sehr einfühlsam
Laure ist magersüchtig. Als sie sich nach langer Zeit dazu entscheidet, in eine KLinik zu gehen, ist sie mehr tot als lebendig, kann sich kaum auf den Beinen halten und spürt nichts mehr außer der Kälte, ...
Laure ist magersüchtig. Als sie sich nach langer Zeit dazu entscheidet, in eine KLinik zu gehen, ist sie mehr tot als lebendig, kann sich kaum auf den Beinen halten und spürt nichts mehr außer der Kälte, die sich in ihrem Körper ausgebreitet hat. Doch sie will leben, um jeden Preis und nimmt so auch die Maßnahmen in der Klinik bedingungslos an.
"Tage ohne Hunger" war erst mein 2. Buch von Delphine de Vigan, doch sie hat mich wieder so in ihren Bann geschlagen, dass sie zu meinen liebsten Autorinnen gehört. Sie hat einen ganz einzigartigen Schreibstil meiner Meinung nach. Nicht ausschweifend, eigentlich sehr knapp und nüchtern, aber trotzdem schafft sie es mit nur wenigen Worten solch große Gefühle in mir auszulösen. Sie schildert den Weg von Laure in der Ich-Perspektive und erzählt von der Kindheit und den Gefühlen, die sie in die Magersucht getrieben haben. Ich hatte das Gefühl, alles am eigenen Leib zu erfahren. Dabei hat es mich auch nicht gestört, dass nicht alles bis ins Detail erläutert wird, im gegenteil, das Auslassen von Hintergründen hat es für mich noch intensiver gemacht. Laure beschreibt sehr eindrücklich, warum sie aufgehört hat zu essen, beschreibt, die Macht, die Kontrolle, die sie dadurch empfindet, je dünner sie wird, desto lebendiger fühlt sie sich. Auch die Angst, über einen bestimmten Punkt hinaus zuzunehmen, beschreibt sie sehr einfühlsam und klar. Für sie bedeutet jedes Gramm Fett einen Verlust über ihr Leben.Die wenigen anderen Klinikbewohner, die sie trifft spielen zwar nur eine untergeordnet Rolle, doch auch sie werden so authentisch beschrieben, dass ich sie mir gut vorstellen kann.
Man mag daran zweifeln, ob sich ein Magersüchtiger wirklich so bedingungslos seiner Heilung hingeben würde, ganz ohne Widerstand. Doch ich glaube Laure hat begriffen, dass sie nur diese eine Chance hat, wenn sie weiterleben möchte, sie hat den Schritt aus eigenem Willen heraus getan. Und auch sie muss kämpfen, mit dem Ekel und dem Wunsch, die Kontrolle über ihren Körper zurückzubekommen, die beide dem Weiterleben im Weg stehen. Immer wieder muss sie sich zwingen nicht in alte Verhaltensmuster zu verfallen und ich finde diese Zwigespaltenheit wird sehr gut dargestellt.
Alles in allem hat mich Dephine de Vigan mit "Tage ohne Hunger" wieder nach nur wenigen Sätzen in ihren Bann gezogen. Es ist ein Buch, das einen Einblick gibt in die Gedanken und Gefühle einer Magersüchtigen, das mich zustiefst berührt hat und das sich zu lesen lohnt!