Der Strom der Toten
Leutnant Jasmin-Pascal Andersson wird während eines Spezialauftrags im Norden des Kosovo so schwer verletzt, dass ihr Herz vierzig Sekunden lang stehen bleibt und sie reanimiert werden muss. Sie erholt sich zwar körperlich, doch sie leidet seit dem unter Halluzinationen, sodass Ärzte ein posttraumatisches Stresssyndrom diagnostizieren.
Zurück in Stockholm scheidet sie aus dem Militärdienst aus und nimmt einen Job als Sekretärin im Verteidigungsministerium an, um Stabilität zurück in ihr Leben zubringen. Wenig später bringt sie ihren Sohn Dante zur Welt. Es scheint als hätte sie das Kriegstrauma überwunden, doch ihre Träume und Gedanken drehen sich weiter um die chinesische Hafenstadt, die sie während ihres Herzstillstandes gesehen und erlebt haben will.
Als sie mit ihrer Mutter und Dante im Auto einen schweren Autounfall hat und ihr Herz erneut stehen bleibt, befindet sie sich plötzlich erneut in der Hafenstadt. Als sie beobachtet, wie ein Menschenstrom auf die Schiffe zugeht, ahnt sie noch nicht, dass ihr Schicksal in dieser Stadt der Toten auf eine sehr harte Probe gestellt werden wird.
Der Autor:
Lars Kepler ist das Pseudonym von Alexandra Coelho Ahndoril und Alexander Ahndoril. Ihre höchst erfolgreiche Krimiserie um Joona Linna wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und hat in vielen Ländern die Bestsellerlisten gestürmt. Das Ehepaar lebt mit seinen drei Töchtern in Stockholm.
Reflektionen:
Lars Keplers erfolgreiche Kriminalromane um Joona Linna haben mich seinerzeit sehr begeistert und meine Erwartung an Playground war, einen ebenso guten Kriminalroman zu lesen. Doch Lars Kepler überrascht, denn Playground ist zwar spannend wie ein Krimi, aber weit entfernt von einem Kriminalroman.
Der Roman Playground wird in zwei Ebenen erzählt. Die eine Ebene ist die des realen Lebens der Jasmin Pascal-Andersson, die sich durch zwei Reanimationen zurück ins Leben kämpft. Sie wird als psychotisch behandelt und sogar eingesperrt. Die Rekonvaleszenz dauert fünf Jahre und der Vater ihres Sohnes Dante will ihr sogar das Sorgerecht streitig machen. Als sie dann einen schweren Autounfall hat und ihr Herz erneut stillsteht, springt die Geschichte in die zweite Ebene, die fiktive Hauptebene.
Jasmin findet sich in einer chinesischen Hafenstadt wieder, in der es weder Sonnenlicht, noch Mond noch Sterne gibt und wo Sekunden zu Stunden werden. Im realen Leben sind es Sekunden, in denen ein Notarzt um ein Leben kämpft, während man in der Hafenstadt ein Leben lebt und darauf hofft, wiederkehren zu dürfen.
Die Hafenstadt liegt zwischen Leben und Sterben.
Jasmin wird erfolgreich reanimiert, erwacht und weiß nun, dass sie nicht psychotisch ist. Während ihre Mutter bei dem Unfall stirbt, ist Dante schwer verletzt. Es gibt Komplikationen und nur eine Operation, bei der die Ärzte sein Herz zum Stillstand bringen müssen, kann Dante retten. Jasmin hat panische Angst, dass der fünfjährige Dante allein in der kriminellen und gefährlichen Hafenstadt ankommt und um das zu verhindern lässt sie sich durch eine Injektion zurück in die Stadt der Toten katapultieren.
Lars Keplers Roman spielt hauptsächlich in der fiktiven Welt. Das sollte dem Leser bewusst sein, wenn er sich für Playground entscheidet. Dieser Roman ist mit seinen vorherigen Büchern nicht zu vergleichen und doch konnte er mich mit dieser ungewöhnlichen Story fesseln.
Neben den interessant gezeichneten Hauptfiguren, die in ihren Charaktereigenschaften eine angenehme Tiefe aufweisen, scheint das Hauptaugenmerk nicht auf den Protagonisten zu liegen, sondern auf der Entwicklung der komplexen, aber sehr flüssig lesbaren Geschichte an sich. Innerhalb der Kapitel springt die Geschichte zwischen der realen und fiktiven Welt hin und her, das muss man mögen.
Besonders gelungen ist die Figur der Jasmin, die durch ihre Herzstillstände Einblicke in eine fiktive Welt erlangt. Dadurch dass sie ihren Sohn in der Hafenstadt der Toten nicht allein ankommen lassen will, nimmt sie wirklich Dramatisches auf sich. Doch bevor Jasmin begreift, dass es diese Welt tatsächlich gibt plagen sie Selbstzweifel, Ängste und Alpträume. Sie vertraut sich nicht mehr selbst und hat Angst nicht mehr zwischen Wirklichkeit und Fantasie unterscheiden zu können, und sie hat die Vorahnung einer Katastrophe. Jasmins persönliche Konflikte sind sehr eindringlich und nachvollziehbar beschrieben und so erreichen sie den Leser auf eine hoch emotionale Weise.
Wer nun denkt es fließe hier kein Blut der täuscht sich, denn in dieser unrealen Welt wird mit allen Mitteln und auf brutalste Weise gekämpft. Verrat, Macht, altertümliche Traditionen und Vetternschaft erschweren den Kampf um das Überleben, denn es gibt für alle nur ein Ziel:
Die Wiederkehr.
Lars Kepler bringt diese ideenreiche und außergewöhnliche Geschichte mit Tempo voran und baut so eine anspruchsvolle und fesselnde Spannungskurve auf. Ab und zu empfand ich jedoch einen Spannungsabriss. Immer dann wenn sich der Autor in Details verliert, die nach meinem Geschmack durch ein Weniger ein Mehr gewesen wären. Playground endet letztendlich in einem blutigen Showdown, der vieles auflöst, dem Leser jedoch auch Raum für eigene Wahrheiten lässt.
Fazit und Bewertung:
Wer sich gern auf eine dramatische und abenteuerliche Geschichte in einer fiktiven Welt einlässt, dem sind spannende Lesestunden garantiert. Doch jedem Lars Kepler Fan sollte bewusst sein, dass dieser Roman mit keinem seiner vorherigen Bücher vergleichbar ist. Mich persönlich hat dieser Umstand tatsächlich etwas enttäuscht.