Erik Fyksen oder Ein Männerroman nicht nur für Männer
Hier liegt Myttings Debütroman in Neuauflage und Neuübersetzung vor. Erstmalig erschien er 2007 in Deutschland. Beide Auflagen wurden übersetzt von Günther Frauenlob.
Vorab: Der Klappentext weckt leider ...
Hier liegt Myttings Debütroman in Neuauflage und Neuübersetzung vor. Erstmalig erschien er 2007 in Deutschland. Beide Auflagen wurden übersetzt von Günther Frauenlob.
Vorab: Der Klappentext weckt leider falsche Erwartungen. Auf jeden Fall sollte man sich darauf einstellen, dass es etliche Passagen gibt, in denen Autos im Mittelpunkt stehen. Für sie schlägt nämlich Erik Fyksens Herz, um den es hier vorrangig geht. Anfang 30, von Frauen zweimal heftig enttäuscht, betreibt er im kleinen Annor eine Tankstelle mit einer angeschlossenen Autowerkstatt. Mit Hingabe und Einfallsreichtum tüftelt er hier mit Vorliebe an amerikanischen Autos, hat stets passende Ersatzteile zur Hand (manche über recht außergewöhnliche Wege) und fährt regelmäßig die Bergpässe ab, um eventuell liegengebliebenen Autos zu helfen.
Auf Betreiben seines langjährigen Feindes Jotul, der im Ort hochanerkannt ist, soll nun aber die Strassenführung geändert werden. In Folge dessen würde seine Tankstelle im Nichts stehen. Doch so leicht gibt Erik nicht auf, er ist findig und verfügt ebenfalls über einige Verbündete...
Fyksen ist interessant gezeichnet. Er lebt nostalgisch und mit festen, durchaus auch starren Grundsätzen. Er lässt sich nicht unterkriegen und ist recht schlau. Ein wenig eigenbrötlerisch, doch mit dem Herzen am rechten Fleck. Da er nicht so viele Kontakte pflegt, lernt man auch nicht so viele Menschen kennen. Es ist aber interessant zu sehen, wie hier jede(r) seine eigene Agenda verfolgt. Insgesamt schienen manche der Figuren etwas eigen, aber so soll es wohl sein in norwegischen Dörfern..:)
Ich kam Norwegen generell ein wenig näher und erfuhr einiges Interessantes, z.B. über das Bestehen öffentlich zugänglicher Steuerlisten oder auch warum Autos besonders für junge Erwachsene so wichtig sind.
Die Sprache ist poetisch, manches wird nur angedeutet. Ein feiner Humor, aber auch Traurigkeit und Ernst durchziehen den Roman. Hin und wieder sind Songtitel aufgeführt, da Fyksen die Musik liebt. Es gibt ganz realistische Szenen (Marketinggespräch für moderne Tankstellen) und wieder etwas mystische Szenen (ein mehrfach auftauchender weißes Cadillac).
Die erste Hälfte verläuft recht ruhig, in der zweiten Hälfte wird man emotional ziemlich durchgerüttelt. Manches wirkte zwar etwas vorhersehbar und auch klischeehaft, das Meiste jedoch unterhielt mich sehr gut. Ich war gefesselt und sehr gespannt, es gab unerwartete Wendungen, ich wurde berührt, vergoss Tränen und erhielt Einiges zum Nachdenken.
Neben der inneren Entwicklung von Erik geht es vor allem auch um gesellschaftliche Prozesse. Eindrücklich wird ganz realistisch am Beispiel der Umstrukturierung von Tankstellen dargestellt, wie Profitstreben und Konsumwille die Natur, die Menschen und das nahbare Miteinander kompromisslos vertreiben. Ebenso wird die eigene Machtlosigkeit deutlich gemacht, dieser allgegenwärtigen Entwicklung etwas entgegenzusetzen. Man kann letztlich nur sich selbst flicken und reparieren, um zu heilen und zu gesunden, so die pessimistische (oder realistische?) Überlegung.
Alles in allem ein sympathischer, norwegischer Männerroman, der mir sehr gut gefiel, wenngleich er in seiner Konzeption insgesamt nicht so ganz rund erschien. Definitiv hat er mir aber Lust gemacht hat, mehr von Mytting zu lesen!