Liebe Daffy,
ich fühle mich, als wäre ich gerade nach einem Konzert nach Hause gekommen. Man hat die Musik noch im Ohr und die Füße wollen nicht still stehen. Seit ich Kristen Callihans Idol. Gib mir deine Welt beendet habe, will ich dir diesen Brief schreiben, weil ich einfach über dieses Buch sprechen muss. Es ist 2018 für den deutschsprachigen Markt bei Lyx erschienen und von Anika Klüver übersetzt worden. Das Original Idol wurde schon 2016 herausgebracht.
Inhalt
Die zurückgezogen lebende Liberty Bell trifft unter mysteriösen Umständen auf Killian James, den Leadsänger und Gitarristen einer der derzeit erfolgreichsten Rockbands: Er liegt sturzbetrunken in ihrem Vorgarten. Liberty ist weder begeistert von der Tatsache, dass er mit seinem Motorrad durch ihren Zaun gefahren ist, noch weiß sie, wen sie vor sich hat. Doch da Killian ihr neuer Nachbar ist, bleibt es nicht bei einem einmaligen Treffen und die beiden stellen fest, dass sie etwas teilen: Die Liebe zur Musik.
Handlung und Charaktere
Ein Roman voller Musik, auf dem Klappentext steht etwas von „ulitmative[r] Rockstar-Romance“. Das hat mich doch direkt neugierig gemacht. Ich muss ehrlicherweise zugeben, ich bin gar nicht über dieses Buch auf die Reihe aufmerksam geworden, sondern über den dritten Teil, der überall auf Instagram zu sehen war. Doch ich wollte die Reihe richtig starten und so kaufte ich mir dieses Buch gebraucht, um mal einen Blick auf Kristen Callihans Schreibstil zu werfen.
Die Autorin liefert uns direkt zu Beginn eine Playlist mit den großen Namen der Musikbranche wie Prince, Nirvana oder Bon Jovi. Du weißt um mein Problem mit diesen vorangestellten Playlists in Büchern und dass ich nicht so genau weiß, wie ich damit umzugehen habe. Meist handelt es sich um eine willkürlich erscheinende Liste an Liedern, die gerade mehr oder weniger populär sind. Doch das ist bei diesem Buch gänzlich anders. Jedes Lied wird in diesem Buch erwähnt, indem es beispielsweise auf Konzerten der fiktiven Rockband gecovert wird. Die Lieder sind also maßgeblich an der Handlung beteiligt und ich muss sagen, ich habe hier tatsächlich den Sinn in der Playlist gesehen.
Warum fange ich meinen Brief mit diesem Thema an? Weil das Buch voller Musik ist. Nicht nur diese Lieder werden in die Handlung eingeflochten, auch Musikinstrumente werden recht genau beschrieben. Ich höre gern Musik, so ist es nicht, doch ich kenne mich bei Gitarrentypen nicht aus. Daher ist mir dieser Zauber der Beschreibungen wohl verborgen geblieben, doch für jede/n MusikliebhaberIn wird hier ganz sicher eine tolle Atmosphäre geschaffen. Durch mein Nicht-Wissen kann ich das Buch also nur auf anderen Ebenen bewerten, allerdings war es mir wichtig, diesen Aspekt voranzustellen, da die Autorin hier um einige Kenntnisse verfügt und sie in ihre Geschichte einbaut.
Du wirst dich schon bei meiner kleinen Zusammenfassung des Inhalts gefragt haben, ob ich mich bei den Namen verschrieben habe. Die beiden heißen tatsächlich so. Liberty Bell, kurz Libby, ist sich ihres kuriosen Namens mehr als bewusst. Das betont sie im Laufe der Geschichte immer wieder, wodurch der Name doch an Glaubhaftigkeit gewinnt.
Ein größeres Problem hatte ich mit Killian James. Du wirst erraten, was ich ganz automatisch gelesen habe. Genau, Killian Jones wie in der Serie Once upon a time. Dass Killian gerne schwarz trägt und lange Haare hat, hat ihn in meinem Kopf gänzlich zu Captain Hook gemacht und das Bild bin ich auch nicht mehr losgeworden. Selbst, wenn ich jetzt seinen Namen in diesem Brief schreibe, muss ich den Nachnamen immer wieder zu James korrigieren.
Vor allem zu Beginn des Buches habe ich mich an die Namen geklammert, da sie mit das Einzige waren, das ich von den Figuren so richtig mitbekommen habe. Sie waren (ungewollt?) auffällig, die Charaktere an sich waren es leider nicht. Das liegt aber nicht daran, dass Libby und Killian langweilig wären. Der Schreibstil hat mich schlicht überfordert. Kristen Callihan beschreibt das erste Aufeinandertreffen zwischen den beiden Hauptfiguren sehr ausführlich. Zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass wir zwischen den Sichtweisen von Libby und Killian hin und her springen.
Während des Lesens wusste ich schon, was ich in diesen Leseeindruck schreiben würde bezüglich eben dieses ersten Treffens und dass ich Libbys Vorgehen nicht nachvollziehen kann. Da liegt ein betrunkener Fremder in ihrem Vorgarten, sie will ihn verscheuchen, er zieht sich noch aus und verfolgt sie dann nackt zu ihrem Haus und Libby … kümmert sich noch um ihn, anstatt die Polizei oder einen Krankenwagen zu rufen. Dieses Verhalten fand ich merkwürdig, doch abgesehen davon, brauchte die Autorin den Moment, dass Libby zu einer guten Samariterin wird, um ihren Charakter abzubilden.
Die daraufhin einsetzenden Zeitsprünge haben mich dann verwirrt. Ich hatte das Gefühl, es seien vielleicht zwölf Stunden vergangen und wir befänden uns noch in der gleichen Situation, doch dann tauchen Worte auf, die deutlich machen, dass bereits Wochen vergangen wären. Es wird behauptet, Libby und Killian hätten sehr viel Zeit miteinander verbracht und sich so gut kennen gelernt. Halt, stopp, ich war nicht dabei. Ich weiß von den Figuren so gut wie nichts. Ich weiß ihre Namen und ich kenne die ominöse Situation des Kennenlernens. Hier hätte ich mir gewünscht, dass nicht nur behauptet wird, dass sie sich viel unterhalten und so viel voneinander erfahren. Ich wäre gern dabei gewesen, um die Figuren genauso in mein Herz schließen zu können, wie sie es offensichtlich gegenseitig getan haben.
Meine Vermutung ist, dass die Autorin für ihre eigene Geschichte eine Grundlage schaffen wollte, ihr Hauptaugenmerk doch auf einer Handlung lag, die erst später eintritt. Dafür mussten sich Killian und Libby schon ineinander verliebt haben, doch den Prozess wollte sie nicht ausführen.
Mit Voranschreiten der Handlung gelang es Kristen Callihan nämlich, mich von der Chemie zwischen den beiden Protagonisten zu überzeugen. Ich war als Leserin nicht dabei, als sie sich, ihre Wünsche und Hoffnungen kennen gelernt haben. Doch dass sie zu einem späteren Zeitpunkt aufeinander fixiert waren und zusammen sein wollten, komme was wolle, war nachvollziehbar und gut dargestellt.
Genauso gelungen war Libbys Treffen auf Killians Band. Die Autorin hat eine Gruppe von Individuen geschaffen; es findet kein Kollektives „Oh, wir lieben bzw. hassen Libby“ statt. Jeder hat seine eigene Beziehung zu Killian und später auch zu Libby.
Wenn es um die Beziehungen in diesem Buch geht, kann ich nicht ganz spoilerfrei bleiben, um etwas hervorzuheben, das mir aufgefallen ist. Wenn du das Buch also selbst entdecken möchtest, kannst du den Brief nun beiseite legen.
Spoiler
Kristen Callihan spricht in ihrer Geschichte ein Thema an, das leider noch immer zu aktuell ist. Libby bekommt die Chance, selbst Musik machen zu dürfen. Ihre Sorge, dass die Außenwelt denken könnte, sie sei nur auf eine Bühne gekommen, weil sie mit Killian geschlafen hat, drückt sie schon recht früh aus. Und tatsächlich kommt es zu diesen Anschuldigungen als sie ihre Auftritte bekommt. Ich finde es gut, dass das Thema angesprochen wird und auch versucht wird, zu erklären, Libby hätte Talent und würde die Menschen mit ihrer Musik beeindrucken. Tja, aber dann kommt der Haken. Libby hat ja nunmal eine Beziehung mit Killian, der sie an seinen Manager empfohlen hat und somit ist das Vorurteil, das die anderen von ihrem „Hochschlafen“ haben, ja nicht aus der Welt geschafft. Ich finde, die Autorin hat eine Chance vergeben, die sehr offensichtlich war. Libby ist eine gute Musikerin und das hat auch der Manager Mr. Scott so empfunden, um sie daraufhin unter Vertrag nehmen zu wollen. Er und Libby haben aber keine Liebelei am Laufen und es geht wahrhaftig um Können und das Potenzial mit ihr Geld machen zu können.
Wieso gibt es nur Libbys Argumente, dass die Frage nach einem Techtelmechtel zwischen ihr und der Band unangebracht sei – was sie selbstverständlich ist. Libby wird doch nicht Vertragsmusikerin, weil Killian es so möchte, sondern weil ein Manager sie ganz objektiv betrachtet, als lukrativ einstuft. Dieser Gedanke kommt niemandem, schade. Es hätte ein Argument sein können, das effektiver gewesen wäre als ein zickiges Zurückgeben der Frage an Reporter und Kollegen. So hat Libby an sich nur zugegeben, dass es ihre Beziehung zu Killian war, die ihr zum Durchbruch verholfen hat.
Fazit
Du merkst, ich bin mit diesem Buch am Hadern. Davon abgesehen, dass ich durch den etwas wirren Schreibstil sehr lang für die 420 Seiten gebraucht habe, verstehe ich einige Entscheidungen der Autorin nicht. Durch die wechselnde Perspektive hätten wir die zwei Figuren sehr gut kennen lernen müssen, doch das ist nicht zu jeder Zeit gelungen.
Ich habe schon angesprochen, dass ich durch den dritten Teil auf diese Reihe aufmerksam wurde. Dieser handelt von einem anderen Bandmitglied, der zweite Band dreht sich um Scott, den Bandmanager. Ganz sicher bin ich noch nicht, ob ich die Geschichten weiter verfolgen möchte. Wenn ich aber zurückkehren sollte, werde ich auf jeden Fall berichten.
Dieses Buch war nett und für Musikfans, die gern Liebesromane mit Protagonisten in ihren späten 20ern lesen, ist es sicher eine großartige Atmosphäre, die mit all den Liedern, Konzerten und Proben beschrieben wird, doch es konnte mich nicht auf allen Ebenen überzeugen.
Deine Daisy