Liebe Daffy,
heute erreicht dich mein Brief über ein ganz besonderes Leseerlebnis. Im Rahmen einer Leserunde auf LovelyBooks habe ich das Buch Die Pferde von Eldenau. Donnernde Hufe von Theresa Czenry, das dieses Jahr bei Magellan erschienen ist, gewonnen. Es handelt sich hierbei um den dritten Teil einer Pferdebuchreihe, wobei ich die ersten beiden Bände bisher nicht gelesen habe. Das hat dem Spaß beim Lesen aber keinen Abbruch getan.
Inhalt
Nach einem Unfall muss Frida erstmal auf die Mithilfe auf dem heimatlichen Gut verzichten. Um sich davon abzulenken und weil ihr Freund Jannis mit seinem eigenen Pferd beschäftigt ist, unternimmt sie viele Spaziergänge im nahen Naturschutzgebiet. Hier leben die Wildpferde von Eldenau. Frida hält seit dem Unfall einiges vor ihrer Familie und ihren Freunden geheim, auch ihre Ausflüge zu den Wildpferden. Als sie feststellt, dass es diesen nicht gut geht, muss sie etwas zu deren Rettung unternehmen.
Charaktere
Wie ich bereits geschrieben habe, handelt es sich hier um den dritten Teil einer Reihe. Wir steigen in die Handlung ein und erfahren durch kleine Randbemerkungen, welche Abenteuer die Protagonisten bereits erlebt haben. Wer sind sie überhaupt? Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von Frida und Jannis erzählt – zwei Teenager, die an der deutschen Ostseeküste leben. Jannis lebt mit seiner Mutter und ihren Pferden auf einem Hof, Frida mit ihrer großen Familie und ebenfalls vielen Pferden auf einem benachbarten Gut. Die beiden haben sich verliebt und sind nun ein Paar.
Zusammen mit ihren besten Freunden Max und Linh bestreiten sie ihren Alltag auf den jeweiligen Höfen und es kommt ein ganz tolles Gefühl von Pferdestimmung auf, die nicht romantisiert wird, sondern mich teilweise an meinen eigenen Pferdealltag erinnert hat. Das hat mir richtig gut gefallen und ist nicht zwangsläufig gegeben, wenn man ein Pferdebuch zur Hand nimmt. Theresa Czerny greift unterschiedliche Reitweisen und Ausbildungsstile auf und lässt diese aufeinander treffen. Jede/r ReiterIn weiß genau, wie schwer es in einer Stallgemeinschaft sein kann, wenn da mehrere Meinungen aufeinander treffen und jede/r den eigenen Stil aus vollem Herzen vertritt. In diesem Buch wird wunderschön gezeigt, dass wir alle voneinander lernen können und Methoden, die wir noch nicht kannten gegenüber offen sein sollten. So unterschiedlich wie jeder Mensch ist, ist auch jedes Pferd ein Individuum. Das wird hier sehr schön dargestellt, indem wir nicht nur zwei Perspektiven beim Lesen erleben, sondern auch mehrere Pferde kennen lernen. Es gibt nicht dieses eine Wunderpferd, sondern viele verschiedene, die auch auf ihre je eigene Art und Weise auf die jungen Leute reagieren.
Wo wir von Individualität sprechen, komme ich noch einmal auf Frida und Jannis zu sprechen. Da ich mit diesem Band in die Reihe eingestiegen bin, waren mir beide fremd und ich musste mir selbst erstmal einen Standpunkt in ihren Kapiteln suchen. Der Einstieg ist mir bei Jannis leichter gefallen, als bei Frida. Mit ihr musste ich erst warm werden, um ihre Handlungen nachvollziehen zu können. Im Laufe der Geschichte macht sie einiges durch und hat ganz persönliche Probleme zu bekämpfen. Dabei an ihrer Seite zu sein, hat mich der Figur nahe gebracht und am Ende kann ich nicht mehr sagen, ob mir Jannis' oder Fridas Kapitel besser gefallen. Eine wirklich tolle Idee ist es, einen männlichen Protagonisten in einem Pferdebuch zu erleben und so nah an der Figur dran zu sein. Meine eigene Leseerfahrung in diesem Genre hat mich bisher nur weiblichen Protagonistinnen vorgestellt und somit war ich sehr positiv überrascht von Jannis. Vielleicht muss ich doch sagen, dass seine Kapitel noch eine Winzigkeit mehr überzeugt haben, wegen eben dieses Umstandes.
Es wirkt in meinem Brief so, als gäbe es nur Jugendliche in diesem Buch, was jedoch nicht der Fall ist. Auch wenn der Fokus selbstverständlich auf den Gefühlen, Problemen und dem Handeln von Frida, Jannis und ihren Freunden liegt, spielen auch die Eltern eine Rolle. Diese wurden sehr schön in die Handlung eingebaut, sodass man als LeserIn mitbekommt, dass die Jugendlichen erwachsene Bezugspersonen haben, die mit Rat und Tat zur Seite stehen. Es geht nicht darum, mir erhobenem Zeigefinger den Jüngeren alles zu verbieten, Theresa Czerny schreibt Elternfiguren, die eine Beziehung zu ihren Kindern haben. Das ist in den meisten Fällen eine sehr positive, doch auch Unstimmigkeiten werden beleuchtet. So entsteht ein stimmiges Bild von Familienleben und die Geschichte bekommt einen richtigen Hintergrund, in den das Pferdethema eingeflochten wird. Wie ich schon schrieb, ich habe mich an meinen eigenen Pferdealltag erinnert gefühlt und das hat mir die Geschichte so nahe gebracht und mich in sie einfühlen lassen.
Schreibstil
Du hast es sicher schon gedacht, dass ich hier nur Gutes sagen kann. Die Geschichte hätte mir nicht so gut gefallen, wäre sie nicht großartig geschrieben worden. Es handelt sich um ein Kinder-/ Jugendbuch und die Zielgruppe – abgesehen von all den Pferdefans da draußen – ist sicher im Grundschulalter. Doch Theresa Czerny schreibt nicht platt, sondern sehr eloquent und durchdacht. Mit über 300 Seiten ist es eine Geschichte, die sich Zeit für Entwicklung nimmt und Schlüsselszenen den nötigen Platz zur Entfaltung bietet. Die Seitenzahl mag unerfahrene, junge LeserInnen vielleicht abschrecken, doch die Handlung ist so gut und spannend aufgebaut, dass man schwer enttäuscht wäre, müsste man Eldenau früher verlassen.
An dieser Stelle sollte ich auch endlich darauf zu sprechen kommen, ob sich die Bücher querbeet lesen lassen. Ich habe schon erwähnt, dass ich die vorherigen Bände nicht kenne – das aber ändern werde – und trotzdem gut in die Geschichte gefunden habe. Mein großer Vorteil war natürlich auch, Teil der Leserunde zu sein, bei welcher die Autorin großartig involviert war. Ich habe einige Fragen gestellt und sofort eine Antwort erhalten. So fiel es mir beispielsweise schwer, mir ein optisches Bild von den Figuren zu machen, weil sehr sparsam mit Beschreibungen ihres Äußeren umgegangen wird. Das kann große Vorteile bringen, wenn man ein/e LeserIn ist, die/ der sich gern ohne Vorgaben selbst ein Bild macht. Ich brauche zumindest kleine Eigenheiten der jeweiligen Figur, um sie mir vorzustellen.
Doch abgesehen davon, ist dieser dritte Teil der Reihe in sich abgeschlossen und lässt sich wunderbar als erstes Buch der Reihe lesen. Wer die Figurenentwicklung erleben möchte, greift zum Auftakt der Reihe. Das werde ich mir auch vornehmen. Vor allem, weil ich den Schreibstil für ein Kinderbuch unheimlich genossen habe und nun eine neue Pferdebuchreihe in meinem Bücherregal komplettieren möchte. Ich glaube, dass das wunderschön aussehen wird. Das Buch ist sehr wertig gedruckt und gebunden. Ich muss immer wieder über das Cover streichen und die erhabenen Stellen fühlen.
Da es gerade in die Jahreszeit passt, kann ich für Eldenau nur eine Weihnachtsgeschenkidee für PferdenärrInnen aussprechen. Vielleicht gibt’s den ersten Band auch gleich zum Nikolaus und die Folgenden bringt dann der Weihnachtsmann, weil es so gut gefallen wird.
Damit schließe ich meinen begeisterten Brief und wünsche dir einen tollen Start in die Adventszeit.
Deine Daisy