassers
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Inspector Ayala, genannt "Kraken", hat gerade erst seinen letzten Fall hinter sich gelassen und erholt sich von den Folgen einer schwerwiegenden Schussverletzung. Noch hat er sein Sprachvermögen nicht ...

Inspector Ayala, genannt "Kraken", hat gerade erst seinen letzten Fall hinter sich gelassen und erholt sich von den Folgen einer schwerwiegenden Schussverletzung. Noch hat er sein Sprachvermögen nicht wiedererlangt und auch sein Privatleben ist alles andere als unkompliziert. Als er jedoch während seiner Genesung die Nachricht erhält, dass seine erste Liebe auf grausame Weise getötet wurde, kehrt er verfrüht in den Polizeidienst zurück.

Wie schon der erste Band, so hat auch Band zwei einen historischen Hintergrund - in diesem Fall die Kelten und ihre kultischen Wasserrituale. Erzählt wird erneut auf zwei Zeitebenen: der Gegenwart, in der sich der Mord an der Comiczeichnerin Annabel Lee ereignet und dem Jahr 1992, in dem Kraken und seine Clique an einem archäologischen Sommercamp teilnehmen. Nach und nach werden beide Handlungsstränge zusammengeführt, bis sich ein schreckliches Gesamtbild ergibt.

Die Geschichte setzt direkt nach Band eins an und ist ein echter Pageturner, der einem nicht nur aufgrund der Spannung schlaflose Nächte bereitet. Wo "Die Stille des Todes" bereits düster und erschreckend war, steigert sich "Das Ritual des Wassers" sogar noch. Die Thematik ist grausam, verstörend und wirklich harter Tobak - auch wenn viele Szenen vorher ausgeblendet oder nur vermittelt berichtet werden.

Neben Chefin Alba und Kollegin Esti tauchen in diesem Band zwei neue Figuren auf: IT-Spezialistin Milán Martínez und Sportass Manu Peña. Die beiden bringen frischen Wind, andere Methoden und eine neue Dynamik ins Team und fügen sich gut in Geschichte ein. Aber auch absolute Lieblingscharaktere wie Ayalas Großvater und Bruder sind wieder mit von der Partie - die Figuren sind definitiv ein Plus dieser Reihe.

Obwohl ich das Buch quasi verschlungen habe, gibt es doch eine Sache, die mich gestört hat: das ständige Hin und Her um Krakens Privatleben und seine erneute Verwicklung in den Fall. Ich hoffe inständig, dass die Autorin dem armen Inspector in den nächsten Bänden zumindest privat etwas Ruhe gönnt - die ständigen Bedrohungen seiner Liebsten durch seine Arbeit werden sonst irgendwann auch unglaubwürdig und vorhersehbar.

Fazit: ein psychologisch harter, aber grandioser Thriller mit zu viel privaten Verwicklungen

Veröffentlicht am 01.11.2019

Verwobene Schicksale

Der Sprung
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Eigentlich liebt Manu das Leben. Sie versteht sich als "Störgärtnerin" und rettet Pflanzen aus Umgebungen, in denen diese - ihrer Meinung nach - nicht atmen und sich nicht mit anderen Pflanzen vernetzen ...

Eigentlich liebt Manu das Leben. Sie versteht sich als "Störgärtnerin" und rettet Pflanzen aus Umgebungen, in denen diese - ihrer Meinung nach - nicht atmen und sich nicht mit anderen Pflanzen vernetzen können. Auch auf Finn, ihren Freund, macht sie einen starken, wenn auch manchmal etwas seltsamen Eindruck. Und dennoch steht Manu eines Tages auf dem Dach eines Wohnhauses, ganz nah an der Kante, schreit und tobt und am Ende, da schreitet sie einfach über den Dachrand hinaus ins Leere. Durch dieses Ereignis gerät das Leben der unterschiedlichsten Menschen in dem kleinen Städtchen Thalbach aus den Fugen.

Da sind zum Beispiel Theres und Werner, deren kleiner Kiosk schon seit geraumer Zeit kaum noch Kundschaft hat. Während Theres umso härter arbeitet, bleibt Werner völlig depressiv zurück, so dass er manchen Tagen gar nicht mehr aus dem Bett aufsteht. Als sich jedoch die Menschenmenge versammelt, um nicht zu verpassen, was mit der "Verrückten auf dem Dach" geschieht, erfährt der Laden einen ungeahnten Aufschwung. Denn Hunger und Sensationsgier, das verträgt sich nicht. Doch wo Theres und Werner von dem Spektakel profitieren, haben andere darunter zu leiden: die launische Edna beispielsweise wird durch Manu auf dem Dach an ein Ereignis aus ihrer Vergangenheit erinnert, das sie völlig aus der Bahn geworfen hat. Erschüttert verbarrikadiert sie sich in ihrer Wohnung und wartet darauf, dass wieder Normalität einkehrt.

Neben diesen drei Personen gibt es noch zahlreiche mehr, die im Buch zu Wort kommen. Polizist Felix spricht mit Manu auf dem Dach, Schülerin Winnie sitzt unten in der Menge. Der Obdachlose Henry lebt in der Nähe des Gebäudes in einem Park, Maren jedoch im Haus selbst. Arbeiter Egon beobachtet das Geschehen vom Café gegenüber und der geheimnisvolle Ernesto verfolgt das Ganze im Fernsehen. Aber auch Vertraute von Manu kommen zu Wort, ihr Freund Finn und ihre Halbschwester Astrid liefern jeweils Puzzleteile, um das Rätsel um Manu zu lösen. Finn liefert die Gegenwart, erzählt, was er an Manu liebt und glaubt, sie zu kennen, obwohl er nicht einmal ihren Nachnamen weiß. Astrid hingegen präsentiert uns Manus Kindheit; eines Mädchens, das ihre Schwester immer beschützt hat; eine, die nie vor etwas Angst hatte.

Mit "Der Sprung" ist Simone Lappert ein grandioser Roman gelungen. In kraftvollen Worten beschreibt sie, wie sich das Leben in der Kleinstadt durch Manu und den Sprung vom Dach verändert. Es wird durcheinandergewirbelt und neu zusammengesetzt, ob die Betroffenen es wollen oder nicht. Dabei entstehen sowohl positive als auch negative Konsequenzen, doch das Wichtigste ist: es verändert sich etwas; in den Köpfen der Menschen, aber auch in ihren Herzen. "Der Sprung" befasst sich nicht nur mit Manu und dem Grund, warum sie sich auf diesem Dach befindet. Nein, der Roman geht viel weiter darüber hinaus. Er spricht von Liebe und Hoffnung, von Verzweiflung und Schuld, von Einsamkeit und Gemeinschaft. Ein wunderbarer Roman, dessen Figuren noch lange nach dem Ende in einem nachklingen.

Veröffentlicht am 20.09.2024

Roman mit komplexer Struktur

Antichristie
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2022. Die 50-jährige Durga trauert um ihre Mutter Lila, die unter ungeklärten Umständen gestorben ist. Schon bald muss sie nach London aufbrechen, wo sie in einem Writer‘s Room gemeinsam mit ihren Kolleg*innen ...

2022. Die 50-jährige Durga trauert um ihre Mutter Lila, die unter ungeklärten Umständen gestorben ist. Schon bald muss sie nach London aufbrechen, wo sie in einem Writer‘s Room gemeinsam mit ihren Kolleg*innen eine antirassistische Neuverfilmung der Werke Agatha Christies schreiben soll. Doch dann geschieht das Unerwartete: die Queen stirbt und versetzt ganz Großbritannien in den Ausnahmezustand. Protestierende finden sich vor dem Florin Court ein, in dem der Writer‘s Room stattfindet, weil sie nach der Queen nicht auch noch die Queen of Crime „verlieren“ wollen. Mitten in all diesen Wirren passiert es: Durga reist durch die Zeit und findet sich im Jahr 1906 in India House wieder – im Körper eines jungen Mannes – und nennt sich selbst Sanjeev.

„Antichristie“ ist der neuste Roman der Schriftstellerin Mithu Sanyal und wird komplex auf mehreren Handlungs- und Zeitebenen erzählt, die einander nach und nach immer mehr durchdringen. Da ist auf der einen Seite die Gegenwart im Jahr 2022, in der Durga Diskussionen darüber führt, warum Hercule Poirot nicht auch Schwarz sein könnte. Auf der anderen Seite ist da die Vergangenheit im Jahr 1906 in India House, einer Unterkunft für indische Studenten in Großbritannien und Zentrum des antikolonialen Widerstands. Dann springen wir aber auch immer wieder in Durgas Vergangenheit, um die Beziehung zu ihrer Mutter, zu ihrem Mann Jack oder ihrer besten Freundin Nena zu ergründen.

Gekonnt verwebt die Autorin Fiktion mit Geschichte, denn vieles hat sich tatsächlich so in India House abgespielt. Im Körper von Sanjeev, aber noch mit ihrem eigenen Wissen und ihren Erinnerungen ausgestattet, lernt Durga historische Persönlichkeiten kennen. Im Zentrum steht dabei Savarkar, ein indischer Revolutionär, der zum Zeitpunkt der Handlung ebenso bekannt war, wie Gandhi. Mit ihm diskutiert sie über Themen wie gewaltfreien Widerstand und schließt zunehmend die Menschen in India House in ihr Herz. Als dann auch noch der britische Geheimdienstchef Curzon Wylie aus einem verschlossenen Raum im Haus verschwindet und Revolutionär Madan, den übrigens Durgas Mutter Lila sehr verehrte, seiner Ermordung verdächtigt wird, stellt sie selbst Ermittlungen an – mit der Hilfe von Sherlock Holmes.

„Antichristie“ ist sicherlich ein antikolonialer Roman, aber auch so vieles mehr: ein Locked Room Mystery, ein Füllhorn an Popkultur-Anspielungen, eine Geschichte über Trauer, über Cancel Culture, über studentisches Leben in India House, aber eben auch über Widerstand gegen den Staat und die Frage, was dieser darf und was nicht. Es ist aber vor allem eine Geschichte über Schmerz in all seinen unterschiedlichen Formen, die wir durch Durga/Sanjeevs Augen aus einer deutschen, indischen und britischen Perspektive erleben.

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Veröffentlicht am 21.08.2024

Grausame Mordserie in Florenz

Signora Commissaria und der lachende Tod
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Commissaria Giulia Ferrari ist gerade erst an ihrem neuen Arbeitsplatz in Florenz angekommen, als sich eine Serie von Morden ereignet. Der Mörder lässt die Toten mit einem erstarrten Lächeln und den Initialen ...

Commissaria Giulia Ferrari ist gerade erst an ihrem neuen Arbeitsplatz in Florenz angekommen, als sich eine Serie von Morden ereignet. Der Mörder lässt die Toten mit einem erstarrten Lächeln und den Initialen des nächsten Opfers zurück – ein Fakt, welcher Giulia und ihre Kollegen Commissario Luigi Batista und Sergente Enzo Aleardi in besondere Zeitnot versetzt. Doch was ist die Verbindung zwischen den Ermordeten, scheinen sie doch auf den ersten Blick völlig unterschiedlich zu sein?

„Signora Commissaria und der lachende Tod“ von Alexander Oetker ist, wie ich mir aus dem Text erschließen musste, bereits der zweite Band der Reihe um Giulia Ferrari und ihre Kollegen. Der erste erschien in einem anderen Verlag und noch unter dem Pseudonym Pietro Bellini – die Handlung lässt sich aber auch ohne Kenntnis des ersten Bandes gut verfolgen. Die Erzählperspektive wechselt zwischen den Hauptfiguren Giulia, Luigi und Enzo, so dass wir stets alle Schritte der Ermittlung mitverfolgen können.

Dem Autor ist der Regionalkrimi keinesfalls fremd, seine Charaktere ermitteln in Marseille, auf Zypern, in Paris und im Aquitaine – und auch diese in Florenz spielende Reihe ist ihm gut gelungen. Er lässt Giulia und ihre Kollegen durch die Stadt wandeln und erweckt sie so zum Leben. Das italienische Lebensgefühl unterstreicht er noch mit einigen Rezepten, die Luigis Frau Clara für ihn zubereitet und die wir nun selbst zuhause nachkochen können.

Darüber hinaus streut er noch Besonderheiten seiner Figuren ein, die diese individueller und authentischer wirken lassen. Luigi arbeitet nur noch in Altersteilzeit für die Polizei und beschäftigt sich den Rest der Zeit mit seiner Bar und Golden Retriever Tulipan. Giulia hat in ihrer Vergangenheit einen großen Verlust erlitten und Enzo zeigt, wie ein blinder Ermittler sich zurechtfinden und maßgeblich zur Lösung des Falls beitragen kann. Dieser ist durchaus spannend, aber gegen Mitte der Handlung kann man bereits erraten, was hinter der Mordserie steckt – was dem Lesevergnügen jedoch keinen Abbruch tut und dazu führt, dass ich jetzt unbedingt Band 1 nachholen muss.

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