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Veröffentlicht am 11.02.2020

Ein Roman, der schwer einzuordnen ist

Freinacht
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Dass dieses Buch, eine Mischung aus Roman, Gesellschaftsanalyse und Krimi, zwischendurch etwas unkonventionell wirkt, liegt an der Entstehung. Es ist kein Buch aus dem Elfenbeinturm, wie der Autor im Nachwort ...

Dass dieses Buch, eine Mischung aus Roman, Gesellschaftsanalyse und Krimi, zwischendurch etwas unkonventionell wirkt, liegt an der Entstehung. Es ist kein Buch aus dem Elfenbeinturm, wie der Autor im Nachwort erklärt, sondern es haben sich interessierte User online indirekt beteiligt, Vorschläge gemacht, Ideen niedergeschrieben und aus diesem Austausch formte Thomas Lang dann diese Geschichte.

Dreh- und Angelpunkt ist eine Gruppe Jugendlicher mit all den “typischen” Probleme, die man mit 15, 16 Jahren eben so hat. Cliquen, Freunde, Freundinnen, Gezicke, Misstrauen, Komplexe und vieles mehr. Doch damit nicht genug, taucht auch eine Leiche auf, die alles verändert.

Auch wenn Polizeiermittlungen ein Thema sind, ist die Stärke des Buches, dass der “jugendliche Gedankenstrudel” viel Raum bekommt. Manches ist gut nachvollziehbar, dann wieder handeln die Protagonisten doch sehr unerwartet. Man wird nicht richtig schlau aus ihnen, aber vielleicht ist das auch Absicht.

Dieser Roman ist definitiv kein klassischer Krimi, das sollte man nicht erwarten. Es ist ein sehr analytisch, psychologisch intensives Buch. Da der Fokus auf Jugendlichen liegt, darf man auch nicht erwarten, als erwachsener Leser immer gut mitfühlen zu können, man fühlt doch eine gewisse Distanz, wird nicht ganz warm mit den Charakteren. Dennoch würde ich es nicht als reines Jugendbuch bezeichnen.

Veröffentlicht am 06.11.2019

Nicht alles ist rational erklärbar

Perchtenjagd
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Auch wenn immer noch ein bisschen mehr geht - dieser Krimi hat definitiv eine gute Portion Lokalkolorit erhalten. Ob es nun der hartnäckige Gerichtspsychologe Thomas Meiberger, der klassisch untalentierte ...

Auch wenn immer noch ein bisschen mehr geht - dieser Krimi hat definitiv eine gute Portion Lokalkolorit erhalten. Ob es nun der hartnäckige Gerichtspsychologe Thomas Meiberger, der klassisch untalentierte wie uninteressierte Inspektor Bacher, der ambitionierte Inspektor Ganslinger oder ein abgekämpfter Salzburger Kripochef ist, sie alle tragen zur besonderen Atmosphäre dieses Salzkammergut-Krimis bei.

Doch mit der österreichischen Gemütlichkeit bei Würstel oder Kaffee ist es schnell vorbei, als ein Kind verschwindet und Meiberger schmerzlich an einen eigenen Verlust erinnert wird. Nicht zuletzt deshalb beißt er sich an diesem Fall fest und zieht die richtigen aber auch die falschen Schlüsse.

Seltsam verzierte Männerleichen tauchen auf, Meiberger wird vom Fall abgezogen und als er eine wichtige Zeugin beschützen will, überschlagen sich die Ereignisse.

Alles in allem ist ein Teil der Geschichte gut erzählt, manche Zusammenhänge spannend und Wendungen gelungen. Ein anderer Teil ist dann doch unerwartet actiongeladen und letzten Endes sind einige Passagen im Krimi enthalten, die nicht ganz zur ansonsten realistischen Story zu passen scheinen. Als jemand der die Fernsehserie rund um Meiberger nicht kennt und mit Magie und Mystik nicht so viel anfangen kann, musste ich da immer wieder stutzen.

Wer da aber darüber hinwegsehen kann, wird hier gut unterhalten.

Veröffentlicht am 06.11.2019

Düster und behäbig

Verborgen im Gletscher
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Schwer- und wankelmütig, ganz wie “der Isländer” gerne etwas stereotyp gesehen wird, präsentiert sich dieser Krimi von Arnaldur Indriðason. Hauptfigur ist der kürzlich pensionierte Polizist Konráð, ein ...

Schwer- und wankelmütig, ganz wie “der Isländer” gerne etwas stereotyp gesehen wird, präsentiert sich dieser Krimi von Arnaldur Indriðason. Hauptfigur ist der kürzlich pensionierte Polizist Konráð, ein gutes Beispiel für den eben angesprochenen “Isländer”.

Er beschäftigt sich zwar gerne und viel mit seinen Enkeln, trauert aber immer noch intensiv um seine verstorbene Frau, hängt gedanklich generell viel in der Vergangenheit. Das sind auch durchaus interessante Passagen, die sich in möglichen Fortsetzungen auch mehr Raum verdient hätten. Konráðs Vater hatte eine sehr düstere Seite, die wohl auch auf ihn als Jungen abgefärbt hat. Doch Konráð schaffte rechtzeitig den Absprung.

Aus seinem ehemaligen Beruf dagegen gelang das noch nicht so gut, auch hier holt ihn die Vergangenheit ein. Eine Leiche wird gefunden und sie passt zu einem von Konráðs wenigen alten Fällen, die nie aufgeklärt werden konnten. Lässt sich nach so vielen Jahren nun noch etwas herausfinden?

Wer einen blutigen, actiongeladenen Krimi erwartet, ist hier Fehl am Platz. “Verborgen im Gletscher” hat seine eigenen Gesetze und lässt den Leser die Mühsal eines Cold Case spüren. Feinste, kleinste Hinweise verstecken sind in langen Befragungen, ein gefundener Zeuge oder Name ergibt den nächsten. Konráð wird wider Willen hineingezogen und kann am Ende dann doch nicht die Finger von diesem Fall lassen und ermittelt auf eigene Faust.

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  • Spannung
  • Geschichte
  • Stimmung
  • Figuren
Veröffentlicht am 12.09.2019

Über die wirklich wichtigen Dinge reden

Die einzige Zeugin
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Dieser Krimi ist ungewöhnlich, er weicht vom “gewohnten” Format Mord - Polizeiermittlungen - langes Miträtseln - Lösung schon teilweise stark ab. Das mag zum einen daran liegen, dass die Autorin Tove Alsterdal ...

Dieser Krimi ist ungewöhnlich, er weicht vom “gewohnten” Format Mord - Polizeiermittlungen - langes Miträtseln - Lösung schon teilweise stark ab. Das mag zum einen daran liegen, dass die Autorin Tove Alsterdal ihre erzählerischen Stärken einbringen wollte, aber auch, dass ihr gesellschaftliche Themen am Herzen liegen und sie dazu auch ausführlich recherchiert.

Die Schwedin verknüpft einen fiktiven Mord mit Stockholmer Vergangenheit (vieles rund um den Stadtteil und die Anstalt Beckomberga gibt es wirklich und geschah vor wenigen Jahrzehnten tatsächlich so) und den Lebensbedingungen von Rumänen, die nach Schweden betteln.

Da die Ex-Frau des Opfers, Eva, beschuldigt wird, den Mord begangen zu haben, macht sie sich daran, das Rätsel selbst zu lösen. Der Leser erfährt viel von ihrer inneren Zerrissenheit und den Problemen, die sie aktuell belasten, aber auch welche sie früher hatte. Ihr Verhalten nach der Scheidung und die schwierige Beziehung zu ihrem Sohn macht es für sie nicht leichter und sie selbst erst recht verdächtig.

Dass Eva auch noch zufällig am Tatort war, glaubt ihr dann natürlich niemand mehr. Aber sie ist entschlossen, die einzige mögliche Zeugin der Tat zu finden und nutzt das, um ihren erwachsenen Sohn Filip besser kennenzulernen. Der Krimi wandelt sich zu einem Roadtrip durch halb Europa, immer begleitet von Evas Gefühlschaos.

Parallel passieren in Beckomberga noch einige andere Dinge und die Angst vor einem Serienmörder geht um. Auch dieser Erzählstrang bleibt trotz einer gewissen Spannung erzählerisch, schafft es nicht zu einem thrillerartigen Element zu werden.

Am Ende ist dieses Buch ein Kriminalroman, bei der die Betonung auf der zweiten Worthälfte liegt. Statt Polizei und Befragungen stehen zwischenmenschliche Spannungen, Gesellschaftskritik und die leise Moral, mehr miteinander über wirklich Wichtiges zu reden, im Vordergrund. Nebenbei erfährt man einiges über Stockholms Bettlerszene und auch die Zustände in Rumänien.

Wer sich darauf einlassen kann und keinen “klassischen” Schweden-Krimi erwartet, kann mit diesem Buch seine Freude haben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Geschichte
  • Erzählstil
  • Figuren
Veröffentlicht am 21.08.2019

Kummer, Kitsch und Küsse

Im Freibad
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“Im Freibad” ist ein Roman darüber, was eine Gruppe engagierter Menschen mit Unterstützung der Öffentlichkeit alles leisten kann, trotz großer Konzerne, mächtiger Leute und dem Geld, das die Welt regiert. ...

“Im Freibad” ist ein Roman darüber, was eine Gruppe engagierter Menschen mit Unterstützung der Öffentlichkeit alles leisten kann, trotz großer Konzerne, mächtiger Leute und dem Geld, das die Welt regiert. Diese Utopie dreht sich hier um das titelgebende Freibad in einem Londoner Stadtteil.

Wie überall wird auch dort gespart und so kommt es zu Schließungen von Geschäften und öffentlichen Einrichtungen. Der ganze Stadtteil trauert und nimmt es hin. Der ganze Stadtteil? Nein! Eine Gruppe unbeugsamer Schwimmer überzeugt eine junge Journalistin, um ihre Freizeiteinrichtung zu kämpfen.

Die Idee ist okay, die Charaktere großteils auch, zwischendrin gab es für mein Empfinden ein paar zu viele Klischees, die unbedingt bedient werden mussten. Kate und Rosemary, die beiden Hauptfiguren, werden ausgiebig beleuchtet (werden mir zu sehr durch ihre Probleme, ihren Kummer definiert), wodurch für manch andere Personen wenig Raum bleibt.

Der einfache Schreibstil (oder die Übersetzung?) ist relativ Metaphern-lastig, wovon einige neu sind oder in gewissen Szenen durchaus überraschen können, aber durch die Häufigkeit verlierst sich dieser Effekt bald.

Generell ist wenig Überraschung möglich, der Verlauf erwartbar sogar mit der einen oder anderen Wendung. Gute Momente, wo ein bisschen gegen das Klischee gekämpft wird (Teenager krempelt sein Leben um und kommt von der “schiefen Bahn” noch weg) werden leider oft mit kitschigen Dialogen oder offensichtlichen Entwicklungen (warum braucht es noch die Lovestory?) plattgewalzt.

Alles in allem ein netter Sommerroman, der gerne etwas Tiefe hätte, aber meiner Meinung nach im seichten Nichtschwimmerbereich stehen bleibt.