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Veröffentlicht am 17.11.2019

Eine Hommage an das Lesen, die die Herzen aller Fantasy-Fans erweichen wird.

Tintenwelt 1. Tintenherz
0

"Ach konnte man sich doch die Worte aus Hirn und Herz wegwischen und die Welt nur ein einziges Mal mit den eigenen Augen sehen."

Ich werde immer nostalgisch, wenn ich an Bücher aus meiner Kindheit denke. ...

"Ach konnte man sich doch die Worte aus Hirn und Herz wegwischen und die Welt nur ein einziges Mal mit den eigenen Augen sehen."

Ich werde immer nostalgisch, wenn ich an Bücher aus meiner Kindheit denke. Ich weiß noch sehr gut, dass ich meine Eltern laufend in den Wahnsinn getrieben habe, in dem ich als Kind etliche (vielleicht nicht ganz altersgemäße ^^) Fantasy Bücher verschlungen habe während andere meines Alters noch "Connie" oder "Die wilden Hühner" gelesen haben. Das erste Fantasybuch, das ich gelesen und das augenblicklich mein Schicksal als Bücherwurm und Fantasy-Nerd besiegelt hat, war "Tintenherz". Diese Geschichte war mein erster Ausflug in eine komplexe, kunterbunte Märchenwelt abseits von Kindergeschichten und ich habe mich sofort in dieses Gefühl des Weltenwanderns verliebt, sodass ich ziemlich viel mit dieser wunderschönen Geschichte verbinde. Als ich es vor kurzem endlich nochmal gelesen habe, hat sich meine Liebe nochmal verfestigt und ich kann es allen, die tatsächlich noch nie zu diesem Meisterwerk von Cornelia Funke gegriffen haben, nur wärmstens ans Herz legen.


Erster Satz: "Es fiel Regen in jener Nacht, ein feiner, wispernder Regen."


Schon von der ersten Seite an werden wir mitgerissen in ein magisches Abenteuer, dem schon bevor wir in die Tintenwelt eintreten einen Hauch von unendlichen Möglichkeiten und Mystik anhaftet. Wir lernen die junge Meggie kennen, die seit dem Verschwinden ihrer Mutter alleine mit ihrem büchervernarrten Vater Mo in einem alten Haus lebt. Als eines Nachts plötzlich ein unbekannter Mann namens Staubfinger auftaucht und Mo vor jemandem namens Capricorn warnt, kann sie noch nicht ahnen, dass das der Auftakt zum größten Abenteuer ihres Lebens ist. In einer Nacht und Nebel Aktion fliehen die drei zu ihrer Tante Elinor und Meggie muss herausfinden, dass ihr Vater allerlei Geheimnisse vor ihr verbirgt. Wieso hat er sich zum Beispiel immer geweigert, ihr vorzulesen? Und was ist mit Meggies Mutter wirklich geschehen, die vor vielen Jahren verschwand? Als ihr Vater entführt wird und Staubfinger von einer magischen Welt erzählt, deren Bewohner herausgelesen wurden, wird ein Albtraum lebendig und ein Buch erwacht zum Leben. Und Meggie wird zum Angelpunkt eines dunklen Kampfes zwischen Realität und allzu realer Fiktion...


"Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur wenige kaut man und verdaut sie ganz."


Wie auch schon in "Die unendliche Geschichte" verbinden sich hier Fantasiewelt und Realität zu einem magischen Abenteuer und bringen einen Schwung märchenhafter, detailliert gestalteter Figuren, dunkle Gefahren und schillernde Träume ins durchschnittliche Leben der bücherliebenden Protagonistin. Feen, Glasmänner, Kobolde oder geheimnisvolle Schatten - wir treffen auf allerlei Gestalten aus fremden Welten, die durch "Vorleser" ihren Weg in die Realität gefunden haben. Eine wundervolle Metapher für den Wert des Lesens allgemein, die durch jeweils ein passendes Zitat aus einem anderen Buch zu Beginn eines jeden Kapitels unterstrichen wird. Weiter angeregt wird unsere Fantasie auch durch passende Strichzeichnungen in den einzelnen Kapiteln. Die Autorin würdigt mit ihrer Geschichte Klassiker wie "Peter Pan", "Der Zauberer von Oz" oder "1001-Nacht" und betont durch das Auftauchen des Autors Fenoglio, der die Tintenwelt in seinem Buch "Tintenherz" mit allseinen Bewohnern erschaffen hat, das Schaffen aller Autoren hervor und schreibt somit eine Hommage an das Lesen und Schreiben von Fantasy allgemein.


"Man kann einen Schriftsteller als dreierlei ansehen: als Geschichtenerzähler, als Lehrer oder als Magier... aber das Übergewicht hat der Magier, der Zauberer."


Neben ihrer detaillierten, ausgeklügelten, liebevoll ausgearbeiteten Tintenwelt, in die wir vor allem in den folgenden beiden Bänden "Tintenwelt" und "Tintentod" entführt werden, sind die wundervollen Protagonisten das Herzstück der Geschichte. Neben der tapferen Meggie, die durch ihre Liebe zu Büchern, ihrem großen Herz und ihrem Mut eine wunderbare Identifikationsperson für den jungen, abenteuerlustigen Leser darstellt, stehen vor allem ihr Vater Mo und der geheimnisvolle Staubfinger im Mittelpunkt des ersten Teils. Vor allem letzterer hat es mir angetan da er, von dem unbändigen Wunsch getrieben, endlich heimkehren zu können, gerne auch mal richtig und falsch verwechselt und man so nie genau weiß, was er als nächstes tun wird. Insbesondere in den folgenden Bänden erscheint er immer mehr als tragischer Held, den man in seiner Ambivalenz und Tiefe einfach lieben muss! Die vielen Einzelpersonen, die aus ihren Welten herausgelesen werden wie zum Beispiel Farid, der unschuldige Besucher aus "1001-Nacht", oder die zarte Tinker Bell aus "Peter Pan" fügen sich wunderbar ins Spektrum der Protagonisten mit ein, genau wie die vielen toll gestalteten Romanfiguren, die wir in den folgenden Bänden kennenlernen. Auch wenn die fantasievoll gewählten Namen wie "Zauberzunge", "Staubfinger", "Capricorn", "Basta", "Speckfürst", "Wolkentänzer", "Rußvogel" oder "Natternkopf" erstmal verwirrend erscheinen, passen sie doch gut in diese verrückte und doch schöne Welt.


"Wenn du ein Buch auf eine Reise mitnimmst", hatte Mo gesagt, als er ihr das erste in die Kiste gelegt hatte, "dann geschieht etwas Seltsames. Das Buch wird anfangen, deine Erinnerungen zu sammeln. Du wirst es später nur aufschlagen müssen und schon wirst du wieder dort sein, wo du zuerst darin gelesen hast. Schon mit den ersten Wörtern wird alles zurückkommen: die Bilder, die Gerüche, das Eis, das du beim Lesen gegessen hast... Glaub mir, Bücher sind wie Fliegenpapier. An nichts haften Erinnerungen so gut wie an bedruckten Seiten."
"Vermutlich hatte er damit Recht. Doch Meggie nahm ihre Bücher noch aus einem anderen Grund auf jede Reise mit. Sie waren ihr Zuhause in der Fremde -vertraute Stimmen, Freunde, die sich nie mit ihr stritten, kluge, mächtige Freunde, verwegen und mit allen Wassern der Welt gewaschen, weit gereist, abenteuererprobt. Ihre Bücher munterten sie auf, wenn sie traurig war, und vertrieben ihr die Langeweile."


Die Autorin hat ein gutes Händchen dafür, die richtige Mischung aus wunderschön und unheimlich zu finden, sodass es Kinder aber auch Erwachsene beim Lesen angenehm gruselt. Die düstere, zum Teil gefährliche Tintenwelt übt auf junge wie alte Leser eine unheimliche Faszination aus und durch peppige Ideen, wird es nie langweilig, egal was auch passiert. Zwischen den Zeilen geht es hier um Fantasie, die Flucht vor der Realität und der Wunsch, etwas Besonderes zu sein, seine Heimat zu finden und verlorene Lieben wieder zutreffen. So begleitet uns auch in schwierigen Situationen immer das Gefühl von Wärme und Geborgenheit, sodass sich das Buch vor allem in der kalten Jahreszeit gut lesen lässt. Im Laufe der Trilogie wird Meggie älter und gewinnt allerlei Erfahrungen dazu, sodass sich auch die Themen und der Erzählton ein wenig verändern. Es geht plötzlich auch um Liebe, die Kämpfe werden blutiger und die Erzählweise erwachsener. Nichtdestotrotz bleibt es eine anrührende, mitreißende Geschichte über das Lesen und die Wichtigkeit von Fantasie im öden Alltag, die die Herzen aller Fantasy-Fans erweichen wird.


"Nichts verscheuchte böse Träume schneller als das Rascheln von bedrucktem Papier."



Fazit:


In dieser anrührenden, mitreißenden Geschichte verbinden sich Fantasie und Realität zu einem magischen Abenteuer und bringen einen Schwung märchenhafter, detailliert gestalteter Figuren, dunkle Gefahren und schillernde Träume ins durchschnittliche Leben der bücherliebenden Protagonistin.
Eine Hommage an das Lesen, die die Herzen aller Fantasy-Fans erweichen wird.

Veröffentlicht am 17.11.2019

Eine Hommage an das Lesen, die die Herzen aller Fantasy-Fans erweichen wird.

Tintenherz
0

"Ach konnte man sich doch die Worte aus Hirn und Herz wegwischen und die Welt nur ein einziges Mal mit den eigenen Augen sehen."

Ich werde immer nostalgisch, wenn ich an Bücher aus meiner Kindheit denke. ...

"Ach konnte man sich doch die Worte aus Hirn und Herz wegwischen und die Welt nur ein einziges Mal mit den eigenen Augen sehen."

Ich werde immer nostalgisch, wenn ich an Bücher aus meiner Kindheit denke. Ich weiß noch sehr gut, dass ich meine Eltern laufend in den Wahnsinn getrieben habe, in dem ich als Kind etliche (vielleicht nicht ganz altersgemäße ^^) Fantasy Bücher verschlungen habe während andere meines Alters noch "Connie" oder "Die wilden Hühner" gelesen haben. Das erste Fantasybuch, das ich gelesen und das augenblicklich mein Schicksal als Bücherwurm und Fantasy-Nerd besiegelt hat, war "Tintenherz". Diese Geschichte war mein erster Ausflug in eine komplexe, kunterbunte Märchenwelt abseits von Kindergeschichten und ich habe mich sofort in dieses Gefühl des Weltenwanderns verliebt, sodass ich ziemlich viel mit dieser wunderschönen Geschichte verbinde. Als ich es vor kurzem endlich nochmal gelesen habe, hat sich meine Liebe nochmal verfestigt und ich kann es allen, die tatsächlich noch nie zu diesem Meisterwerk von Cornelia Funke gegriffen haben, nur wärmstens ans Herz legen.


Erster Satz: "Es fiel Regen in jener Nacht, ein feiner, wispernder Regen."


Schon von der ersten Seite an werden wir mitgerissen in ein magisches Abenteuer, dem schon bevor wir in die Tintenwelt eintreten einen Hauch von unendlichen Möglichkeiten und Mystik anhaftet. Wir lernen die junge Meggie kennen, die seit dem Verschwinden ihrer Mutter alleine mit ihrem büchervernarrten Vater Mo in einem alten Haus lebt. Als eines Nachts plötzlich ein unbekannter Mann namens Staubfinger auftaucht und Mo vor jemandem namens Capricorn warnt, kann sie noch nicht ahnen, dass das der Auftakt zum größten Abenteuer ihres Lebens ist. In einer Nacht und Nebel Aktion fliehen die drei zu ihrer Tante Elinor und Meggie muss herausfinden, dass ihr Vater allerlei Geheimnisse vor ihr verbirgt. Wieso hat er sich zum Beispiel immer geweigert, ihr vorzulesen? Und was ist mit Meggies Mutter wirklich geschehen, die vor vielen Jahren verschwand? Als ihr Vater entführt wird und Staubfinger von einer magischen Welt erzählt, deren Bewohner herausgelesen wurden, wird ein Albtraum lebendig und ein Buch erwacht zum Leben. Und Meggie wird zum Angelpunkt eines dunklen Kampfes zwischen Realität und allzu realer Fiktion...


"Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur wenige kaut man und verdaut sie ganz."


Wie auch schon in "Die unendliche Geschichte" verbinden sich hier Fantasiewelt und Realität zu einem magischen Abenteuer und bringen einen Schwung märchenhafter, detailliert gestalteter Figuren, dunkle Gefahren und schillernde Träume ins durchschnittliche Leben der bücherliebenden Protagonistin. Feen, Glasmänner, Kobolde oder geheimnisvolle Schatten - wir treffen auf allerlei Gestalten aus fremden Welten, die durch "Vorleser" ihren Weg in die Realität gefunden haben. Eine wundervolle Metapher für den Wert des Lesens allgemein, die durch jeweils ein passendes Zitat aus einem anderen Buch zu Beginn eines jeden Kapitels unterstrichen wird. Weiter angeregt wird unsere Fantasie auch durch passende Strichzeichnungen in den einzelnen Kapiteln. Die Autorin würdigt mit ihrer Geschichte Klassiker wie "Peter Pan", "Der Zauberer von Oz" oder "1001-Nacht" und betont durch das Auftauchen des Autors Fenoglio, der die Tintenwelt in seinem Buch "Tintenherz" mit allseinen Bewohnern erschaffen hat, das Schaffen aller Autoren hervor und schreibt somit eine Hommage an das Lesen und Schreiben von Fantasy allgemein.


"Man kann einen Schriftsteller als dreierlei ansehen: als Geschichtenerzähler, als Lehrer oder als Magier... aber das Übergewicht hat der Magier, der Zauberer."


Neben ihrer detaillierten, ausgeklügelten, liebevoll ausgearbeiteten Tintenwelt, in die wir vor allem in den folgenden beiden Bänden "Tintenwelt" und "Tintentod" entführt werden, sind die wundervollen Protagonisten das Herzstück der Geschichte. Neben der tapferen Meggie, die durch ihre Liebe zu Büchern, ihrem großen Herz und ihrem Mut eine wunderbare Identifikationsperson für den jungen, abenteuerlustigen Leser darstellt, stehen vor allem ihr Vater Mo und der geheimnisvolle Staubfinger im Mittelpunkt des ersten Teils. Vor allem letzterer hat es mir angetan da er, von dem unbändigen Wunsch getrieben, endlich heimkehren zu können, gerne auch mal richtig und falsch verwechselt und man so nie genau weiß, was er als nächstes tun wird. Insbesondere in den folgenden Bänden erscheint er immer mehr als tragischer Held, den man in seiner Ambivalenz und Tiefe einfach lieben muss! Die vielen Einzelpersonen, die aus ihren Welten herausgelesen werden wie zum Beispiel Farid, der unschuldige Besucher aus "1001-Nacht", oder die zarte Tinker Bell aus "Peter Pan" fügen sich wunderbar ins Spektrum der Protagonisten mit ein, genau wie die vielen toll gestalteten Romanfiguren, die wir in den folgenden Bänden kennenlernen. Auch wenn die fantasievoll gewählten Namen wie "Zauberzunge", "Staubfinger", "Capricorn", "Basta", "Speckfürst", "Wolkentänzer", "Rußvogel" oder "Natternkopf" erstmal verwirrend erscheinen, passen sie doch gut in diese verrückte und doch schöne Welt.


"Wenn du ein Buch auf eine Reise mitnimmst", hatte Mo gesagt, als er ihr das erste in die Kiste gelegt hatte, "dann geschieht etwas Seltsames. Das Buch wird anfangen, deine Erinnerungen zu sammeln. Du wirst es später nur aufschlagen müssen und schon wirst du wieder dort sein, wo du zuerst darin gelesen hast. Schon mit den ersten Wörtern wird alles zurückkommen: die Bilder, die Gerüche, das Eis, das du beim Lesen gegessen hast... Glaub mir, Bücher sind wie Fliegenpapier. An nichts haften Erinnerungen so gut wie an bedruckten Seiten."
"Vermutlich hatte er damit Recht. Doch Meggie nahm ihre Bücher noch aus einem anderen Grund auf jede Reise mit. Sie waren ihr Zuhause in der Fremde -vertraute Stimmen, Freunde, die sich nie mit ihr stritten, kluge, mächtige Freunde, verwegen und mit allen Wassern der Welt gewaschen, weit gereist, abenteuererprobt. Ihre Bücher munterten sie auf, wenn sie traurig war, und vertrieben ihr die Langeweile."


Die Autorin hat ein gutes Händchen dafür, die richtige Mischung aus wunderschön und unheimlich zu finden, sodass es Kinder aber auch Erwachsene beim Lesen angenehm gruselt. Die düstere, zum Teil gefährliche Tintenwelt übt auf junge wie alte Leser eine unheimliche Faszination aus und durch peppige Ideen, wird es nie langweilig, egal was auch passiert. Zwischen den Zeilen geht es hier um Fantasie, die Flucht vor der Realität und der Wunsch, etwas Besonderes zu sein, seine Heimat zu finden und verlorene Lieben wieder zutreffen. So begleitet uns auch in schwierigen Situationen immer das Gefühl von Wärme und Geborgenheit, sodass sich das Buch vor allem in der kalten Jahreszeit gut lesen lässt. Im Laufe der Trilogie wird Meggie älter und gewinnt allerlei Erfahrungen dazu, sodass sich auch die Themen und der Erzählton ein wenig verändern. Es geht plötzlich auch um Liebe, die Kämpfe werden blutiger und die Erzählweise erwachsener. Nichtdestotrotz bleibt es eine anrührende, mitreißende Geschichte über das Lesen und die Wichtigkeit von Fantasie im öden Alltag, die die Herzen aller Fantasy-Fans erweichen wird.


"Nichts verscheuchte böse Träume schneller als das Rascheln von bedrucktem Papier."



Fazit:


In dieser anrührenden, mitreißenden Geschichte verbinden sich Fantasie und Realität zu einem magischen Abenteuer und bringen einen Schwung märchenhafter, detailliert gestalteter Figuren, dunkle Gefahren und schillernde Träume ins durchschnittliche Leben der bücherliebenden Protagonistin.
Eine Hommage an das Lesen, die die Herzen aller Fantasy-Fans erweichen wird.

Veröffentlicht am 17.11.2019

Eine Hommage an das Lesen, die die Herzen aller Fantasy-Fans erweichen wird.

Tintenwelt 1. Tintenherz
0

"Ach konnte man sich doch die Worte aus Hirn und Herz wegwischen und die Welt nur ein einziges Mal mit den eigenen Augen sehen."

Ich werde immer nostalgisch, wenn ich an Bücher aus meiner Kindheit denke. ...

"Ach konnte man sich doch die Worte aus Hirn und Herz wegwischen und die Welt nur ein einziges Mal mit den eigenen Augen sehen."

Ich werde immer nostalgisch, wenn ich an Bücher aus meiner Kindheit denke. Ich weiß noch sehr gut, dass ich meine Eltern laufend in den Wahnsinn getrieben habe, in dem ich als Kind etliche (vielleicht nicht ganz altersgemäße ^^) Fantasy Bücher verschlungen habe während andere meines Alters noch "Connie" oder "Die wilden Hühner" gelesen haben. Das erste Fantasybuch, das ich gelesen und das augenblicklich mein Schicksal als Bücherwurm und Fantasy-Nerd besiegelt hat, war "Tintenherz". Diese Geschichte war mein erster Ausflug in eine komplexe, kunterbunte Märchenwelt abseits von Kindergeschichten und ich habe mich sofort in dieses Gefühl des Weltenwanderns verliebt, sodass ich ziemlich viel mit dieser wunderschönen Geschichte verbinde. Als ich es vor kurzem endlich nochmal gelesen habe, hat sich meine Liebe nochmal verfestigt und ich kann es allen, die tatsächlich noch nie zu diesem Meisterwerk von Cornelia Funke gegriffen haben, nur wärmstens ans Herz legen.


Erster Satz: "Es fiel Regen in jener Nacht, ein feiner, wispernder Regen."


Schon von der ersten Seite an werden wir mitgerissen in ein magisches Abenteuer, dem schon bevor wir in die Tintenwelt eintreten einen Hauch von unendlichen Möglichkeiten und Mystik anhaftet. Wir lernen die junge Meggie kennen, die seit dem Verschwinden ihrer Mutter alleine mit ihrem büchervernarrten Vater Mo in einem alten Haus lebt. Als eines Nachts plötzlich ein unbekannter Mann namens Staubfinger auftaucht und Mo vor jemandem namens Capricorn warnt, kann sie noch nicht ahnen, dass das der Auftakt zum größten Abenteuer ihres Lebens ist. In einer Nacht und Nebel Aktion fliehen die drei zu ihrer Tante Elinor und Meggie muss herausfinden, dass ihr Vater allerlei Geheimnisse vor ihr verbirgt. Wieso hat er sich zum Beispiel immer geweigert, ihr vorzulesen? Und was ist mit Meggies Mutter wirklich geschehen, die vor vielen Jahren verschwand? Als ihr Vater entführt wird und Staubfinger von einer magischen Welt erzählt, deren Bewohner herausgelesen wurden, wird ein Albtraum lebendig und ein Buch erwacht zum Leben. Und Meggie wird zum Angelpunkt eines dunklen Kampfes zwischen Realität und allzu realer Fiktion...


"Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur wenige kaut man und verdaut sie ganz."


Wie auch schon in "Die unendliche Geschichte" verbinden sich hier Fantasiewelt und Realität zu einem magischen Abenteuer und bringen einen Schwung märchenhafter, detailliert gestalteter Figuren, dunkle Gefahren und schillernde Träume ins durchschnittliche Leben der bücherliebenden Protagonistin. Feen, Glasmänner, Kobolde oder geheimnisvolle Schatten - wir treffen auf allerlei Gestalten aus fremden Welten, die durch "Vorleser" ihren Weg in die Realität gefunden haben. Eine wundervolle Metapher für den Wert des Lesens allgemein, die durch jeweils ein passendes Zitat aus einem anderen Buch zu Beginn eines jeden Kapitels unterstrichen wird. Weiter angeregt wird unsere Fantasie auch durch passende Strichzeichnungen in den einzelnen Kapiteln. Die Autorin würdigt mit ihrer Geschichte Klassiker wie "Peter Pan", "Der Zauberer von Oz" oder "1001-Nacht" und betont durch das Auftauchen des Autors Fenoglio, der die Tintenwelt in seinem Buch "Tintenherz" mit allseinen Bewohnern erschaffen hat, das Schaffen aller Autoren hervor und schreibt somit eine Hommage an das Lesen und Schreiben von Fantasy allgemein.


"Man kann einen Schriftsteller als dreierlei ansehen: als Geschichtenerzähler, als Lehrer oder als Magier... aber das Übergewicht hat der Magier, der Zauberer."


Neben ihrer detaillierten, ausgeklügelten, liebevoll ausgearbeiteten Tintenwelt, in die wir vor allem in den folgenden beiden Bänden "Tintenwelt" und "Tintentod" entführt werden, sind die wundervollen Protagonisten das Herzstück der Geschichte. Neben der tapferen Meggie, die durch ihre Liebe zu Büchern, ihrem großen Herz und ihrem Mut eine wunderbare Identifikationsperson für den jungen, abenteuerlustigen Leser darstellt, stehen vor allem ihr Vater Mo und der geheimnisvolle Staubfinger im Mittelpunkt des ersten Teils. Vor allem letzterer hat es mir angetan da er, von dem unbändigen Wunsch getrieben, endlich heimkehren zu können, gerne auch mal richtig und falsch verwechselt und man so nie genau weiß, was er als nächstes tun wird. Insbesondere in den folgenden Bänden erscheint er immer mehr als tragischer Held, den man in seiner Ambivalenz und Tiefe einfach lieben muss! Die vielen Einzelpersonen, die aus ihren Welten herausgelesen werden wie zum Beispiel Farid, der unschuldige Besucher aus "1001-Nacht", oder die zarte Tinker Bell aus "Peter Pan" fügen sich wunderbar ins Spektrum der Protagonisten mit ein, genau wie die vielen toll gestalteten Romanfiguren, die wir in den folgenden Bänden kennenlernen. Auch wenn die fantasievoll gewählten Namen wie "Zauberzunge", "Staubfinger", "Capricorn", "Basta", "Speckfürst", "Wolkentänzer", "Rußvogel" oder "Natternkopf" erstmal verwirrend erscheinen, passen sie doch gut in diese verrückte und doch schöne Welt.


"Wenn du ein Buch auf eine Reise mitnimmst", hatte Mo gesagt, als er ihr das erste in die Kiste gelegt hatte, "dann geschieht etwas Seltsames. Das Buch wird anfangen, deine Erinnerungen zu sammeln. Du wirst es später nur aufschlagen müssen und schon wirst du wieder dort sein, wo du zuerst darin gelesen hast. Schon mit den ersten Wörtern wird alles zurückkommen: die Bilder, die Gerüche, das Eis, das du beim Lesen gegessen hast... Glaub mir, Bücher sind wie Fliegenpapier. An nichts haften Erinnerungen so gut wie an bedruckten Seiten."
"Vermutlich hatte er damit Recht. Doch Meggie nahm ihre Bücher noch aus einem anderen Grund auf jede Reise mit. Sie waren ihr Zuhause in der Fremde -vertraute Stimmen, Freunde, die sich nie mit ihr stritten, kluge, mächtige Freunde, verwegen und mit allen Wassern der Welt gewaschen, weit gereist, abenteuererprobt. Ihre Bücher munterten sie auf, wenn sie traurig war, und vertrieben ihr die Langeweile."


Die Autorin hat ein gutes Händchen dafür, die richtige Mischung aus wunderschön und unheimlich zu finden, sodass es Kinder aber auch Erwachsene beim Lesen angenehm gruselt. Die düstere, zum Teil gefährliche Tintenwelt übt auf junge wie alte Leser eine unheimliche Faszination aus und durch peppige Ideen, wird es nie langweilig, egal was auch passiert. Zwischen den Zeilen geht es hier um Fantasie, die Flucht vor der Realität und der Wunsch, etwas Besonderes zu sein, seine Heimat zu finden und verlorene Lieben wieder zutreffen. So begleitet uns auch in schwierigen Situationen immer das Gefühl von Wärme und Geborgenheit, sodass sich das Buch vor allem in der kalten Jahreszeit gut lesen lässt. Im Laufe der Trilogie wird Meggie älter und gewinnt allerlei Erfahrungen dazu, sodass sich auch die Themen und der Erzählton ein wenig verändern. Es geht plötzlich auch um Liebe, die Kämpfe werden blutiger und die Erzählweise erwachsener. Nichtdestotrotz bleibt es eine anrührende, mitreißende Geschichte über das Lesen und die Wichtigkeit von Fantasie im öden Alltag, die die Herzen aller Fantasy-Fans erweichen wird.


"Nichts verscheuchte böse Träume schneller als das Rascheln von bedrucktem Papier."



Fazit:


In dieser anrührenden, mitreißenden Geschichte verbinden sich Fantasie und Realität zu einem magischen Abenteuer und bringen einen Schwung märchenhafter, detailliert gestalteter Figuren, dunkle Gefahren und schillernde Träume ins durchschnittliche Leben der bücherliebenden Protagonistin.
Eine Hommage an das Lesen, die die Herzen aller Fantasy-Fans erweichen wird.

Veröffentlicht am 17.11.2019

Eine Hommage an das Lesen, die die Herzen aller Fantasy-Fans erweichen wird.

Tintenherz
0

"Ach konnte man sich doch die Worte aus Hirn und Herz wegwischen und die Welt nur ein einziges Mal mit den eigenen Augen sehen."

Ich werde immer nostalgisch, wenn ich an Bücher aus meiner Kindheit denke. ...

"Ach konnte man sich doch die Worte aus Hirn und Herz wegwischen und die Welt nur ein einziges Mal mit den eigenen Augen sehen."

Ich werde immer nostalgisch, wenn ich an Bücher aus meiner Kindheit denke. Ich weiß noch sehr gut, dass ich meine Eltern laufend in den Wahnsinn getrieben habe, in dem ich als Kind etliche (vielleicht nicht ganz altersgemäße ^^) Fantasy Bücher verschlungen habe während andere meines Alters noch "Connie" oder "Die wilden Hühner" gelesen haben. Das erste Fantasybuch, das ich gelesen und das augenblicklich mein Schicksal als Bücherwurm und Fantasy-Nerd besiegelt hat, war "Tintenherz". Diese Geschichte war mein erster Ausflug in eine komplexe, kunterbunte Märchenwelt abseits von Kindergeschichten und ich habe mich sofort in dieses Gefühl des Weltenwanderns verliebt, sodass ich ziemlich viel mit dieser wunderschönen Geschichte verbinde. Als ich es vor kurzem endlich nochmal gelesen habe, hat sich meine Liebe nochmal verfestigt und ich kann es allen, die tatsächlich noch nie zu diesem Meisterwerk von Cornelia Funke gegriffen haben, nur wärmstens ans Herz legen.


Erster Satz: "Es fiel Regen in jener Nacht, ein feiner, wispernder Regen."


Schon von der ersten Seite an werden wir mitgerissen in ein magisches Abenteuer, dem schon bevor wir in die Tintenwelt eintreten einen Hauch von unendlichen Möglichkeiten und Mystik anhaftet. Wir lernen die junge Meggie kennen, die seit dem Verschwinden ihrer Mutter alleine mit ihrem büchervernarrten Vater Mo in einem alten Haus lebt. Als eines Nachts plötzlich ein unbekannter Mann namens Staubfinger auftaucht und Mo vor jemandem namens Capricorn warnt, kann sie noch nicht ahnen, dass das der Auftakt zum größten Abenteuer ihres Lebens ist. In einer Nacht und Nebel Aktion fliehen die drei zu ihrer Tante Elinor und Meggie muss herausfinden, dass ihr Vater allerlei Geheimnisse vor ihr verbirgt. Wieso hat er sich zum Beispiel immer geweigert, ihr vorzulesen? Und was ist mit Meggies Mutter wirklich geschehen, die vor vielen Jahren verschwand? Als ihr Vater entführt wird und Staubfinger von einer magischen Welt erzählt, deren Bewohner herausgelesen wurden, wird ein Albtraum lebendig und ein Buch erwacht zum Leben. Und Meggie wird zum Angelpunkt eines dunklen Kampfes zwischen Realität und allzu realer Fiktion...


"Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur wenige kaut man und verdaut sie ganz."


Wie auch schon in "Die unendliche Geschichte" verbinden sich hier Fantasiewelt und Realität zu einem magischen Abenteuer und bringen einen Schwung märchenhafter, detailliert gestalteter Figuren, dunkle Gefahren und schillernde Träume ins durchschnittliche Leben der bücherliebenden Protagonistin. Feen, Glasmänner, Kobolde oder geheimnisvolle Schatten - wir treffen auf allerlei Gestalten aus fremden Welten, die durch "Vorleser" ihren Weg in die Realität gefunden haben. Eine wundervolle Metapher für den Wert des Lesens allgemein, die durch jeweils ein passendes Zitat aus einem anderen Buch zu Beginn eines jeden Kapitels unterstrichen wird. Weiter angeregt wird unsere Fantasie auch durch passende Strichzeichnungen in den einzelnen Kapiteln. Die Autorin würdigt mit ihrer Geschichte Klassiker wie "Peter Pan", "Der Zauberer von Oz" oder "1001-Nacht" und betont durch das Auftauchen des Autors Fenoglio, der die Tintenwelt in seinem Buch "Tintenherz" mit allseinen Bewohnern erschaffen hat, das Schaffen aller Autoren hervor und schreibt somit eine Hommage an das Lesen und Schreiben von Fantasy allgemein.


"Man kann einen Schriftsteller als dreierlei ansehen: als Geschichtenerzähler, als Lehrer oder als Magier... aber das Übergewicht hat der Magier, der Zauberer."


Neben ihrer detaillierten, ausgeklügelten, liebevoll ausgearbeiteten Tintenwelt, in die wir vor allem in den folgenden beiden Bänden "Tintenwelt" und "Tintentod" entführt werden, sind die wundervollen Protagonisten das Herzstück der Geschichte. Neben der tapferen Meggie, die durch ihre Liebe zu Büchern, ihrem großen Herz und ihrem Mut eine wunderbare Identifikationsperson für den jungen, abenteuerlustigen Leser darstellt, stehen vor allem ihr Vater Mo und der geheimnisvolle Staubfinger im Mittelpunkt des ersten Teils. Vor allem letzterer hat es mir angetan da er, von dem unbändigen Wunsch getrieben, endlich heimkehren zu können, gerne auch mal richtig und falsch verwechselt und man so nie genau weiß, was er als nächstes tun wird. Insbesondere in den folgenden Bänden erscheint er immer mehr als tragischer Held, den man in seiner Ambivalenz und Tiefe einfach lieben muss! Die vielen Einzelpersonen, die aus ihren Welten herausgelesen werden wie zum Beispiel Farid, der unschuldige Besucher aus "1001-Nacht", oder die zarte Tinker Bell aus "Peter Pan" fügen sich wunderbar ins Spektrum der Protagonisten mit ein, genau wie die vielen toll gestalteten Romanfiguren, die wir in den folgenden Bänden kennenlernen. Auch wenn die fantasievoll gewählten Namen wie "Zauberzunge", "Staubfinger", "Capricorn", "Basta", "Speckfürst", "Wolkentänzer", "Rußvogel" oder "Natternkopf" erstmal verwirrend erscheinen, passen sie doch gut in diese verrückte und doch schöne Welt.


"Wenn du ein Buch auf eine Reise mitnimmst", hatte Mo gesagt, als er ihr das erste in die Kiste gelegt hatte, "dann geschieht etwas Seltsames. Das Buch wird anfangen, deine Erinnerungen zu sammeln. Du wirst es später nur aufschlagen müssen und schon wirst du wieder dort sein, wo du zuerst darin gelesen hast. Schon mit den ersten Wörtern wird alles zurückkommen: die Bilder, die Gerüche, das Eis, das du beim Lesen gegessen hast... Glaub mir, Bücher sind wie Fliegenpapier. An nichts haften Erinnerungen so gut wie an bedruckten Seiten."
"Vermutlich hatte er damit Recht. Doch Meggie nahm ihre Bücher noch aus einem anderen Grund auf jede Reise mit. Sie waren ihr Zuhause in der Fremde -vertraute Stimmen, Freunde, die sich nie mit ihr stritten, kluge, mächtige Freunde, verwegen und mit allen Wassern der Welt gewaschen, weit gereist, abenteuererprobt. Ihre Bücher munterten sie auf, wenn sie traurig war, und vertrieben ihr die Langeweile."


Die Autorin hat ein gutes Händchen dafür, die richtige Mischung aus wunderschön und unheimlich zu finden, sodass es Kinder aber auch Erwachsene beim Lesen angenehm gruselt. Die düstere, zum Teil gefährliche Tintenwelt übt auf junge wie alte Leser eine unheimliche Faszination aus und durch peppige Ideen, wird es nie langweilig, egal was auch passiert. Zwischen den Zeilen geht es hier um Fantasie, die Flucht vor der Realität und der Wunsch, etwas Besonderes zu sein, seine Heimat zu finden und verlorene Lieben wieder zutreffen. So begleitet uns auch in schwierigen Situationen immer das Gefühl von Wärme und Geborgenheit, sodass sich das Buch vor allem in der kalten Jahreszeit gut lesen lässt. Im Laufe der Trilogie wird Meggie älter und gewinnt allerlei Erfahrungen dazu, sodass sich auch die Themen und der Erzählton ein wenig verändern. Es geht plötzlich auch um Liebe, die Kämpfe werden blutiger und die Erzählweise erwachsener. Nichtdestotrotz bleibt es eine anrührende, mitreißende Geschichte über das Lesen und die Wichtigkeit von Fantasie im öden Alltag, die die Herzen aller Fantasy-Fans erweichen wird.


"Nichts verscheuchte böse Träume schneller als das Rascheln von bedrucktem Papier."



Fazit:


In dieser anrührenden, mitreißenden Geschichte verbinden sich Fantasie und Realität zu einem magischen Abenteuer und bringen einen Schwung märchenhafter, detailliert gestalteter Figuren, dunkle Gefahren und schillernde Träume ins durchschnittliche Leben der bücherliebenden Protagonistin.
Eine Hommage an das Lesen, die die Herzen aller Fantasy-Fans erweichen wird.

Veröffentlicht am 16.11.2019

Eine facettenreiche Geschichte mit Herz, Verstand und einer wichtigen Botschaft!

Wer die Nachtigall stört ...
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Wenn man mit echten Klassikern seinen Horizont erweitern will, kommt man an Harper Lees "Wer die Nachtigall stört" nicht vorbei. Die facettenreiche Geschichte, die zugleich Fallbeispiel, Entwicklungsroman ...

Wenn man mit echten Klassikern seinen Horizont erweitern will, kommt man an Harper Lees "Wer die Nachtigall stört" nicht vorbei. Die facettenreiche Geschichte, die zugleich Fallbeispiel, Entwicklungsroman und Beschreibung Amerikas Süden in den 30ern ist, zeichnet ein lebendiges Bild einer Kindheit voller Höhen und Tiefen im Herzen Alabamas und gibt dem Leser einige Lebensweisheiten mit. Den Roman, der der bereits verstorbenen Autorin den Pulitzer Preis bescherte, gibt es mittlerweile in etlichen Editionen, Übersetzungen, in filmischer Umsetzung und als Comic. Doch egal wie man sich die Geschichte zu Gemüte führen will - es lohnt sich!


„Man kann einen anderen nur richtig verstehen, wenn man in seine Haut steigt und darin umherläuft“.


Das Cover meiner neuen Ausgabe aus dem Jahr 2018 zeigt eine bunte Nachtigall mit gespreizten Flügeln und zum Singen geöffneten Schnabel. Durch den grauen Grund mit den weißen Schlieren, die an Äste und Wolken erinnern, kommen die bunten Federn des Vogels besonders gut zur Geltung. Mir gefällt diese Gestaltung sehr gut, da sie gleichzeitig schlicht und aufsehenerregend erscheint und mit dem großen Vogel eines der zentralen Motive der Geschichte wählt: die Nachtigall. Im Kontext der Verhandlung eines Vergewaltigungsfalles und eines scheuen Nachbarsjungen wird die Nachtigall als Symbol der Unschuld verwendet.


Erster Satz: "Das Unglück mit dem Arm passierte kurz vor Jems dreizehntem Geburtstag."


Mit diesem Satz greifen wir bis fast zum Ende der Geschichte vor und bekommen schon den Eindruck, dass etwas passieren wird, bevor wir uns langsam an die Geschehnisse jenes schicksalshaften Sommers annähern. Die junge Ich-Erzählerin Scout, eigentlich Jean Louise Finch, erzählt aus kindlicher Perspektive von Jahren aus Abenteuer, Lernen und Streichen im kleinen Dorf Maycomb bis sich die brutale Wirklichkeit aus Vorurteilen und Rassismus durch eine Gerichtsverhandlung in ihre idyllische Kindheit drängt. Episodenhaft beschreibt sie erste Schultage, das Forschen nach dem Verbleib des Nachbarjungen Boo Radley zusammen mit ihrem Freund Dill und ihrem großen Bruder Jem und gemütliche Abende mit Atticus, ihrem Vater, der mit ihr zusammen Zeitung und Bücher liest. Ohne feste Szenen zerfließt die Zeit vor unseren Augen zu einem einzigen Moment aus Erinnerungen und wir erhalten einen umfassenden Eindruck vom typischen Kleinstadtleben in den Südstaaten der 30er Jahre. Durch die Augen eines jungen Mädchens blicken wir tief in die Seele des kleinen Dörfchens und erkennen dabei mehr, als die Perspektive eines Erwachsenen vermocht hätte. Nur Kinder können zum einen so naiv und unwissend sein, zum anderen aber ein so umfassendes Verständnis der Welt mit all ihren Schönheiten und Unzulänglichkeiten besitzen und uns somit eine neue Sichtweise auf die Dinge vermitteln.



"Mut heißt: von vornherein zu wissen, dass man geschlagen ist, und trotzdem den Kampf - ganz gleich um was es geht - aufnehmen und ihn durchstehen. Man gewinnt selten, aber zuweilen gelingt es."



Die ersten 200 Seiten verlaufen dabei zwar reichlich unspektakulär, man wird aber trotzdem von der ganz eigenen Atmosphäre der Geschichte gepackt. Wir erhalten keine spannenden Wendungen, keine Actionszenen, keine herzzerreißende Emotionen - Harper Lee erzählt sehr ruhig, einfühlsam und verzichtet auf unnötigen Epos oder stark umrissene Dramaturgie. Und doch liest sich die Geschichte so intensiv, sodass der große Spannungsbogen um die Ereignisse des einen Sommers und das Geheimnis um Boo Radley ausreichen, uns den Rest der Geschichte spannend zu machen. Dazu trägt vor allem Harper Lees klarer und doch eindrücklicher Stil bei. Sie vereint Witz, Tiefgang und viele sprachliche Bilder wie die der Nachtigall oder des tollwütigen Hundes und lässt etliche Lebensweisheiten unaufdringlich mit einfließen. Durch die Abenteuer und Streiche der Kinder, die ein ums andere Mal an die Geschichten von Tom Sawyer und Huckleberry Finn erinnern und durch Scouts sonniges Gemüt, wird ein heiterer Unterton geschaffen, der über die vielen ernsten Themen hinwegtäuscht. Nichtdestotrotz schwingt gerade in den letzten Seiten eine nachdenkliche Härte mit, die die Autorin nutzt um ihre Message zu übermitteln.



"Es gibt eine Institution, die aus dem Armen den Gleichberechtigten eines Rockefellers, aus dem Dummen den Gleichberechtigten eines Einsteins und aus dem Unwissenden den Gleichberechtigten eines Universitätsprofessors macht. Diese Institution, meine Herren, ist das Gericht."



So facettenreich und bunt wie ihr Schreibstil sind auch die verschiedenen Themen, die auf verschiedenen Bedeutungsebenen in der Geschichte dargelegt sind. Auf der untersten Ebene geht es um Scout, ihre Entwicklung, ihr Erwachsenwerden, ihr Nicht-Einpassen in die Gesellschaft der vornehmen Ladys, ihre sich verändernde Beziehung zu ihrem älteren Bruder Jem und ihr sich wandelndes Verständnis von Gerechtigkeit. Da wir sie über mehrere Jahre hinweg begleiten kann man die Geschichte durchaus als Entwicklungsroman verstehen. Es gibt jedoch noch zwei weitere Lesarten, die man entdecken kann. Es geht nämlich nicht nur um Scouts Entwicklung sondern auch um das Dorf Maycomb als Repräsentant der Südstaaten in den 30ern. Neue Erziehungsmethoden, politischer Aufbruch der aus Europa übers Meer schwappt, die sich wandelnden Gesellschaftsstrukturen und der harte Griff der Wirtschaftskrise sind ebenfalls Aspekte, die den Verlauf der Geschichte prägen.


"Atticus, werden wir gewinnen?"
"Nein, Liebling."
"Aber warum...?"
"Dass wir schon hundert Jahre vor Prozessbeginn besiegt wurden, ist noch lange kein Grund, untätig zu bleiben."


Im Kern geht es meiner Meinung nach aber vor allem um Rassismus, Vorurteile, Gerechtigkeit und Toleranz. Schon immer mit einer schwarzen Haushaltshilfe und einem menschenfreundlichen Anwalt als Vater aufgewachsen, ist Scout weitdenkend und offenherzig erzogen worden, ist sich aber der grundlegenden Problematik, die in ihrer Umgebung schwelt nicht bewusst. Wirklich mit den Vorurteilen ihres Dorfes befassen muss sie sich erst, als ihr Vater die Pflichtverteidigung eines schwarzen Landarbeiters übernimmt, der angeblich ein weißes Mädchen vergewaltigt haben soll. Atticus wird plötzlich überall als "Negerfreund" verschrien und auch Scout und Jem werden angefeindet. Trotz dass nur Indizien vorliegen und Atticus fest an Toms Unschuld glaubt, steht der Ausgang des Prozesses eigentlich schon von Vornherein fest - einfach durch die unterschiedliche Hautpigmentierung von Kläger und Angeklagtem. Dass da etwas nicht stimmen kann bemerkt Scout sehr bald und unterstützt ihren Vater in seinem Kampf so gut sie kann. Dennoch kommt es zu einem Todesfall, der so unnötig ist, wie "einen Singvogel zu erschießen" und Scout an der Welt zweifeln lässt. Auch dem Leser geht dieser Prozess sehr nahe da er sehr authentisch geschildert ist und mit erhobenem Zeigefinger Ungerechtigkeit und Rassismus anmahnt. Dass wir über das letzte Drittel hinweg den Prozess detailliert verfolgen können liegt vor allem daran, dass Harper Lee hier einen echten Vergewaltigungsfall verarbeitet hat.


"Atticus, du musst dich irren."
"Wieso?"
"Weil die meisten Leute denken, dass du dich irrst."
"Sie sind durchaus berechtigt, so zu denken, und sie können auch verlangen, dass wir ihre Meinung respektieren. Aber bevor ich mit anderen leben kann, muss ich mit mir selbst leben. Das Einzige, was sich keinem Mehrheitsbeschluss beugen darf, ist das menschliche Gewissen."


Auch viele ihrer Figuren haben echte Vorbilder in ihrem Leben. Während Scout als Harper Lees alter Ego gilt, ist Atticus Finch nach dem Vorbild ihres eigenen Vaters entstanden. Genau wie die Nachtigall hier die Unschuld beschreibt, tritt Atticus hier als personifizierte Gerechtigkeit auf. Als moralisches Vorbild hat er wichtige Prinzipien, die er seinen Kindern auf strenge aber liebevolle Art und Weise erklärt und für die er einsteht. Und auch wenn Scout zum Beginn der Geschichte dachte, ihr Vater sei alt, langweilig und spießig, wird ihr im Verlauf des Prozesses klar, dass er in Wahrheit viel mutiger und stärker ist als gedacht und er wird zum heimlichen Held der Protagonistin und des Lesers. Auch ihr großer Bruder Jem ist in Scouts Augen ein großes Vorbild und nur eine der vielen markanten Figuren, die hier auftauchen um Maycomb lebendig zu machen. Sei es der exzentrische Mr. Raymond, der immer so tut, als sei er betrunken um den Menschen eine Erklärung für seine Liebe zu einer dunkelhäutigen Frau zu geben. Sei es die immer gut gelaunte Nachbarin Miss Maudie, die selbst noch Witze reißen kann, wenn ihr Haus brennt und immer einen Kuchen für Jem und Scout bereitstehen hat. Oder sei es das scheue Rätsel Boo Radley, der nur einen sehr kurzen Auftritt in der Geschichte hat, der aber die Wichtigkeit von Mut und der Überwindung, auf andere zuzugehen verdeutlicht. Sie alle, schwarz wie weiß, arm wie reich, alt wie jung tragen dazu bei, diese Geschichte zu etwas ganz Besonderem zu machen!


"Wie konnten sie das tun? Wie konnten sie nur?"
"Das weiß ich nicht, aber sie haben´s getan. Sie haben es vorher getan, sie haben es heute getan und sie werden es wieder tun. Und wenn sie´s tun, weinen anscheinend nur Kinder."



Leider sind die Themen immer noch so aktuell wie eh und je. Es ist eine Tragödie, dass nach all den Jahren das Thema "Rassismus" nicht endlich abgeschlossen ist. Dabei spreche ich nicht nur von den USA, wo es im Moment sogar eher wieder bergab geht, sondern auch von uns in Europa/Deutschland. Vorurteile, Ungerechtigkeit, Ignoranz und Hass werden wohl nie zu überwinden sein - wir können es aber immer wieder versuchen. Umso wichtiger ist es, zu solch einem Klassiker zu greifen, der voller spannender Gedanken zum Nachdenken und viel Liebe, Ungerechtigkeit und Melancholie zum Nachfühlen steckt. Ich habe mir lange überlegt, was uns die Autorin im Endeffekt sagen möchte und mich für folgenden Satz entschieden, der den Kern des Romans meiner Meinung nach ganz gut zusammenfasst:


"Nein, Jem, ich glaube, es gibt nur eine Art von Menschen. Einfach Menschen."




Fazit:

Zugleich Fallbeispiel, Entwicklungsroman und Beschreibung Amerikas Süden in den 30ern - eine facettenreiche Geschichte mit Herz, Verstand und einer wichtigen Botschaft!
Mit markanten Figuren, stilsicheren Beschreibungen, und interessanten Denkanstößen zeichnet ein lebendiges Bild einer Kindheit voller Höhen und Tiefen im Herzen Alabamas und gibt dem Leser einige Lebensweisheiten mit.

Den halben Stern Abzug gibt´s für die zwischenzeitlichen Längen.