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Veröffentlicht am 18.11.2019

Das Fest der Liebe - mal anders

Swinging Bells
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Sandra und Thomas sind mit ihren Weihnachtsvorbereitungen beschäftigt. Zum ersten Mal fahren sie Heilig Abend nicht zur Familie. Ausgerechnet an diesem Tag hat das schon lang inserierte Doppelbett einen ...

Sandra und Thomas sind mit ihren Weihnachtsvorbereitungen beschäftigt. Zum ersten Mal fahren sie Heilig Abend nicht zur Familie. Ausgerechnet an diesem Tag hat das schon lang inserierte Doppelbett einen Interessenten gefunden und als es klingelt, bittet Sandra das Paar herein um alles abzuwickeln. Doch Elisabeth und Leo packen erst mal eine Flasche Prosecco aus und wollen gar nicht so schnell auf das Thema Bett kommen.

Ein grandioses Missverständnis das sich nur allmählich löst. Elisabeth und Leo haben sich in der Hausnummer geirrt, ist wollen das Paar aufsuchen, mit dem sie sich in einem Swinger Forum verabredet haben. Doch seltsam – je länger die Paare miteinander sprechen, umso weniger eilt es mit der Verabschiedung.

Der Klappentext klingt wie eine Screwball Komödie, sexy und schnell – aber es wäre nicht der Autor René Freund, wenn er es dabei beließe. Ganz allmählich und immer sehr unterhaltsam für den Leser, geht er den Persönlichkeiten auf den Grund. Wenn die tiefschürfendsten Gespräche eines Paares um die Vorzüge von Bio-Salat und Grammatikfehler geht, merkt man sehr schnell die Vermeidungsstrategie.

Schicht um Schicht fällt der Schutz, den sich das Paar geschaffen hat und allmählich müssen sie sich unangenehmen Wahrheiten stellen. Es geht natürlich um Sex, aber auch um Vertrauen, Liebe und geheime Sehnsüchte. Renè Freund beschreibt das alles sehr witzig und mit Augenzwinkern, aber auch mit tiefen Verständnis für die Wirrungen seiner Figuren. Er lässt dabei keinen Stein auf dem anderem und mit den Protagonisten setzt auch beim Leser ein Gedankenspiel ein.

Ich habe mich bestens unterhalten und doch auch sehr mit dem Paar Sandra und Thomas mitgefühlt. Das liegt sicher am – von einigen Lesern so genannten – René Freund Gen, das seine Bücher ausgezeichnet. Amüsant und liebenswert und immer mit dem Blick auf den Menschen.

Eine Weihnachtsgeschichte der anderen Art, aber ehrlich und passend zum Fest der Liebe.

Veröffentlicht am 15.11.2019

Das Mädchen im Jardin du Luxembourg

Leas Spuren
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Zu ihrer großen Überraschung erbt die deutsche Historikerin Marie Bergmann die Hälfte eine Pariser Eigentumswohnung. Der andere Erbe ist der Journalist Nicolas, der Enkel des verstorbenen Victor Blanc. ...

Zu ihrer großen Überraschung erbt die deutsche Historikerin Marie Bergmann die Hälfte eine Pariser Eigentumswohnung. Der andere Erbe ist der Journalist Nicolas, der Enkel des verstorbenen Victor Blanc. Die Erbschaft ist an eine Bedingung geknüpft: sie sollen der Spur eines im Krieg verschollenen Aquarells des jüdischen Malers Jacob Stern ausfindig machen und das Bild den rechtmäßigen Erben überbringen.

Bald klärt sich die Verbindung Blancs zu Marie Bergmann, sie ist die Großnichte seiner großen Liebe Charlotte. Sie haben sich im besetzten Paris getroffen, als Charlotte Angestellte in der Deutschen Botschaft war. Eine große, schwierige Liebe in gefährlichen Zeiten.

Marie und Nicolas machen sich nach einigen Anfangsschwierigkeiten auf die Spurensuche und müssen sich unbequemen Wahrheiten und Untaten aus der Vergangenheit stellen.

Der zweite Handlungsstrang führt in die Vergangenheit und stellt Victor und Charlotte in den Mittelpunkt. Wie waren sie in die Beutekunst Raubzüge der Nazis involviert? Haben sie Schuld auf sich geladen, die Victor Blanc nun nach seinem Tod begleichen will?

Dieser Roman hat mich von der ersten Seite an mitgenommen und tief berührt. Bettin Storks ist eine Meisterin in der erzählenden Geschichtsschreibung. Sie beschreibt das historische Paris so lebendig, dass ich beim Lesen durch die Straßen gelaufen bin und in farbige Bilder vor Augen hatte. Das gelingt, weil die Autorin nicht nur akribisch recherchiert, auch ihre Liebe zu Frankreich und Paris spürt der Leser. Es hat mir gefallen, wie die historischen Ereignisse mit der erdachten Rahmenhandlung verbunden werden. Ich bin ganz tief in die Geschichte eingetaucht, habe mitgefiebert und gelitten. So nahe kommt mir selten ein Roman.

Es schien, als ob Victor Blanc zwei Generationen später noch einmal in den in Lauf der Geschichte eingreifen und Schicksal spielen möchte. Denn durch seinen Nachlass wird ein dunkles Kapitel beleuchtet und Marie muss das Schweigen ihrer Großmutter, Charlottes jüngerer Schwester, durchbrechen. Unwillkürlich stellte ich mir beim Lesen die Frage, was haben eigentlich deine Großeltern erzählt?

Besonders intensiv wird das Leseerlebnis durch die Verknüpfung von historisch belegten Figuren und Ereignissen aus der Zeit. Was in Geschichtsbüchern fern und anonym bleibt, wird von Bettina Storks durch ihren Erzählton ganz unmittelbar und persönlich. Wie immer gelingt es ihr dabei eine spannende Handlung mit stark gezeichneten Charakteren zu schaffen. Ihre Protagonisten sind lebensecht und sind deshalb dem Leser gleich nah und vertraut.

„Leas Spuren“ hat mir außerordentlich gefallen und ich kann ihn nur wärmstens empfehlen.

Veröffentlicht am 12.11.2019

Ein Fall für Sebastian Franck

Feuersee
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Spielende Kinder haben in einem Waldstück nahe Rottweil Skelettreste entdeckt, offensichtlich liegen die Überreste schon länger im Waldboden und Kommissar Treidlers Laune wird dadurch nicht besser. Da ...

Spielende Kinder haben in einem Waldstück nahe Rottweil Skelettreste entdeckt, offensichtlich liegen die Überreste schon länger im Waldboden und Kommissar Treidlers Laune wird dadurch nicht besser. Da muss er durch den regennassen Wald gehen, sich seine Schuhe ruinieren und dann gibt es nicht mal Erkenntnisse. Wie zum Hohn muss er noch ein zweites Mal zur Fundstelle, denn es tauchten weitere Knochen auf, die nicht zum ersten Fund passen und dazu ein Metallstück, das zu einer Prothese gehört und nun ist plötzlich die Verbindung zu einem Altfall gegeben.

Damit kommen Sebastian Franck und seine Kollegin Franziska vom LKA ins Spiel. Sie arbeiten in einem Dezernat für ungeklärte Mordfälle und genau darauf weist die Prothese hin. Sie gehörte einem älteren Mann, der Opfer eines Raubüberfalls wurde und dessen zerstückelte Leiche nie komplett gefunden wurde.

Eine spannende Ausgangslage für einen neuen Fall für das eingespielte Team. Sebastian ist ein überaus korrekter Beamter, für den Schlamperei und Nachlässigkeiten ein Graus sind, die Kollegin Franzi ist eher ein Gegenentwurf dazu. Sie handelt schon mal sehr spontan und lässt sich von Stimmungen leiten. Trotzdem ist auch sie eine gewissenhafte Ermittlerin. Zusammen mit den Rottweiler Kollegen – das Zusammentreffen ist immer für ein gewisses Kompetenzgerangel gut – wird nach Verbindungen zwischen den beiden Toten gesucht. Dabei muss Franck tief in alten Akten graben. Puzzleteilchen für Puzzleteilchen werden die Erkenntnisse zusammengetragen und bald zeichnet sich ein Bild ab.

Das ist sehr spannend und realistisch erzählt und hat mich richtig in Bann gezogen. Natürlich habe ich bald eigene Theorien entwickelt, was für mich immer einen Teil des Reizes eines Krimis ausmacht. Ich mag es, wenn der Handlungsverlauf realistisch erzählt wird und trotzdem dabei der Unterhaltungswert und die Spannung nicht zu kurz kommen. Das ist in Thilo Scheurers Krimis immer bestens gelöst.

Dazu trägt noch einen Handlungsstrang um die Leiterin des Stuttgarter Dezernats bei. Marga Kronthaler ist Kettenraucherin und ihr robustes Auftreten nicht unbedingt Francks Kragenweite. Aber ihre Loyalität zu ihren Mitarbeitern ist grenzenlos und deshalb lässt sie auch nicht locker und hat einen alten Fall auf ihrem Schreibtisch, der vor einem guten Jahrzehnt Sebastian Francks Bruder betraf. Der wurde damals als Kunde Opfer bei einem Banküberfall und die Täter konnten trotz Kameraüberwachung nie ermittelt werden.

Mir gefällt die Sprache, mit der der Autor seinen Ermittlern Leben verleiht, sie ganz realistisch und als Individuen greifbar macht.

Das schwäbische und Stuttgarter Lokalkolorit rundet den Krimi perfekt ab.

Veröffentlicht am 20.10.2019

Einatmen-Ausatmen-Weiterleben

Laufen
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Laufen – die Trauer und den Schmerz einfach weg laufen. Das ist die Motivation der Protagonistin, einer Orchestermusikerin, wieder mit dem Laufen anzufangen. Der physische Schmerz überdeckt den psychischen. ...

Laufen – die Trauer und den Schmerz einfach weg laufen. Das ist die Motivation der Protagonistin, einer Orchestermusikerin, wieder mit dem Laufen anzufangen. Der physische Schmerz überdeckt den psychischen. Sie konzentriert sich nur auf ihren Körper und den Schmerz, mehr gesteht sie sich nicht zu.
Und wie sie läuft. Ihr Atemrhythmus- zwei Schritte einatmen, 4 Schritte ausatmen prägt den inneren Monolog. Im selben Takt setzt Isabell Bogdan ihre Sätze: ein ein aus aus aus aus. Je länger sie läuft, je mehr ihr Körper aushält, umso mehr kann sie sich den Erinnerungen öffnen. Ihre Gedanken schweifen, schmerzhafte Erinnerungen wechseln sich mit schönen Eindrücken, Wut bricht sich Bahn.
Allmählich erfahren wir den Grund für ihren Schmerz, ihr Lebensgefährte ist tot. Sie ist Witwe und darf sich nicht Witwe nennen, seine Eltern vereinnahmen ihn auch nach dem Tod. Für sie bleibt nichts als ein paar alte Schlafanzüge, an die sich klammert.
Wie lange darf man trauern? Wann muss man wieder funktionieren, wie es Familie und Freunde erwarten? Hätte man nicht schon früher etwas merken müssen, wie es dem Lebensgefährten geht? All diese Fragen stellt sich die Läuferin und ich als Leserin dringe immer tiefer in die Geschichte dieser Beziehung ein, ihrer Höhen und Tiefen und erkenne allmählich die Grund für den Schmerz der jungen Frau, der weit über die Traurigkeit über den Verlust hinausgeht.
Doch mit jedem gelaufenen Kilometer befreit sich die Läuferin auch aus ihrer inneren Isolation, ihre Gedanken schweifen beim Laufen immer mehr in die Gegenwart und in eine Zukunft. Wie ihr Körper, so hat auch ihre Seele irgendwann den Schmerz besiegt.
Was für eine atemlose Geschichte, ich spürte beim Lesen wie ich mich dem Atemrhythmus der Protagonistin anpasste. Das „Ein ein aus aus aus aus“ hat sich auf mich übertragen. Der innere Monolog, die mäandernden Gedanken der Läuferin haben mich gefangen genommen. Ich kannte Isabell Bogdan, aber dieser atemberaubende Text hat mich absolut überrascht.

Veröffentlicht am 15.10.2019

Familienzwist

Grabesgrund
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Dr. Ruth Galloway ist mit einer Ausgrabung einer Bronzezeit-Siedlung beschäftigt, als ein Anruf von DCI Harry Nelson ihre Arbeit unterbricht. Das ist immer eine besondere Situation, denn Nelson ist der ...

Dr. Ruth Galloway ist mit einer Ausgrabung einer Bronzezeit-Siedlung beschäftigt, als ein Anruf von DCI Harry Nelson ihre Arbeit unterbricht. Das ist immer eine besondere Situation, denn Nelson ist der Vater ihrer Tochter. Es war eine Ausnahmesituation in der die Beiden sich damals befanden, denn Nelson ist glücklich verheiratet und Familienvater. Trotzdem besteht eine Bindung zwischen Nelson und Ruth und er nimmt seine Verpflichtung als Vater sehr ernst, viel zu ernst, wie Ruth manchmal denkt. Aber immer wieder bringt ihre Arbeit sie zusammen, denn Ruth arbeitet als forensische Archäologin für die Polizei und wenn Nelson dienstlich anruft, ist klar, dass ein besonderer Leichenfund vorliegt.
Ein Baggerfahrer hat bei Ausschachtungsarbeiten ein Flugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt und darin sitzt noch der Pilot. Die Identität des Mannes ist schnell geklärt, doch ein Geheimnis bleibt, denn Fred Blackstone ist tatsächlich im Krieg abgeschossen worden, aber in einer anderen Maschine und über dem Meer und galt als verschollen. Die Blackstones sind in der Gegend als Gutsbesitzer immer noch ansässig und es scheint, als ob die Entdeckung des Flugzeuges mit einem Familiengeheimnis zu tun hat.
Die Galloway-Krimis von Elly Griffiths mischen immer archäologische Ausgrabungen mit einer aktuellen Ermittlung und zwingen Ruth und Harry zur Zusammenarbeit. Aus ihrer privaten Verbindung entsteht auch immer eine ganz besondere Atmosphäre, in der das Prickeln nicht ausbleibt. Emotionen und Polizeiarbeit ergeben eine gute Mischung. Um die beiden Hauptpersonen, die sehr sympathisch und vielschichtig charakterisiert sind, entwickelt sich eine gewisse Konkurrenz in den Ermittlungen. Das macht mir immer viel Vergnügen. Die Dialoge zwischen ihnen sind besonders gelungen.
Wie Ereignisse aus der Vergangenheit, einmal ans Licht gekommen, die Handlungen in der Gegenwart auslösen ist ein wiederkehrendes Motiv bei den Ruth Galloway Krimis. Auch in diesem Band kommen wieder viele liebgewonnene Charaktere vor, für die Kenner der Serie sicher ein Plus, aber ich denke, auch Neueinsteiger kommen gut damit klar, da kleine Rückblenden und Erklärungen, die gut in die Geschichte passen, die Einordnung der Figuren leicht machen.
„Grabesgrund“ ist eine Empfehlung für alle Leser, die klassische englische Kriminalromane mögen.