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Veröffentlicht am 18.12.2019

Eine Familiengeschichte geht weiter

Die Zeit der Töchter
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München im Jahr 1957: Maria Richter und Vivien Kroll haben den Zweiten Krieg hinter sich gebracht, ihre Töchter entdecken das Leben in der Stadt. Anna (30) versucht sich als Schauspielerin am Residenztheater, ...

München im Jahr 1957: Maria Richter und Vivien Kroll haben den Zweiten Krieg hinter sich gebracht, ihre Töchter entdecken das Leben in der Stadt. Anna (30) versucht sich als Schauspielerin am Residenztheater, nachdem sie am Wiener Burgtheater weniger Erfolg hatte. Nach dem Abbruch des Medizinstudiums arbeitet Antonia als Krankenschwester. Die zwei Cousinen bereiten ein Wiedersehen ihrer Mütter mit denjenigen Frauen vor, die sie bei Kriegsende aus dem Lager retten konnten. Doch deren anhaltender Einsatz für Flüchtlinge könnte noch in einer Katastrophe enden…

„Die Zeit der Töchter“ ist die Fortsetzung von „Die Stunde unserer Mütter" und damit der zweite Band der „Mütter und Töchter“-Reihe von Katja Maybach.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 49 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Erzählt wird aus unterschiedlichen Perspektiven, vor allem aus der von Anna, Antonia, Maria und Vivien. Die Wechsel bereiten keine Probleme, da diese durch die Angabe der Namen vorher angezeigt werden. Außerdem gibt es Einschübe, die mit „Veronikas Geschichte“ überschrieben sind. Der Aufbau des Romans funktioniert gut.

Der Schreibstil ist anschaulich, lebhaft und einfühlsam. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir leicht. Auch ohne Vorkenntnisse des ersten Bandes lässt sich der Roman dank kurzer Rückblenden gut verstehen, obgleich ich empfehlen würde, zunächst Teil 1 zu lesen.

Aufgrund des Titels und der Inhaltsangabe hatte ich erwartet, dass Anna und Antonia in diesem Band stark im Vordergrund stehen. Das ist tatsächlich aber insoweit nicht der Fall, dass auch ihre Mütter weiterhin viel Raum im Roman einnehmen. Antonia kommt dabei für meinen Geschmack ein wenig zu kurz. Alle vier Protagonistinnen sind starke Frauenfiguren mit Ecken und Kanten, die mir sympathisch waren. Die meisten Personen in der Geschichte wirken realitätsnah.

Gut gefallen hat mir, dass Roman sehr aktuelle Themen aufgreift. Damals wie heute spielen Fremdenhass, Flucht, Vertreibung und Hetze im Alltagsleben eine entscheidende Rolle. Ich fand es interessant, Parallelen zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu ziehen. Gleichzeitig erfährt der Leser einiges über die Zeit der Nachkriegsjahre und ihre Nöte, wobei immer wieder die fundierte Recherche der Autorin deutlich wird. Das macht den Roman vielschichtig und lehrreich.

Auf rund 350 Seiten kommt keine Langeweile auf. Die Geschichte bleibt abwechslungsreich und unterhaltsam. Zugleich versteht es die Autorin, emotional zu berühren.

Das nostalgisch anmutende Cover schaut nicht nur hübsch aus, sondern passt auch hervorragend zur Geschichte. Der Titel orientiert sich am Vorgängerband und ist ebenfalls treffend gewählt.

Mein Fazit:
Mit „Die Zeit der Töchter“ ist Katja Maybach erneut ein Roman gelungen, der nicht nur unterhält, sondern auch bewegt und zum Nachdenken anregt. Empfehlenswert nicht nur für Leser mit einem Hang für historische Stoffe.

Veröffentlicht am 12.12.2019

Das Leben und Lieben der Frida Kahlo

Frida Kahlo und die Farben des Lebens
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Mexiko im 20. Jahrhundert: Die junge Frida hat ein Studium begonnen, um Ärztin zu werden, als ein schwerer Unfall im September 1925 diesen Traum zunichtemacht. Dann jedoch entdeckt sie ihre Leidenschaft ...

Mexiko im 20. Jahrhundert: Die junge Frida hat ein Studium begonnen, um Ärztin zu werden, als ein schwerer Unfall im September 1925 diesen Traum zunichtemacht. Dann jedoch entdeckt sie ihre Leidenschaft fürs Malen, trifft das Künstlergenie Diego Rivera und verliebt sich in ihn. Durch ihn lernt sie die Welt der Kunst kennen und wird ermutigt, eigene Werke zu schaffen. Zwar feiert sie mit ihren Bildern bald Erfolge, doch das Leben hält für sie noch einige Prüfungen bereit…

„Frida Kahlo und die Farben des Lebens“ von Caroline Bernhard ist der elfte Roman aus der Reihe „Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe“ des Aufbau-Verlags.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einem Prolog und einem Epilog. Darüber hinaus besteht er aus drei Teilen, die wiederum in 27 Kapitel mit einer angenehmen Länge untergliedert sind. Erzählt wird aus der Sicht von Frida. Die Handlung ist weitgehend chronologisch und umfasst die Jahre 1925 bis 1953. Die Struktur funktioniert gut.

Der Schreibstil ist anschaulich und – dank viel wörtlicher Rede und detaillierten Beschreibungen – recht lebhaft. Der Einstieg fiel mir leicht.

Im Mittelpunkt des Romans steht natürlich Frida Kahlo selbst, eine reizvolle Ausnahmepersönlichkeit, die meine Neugier schnell geweckt hat. Sie wirkt sowohl authentisch als auch in Teilen sympathisch. Ihre Gedanken und Gefühle werden gut deutlich. Mit ihrem Verhalten konnte ich mich jedoch nicht immer identifizieren. Auch die übrigen Personen sind realitätsnah dargestellt.

Von dem rund 400 Seiten umfassenden Roman habe ich mir versprochen, mehr über die faszinierende Malerin aus Mexiko zu erfahren. Und tatsächlich ist er nicht nur unterhaltsam, sondern auch lehrreich. Das Buch vermittelt etliche unbekannte Dinge über Frida Kahlo, die nur 47 Jahre alt wurde. Dass die Autorin viel Arbeit in die Recherche investiert und sich intensiv mit der Künstlerin beschäftigt hat, wird an mehreren Stellen deutlich. Das geht auch aus dem interessanten Nachwort hervor, das einige Literaturverweise enthält. Allerdings nimmt sich die Autorin auch die Freiheit heraus, sich nicht immer ganz strikt an die biografischen Begebenheiten zu halten, was ich absolut in Ordnung finde.

Zwar lernt der Leser die berühmte Malerin und ihre Werke kennen. Auch die Kunstszene wird beleuchtet. Viel Raum nimmt jedoch die Liebe zu Diego Rivera ein. Zusammen mit den Schilderungen ihrer gesundheitlichen Probleme gibt dies dem Roman eine emotionale Komponente. Dennoch kann mich die Autorin – wie schon bei „Die Muse von Wien“ – nicht ganz fesseln und begeistern, sodass ich den Roman trotz der an sich recht abwechslungsreichen Handlung stellenweise als ein wenig langatmig empfunden habe.

Das Cover und die Aufmachung der broschierten Ausgabe sind sehr hübsch geworden. Der bildhafte Titel ist ebenfalls ansprechend und passt gut zum Inhalt.

Mein Fazit:
„Frida Kahlo und die Farben des Lebens“ von Caroline Bernhard ist ein Roman über eine faszinierende Künstlerin, der für unterhaltsame und interessante Lesestunden sorgt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.12.2019

Wieder turbulente Zeiten für die Thalheims

Die Schwestern vom Ku'damm: Wunderbare Zeiten
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Berlin im Jahr 1952: Man muss das Leben tanzen, das ist das Motto von Silvie Thalheim. Während für ihre ältere Schwester Rike das Kaufhaus am Ku'damm an erster Stelle steht, hat die mittlere Schwester ...

Berlin im Jahr 1952: Man muss das Leben tanzen, das ist das Motto von Silvie Thalheim. Während für ihre ältere Schwester Rike das Kaufhaus am Ku'damm an erster Stelle steht, hat die mittlere Schwester nach den Jahren des Kriegs genug von Verlust und Verzicht und will nur das Leben genießen. In den Wirtschaftswunderjahren laufen die Geschäfte ohnehin bestens. So bleibt der attraktiven Silvie Zeit, ihre eigenen Träume zu verfolgen: Sie will als Rundfunkredakteurin beim RIAS Karriere zu machen. Doch seit ihr Zwillingsbruder aus dem Krieg heimgekehrt ist, ist alles anders. Oskar soll das Unternehmen leiten, aber er feiert lieber die Nächte durch. Und als ein verhasster Konkurrent die Geschäfte torpediert und den Thalheims alles zu nehmen droht, wird Silvie schließlich klar, dass sie endlich Verantwortung übernehmen muss…

„Die Schwestern vom Ku’damm – Wunderbare Zeiten“ ist der zweite Teil der 50er-Jahre-Trilogie von Brigitte Riebe.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus einem Prolog, der im Frühling 1952 spielt, sowie 14 Kapiteln. Während der erste Band der Thalheim-Reihe die Jahre 1945 bis 1951 behandelte, geht es nun um die Jahre 1952 bis 1957. Die Geschichte spielt vorwiegend, aber nicht ausschließlich in Berlin. Einheitliche Orts- und Zeitangaben erleichtern die Orientierung. Der Aufbau des Romans funktioniert gut.

Der Schreibstil ist – wie vom Vorgängerband gewohnt – flüssig, angenehm, anschaulich und bildreich. Er lässt viele Bilder entstehen. Durch die Vorkenntnisse aus Band 1 fiel es mir leicht, in die Geschichte einzutauchen. Zum besseren Verständnis empfiehlt es sich, zunächst den Auftakt-Roman zu lesen. Die Handlung lässt sich zur Not aber auch unabhängig davon verfolgen.

Ein Fokus liegt erneut auf den starken Frauenfiguren im Roman. Nachdem Rike im Auftakt der Thalheim-Trilogie im Mittelpunkt stand, verschiebt sich der Schwerpunkt nun zu Silvie, die mir leider schon beim ersten Band nicht ganz so sympathisch war. Zwar konnte sie mir die Fortsetzung etwas näherbringen, denn sie macht eine Entwicklung durch. Dennoch wurde ich auch dieses Mal mit ihr nicht so ganz warm. Sie und die übrigen Charaktere wirken allerdings durchaus authentisch.

Die Stärke des Romans liegt wieder einmal in der fundierten Recherche, die an vielen Stellen deutlich wird. Historische Fakten und Details werden gekonnt in die fiktive Geschichte eingewebt. So gibt es selbst für geschichtsversierte Leser wissenswerte und interessante Aspekte zu entdecken, was den Roman zu einer gleichsam unterhaltsamen wie lehrreichen Lektüre macht. Die schon im ersten Band abgedruckte Chronik, die die wichtigsten historischen Ereignisse in Berlin auflistet, wird um die Jahre 1952 bis 1957 fortgeführt. Ein sinnvolles und hilfreiches Extra.

Mit mehr als 450 Seiten ist der Roman wieder recht umfangreich. Dennoch kommt beim Lesen keine Langeweile auf. Immer wieder baut sich durch Wendungen und Überraschungen Spannung auf. An einigen Stellen finde ich die Handlung jedoch etwas zu übertrieben dramatisch.

Das hübsche Cover, das das Design des Vorgängerbandes aufgreift, vermittelt Nostalgie und passt gut in die Optik jener Zeit. Der Titel „Wunderbare Zeiten“ ist meiner Ansicht nach aber nicht ganz treffend.

Mein Fazit:
„Die Schwestern vom Ku’damm – Wunderbare Zeiten“ von Brigitte Riebe ist eine gelungene Fortsetzung der Thalheim-Reihe, die zwar nicht ganz an den ersten Band herankommt, mir allerdings wieder schöne Lesestunden bereitet hat. Sicherlich werde ich auch noch den Abschluss der Trilogie lesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.12.2019

Das Glück ist ein schlüpfriger Fisch

Für damals, für immer
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Kentucky im Juli: Das Leben von Evangeline Maeve Royce (30) scheint perfekt. Nach der Hochzeit mit Sergeant Eamon Royce, einem Polizisten, erwartet die Tänzerin die Geburt ihres Sohnes Noah. Sie ist hochschwanger ...

Kentucky im Juli: Das Leben von Evangeline Maeve Royce (30) scheint perfekt. Nach der Hochzeit mit Sergeant Eamon Royce, einem Polizisten, erwartet die Tänzerin die Geburt ihres Sohnes Noah. Sie ist hochschwanger und freut sich sehr auf das erste Kind, aber dann wird ihr Mann bei einem Einsatz tödlich von einer Kugel getroffen. Für Evi bricht eine Welt zusammen. Doch Dalton Berkeley-Royce, Eamons gleichaltriger Halbbruder und der Besitzer eines Fahrradladens, ist für die junge Mutter da. Können sie miteinander glücklich werden? Und wäre das im Sinne von Eamon?

„Für damals, für immer“ ist der Debütroman von Leesa Cross-Smith.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus sieben Kapiteln. Die ersten sechs sind in jeweils drei Abschnitte untergliedert: Erzählt wird jeweils aus der Sicht von Evangeline, Eamon und Dalton – und zwar in der Ich-Perspektive. Im letzten Kapitel kommen nur Evangeline und Dalton zu Wort. Das Geschehen spielt sowohl in der Gegenwart, die im Präsens erzählt wird, als auch in den Jahren zuvor. Viele Zeitsprünge und Rückblenden erfordern ein konzentriertes Lesen. Der Aufbau ist jedoch sorgsam durchdacht und funktioniert gut.

Sprachlich ist der Roman besonders. Positiv anzumerken ist, dass sich der anschauliche Schreibstil – je nach Perspektive – an die drei Protagonisten anpasst. Besonders in Evangelines Passagen zeigt sich eine poetische Note. Begeistern konnten mich immer wieder Sprachbilder, die zum Teil sehr kreativ sind. Auch das Aufgreifen und Übertragen von Termini aus der Musik gefällt mir gut. Allerdings zeigen sich in der deutschen Ausgabe auch einige sprachlichen Schwächen, vor allem dann, wenn zu wortwörtlich übersetzt wurde und der Text somit nicht idiomatisch wirkt.

Die drei Protagonisten sind interessante Charaktere mit Ecken und Kanten, die recht authentisch dargestellt werden. Ihre Gedanken- und Gefühlswelt lässt sich gut nachvollziehen. Eamon und Dalton waren mir schon nach wenigen Seiten sympathisch. Evangeline bleibt leider jedoch bis zum Schluss merkwürdig blass.

Thematisch geht es um mehr als die Liebe. Auch Trauer, Verlust, Familie, Identität und Geheimnisse spielen eine wichtige Rolle. Dieser Mix macht die Geschichte emotional bewegend, aber nicht gefühlsduselig.

Ungewöhnlich ist, dass schon im ersten Kapitel einiges vorweggenommen wird. Der Fokus liegt nicht auf der Frage, ob Dalton und Evi zusammenkommen werden, sondern auf deren Vorgeschichte. Viel Raum nimmt daher die Vergangenheit von Eamon und Dalton ein. Vor allem in den Rückblenden hat der Roman einige Wendungen und Überraschungen zu bieten. In der Gegenwart ist die Geschichte recht handlungsarm. Im Großen und Ganzen bleibt der Roman auf mehr als 360 Seiten dennoch kurzweilig und unterhaltsam.

Das Cover ist optisch sehr ansprechend, wobei sich mir der inhaltliche Bezug nicht so ganz erschließt. Das gilt auch für den wohlklingenden deutschen Titel, wobei mir das amerikanische Original („Whiskey and ribbons“) mehr zusagt.

Mein Fazit:
Obwohl mich „Für damals, für immer“ von Leesa Cross-Smith nicht in allen Punkten überzeugen konnte, konnte mich die Geschichte fesseln. Ein in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlicher Roman, der mich trotz seiner Schwächen gut unterhalten hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Gefühl
  • Cover
  • Charaktere
  • Handlung
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 10.11.2019

Die zerstörerische Macht der Familie

Das Erbe
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Eine Blechkiste mit wenigen Dingen hinterlässt Großvater Wolf seinem Enkel Karlchen, aber auch 221 Seiten Papier. Darauf schildert er sein Leben. Als Kind darf Wolf nur mit einem Helm oder anderem Sonnenschutz ...

Eine Blechkiste mit wenigen Dingen hinterlässt Großvater Wolf seinem Enkel Karlchen, aber auch 221 Seiten Papier. Darauf schildert er sein Leben. Als Kind darf Wolf nur mit einem Helm oder anderem Sonnenschutz vor die Tür. Meist schläft der Junge tagsüber. Nachts ist er wach, denn die Mutter glaubt oder behauptet zumindest, das Kind habe die Mondscheinkrankheit. Ein Umstand, der ihn von vielen Gleichaltrigen isoliert und ihn zum Alleinsein verdammt. Zwar stellt sich nach Jahren bei einem Arzt heraus, dass das mit der Krankheit ein Irrtum war. Doch auch als Erwachsener meidet Wolf das geschäftige Treiben draußen in der Stadt Hannover. Stattdessen zieht er die Nacht und ihre Einsamkeit vor. Das ändert sich erst, als Freddy, sein in England aufgewachsener Halbbruder, den er zuletzt als Baby gesehen hat, plötzlich bei ihm auftaucht. Aus der Freude über das Wiedersehen wird jedoch bald eine dunkle Ahnung, dass Wolf nicht die ganze Wahrheit über sein Leben kennt und Freddy eine Bedrohung für ihn werden könnte…

„Das Erbe“ ist der Roman eines deutschsprachigen Autors, der unerkannt bleiben will und unter dem Pseudonym R.R. SUL geschrieben hat.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit dem Brief an den Enkel, der als eine Art Prolog fungiert. Darauf folgen einige Kapitel, die wiederum in Abschnitte untergliedert sind. Der Roman umfasst einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten und spielt – aus heutiger Sicht - mal in der Vergangenheit und mal in der Zukunft. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Wolf – allerdings nicht streng chronologisch, denn es gibt immer wieder Zeitsprünge. Dennoch lässt sich die Geschichte gut verfolgen.

Sprachlich ist der Roman einzigartig. Der Schreibstil wirkt durch die kurzen, aber prägnanten Sätze und Satzteile zunächst recht simpel, erweist sich aber über weite Strecken als eindringlich und intensiv. Dem Autor gelingt es, mit wenigen Wörtern viel Atmosphäre zu transportieren. Besonders gut gefallen haben mir die treffenden und kreativen Sprachbilder, die sich durch den gesamten Text ziehen.

Mit Wolf steht ein interessanter, aber auch befremdlicher Charakter im Vordergrund. Sein Verhalten ist ziemlich speziell, zum Teil sogar verstörend, und stellenweise durchaus extrem. Auch die übrigen Personen sind recht eigenwillig und mehr oder weniger sonderbar.

Die Thematik hat mich sofort angesprochen. Die Macht, die die Familie auf Menschen und ihre weitere Entwicklung ausübt, die Suche nach der Wahrheit und die Nachwirkungen einer traumatischen Kindheit bringen psychologische Tiefe in die Geschichte und regen zum Nachdenken an.

Der Roman beginnt mit einem grandiosen Einstieg und erzeugt schon nach wenigen Seiten eine starke Sogkraft, die jedoch im weiteren Verlauf etwas abflacht. Durchweg herrscht eine gewisse Grundspannung, die dazu verleitet, zügig weiterzulesen. Die Handlung ist sehr dicht, auf nur etwas mehr als 200 Seiten passiert viel. Zudem spielt der Roman mit der Frage: Was ist die Wahrheit? Es entsteht ein Verwirrspiel, bei dem der Leser nicht weiß, wem er glauben soll und wem er trauen darf. Der Schluss hat mich allerdings ein wenig enttäuscht, denn für meinen Geschmack bleiben zu viele zentrale Fragen offen, zu viele Rätsel ungeklärt und zu viele Widersprüche unaufgelöst. Darüber hinaus wird das Geschehen zum Ende hin immer abstruser und leider auch unrealistischer.

Die düstere optische Aufmachung der gebundenen
Ausgabe macht einen wertigen Eindruck und passt gut zum Inhalt. Auch der vieldeutige Titel ist eine gute Wahl.

Mein Fazit:
„Das Erbe“ von R.R. SUL ist ein interessanter und aufwühlender Roman. Eine Lektüre, die mich fesseln konnte, aber auch ein wenig ratlos zurückgelassen hat.