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Veröffentlicht am 23.11.2019

Traurige Geschichte über einen tragischen Verlust mit der Botschaft, die wirklich wichtigen Dinge nicht aus den Augen zu verlieren

Und nebenan warten die Sterne
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Als Annies Schwester Kristen bei einem Zugunglück ums Leben kommt, macht sich Annie schwerste Vorwürfe. Denn eigentlich hätte sie ihre Schwester begleiten und auf diese aufpassen sollen. Mit ihrer Mutter ...

Als Annies Schwester Kristen bei einem Zugunglück ums Leben kommt, macht sich Annie schwerste Vorwürfe. Denn eigentlich hätte sie ihre Schwester begleiten und auf diese aufpassen sollen. Mit ihrer Mutter Erika, die sich in die Arbeit flüchtet, kann sie nicht darüber sprechen. Sie fühlt sich zudem herabgesetzt, weniger geliebt und flüchtet nach Mackinac Island zu ihrer Tante Kate. Insgeheim hat sie die Hoffnung, dass die Opfer des Zugunglücks verwechselt worden sind, Kristen noch am Leben ist und sich auf der Insel versteckt hat.
Als dann auch noch Erika seltsame Botschaften per E-Mail bekommt, glaubt auch sie, dass ihre Tochter noch leben könnte und reist ebenfalls nach Mackinac Island, ihrer Heimat, der sie bewusst den Rücken gekehrt hat.

"Und nebenan warten die Sterne" ist eine tragische Familiengeschichte, die abwechselnd aus der Perspektive von Mutter und Tochter geschrieben ist. Es ist ein Roman über Trauer und die Verarbeitung eines Traumas, der zeigt, was wirklich im Leben zählt, was im Alltag von vermeintlich wichtigeren Dingen häufig verdrängt wird.
Es geht um eine Sinnsuche, die Suche nach Glück und die Annäherung von sich entfremdeten Familienmitgliedern. Dabei ist die Perspektive vor allem von Annie sehr berührend und nachvollziehbar, während Erika etwas verblendet in der Vergangenheit feststeckt. Sie ist verbittert und gebrochen, ihr Handeln nicht immer rational bis auch bei ihr ein Umdenken einsetzt. Beide machen eine charakterliche Veränderung durch und können so auch den Tod von Kristen langsam akzeptieren und verarbeiten. Sie lernen, dass Leben auch aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, Schwächen zuzugeben und sich und anderen vergeben zu können.
Es ist eine traurige Geschichte über einen Verlust, die jedoch lebendig und nicht deprimierend erzählt ist und die zeigt, wie viel Mut es bedeutet und Kraft es benötigt, loszulassen. Erst dann ist die Chance auf einen Neuanfang möglich und das Bewusstsein vorhanden, jeden Tag zu leben, als wäre es der letzte und Empfindungen und Sorgen nicht unausgesprochen zu lassen, um dies am Ende nicht zu bereuen. Auf ihrem Weg dorthin werden die Protagonisten von Sinnsprüchen begleitet, die über die Generationen hinweg weitergegeben werden, Ratgeber sind oder Trost spenden und eine schöne familiäre Tradition sind.

Veröffentlicht am 22.11.2019

Roman über verletzliche Künstlerseelen, der die Kolonie der Skagen-Maler lebendig werden lässt

Die Frauen von Skagen
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Asta ist bei der Familie Triepke in Skagen als Gesellschafterin der Tochter Marie angestellt. Diese träumt davon, Malerin zu werden und kann ihren Vater davon überzeugen, dass sie sich ein Jahr auf Reisen ...

Asta ist bei der Familie Triepke in Skagen als Gesellschafterin der Tochter Marie angestellt. Diese träumt davon, Malerin zu werden und kann ihren Vater davon überzeugen, dass sie sich ein Jahr auf Reisen begeben darf, um ihrer Passion nachzugehen, bevor sie heiraten muss. Unterwegs treffen sie auf andere Künstler und in Paris begegnen sie dem Maler Peder Severin Krøyer wieder, dem Marie in Skagen schon Modell gesessen hatte. Während er nur Augen für Marie zu haben scheint, entwickelt Asta eine wahre Besessenheit für ihn.

Über hundert Jahre später soll Vibeke perspektivisch die Firma ihres Vaters übernehmen, träumt aber von einer Künstlerkarriere. Mit der Unterstützung ihrer Mutter reist sie nach Skagen, erfährt mehr über die berühmte Künstlerkolonie und bleibt vor Ort, um eine Malschule zu besuchen. In dem Café, in dem sie nebenbei arbeitet, entdeckt sie ein Gemälde, auf dem die Familie Krøyer dargestellt ist. Da schon ihre Mutter fasziniert von der Künstlerin Marie Krøyer war, möchte Vibeke mehr über das Bild herausfinden, das nicht signiert ist. Doch nicht nur das Bild in dem Kavehus weckt das Interesse von Vibeke, sondern auch der Inhaber Thore.

Der Roman erzählt von der legendären Künstlerkolonie im dänischen Skagen um die Künstlerpaare Anna und Michael Ancher sowie Marie und Peder Severin Krøyer. Auf zwei Zeitebenen, 1883-1905 und 2018, wird in beiden Erzählsträngen auf sie Bezug genommen. Erzählt werden jeweils fiktive Geschichten in Vergangenheit und Gegenwart, wobei historische Fakten und die Biografien der Skagen-Maler den Rahmen vorgeben.

Es ist ein Roman, in der die Kunst und Malerei wesentliche Rollen spielen und die Erzählung von sehr eigenwilligen Charakteren dominiert wird. Auf der einen Seite sind Künstler wie Peder Severin Krøyer, der sehr von sich und seinem Talent überzeugt ist und andere wie Marie, die von seinem Können eingeschüchtert sind oder Vibeke, die an sich und ihren Fähigkeiten zweifelt. Als Leser sollte man deshalb ein Interesse an der Kunst bzw. dem Künstlermilieu haben.
Das Zusammenspiel der Protagonisten ist aber nicht nur auf die Kunst beschränkt, sondern betrifft insbesondere auch die zwischenmenschliche Ebene. Neid und Eifersucht werfen einen Schatten auf die Beziehungen und sorgen in Vergangenheit und Gegenwart für Konfliktpotenzial, dass sogar die Gemeinschaft der Künstler auseinanderzubrechen droht.
Dabei sind die Charaktere so plastisch dargestellt, wie man sich typische Künstler vorstellt - entweder exzentrisch und mit enormer Sendungswirkung oder verunsichert mit einem Hang zur Melancholie.

Während ich mich auf beiden Zeitebenen sehr anschaulich nach Skagen, wo Nord- und Ostsee am Skagerrak/ Kattegat zusammenfließen und wo in den Sommermonaten ein besonderes Licht herrschen soll, das die Künstler für ihre Freiluftkunst und ihre Malerei nutzten, versetzen lassen konnte, empfand ich die Charaktere als etwas unnahbar, Interessant ist vor allem Asta, die trotz ihrer gesellschaftlich niedrigen Stellung und ihrem Abhängigkeitsverhältnis zu den Triepkes bzw. Marie wesentlich selbstbewusster auftritt und auf ihren Vorteil bedacht ist. Mit Marie verbindet sie weder ein Arbeitsverhältnis, noch eine Freundschaft, sondern vielmehr eine Hassliebe; in Peder Severin Krøyer findet sie ihren Seelenverwandten.

Beide Erzählstränge fügen sich zu einer Künstlergeschichte, die die Künstlerkolonie des späten 19. Jahrhunderts lebendig werden lässt. Die Charaktere -allesamt verletzliche Künstlerseelen - blieben mir allerdings zu distanziert, weshalb mich ihre Schicksale nicht in vollem Umfang berühren konnten.

Veröffentlicht am 18.11.2019

Modernes Aschenputtel-Märchen; Roman über Familie und Freundschaften und den Weg zurück ins Leben nach einem schweren Schicksalsschlag

Cinder & Ella
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Nach einem schweren Autounfall, bei dem Ellas Mutter ums Leben gekommen ist, muss Ella als Brandopfer nach Koma, Operationen und Reha von Boston zu ihrem Vater nach L.A. ziehen. In ihrer neuen Familie ...

Nach einem schweren Autounfall, bei dem Ellas Mutter ums Leben gekommen ist, muss Ella als Brandopfer nach Koma, Operationen und Reha von Boston zu ihrem Vater nach L.A. ziehen. In ihrer neuen Familie fühlt sie sich nicht willkommen, von ihrem Vater ungeliebt, der Stiefmutter bemitleidet, den Stiefschwestern ausgegrenzt. Auch in der Eliteschule, in der ihr Vater sie anmeldet, findet sie keinen Anschluss und wird dort nicht nur verbal, sondern auch körperlich attackiert.
Als ihr die Einweisung in die Psychiatrie droht, um einerseits von außen geschützt und andererseits selbst zu mehr mentaler Stärke zu finden, schafft sie es, sich wieder bei ihrem Chatfreund Cinder zu melden. Mit ihm kann sie sich über die Distanz völlig unbeschwert unterhalten und ihre Narben, seelische und körperliche Schmerzen und den ungerechtfertigten Hass ihrer Mitschüler vergessen. Er weiß jedoch nichts von den schlimmen Folgen des Unfalls und sie weiß nichts davon, dass es sich bei Cinder um einen der angesagtesten Jung-Schauspielern Hollywoods handelt. Sie verliebt sich in ihren besten Freund und plötzlich ändert sich alles, als die beiden sich bei der FantasyCon begegnen.

"Cinder und Ella" ist ein modernes Aschenputtel-Märchen, in dem sich ein liebenswertes, aber gezeichnetes Mädchen in einen scheinbar unerreichbaren Prominenten verliebt. Ella erlebt etwas, wovon viele Mädchen träumen. Sie kommt endlich ihrem Idol nahe, das auch noch Gefühle für sie empfindet. Ein Happy End scheint jedoch aufgrund Ellas Unfall, ihrem verbrannten Körper und ihren seelischen Narben nicht möglich zu sein, denn welcher angehende Hollywood-Star würde für so ein einfaches Mädchen sein Image und seine Karriere aufs Spiel setzen?

Der Roman ist sowohl aus der Perspektive von Ella als auch aus der von Cinder, namentlich Brian, dem Schauspieler, beschrieben, so dass man Einblick in beide Gefühls- und Lebenswelten erhält.

Es ist kein typischer Young Adult-Roman, denn die Liebesgeschichte steht nicht so unmittelbar im Vordergrund. Es geht auch um Freundschaften und Familie, Enttäuschungen, die man damit erlebt und wie man nach einem schweren Schicksalsschlag wieder ins Leben zurückfinden kann.

Der Roman ist zwar voller Klischees über Hollywood und die Schönen und Reichen, passt aber zu der märchenhaften Geschichte. Die Geschichte ist tragikomisch erzählt, sehr unterhaltsam und lebendig geschrieben und man fühlt mit den Protagonisten, allen voran, Ella leibhaftig mit. Es ist tragisch und gemein, was sie durchmachen muss und schrecklich mitzuerleben, wie oberflächlich die Menschen in ihrer Umgebung sind. Doch Ella ist letztlich nicht allein. Es gibt Menschen, die hinter die Fassade blicken und sie als Mensch mit all ihren positiven Eigenschaften erkennen. Der Roman schenkt Hoffnung und am Ende wird - wie im Märchen - alles gut. Wie gut, kann man in der Fortsetzung "Cinder & Ella: Happy End - und dann?" lesen, die im September erschienen ist, aber als Weiterführung nicht zwingend erforderlich ist, da die Geschichte zu einem befriedigenden Abschluss kommt.

Veröffentlicht am 16.11.2019

Persönliches Buch über das Ende der DDR, den Übergang in die BRD und das Erstarken der rechten Szene

Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß
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Mimi Schulz wächst in einer kleinen brandenburgischen Stadt an der Havel in der DDR auf. Die Mutter ist Lehrerin und überzeugte Sozialistin, der Vater ist Verkaufsstellenleiter, allerdings arbeitsunfähig ...

Mimi Schulz wächst in einer kleinen brandenburgischen Stadt an der Havel in der DDR auf. Die Mutter ist Lehrerin und überzeugte Sozialistin, der Vater ist Verkaufsstellenleiter, allerdings arbeitsunfähig an Diabetes erkrankt. Er verbringt seine Freizeit überwiegend desillusioniert in der örtlichen Kneipe. Mimis Oma, der sie sehr nahe steht, ist ein Fan von "Gorbi".

Als Kind hat Mimi viele Freunde, darunter auch der Nachbarsjunge Oliver. Sie ist Pionierin und nimmt an den zahlreichen staatlich organisierten Freizeitveranstaltungen, Jugendlagern und -fahrten teil. Ende der 1980er erfolgt die Wende und Mimi entwickelt sich zunehmend zu einer Einzelgängerin und stillen Beobachterin. Schnell ist sie mit ihren pink gefärbten Haaren als "Zecke" verschrien und muss miterleben, wie aus Freunden Neonazis, mit ihren Worten "Gorillas" werden, und ehemalige Freunde grundlos überfallen, verprügeln, töten. Mimi fällt in ein tiefes Loch, zieht nach Berlin, kann sich aber nicht zum Studium aufraffen. Erst als sie befürchtet, dass ihr jüngerer Bruder von Oliver, der sich selbst "Hitler" nennt, beeinflusst und in die rechte Szene abdriften könnte, kehrt sie in ihre Heimatstadt zurück und engagiert sich in der linksliberalen Szene. Ein zum Scheitern verurteiltes Vorhaben, in einem Ort, der vom braunen Mon durchsetzt ist?

Manja Präkels beschreibt sehr eindrücklich den Zeitraum 1988 bis Anfang der 2000er, das Ende der DDR, die Wende und den steinigen Neuanfang in der BRD. Die Autorin legt in dem autobiografisch angehauchten Roman ihre Eindrücke der Kindheit und Jugend dar, was die Erzählung noch beklemmender und erschreckender erscheinen lässt. Da ist zunächst das Ende der DDR, eine Ära, die von Zusammenhalt und Gemeinschaft geprägt war und die durch einen engen Rahmen Schule, Freizeit und Beruf festgelegt und für Halt gesorgt hat. Nach der Wende fallen sämtliche Strukturen, Ausbildungen werden nicht anerkannt, die Arbeitslosigkeit, die man bisher nicht kannte erhält Einzug, die Chancen- und Perspektivlosigkeit steigt, die Gesellschaft spaltet sich. Eine zunehmende Radikalisierung am rechten Rand und die Angst vor dem Fremden entwickelt sich erschreckend schnell zu einem rechten Terror, gegen den selbst die Polizei hilflos erscheint.

Die Geschichte wirkt sehr authentisch, liest sich fast tagebuchartig, so dass man am eigenen Leib mit Mimi, die verängstigt einen Umbruch erlebt und sich in einer scheinbar neuen Welt zurechtfinden muss, mitfühlt - auch wenn mir als "Wessi" Begriffe wie Pionierorganisationen, Fahnenappell und Pionierrepublik nur vom Hörensagen bekannt sind. Für Leser, die selbst in der DDR aufgewachsen sind und die Wiedervereinigung von dern anderen Seite aus erlebte, dürfte der Roman bei der Feststellung von Parallelen zur eigenen Biographie deshalb noch interessanter sein.

Während der Alltag in der DDR zu Beginn sehr ausführlich erzählt wird, ist der Zeitpunkt des Mauerfalls und der Übergang zur BRD vergleichsweise kurz gefasst. Aus diesem Grund konnte ich auch die derart extrem gewalttätige Radikalisierung von Mimis ehemaligen Freunden nicht so ganz nachvollziehen. Selbst wenn man sich in einen verblendeten gewaltbereiten Neonazi nicht hineinversetzen kann, fehlten mir die Auslöser für den Aufbau und Erstarken der rechten Szene.

Sprachlich weiß der Roman zu überzeugen. Mimis Gedanken sind sehr direkt, ihre Wortwahl ungewollt komisch, ihre Gedichte apokalyptisch düster.

"Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß" ist keine leichte Kost, beschreibt sehr anschaulich das Ende der DDR und den Übergang in die BRD aus Sicht eines jungen Mädchens, die mitansehen muss, wie in ihrem Heimatort nach dem Fall der Mauer Neonazis das Kommando übernehmen und die Einwohner in Angst und Schrecken versetzen.
In einer Zeit mit dem Erstarken des Rechtspopulismus und -extremismus ist es ein so wichtiges Buch, das eine Warnung und ein Aufruf zu mehr Zivilcourage sein sollte.

Veröffentlicht am 11.11.2019

Familientreffen an der Nordsee mit offenen Konflikten - Familiengeschichte mit tragischen, aber auch komischen Elementen

Wintergäste
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Inge Boysen ist tot. Davon geht zumindest Schwiegertochter Kerrin aus, die zusammen mit Ehemann Enno mit ihr unter einem Dach in einem Reethaus an der Nordsee wohnt und alarmiert alle Kinder und Enkel ...

Inge Boysen ist tot. Davon geht zumindest Schwiegertochter Kerrin aus, die zusammen mit Ehemann Enno mit ihr unter einem Dach in einem Reethaus an der Nordsee wohnt und alarmiert alle Kinder und Enkel von Inge. Noch bevor der Irrtum aufgeklärt werden kann, haben sich ihre nächsten Verwandten bereits auf den Weg gemacht oder sind schon vor Ort. Nachdem die Familie an Weihnachten nicht zusammen gekommen war, freut sich Inge darüber, dass kurz vor dem Jahreswechsel alle ihre Lieben bis auf Sohn Boy bei ihr versammelt sind.

Der vermeintliche Tod hat die Kinder und Enkel schockiert, die Frage nach dem Erbe wird laut, aber vor allem treten all die Probleme in Erscheinung, die die Kinder und Kindeskinder persönlich bewegen. Die Trennung Gesas von ihrem Mann Jochen ist belastend, insbesondere da die 46-Jährige von ihrem neuen Freund Matteo schwanger ist. Enno befürchtet selbst todkrank und der nächste auf dem Sterbebett zu sein, schweigt sich jedoch aus. Berit hat Sorgen sich beruflich über Wasser zu halten und wird zusätzlich noch von ihrer Lebenspartnerin unter Druck gesetzt. Kerrin und Ennos Tochter Inka hat daran zu knabbern, adoptiert zu sein und rebelliert gegen ihre beiden Adoptiveltern, die diese jedoch über alles lieben und die Tochter in ihrem Goth-Look nicht mehr verstehen.

Es prallen unterschiedliche Welten auf engstem Raum aufeinander, so dass alte und neue Konflikte unweigerlich zutage treten, während Inge das Bettchen hütet und beobachtet. Die Enge und das Gefühl, ausgeliefert zu sein, verstärkt sich noch, als sich das Wetter verschlechtert und Eisregen und Sturm eine Abreise unmöglich machen.

Ich hatte die "Die Glücksreisenden" von Sybil Volks gelesen, bevor ich wusste, dass es sich dabei um die Fortsetzung von "Wintergäste" handelt. Beide Romane können unabhängig von einander gelesen werden, wobei ich bei der Lektüre selbstverständlich empfehle, die Reihenfolge einzuhalten.

Die Szenarien sind in beiden Büchern ähnlich. Die gesamte Familie Boysen kommt mehr oder weniger freiwillig im Haus Tide an der Nordsee zusammen und versucht die gemeinsamen Tage zu überstehen, ohne sich dabei zu entzweien.

Wintergäste sind Vögel, die im Winter eine Zeit lang ihr Quartier aufschlagen, bevor sie wieder dort hinziehen, wo ihr Lebensraum ist, an dem sie brüten. Diese Symbolik wird in dem Roman umgesetzt, als Inge Boysens Nachkommen zwischen den Feiertagen bei ihr eintreffen.

Es ist eine Familiengeschichte mit sehr lebendig und individuell gezeichneten Charakteren. Wechselnd wird aus der Sicht eines Protagonisten die Situation vor Ort beschrieben, wobei auch die Hintergründe jedes einzelnen mit seinen Sorgen, Problemen und Geheimnissen immer klarer werden. Jeder einzelne reflektiert sein bisheriges Leben und seine Beziehungen, hängt unausgelebten Träumen nach.
Die Geschichte ist dadurch abwechslungsreich erzählt und durch das Personenverzeichnis zu Beginn nicht verwirrend, auch wenn die Perspektivwechsel nicht durch einzelne Kapitel gekennzeichnet sind und durch die fließenden Übergänge Konzentration gefragt ist.

Die winterliche Stimmung, das Eingeschlossensein und die Ausweglosigkeit schaffen eine passende Atmosphäre für die Situation und die Verhältnisse in dem Haus, das für alle Gäste zu klein ist. Der Roman enthält humorvolle, aber auch tragische Elemente und erzählt viele Einzelgeschichten, die durch das Setting im Haus hinterm Deich ein Ganzes ergeben. Auch wenn mich nicht jedes einzelne Schicksal und die Gedankengänge der Person dazu durchgängig fesseln konnte, überzeugte mich der stimmige Erzählton und die durchaus realistische Darstellung einer Familie, die sich nur selten in dieser Konstellation sieht und zu einem Familientreffen zusammenfindet, wo sich übliche, aber auch besondere Konflikte unter Geschwistern und Paaren ergeben.

"Die Glücksreisenden" hat mir als Nachfolger noch besser gefallen, aber als Einstieg in das Leben der Familie Boysen empfehle ich "Wintergäste" gerne weiter.