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Veröffentlicht am 21.03.2020

Frauen in einer neuen Zeit

Violet
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England in den 30iger Jahren. Violet ist eine alleinstehende Frau. Unverheiratet und kinderlos ist sie für die Gesellschaft das, was man als „alte Jungfer“ bezeichnet. Seit dem Tod ihres Verlobten im Ersten ...

England in den 30iger Jahren. Violet ist eine alleinstehende Frau. Unverheiratet und kinderlos ist sie für die Gesellschaft das, was man als „alte Jungfer“ bezeichnet. Seit dem Tod ihres Verlobten im Ersten Weltkrieg versucht sie sich ihr eigenes Leben in Winchester aufzubauen, um ihrer herrischen Mutter zu entkommen und ohne der Familie ihres Bruders zur Last zu fallen. Sie schließt sich einer Gruppe von Stickerinnen an, die für die Kathedrale Sitz- und Kniekissen anfertigen. Schnell werden die Frauen und das neue Hobby zu Violet’s Lebensmittelpunkt und nicht zuletzt gibt die Nähe zum älteren Glöckner Arthur ihr den Lebensmut, sich ihrem Leben zu stellen und an ihr Glück zu glauben…
Tracy Chevalier zeichnet in ihrem Roman die Rolle der Frau in den 30igern des 19. Jahrhunderts einfühlsam nach. Es war kein leichtes Leben für die Frauen, da sie oft auf finanzielle Unterstützung durch ihre Familien angewiesen waren und nur allzu oft für ihren emanzipierten Lebensstil von der Gesellschaft naserümpfend ausgestoßen oder gemieden wurden. Es geht um Verlust, Emanzipation, Freiheit und die Auseinandersetzung zwischen alten konservativen Ansichten und neuen selbstbewussten Lebensweisen. Ich fand die Figur der Violet wunderbar gezeichnet. Eine junge, selbstbewusste Frau auf der Suche nach Anerkennung und Liebe, nicht ohne Zweifel an dem, was sie tut, aber dennoch fest entschlossen, sich dem Leben und den an sie gestellten Herausforderungen zu stellen. Violet wird oft von Selbstzweifeln geplagt und sie ist nach wie vor an die Normen und an die familiäre Verantwortung gebunden - eine Rolle, die ihr auch ihr geliebter Bruder aufzwingt. Aber meiner Meinung nach gelingt es der Autorin sehr gut, dass sich ändernde Frauenbild im Spiegel der Zeit und gefangen in den nach wie vor festen Normen zu zeichnen. Unaufgeregt, ruhig und glaubwürdig ist der Schreibstil der Autorin. Gleichzeitig empfand ich, dass die Autorin nie versucht hat, die dargestellten Frauen zu überhöhen. Vielmehr sind es die leisen zwischenmenschlichen Freundschaften – auch die homosexuelle Beziehung zwischen zwei Frauen-Figuren im Buch – die zeigen, wie sich Frauen in der Gesellschaft ihren Platz erkämpfen, trotz aller Widerstände, und welchen enormen Beitrag sie gerade durch den hohen Verlust an Männern im Krieg beim Aufbau ihres Landes geleistet haben. Sozusagen kann man Chevaliers einfühlsamen Roman als eine wunderbare, liebevolle Ode an die Rolle der emanzipierten Frau in den 30iger Jahren verstehen. Wer einen Liebesroman erwartet, wird allerdings nicht auf seine Kosten kommen. Zwar deutet sich eine zarte Bindung zwischen Violet und dem älteren Glöckner Arthur an, aber die Autorin lässt diese Beziehung bewusst und auch wegen vieler konventioneller Umstände außen vor. Vielmehr geht es um Violet und ihren Weg zu einer freien, selbstbewussten Frau, die als ein Vorbild verstanden werden kann. Einen kleinen Abzug muss ich leider beim Tempo der Handlung geben. Obwohl ich die Geschichte wunderbar erzählt empfand, war mir die Entwicklung des Spannungsbogens an manchen Strecken etwas zu langatmig, und die Beschreibungen einzelner Situationen zu detailreich. Klar hat sich die Autorin hier bei der Recherche der Geschichte über die Stickerinnen der Kathedrale von Winchester oder über die Arbeit der Glöckner unglaublich viel Mühe gemacht. Die Einblicke waren interessant und lehrreich, persönlich hätte ich sie aber für die Entwicklung der Figur von Violet nicht gebraucht. Aber das ist meine persönliche Meinung.

Mein Fazit: Ein historischer, einfühlsamer Roman über die Suche einer Frau nach Selbstverwirklichung und persönlichem Glück, in einer Zeit dramatischer gesellschaftlicher Umbrüche. Lesenswert.

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Veröffentlicht am 05.03.2020

Zusammen ist man nicht allein

Geteilt durch zwei
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Nadja lebt ein normales und zufriedenes Leben. Sie ist glücklich verheiratet, hat eine erwachsene Tochter. Doch seit ihrer Kindheit spürt sie, dass sie nicht komplett ist, zumal sie weiß, dass sie von ...

Nadja lebt ein normales und zufriedenes Leben. Sie ist glücklich verheiratet, hat eine erwachsene Tochter. Doch seit ihrer Kindheit spürt sie, dass sie nicht komplett ist, zumal sie weiß, dass sie von ihren aktuellen Eltern adoptiert ist. Eines Tages entdeckt sie durch Zufall ihre Zwillingsschwester Pia. Für beide ist es ein merkwürdiges Gefühl des sich Kennenlernens und sich Wiederfindens. Sie wollen die Wahrheit, die zu ihrer Trennung geführt hat herausfinden. Denn eines ist klar, ihre Adoptiveltern wissen mehr, als sie zugeben...

"Ich suchte trotzdem weiter. Ich wollte wissen, woher ich kam. Aber je mehr ich suchte, desto mehr entfernte ich mich von den Wurzeln, die ich hatte." - Barbara Kunath ist ein sehr einfühlsamer Roman gelungen über die Suche nach der eigenen Identität, nach der anderen Hälfte. Man kann nur erahnen, wie es sich für einen Zwilling anfühlen muss, getrennt zu werden, oder wie es ist adoptiert zu werden und seine eigentlichen Eltern nicht zu kennen. Diesem Thema widmet sich die Autorin mit viel Feingefühl und lässt dabei auch mir als Leserin Freiraum zu berurteilen. Denn es fällt auf, dass die Autorin meist sehr sachlich schreibt, was mich zwar etwas irritiert hat, dennoch aber dem Leser viel Raum lässt ... mit zu fühlen. Denn für Nadja als Protagonistin und Erzählerin ist es alles andere als leicht, sich in der neuen Situation zu finden. Pia reagiert meist anders als erwartet und teils abweisend, was auch mit einer Krankheit zu tun hat, von dem ich als Leserin erst später in der Geschichte erfährt. Dennoch läuft Nadja immer wieder gegen Wände aus Schweigen. Das machte für mich die Geschichte noch emotionaler und auch spannend. Nicht zuletzt baut die Autorin in Rückblenden die Ereignisse ein, die bis zur Geburt der Zwillinge und letztlich zur Adoption geführt haben. Erst dadurch erhält der Leser das komplette Bild der Geschichte, versteht Hintergründe und kann Reaktionen nachvollziehen. Ich fand es wunderbar, wie die Autorin der Gefühlswelt von Nadja Raum lässt und sich auch eher auf die emotionalen Folgen einer Adoption konzentriert und was dieser Vorgang für die betroffenen Menschen bedeutet. Für mich war - neben dem emotionalen Aspekt - die Handlung in sich stimmig und ruhig erzählt. Das Cover ist wunderbar gestaltet und ein schöner Hingucker. Mein Fazit: Eine bewegende Geschichte über die Suche nach sich selbst, zum Nachdenken und Mitfühlen.

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Veröffentlicht am 03.11.2019

Tief bewegende Geschichte

Sal
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SAL erzählt die bewegende Geschichte der 13-Jährigen Sal, die mit ihrer jüngeren Schwester Peppa ins schottische Hochland flieht, nachdem sie ihren Stiefvater getötet hat. Gemeinsam versuchen die beiden ...

SAL erzählt die bewegende Geschichte der 13-Jährigen Sal, die mit ihrer jüngeren Schwester Peppa ins schottische Hochland flieht, nachdem sie ihren Stiefvater getötet hat. Gemeinsam versuchen die beiden in der Wildnis zu überleben.

Mich hat dieser Roman sehr berührt und gleichzeitig auch betroffen gemacht. Der Autor hat mit Sal eine außerordentlich bemerkenswerte Figur geschaffen, die mit ihren 13 Jahren nicht nur akribisch einen Mord plant, sondern auch durch unzählige Online-Tutorials ihre Flucht in die Wildnis bis ins kleinste Detail vorbereitet. Die Ursache dafür ist genauso erschütternd: Sal wurde von ihrem Stiefvater missbraucht und der einzige Ausweg ihre Schwester davor zu bewahren, ist Mord. Gleichzeitig wächst Sal in einer zerrütteten Familie auf: die Mutter Alkoholikerin, die Kinder von unterschiedlichen Vätern. Schon früh muss Sal lernen Verantwortung zu übernehmen, für ihre Mutter und ihre kleine Schwester. Man kann Sal nicht genug bewundern für ihren Mut, aber auch ihre Stärke. Mit 13 Jahren sollten sich Kindern mit schöneren Dingen befassen müssen.

Und genau dieser Spagat gelingt dem Autor, wie ich finde, sehr eindrucksvoll. Sal's Geschichte ist vor allem eine "leise". Der Autor wertet nicht, er erzählt die Ereignisse aus der Perspektive eines Kindes. Man spürt sowohl die Naivität und Unschuld aus dem Erzählten, als auch den Humor und die große Liebe und Fürsorge der Geschwister füreinander. Genau diese Mischung macht das Grauenhafte, was beiden passiert ist, so greifbar und man kann verstehen, warum sich Sal zu diesem Schritt entschlossen hat. Dennoch glaube ich nicht, dass es dem Autor in erster Linie darum ging, den Mord bei einem Missbrauch zu rechtfertigen. Vielmehr geht es ihm um die Stärke geschwisterlicher Liebe, die trotz allem, was passiert ist und was sie in der Wildnis gemeinsam erleben, so stark ist.

Einen Punkt Abzug muss ich allerdings doch geben: Die Figur Ingrid, als deutsche Einsiedlerin, passt für mich nicht recht ins Bild. Ihre Lebensgeschichte ist zwar beeindruckend, doch blieb für mich am Ende die Frage, welchen Zweck sie in der Entwicklung von Sal eingenommen hat. Auch das Ende der Geschichte kam für mich recht abrupt nachdem lang und breit das Leben in der Wildnis mit richtig tollen Landschaftsbeschreibungen ausgebreitet wird.

Mein Fazit: Trotz dem kleinen Makel ist das eine richtig tolle und beeindruckende Geschichte, die vor allem durch eine vielschichtige, mutige Hauptfigur und durch die starke Beziehung der beiden Geschwister zueinander glänzt.

Veröffentlicht am 07.04.2018

Humorvolle Mutter-Tochter-Geschichte

Das Glück kurz hinter Graceland
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Cory Ainsworth ist eine Blues-Sängerin, die sich mehr schlecht als recht durchs Leben kämpft. Eines Tages entdeckt sie im Schuppen ihrer Eltern einen Original-Blawhawk, das Fahrzeug, in dem Elvis Presley ...

Cory Ainsworth ist eine Blues-Sängerin, die sich mehr schlecht als recht durchs Leben kämpft. Eines Tages entdeckt sie im Schuppen ihrer Eltern einen Original-Blawhawk, das Fahrzeug, in dem Elvis Presley selbst gefahren sein soll. Für Cory ist das der Beweis, dass Elvis ihr Vater sein muss. Kurzerhand schnappt sie sich das Auto und fährt die Route ab, die ihre Mutter Honey vor 37 Jahren genommen hat, als sie nach einem Jahr als Backgroundroudsängerin von Elvis Memphis überstürzt und schwanger verlässt.

Kim Wright nimmt uns mit auf eine humorvolle unterhaltsame Reise einer Frau auf der Suche nach ihrer Identität und der Vergangenheit ihrer Mutter. Cory gefällt mir persönlich als Charakter sehr gut. Sie ist humorvoll, authentisch, mutig und auch ein wenig verrückt. Auf der anderen Seite versteht man sie sehr gut. Ihre Mutter hat ihr nie die Identität ihres biologischen Vaters verraten und auch nie Geschichten über die Zeit mit Elvis erzählt. Diese Vergangenheit offenbart sich im zweiten Erzählstrang, der aus der Perspektive von Cory's Mutter Honey die Ereignisse kurz vor dem Tod von Elvis nochmal Revue passieren lässt. Es sind durchaus spannende Einblicke hinter die Türen von Graceland, wenn auch mir als Leser klar ist, dass die Autorin sich hier sicherlich nur fiktiver Ereignisse bedient und diese mit echten historischen Tatsachen verwebt. Dennoch gelingt ihr ein unterhaltsamer Spagat zwischen Fiktion und einer berührenden Mutter-Tochter-Geschichte. Ich hätte mir zwar persönlich ein wenig mehr Tempo für die Geschichte gewünscht, aber ich konnte mich auch gut auf die ruhigen Töne im Erzählstil der Autorin einstellen.

Mein Fazit: Sicherlich kein überragender literarischer Hit, aber eine leichte unterhaltsame Lektüre für den Sommer.

Veröffentlicht am 25.02.2018

Aus Spaß wird ernst

Nackt über Berlin
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Jannik ist ein normaler Sechzehnjähriger aus Berlin. Normal? Fast. Jannik liebt klassische Musik und komponiert gern. Und er ist in der sexuellen Orientierungsphase, denn er merkt, dass er für seinen vietnamesischen ...

Jannik ist ein normaler Sechzehnjähriger aus Berlin. Normal? Fast. Jannik liebt klassische Musik und komponiert gern. Und er ist in der sexuellen Orientierungsphase, denn er merkt, dass er für seinen vietnamesischen Kumpel und Mitschüler Tai schwärmt, ein IT-Genie, der immer mit der Kamera bewaffnet, Momente einfängt, um sie so digital auf einem Datenträger festzuhalten. Beide sind Außenseiter und kämpfen sich mehr schlecht als recht durch den schulischen Alltag. Eines Abends begegnen sie ihrem Schuldirektor Jens Lamprecht, einem äußerst strengen und moralisch festen Zeitgenossen, der sturzbetrunken durch Berlin taumelt. Kurzerhand entführen sie ihn in seine Wohnung und schließen ihn dort ein. Was als kleiner Jungenstreich für Jannik begann, wird bald ernst. Denn Tai spielt sein eigenes Spiel mit dem Direktor, was so perfide ist, dass dieser in einer Art Seelenstriptease eine Höllenfahrt der Gefühle durchlebt - mit einem Ziel, die Wahrheit über den Tod einer Mitschülerin zu erfahren.

Was am Anfang der Geschichte mit einer lockeren und leichten Erzählung beginnt, entwickelt sich für den Leser im Verlauf tatsächlich zu einer tiefgründigen und ernsten Geschichte, die mich als Leserin angesprochen und zum Nachdenken angeregt hat. Mich hat die Geschichte der beiden Freunde sehr überzeugt. Denn Axel Ranisch gelingt es auf eine sehr humorvolle und teils skurile Art und Weise sehr authentische Charaktere zu zeichnen, die mit ihrer Sprache und Handlungsweise überzeugen können. Jannik ist mir von Anfang an sehr sympathisch und auch seine Entwicklung - seine Zweifel und sein innerer Kampf, ob er das Richtige tut und nicht zuletzt seine Gefühle zu einem gleichaltrigen Jungen, die in einem genialen Coming-Out-Moment vor seinen Eltern gipfelt, machen ihn zu einem sehr glaubhaften Helden und Protagonisten. Tai bleibt hingegen durchaus undurchsichtig, weil seine eigentlichen Motive immer irgendwie im Verborgenen bleiben. Aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt - der von Jannik und des Schuldirektor Jens Lamprecht - wird der Leser auf einer turbolenten Achterbahnfahrt mitgenommen, die durchaus ernste Töne anschlägt. Die Entwicklung des Schuldirektors hin zum reuigen "Sünder" wirkt zwar teilweise etwas überspannt, aber passt letztlich doch in diese schnell erzählte und dynamische Geschichte. Die lockere Sprache, die teils skurilen, unterhaltsamen Momente und nicht zuletzt ein wirklich toll gestaltetes Cover machen dieses Buch aus meiner Sicht zu einer echten Leseempfehlung.