Sehr beeindruckend
„Die Arena – Grausame Spiele“ hat mich mit seinem großartigen Cover direkt in den Bann gezogen. Nachdem ich die ersten positiven – und teils euphorischen – Stimmen meiner Lieblingsblogger gelesen hatte, ...
„Die Arena – Grausame Spiele“ hat mich mit seinem großartigen Cover direkt in den Bann gezogen. Nachdem ich die ersten positiven – und teils euphorischen – Stimmen meiner Lieblingsblogger gelesen hatte, wollte ich das Buch unbedingt auch lesen.
„Die Arena“ spielt im London der Zukunft. Hier ist die Gesellschaft in zwei Klassen unterteilt: Auf der einen Seite die Pures – die „reinen“ Menschen, die über allem stehen, und die Dregs – unterdrückter Abschaum, der beseitigt werden muss. Für die „Dreg-Kontrolle“ gibt es sogar einen eigenen Ministerposten. Vivian Banes hat dieses Amt inne. Sie ist die Mutter der männlichen Hauptfigur Ben. Ben wuchs in dieser Zwei-Klassen-Gesellschaft auf und hat vieles nie hinterfragt. Als Sohn einer Politikerin wurde er weitestgehend abgeschirmt und hat einen eigenen Bodyguard, der ihn überall begleitet, u.a. weil in seiner Kindheit entführt und ein Anschlag auf ihn nur knapp verhindert werden konnte. Ben ist vollkommen aufgeregt als der Zirkus nach London kommt und möchte ihn unbedingt besuchen. Er ahnt nicht, welche Zustände dort herrschen. Hoshiko, die Hochseilartistin, ist eine der Hauptattraktionen und fasziniert Ben von Anfang an. Hoshiko ist in Bens Alter und das ist im Zirkus eine wahre Seltenheit. Normalerweise überlebt keine der Attraktionen sehr lange. Der Zirkusdirektor denkt sich zur Unterhaltung der Pures nämlich immer neue Grausamkeiten aus, quält und foltert die Dregs auch außerhalb der Vorstellungen. Hoshiko erleidet bei jeder Aufführung Todesangst und hasst die Pures, die schaulustig in den Zirkus strömen, um Dregs möglichst sensationsträchtig sterben zu sehen, abgrundtief. Wie kann man es ihr verübeln, wurde sie doch mit fünf Jahren ihrer Familie entrissen, um Teil des Zirkus zu werden.
Der Roman wird abwechselnd aus Hoshikos und aus Bens Sicht erzählt. Hayley Barker schreibt die Geschichte in sehr knappen Kapiteln, oft umfassen diese nur zwei Seiten. Ich mochte diese schnellen Perspektivwechsel unheimlich gern. Das Tempo war dadurch sehr hoch und die Spannung zog von Kapitel zu Kapitel immens an. Der Schreibstil gefiel mir dabei außerdem sehr gut, weil er bildhaft und lebendig war: „Ich bin immer noch wach, als der Morgen seine eisigen Finger durch die Vorhänge streckt und ein langweiliger Tag anbricht.“ Viele Dialoge gab es nicht, was ich normalerweise bemängeln würde. Aber hier passte es einfach zum Inhalt und zum Stil. Die Geschichte um Ben und Hoshiko zog mich unaufhörlich weiter in seinen Bann. Ich ertappte mich dabei, wie ich selbst den grausamen Zirkusaufführungen entgegenfieberte und ekelte mich dabei beschämt vor mir selbst. Auch Ben erkennt plötzlich wie falsch die Welt ist, in der er lebt. Er schämt sich dafür, dass er nicht viel früher hinterfragt hat, was um ihn herum geschieht und kann dies nicht weiter ertragen. Auch Hoshiko merkt durch Bens Bemühen nach und nach, dass nicht alle Pures, die Monster sind, für die sie sie hält und so nimmt die Geschichte ihren Lauf.
Ben und Hoshiko, die beiden Hauptakteure, wirken auf mich auch authentisch als sie sich innerhalb kürzester Zeit unsterblich ineinander verlieben. Die Ich-Perspektive tut viel dafür, dass man ihre Gedanken, Gefühle und Handlungen nachvollziehen kann. Für viele mag diese Liebe auf den fast ersten Blick durchaus übertrieben sein, ich wiederum empfand es aber keinesfalls abwegig. Wir haben es hier immerhin mit zwei Teenagern zu tun, die vermutlich noch nie verliebt waren. Bei Shakespeares „Romeo und Julia“ hat man diesen Umstand doch auch nicht groß hinterfragt und das Stück zählt heute zur Weltliteratur.
Das Buch erinnerte mich beim Lesen aber nicht vordergründig an Shakespeare, sondern viel mehr an „Die Tribute von Panem“ oder auch an Nazi-Deutschland. Diskriminierung, Gewalt und Unterdrückung vermeintlich niederwertiger Personen durch eine „Rasse“, die sich über alles stellt. Das kennt man aus der Geschichte und wirkte beim Lesen leider erschreckend realistisch auf mich. Die „minderwertige“ Klasse wird zur Belustigung und Unterhaltung der Höherwertigen im Zirkus zu grausamen Spielen gezwungen. „Die Arena“ wirkt jedoch keinesfalls wie eine billige Kopie von „Tribute von Panem“. Der Roman besticht einfach vollends durch das einzigartige Zirkus-Setting, das die Autorin erzeugt. Die Atmosphäre wird wunderbar von ihr eingefangen: die Gerüche, die Geräusche, die Bilder, die Angst und die Aufregung – alles habe ich beim Lesen hautnah erlebt. Ein wenig schade finde ich jedoch, dass die Autorin nicht darauf eingeht, wie es zu der politischen Lage im Buch gekommen ist. Es wird lediglich erwähnt, dass die Dregs Zuwanderer und ethnische Minderheiten darstellen. Hier wäre durchaus an der einen oder anderen Stelle Potential gewesen, ein paar Hintergründe einzustreuen, um beispielsweise den Hass der Pures besser zu verstehen.
Hayley Barker hat hier einen dystopischen Roman geschaffen über ein London, das man so nicht kennenlernen möchte; über eine erste Liebe, die allen Widrigkeiten und Regeln zum Trotz entsteht; über Werte, die für unsere Gesellschaft wichtig sind und immer sein sollten; über Menschen, die ihre Grausamkeiten nicht als solche sehen; über das Leben und den Tod und wie sinnlos beides sein kann. Für mich ist „Die Arena – Grausame Spiele“ ein sehr beeindruckender Auftakt der Dilogie, auf deren Fortsetzung ich unendlich gespannt bin. Man findet hier eine besondere Erzählweise, eine bedrückende Atmosphäre und eine Geschichte, die zum Nachdenken anregt. Ich empfehle dieses Buch unbedingt weiter und vergebe volle Punktzahl.