„Das Geheimnis von Shadowbrook“ kann nicht nur mit einem wunderschönen Cover aufwarten, auch der Klappentext ist mehr als vielversprechend.
Und diese Geschichte war wirklich einfach nur perfekt. Bereits auf den ersten paar Seiten lernen wir Clara und ihre Mutter kennen sowie die Lebensumstände von beiden. Susan Fletcher beschreibt das alles so intensiv, dass ich Claras Emotionen quasi als meine eigenen spüren konnte und ich auf diesen wenigen Seiten mein Herz vollkommen für sie geöffnet habe. Sie muss mit einigen widrigen Lebensumständen kämpfen und weiß dadurch was es heißt, einfach „anders“ als der Durchschnittsbürger zu sein. Sowohl Clara als auch ihre Mutter sind zwei Frauen, die mit ihren Ansichten und Wünschen nicht richtig in die damalige Gesellschaft zu passen scheinen. Ihre Träume sind oft größer als die Realität. In der Zeit kurz vor Beginn des ersten Weltkrieges müssen sich Frauen ihre Gleichberechtigung erst noch erkämpfen. Die Thematik der Rolle der Frau und der Schmerz, den das starre gesellschaftliche Korsett auslösen kann, hat die Autorin wundervoll im ganzen Buch angesiedelt und ist dabei weder zu stark ins Klischee abgerutscht noch hat sie zu oft den erhobenen Zeigefinger ausgepackt.
Clara und ihre Mutter sind zwei Frauen, die sich gegenseitig Halt und Kraft geben in einer Welt, die ihnen nicht das bieten kann was sie sich eigentlich wünschen.An einer Stelle hat es Claras Mutter wunderbar ausgedrückt wenn sie von verschwendeten Leben all der Frauen redet, die sich ihr Leben nicht selbst aussuchen konnten.
Diese besondere Beziehung hat mich stark angerührt und umso betroffener war ich durch den Schicksalsschlag, den Clara erleidet. Sie kommt an einen Punkt, an der so mancher sicher aufgegeben und sich zurückgezogen hätte. Aber dieses junge, kleine zerbrechliche Mädchen nimmt den Kampf auf – sowohl mit den Konventionen als auch mit den alltäglichen Herausforderungen.
Und so kommt es, dass Clara eine neue Leidenschaft für sich entdeckt – die botanischen Gärten von Kew Gardens. Der Zerbrechlichkeit Claras stellt die Autorin geschickt die pulsierende Lebenskraft der Pflanzen gegenüber. Die tropische Pflanzenvielfalt steht im krassen Verhältnis zum grauen, starren London. Hier in Kew Gardens kann Clara beginnen, die Enge ihres alten Lebens hinter sich zu lassen.
Die wahre Entfaltung gelingt ihr erst so richtig auf Shadowbrook. Ebenso wie das ihr anvertraute Gewächshaus erblüht, blüht auch Clara immer mehr auf und macht einige Entwicklungen durch, die ihr bisher verwehrt geblieben sind.
Durch Clara als Protagonistin schafft es Susan Fletcher, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten. Sie hat eine forsche, unverblümte, neugierige und spröde Art an sich und schert sich nicht um gesellschaftliche Konventionen, da sie schon früh gelernt hat, dass sie anders ist. Sie scheut sich nicht, Fragen zu stellen die sich nicht geziemen oder die Nähe zu Männern zu suchen. Hierdurch deckt sie viele starrsinnige Denkweisen auf, einige davon sind auch heute noch recht aktuell. Dadurch, dass sie ständig auf für sich neue Situationen stößt, muss sie auch ihre eigenen Denkmuster und Reaktionen reflektieren und hinterfragen – und so kommt auch der Leser ins Grübeln und kann mit einer gewissen Distanz auf die damalige und die heutige Gesellschaft blicken.
Ebenso, wie Clara alles über das Leben lernen will, möchte sie das Geheimnis um Shadowbrook lüften. Was hat es mit dem angeblichen Spuk auf sich? Auch hier ist Clara unbequem und lässt sich nicht abspeisen. Sie kommt durch ihre Beharrlichkeit schnell den Hintergründen auf die Spur. Sie hat mir durch ihre Herangehensweise oft Respekt abgenötigt, traut sie sich doch etwas zu einer Zeit, in der noch weniger möglich war als heute, insbesondere als Frau.
Gerade an dem Punkt an dem man als Leser denkt, man würde hier eine gängige Schauergeschichte lesen, wird ein Geheimnis von Shadowbrook aufgedeckt und die Geschichte nimmt dadurch eine völlig neue Wendung. Die tatsächliche Erklärung für die Vorkommnisse auf Shadowbrook haben mir gut gefallen, waren sie doch durchdacht und gut geplottet.
Clara wird am Ende dafür belohnt, dass sie ihren eigenen Weg geht und ihr Leben in die Hand genommen hat. Ihre Geschichte zeigt, dass Andersartigkeit auch frei machen kann von gesellschaftlichen Zwängen und Konventionen hin zum wahren Ich und zur eigenen Selbstverwirklichung.
Ein wundervolles Buch für Jedermann mit einer starken Protagonistin und einer klasse Message! Ein wahres Kleinod im Bücherregal!