Kann der zweite Band der Ivy Years Reihe mit dem ersten mithalten? Ja, auf jeden Fall. In manchen Punkten hat mir Was wir verbergen sogar noch besser gefallen als Bevor wir fallen. Aber auch nur in manchen Punkten. Zu Bridger und Scarlet konnte ich beispielsweise deutlich schneller eine Bindung aufbauen, als zu Hartley und Corey. Sie waren mir von Anfang an sympathisch und gerade Bridger hat schnell einen festen Platz in meinem Herzen bekommen.
Scarlet und Bridger lernen sich an einem der ersten Collegetage kennen und es scheint direkt zwischen den beiden zu funken. Die Beziehung, die sich im Laufe des Romans entwickelt, empfand ich als überaus gelungen. Die zwei sind einfach so harmonisch miteinander. Wer hier nach einer aufregenden Dreiecksbeziehung oder Eifersuchtsdramen sucht, wird nicht erfolgreich sein. Doch die Liebe steht in Was wir verbergen nicht im Fokus. Es geht um die Probleme der zwei Figuren und wie sie mit ihren Geheimnissen umgehen.
Mir persönlich hat es auch sehr gefallen, dass es in diesem Band mehr um die Schwierigkeiten im Leben der Figuren geht, als um die romantische Beziehung. Scarlets Vater wird vorgeworfen mehrere Jungs missbraucht zu haben, was einen dunklen Schatten über Scarlets Leben zieht; Bridger kümmert sich um seine achtjährige Schwester, die er heimlich in seiner Studentenwohnung untergebracht hat, da seine Mutter nicht mehr in der Lage ist, sich um ein Kind zu kümmern.
Gerade Bridger wuchs mir dabei unglaublich ans Herz. Die Passagen, in denen man lesen kann, wie rührend und voller Liebe er sich um seine kleine Schwester kümmert, sind einfach herzerwärmend. Man muss Bridger dafür einfach lieben. Er ist ein durchweg guter junger Mann und tut alles für die Menschen, die er liebt. Allgemein wirkte er auf mich die meiste Zeit deutlich reifer als im ersten Roman der Reihe. Er ist nicht mehr der wilde Hockeyspieler, den Leser in Bevor wir fallen kennenlernten.
Hinter ihm liegt eine Hundertachtzig-Grad-Wendung und er hat realisiert, was im Leben wirklich wichtig ist. Dennoch ist mir hin und wieder aufgefallen, dass er einige Arten von seinem früheren Leben beibehalten hat. Gerade in Bezug auf die Optik von Mädchen (auch Scarlet) war er doch etwas plump und sexistisch. Da stehe ich beim Schreiben dieser Rezension auch etwas im Zwiespalt mit mir selbst: Einerseits denke ich, dass dieses Verhalten für einige junge Männer durchaus realistisch ist, andererseits finde ich es in Büchern unangebracht und falsch. Wenn man das Gefühl vermittelt bekommt, dass eine Person nur ein Stück Fleisch ist, um seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, klingeln bei mir die Alarmglocken.
Seine Probleme gehen weitaus über die üblichen Studentenprobleme hinaus. Partys fallen für ihn aus. Stattdessen muss er gucken, wie er seine Prüfungen, die Arbeit und seine Schwester unter einen Hut bekommt. Und dass seine Schwester im Studentenwohnheim lebt und er sich um sie kümmert, ist dabei das größte Problem. Kinder sind im Wohnheim nämlich nicht erlaubt und dazu kommt, dass er nicht die Vormundschaft für seine Schwester hat.
Scarlet ist ein liebes Mädchen. Ihre Vergangenheit, beziehungsweise die Skandale ihres Vaters, belasten sie sehr. Das merkt man im Verlauf der Geschichte von Seite zu Seite mehr. Dennoch hatte ich mit ihr hin und wieder einige Schwierigkeiten. Dies liegt hauptsächlich an ihrer Art Probleme zu lösen. Da haben wir eine ganz unterschiedliche Herangehensweise und ihre Art, die Dinge zu bewältigen, konnte ich schlichtweg nicht verstehen.
Mir ist bewusst, dass die Skandale ihres Vaters grauenhaft sind, aber in meinen Augen kann man zu den Personen, die man am meisten liebt, dennoch immer ehrlich sein. Dass Scarlet es nicht ist, empfand ich als schade. Besonders weil sich aus ihren Lügen irgendwann ein Strick dreht und die Handlung sehr überzogen wirkt. Für mich verlor die Geschichte durch sie etwas an Glaubwürdigkeit.
Den roten Faden in der Handlung kann man schnell erahnen. Allgemein könnte man behaupten, dass Was wir verbergen ziemlich vorhersehbar ist. Auf den ersten Seiten erfährt man als Leser die Geheimnisse der Protagonisten und weiß, dass diese irgendwann ans Tageslicht kommen. Dennoch hat mir die Handlung zugesagt und ich mochte das Buch gar nicht mehr aus den Händen legen. Dieser Roman ist natürlich nicht so actiongeladen wie ein Thriller. Nichtsdestotrotz kehrt selten Stillstand ein. Man klebt an den Seiten, will wissen, was als nächstes passiert.
Besonders im letzten Drittel beginnen sich die Ereignisse zu überschlagen und Sarina Bowen hat leider eine Sache in Scarlets Plot eingebaut, die mir überhaupt nicht zusagte. Ich habe die liebe Denise, die das Buch zeitgleich gelesen hat, bei meiner Vermutung zu einer bestimmte Sache angesprochen und sie gefragt, ob sie glaubt, dass dies möglich sei. Wir waren uns einig: Sarina Bowen würde die Handlung abschwächen, indem sie dies tut. Sie tat es und spätestens da verlor die Handlung weiter an Glaubwürdigkeit, was ich echt schade finde.
The Ivy Years – Was wir verbergen hat unglaublich viel Potenzial und wurde dann durch ein, zwei Twists in der Handlung fast schon klischeebelastet. Das tut dem Buch aber nichts. Jeder, der zu diesem Buch greift, wird sich darüber bewusst sein, dass dies keine anspruchsvolle Literatur ist und ich finde, dass man daher auch eine Auge zudrücken kann. Fakt ist nämlich, dass die Lektüre viel Spaß bringt und das ist doch ein guter Grund, um zu diesem Roman zu greifen, oder?
Einen dicken Pluspunkt gibt es übrigens, weil ein kleiner Wunsch von mir in Erfüllung gegangen ist. Wir begegnen in diesem Band nämlich auch Figuren aus dem ersten Band wieder und ich habe so sehr gehofft, dass das passiert.
Ein weiterer Grund, wieso ich das Buch so schnell beendet habe, ist definitiv der Schreibstil von Sarina Bowen. Als Leser fliegt man einfach durch die Seiten, da sie mit leichten und verständlichen Wörtern bedruckt sind. Es ist nun kein literarisches Meisterwerk, aber das muss es in meinen Augen auch gar nicht sein. Der Ausdruck passt zu den Figuren, wodurch das Leseerlebnis noch einmal schöner wird.
Eine wundervolle Geschichte, die direkt ins Herz geht. Mir persönlich hätte sie noch einen Ticken mehr zugesagt, wären die Konflikte nicht immer überzogen dramatisch dargestellt worden.