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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.12.2019

Überraschend erwachsen

Kingdoms of Smoke – Die Verschwörung von Brigant
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Um ehrlich zu sein, habe ich mir von diesem Buch nicht mehr erhofft als ein wenig unterhaltsame, leichte Lektüre: eben eine typische Jugendbuch-Fantasy mit einer herzerwärmenden Liebesgeschichte und einem ...

Um ehrlich zu sein, habe ich mir von diesem Buch nicht mehr erhofft als ein wenig unterhaltsame, leichte Lektüre: eben eine typische Jugendbuch-Fantasy mit einer herzerwärmenden Liebesgeschichte und einem nicht zu komplizierten Plot.

Auch wenn meine Hoffnungen nicht gänzlich enttäuscht wurden, so konnte mich doch die Geschichte um fünf ganz unterschiedliche, zumeist noch recht junge Menschen, die das Schicksal mehrerer Königreiche bestimmen, in einigen Zügen mit fast erwachsenen Winkelzügen und Tiefgang überraschen.

Zwar handeln und wirken einige der Figuren vorhersehbar naiv und ihrem jugendlichen Alter entsprechend, besonders Catherine konnte mich jedoch mit ihrer Stärke überzeugen.
March und Edyon hingegen kann ich (zumindest nach diesem ersten Band) nicht gerade zu meinen Lieblingen zählen; beide wirken einfach unglaublich naiv und leichtgläubig, ebenso wie charkterschwach, sodass ich angesichts ihrer Handlungen manchmal einfach nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen wollte.

Dagegen konnte mich die Welt an sich vollkommen für sich einnehmen: nicht weil sie besonders gastlich oder verlockend wirken würde, sondern weil sie in ihrer Beschreibung einige wirklich starke Fantasy-Elemente aufweist, die ich in einem Jugendbuch einfach nicht erwartet habe. So wirkt sie zwar ziemlich hart, aber auch überzeugender als das übliche weichgespülte Brimborium.

Insgesamt konnte mich das Buch wirklich von sich überzeugen, noch begeisterter wäre ich nur gewesen, wenn es nicht wieder der Auftakt zu einer Trilogie gewesen wäre.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.11.2019

Familie in Bruchstücken

Otto
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Wenn ein Patriarch, am Ende seines Lebens stehend, von seinen Erlebnissen erzählt, ergibt das keine glatte, runde Geschichte. Wenn dieser Mann, so wie Otto, ein jüdischer Exilant aus Siebenbürgen ist und ...

Wenn ein Patriarch, am Ende seines Lebens stehend, von seinen Erlebnissen erzählt, ergibt das keine glatte, runde Geschichte. Wenn dieser Mann, so wie Otto, ein jüdischer Exilant aus Siebenbürgen ist und dank der geschichtlichen Verwicklungen des letzten Jahrhunderts viel erlebt hat, hat er umso mehr zu berichten.

Seine Erfahrungen gibt er in bruchstückhaften Annekdoten an seine Lieblingstochter Timna weiter (denn die jüngere Babi würde es eh nicht verstehen).
So entsteht ein Roman, der einerseits einen kranken, alten Mann präsentiert, der sein Leben in Gedanken zu ordnen versucht (was nur selten gelingt) und andererseits seine nächsten Angehörigen und Vertrauten (von denen er nicht mehr besonders viele hat), die versuchen sich der Gängelei ihres Oberhauptes zu entziehen (und es doch nicht schaffen).

Das Buch wird mit einer ganz feinen Note Humor erzählt, die Otto seltsam sympathisch wirken lässt, auch wenn er sich augenscheinlich nie darum bemüht hat und die ihn zuallererst menschlich macht.
Wahrscheinlich kennt jeder diese Menschen und hat sie mit noch größerer Wahrscheinlichkeit auch im Familienkreis: die unsympathischen, fordernden, leicht ich-bezogenen, die die größten Erwartungen an andere stellen- und die doch die größten Lücken reißen, wenn sie eines Tages nicht mehr sind.

Zumindest sind mir beim Lesen oft Parallelen aufgefallen. Wahrscheinlich ist mir dieses Buch deswegen so ans Herz gewachsen, hat es mir doch meinen eigenen "Otto" so unheimlich verständlicher gemacht!

Veröffentlicht am 21.11.2019

Kleinod

Letzte Rettung: Paris
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Es ist schon eine hohe Kunst, seine Hauptfiguren gleichzeitig unheimlich unsympathisch und liebevoll-schrullig wirken zu lassen, sodass sie einem nach und nach ans Herz wachsen.

Patrick deWitt hat das ...

Es ist schon eine hohe Kunst, seine Hauptfiguren gleichzeitig unheimlich unsympathisch und liebevoll-schrullig wirken zu lassen, sodass sie einem nach und nach ans Herz wachsen.

Patrick deWitt hat das mit seiner Geschichte um die bankrotte, verwitwete Frances und ihren ziellos durchs Leben streifenden erwachsenen Sohn Malcolm geschafft, die mit ihrem als Katze reinkarnierten Mann/ Vater vor dem Geldeintreiber nach Paris flüchten. Dabei begegnen ihnen viele verschiedene Menschen, die sich in ihrer Skurrilität förmlich gegenseitig versuchen zu überbieten.

Ihm ist damit auf jeden Fall eine kurzweilige, unterhaltsame Geschichte gelungen, die einen perfekt vom Alltag ablenkt. Durch die etwas vage gehaltene Randgeschichte fällt die zeitliche Einordnung etwas schwer, was das ganze zu einem universellen Märchen macht. Auch wenn die moralische Quintessenz dafür zu unscheinbar ausfällt.

Von Frances kann man für meinen Geschmack aber definitiv etwas lernen: manchmal bringt man es im Leben weiter, wenn man sich nicht ständig darüber Gedanken macht, welchen Eindruck man bei anderen hinterlässt. Lebe dein Leben, wie es dir gefällt, bereuen kann man immer noch, wenn man tot ist.

Veröffentlicht am 11.11.2019

Was man erwartet

Tagebuch eines Buchhändlers
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Shaun Bythell ist ein schottisches Original und hat das (Mis-)Vergnügen, das größte literarische Antiquariat Großbritanniens zu führen. Als Hommage an den Buchhandel und gleichzeitige Warnung an all jene, ...

Shaun Bythell ist ein schottisches Original und hat das (Mis-)Vergnügen, das größte literarische Antiquariat Großbritanniens zu führen. Als Hommage an den Buchhandel und gleichzeitige Warnung an all jene, die sich mit dem Gedanken tragen, einen solchen zu eröffnen, zeigt dieses Tagebuch ein Jahr lang den Alltag des Antiquars und beschönigt dabei nichts.

Man sollte sich, wenn man zu diesem Buch greift, von vornherein über eines im Klaren sein: Shaun romantisiert oder beschönigt nichts. Vielmehr hat er eine Annekdotensammlung zusammengetragen über die schlimmsten Momente seines Berufsalltags, angereichert mit dem typisch trockenen, tiefschwarzen Humor der Briten.

Vordergründig erfährt man viel über die schrulligsten, verschrobensten Leute, die dieser Landstrich zu bieten hat. Wenn man zwischen den Zeilen liest, ist es ein Aufruf, den lokalen Buchhandel zu unterstützen, sich als Deutscher über die Buchpreisbindung zu freuen und sich allgemein intensive Gedanken über das eigene Kaufverhalten und den Umgang mit Dienstleistern zu machen.

Dieses Buch lässt sich nicht ganz leicht lesen, es sprüht nicht vor Witz und Amüsement und weist teilweise einige Längen auf. Aber gerade das macht es doch so authentisch und echt. Und um Gottes willen, lasst euch nicht von diesem leicht kitschig-weihnachtlichen Cover täuschen. Happyends gibt es im inhabergeführten Buchhandel offensichtlich nicht allzu viele und doch lässt er sich (hoffentlich) nicht unterkriegen.

Veröffentlicht am 05.11.2019

Der Kreidemann geht um

Der Kreidemann
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Kreidemännchen sind der rote Faden, der dieses Buch zusammenhält.

Als Eddie und seine Freunde 1986 die Leichenteile eines Mädchens finden, markiert von kleinen Kreidemännchen, ahnen sie noch nicht, dass ...

Kreidemännchen sind der rote Faden, der dieses Buch zusammenhält.

Als Eddie und seine Freunde 1986 die Leichenteile eines Mädchens finden, markiert von kleinen Kreidemännchen, ahnen sie noch nicht, dass sie die damit verbundenen Ereignisse 30 Jahre später wieder einholen werden. Doch als Mickey plant, die Geschichte rund um den Mord in einem Buch zu veröffentlichen, weckt er damit den Kreidemann.

Man darf bei diesem Erstlingswerk keine simple Mordermittlung rund um einen Cold Case erwarten, denn "Der Kreidemann" ist meiner Meinung nach so viel mehr. Es erzählt vielmehr die Geschichte einer kleinen Gemeinschaft, neben der Freundschaft von Eddie, Fat Gav, Metal Mickey, Hoppo und Nicky erhält man auch Einblicke in die Leben ihrer Eltern und anderer Erwachsener aus ihrem Umfeld.
Nicht nur die alltäglichen Probleme der Jugendlichen werden aufgegriffen, auch ernstere Themen beeinflussen den Verlauf der Geschichte.

Das wirkt manchmal etwas überfrachtet und man läuft Gefahr, den Überblick über die vielen Figuren zu verlieren, aber insgesamt ergibt es schlussendlich ein rundes Gesamtbild.

Ein großer Pluspunkt des Hörbuches ist aber auch der Sprecher. Devid Striesow schafft es gekonnt, die Figuren lebendig werden zu lassen, und erzeugt mit seinem ruhigen Erzähltempo eine sehr passende, düstere Stimmung.

Allerdings hadere ich etwas mit der Auflösung des Falles. Einerseits war der Täter für mich recht zeitig ersichtlich, andererseits waren mir die gelieferten Erklärungen und Handlungsgründe zu schlicht oder nicht eindeutig. Dafür hat mich dann der Epilog wieder entschädigt.

Fazit:
Mir hat das große Ganze des Buches und die ungewohnte Komplexität gefallen, auch wenn die Auflösung ausbaufähig gewesen wäre.