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Veröffentlicht am 22.12.2019

Ungewöhnliche Frauenfreundschaft in ereignisreichen Zeiten

Die Charité: Aufbruch und Entscheidung
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1903 kommt die Jüdin Rahel Hirsch nach Berlin, um an der Charité als Ärztin zu arbeiten. Keine einfache Aufgabe, trifft sie doch auf starken Widerstand ihrer männlichen Kollegen, für die Frauen in der ...

1903 kommt die Jüdin Rahel Hirsch nach Berlin, um an der Charité als Ärztin zu arbeiten. Keine einfache Aufgabe, trifft sie doch auf starken Widerstand ihrer männlichen Kollegen, für die Frauen in der Medizin nichts zu suchen haben. Auch die junge Arbeiterin Barbara Schubert, die in der Wäscherei der Klinik arbeitet, hat es alles andere als leicht im Leben und muss hart schuften, um für ihren Unterhalt aufkommen zu können. Sie engagiert sich politisch und setzt sich für Frauenrechte ein. Die beiden ungleichen Frauen streben beide -auf eigene Art- nach Emanzipation. Durch Zufall wird Barbara Zeugin eines Übergriffs auf Rahel und rettet sie. Sie werden Freundinnen. Bald müssen sie mit dem Ersten Weltkrieg und seinen Folgen zurecht kommen.

Wie auch im ersten Band der Reihe hat Ulrike Schweikert eine mitreißende Geschichte um ihre Protagonisten gesponnen. Viele Charaktere so Rahel Hirsch, Theodor Brugsch oder Melli Beese sind historische Personen, andere wie Barbara, ihre Freunde und Familie hat Schweikert als fiktive Charaktere erfunden. Die persönlichen Geschichten der Figuren werden packend erzählt. Einen Großteil des Romans nehmen aber auch historische Ereignisse ein. Geht es anfangs vorwiegend um die Geschichte der medizinischen Forschung (bspw. die Erforschung der Syphilis oder die Fortschritte in der Radiologie), wird später alles überschattet vom ersten Weltkrieg. Ich habe viele neue und Interessante Fakten aus der Zeit erfahren, hätte mir aber eine stärkere Präsenz der Figuren gewünscht. Diese treten oft zugunsten bedeutender geschichtlicher Ereignisse in den Hintergrund. Die außergewöhnliche Freundschaft von Rahel und Barbara, die sich über den Roman entwickelt und festigt, hat mir sehr gefallen. Es werden so die Sichtweisen von Personen aus ganz verschiedenen Gesellschaftschichten dargestellt. Der erste Weltkrieg traf in seiner beispiellosen Grausamkeit schließlich jeden: Arm und Reich, Männer und Frauen, Juden und Christen, Arbeiter und Akademiker......

Sprecherin Svenja Pages liest angenehm und macht ihre Sache für meine Begriffe gut. An ihren Berliner Akzent, der Barbara ein wenig dümmlich wirken lässt, musste ich mich anfangs allerdings noch gewöhnen.

Insgesamt hat mich das Hörbuch wirklich prima unterhalten, in keiner der 917 Minuten Laufzeit kam Langeweile auf. Ich hoffe schwer auf einen dritten Teil.

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Veröffentlicht am 11.12.2019

Wenn der innere Schweinebär Wirklichkeit wird...,

Ein Schweinebär im Schlafanzug
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Jules Bruder Sascha ist eigentlich ein wirklich netter Junge, der nur ein großes Problem hat: Seine Tischmanieren sind unterirdisch und beim Essen richtet er regelmäßig eine Riesensauerei an. Daher wird ...

Jules Bruder Sascha ist eigentlich ein wirklich netter Junge, der nur ein großes Problem hat: Seine Tischmanieren sind unterirdisch und beim Essen richtet er regelmäßig eine Riesensauerei an. Daher wird er oft von seinen Eltern „Schweinebär“ genannt. Und eines Tages passiert es: Seltsame Geräusche dringen aus Saschas Kinderzimmer. Als Papa nachsieht, findet er einen broinkenden Schweinebär vor. Sascha hat sich in seinen eigenen Spitznamen verwandelt. Da Jules Familie den Umgang mit einem Schweinebären nicht gewohnt ist, führt das zu allerlei Verwicklungen und komischen Situationen.

Ich habe das Buch meinen Kindern (vier, sechs und acht Jahren) vorgelesen. Sie haben aufmerksam zugehört und hatten viel Spaß an der recht klassisch und konventionell erzählten Geschichte. Vor allem die Szenen, in denen die Verdauung des Schweinebären die Hauptrolle spielte, brachte sie wiederholt zum Lachen. Aber auch die Darstellung der Nachbarn (insbesondere Frau Klimpinski) fanden wir alle sehr amüsant. Die Zeichnungen von Katalin Eva Pop, die mich ein wenig an meine Kinderbücher aus den 80ern erinnern, passen gut und wurden von meinen Kindern gerne immer wieder genauer angeschaut. Am Ende ergänzen noch Mitmachseiten mit verschiedenen Rätseln und Bildern die Geschichte, eine nette Idee und motivierende Zugabe.

Neben der unterhaltsamen Geschichte enthält das Buch -schön verpackt- einige wichtige Aussagen: Während Jule recht souverän agiert, sind die Eltern zunächst mit der Situation überfordert und verleugnen ihren Sohn, der ihnen im ersten Moment peinlich ist. Zum Schluss akzeptieren sie ihr Kind aber auch als Schweinebären, weil sie ihn trotz seiner Schwächen lieben. Eine schöne Botschaft: Kinder sollen ruhig auf die uneingeschränkte Liebe ihrer Eltern vertrauen und auf die ihrer Geschwister sowieso. Außerdem wird wieder einmal klar, dass wir uns viel zu sehr über Dinge ärgern, die eigentlich nicht der Rede wert sind. Wenn dann alles viel schlimmer kommt, wünschen wir uns den vorherigen Zustand zurück. Also lieber gleich zufrieden sein, vieles lässt sich eben nicht beeinflussen und planen. Und natürlich: Lieber dreimal überlegen, mit welchen Schimpf- oder Spitznamen wir unsere Kinder ansprechen. Man weiß ja nie, was alles passieren kann ....

Eine lustige, abenteuerliche Geschichte voller Phantasie, die Erstleser ab sieben Jahre durchaus schon alleine bewältigen können. Vier Broinks von Fünf.

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Veröffentlicht am 11.12.2019

Kleiner Seelenwärmer für dunkle Tage

Im Alt singt jemand falsch
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Maja singt schon lange im Unichor und mindestens genauso lange schwärmt sie heimlich für den gutaussehenden Tenor Tristan. Aber irgendwie läuft es gerade nicht so recht: Der neue Chorleiter, der stocksteife, ...

Maja singt schon lange im Unichor und mindestens genauso lange schwärmt sie heimlich für den gutaussehenden Tenor Tristan. Aber irgendwie läuft es gerade nicht so recht: Der neue Chorleiter, der stocksteife, perfektionistische Wilhelm ist mit den Leistungen der Sänger nicht zufrieden und lässt alle Mitglieder einzeln zum Vorsingen antreten. „Im Alt singt jemand falsch“ vermutet Maja deshalb. Da sie sie nicht gerade mit Selbstbewusstsein gesegnet ist, hält Maja sich selbst für diesen Jemand und fürchtet beim Vorsingen aufzufliegen. Aus Angst, den Chor verlassen zu müssen, möchte sie sich unentbehrlich machen und meldet sich kurzerhand freiwillig für die Organisation eines Chorwochenendes. Und das obwohl die Zeit denkbar knapp ist und die Chaotin über wenig bis gar kein Organisationstalent verfügt. Insgeheim hofft Maja, dass es ihr dabei noch gelingt, Tristan von sich zu überzeugen. Doch dann kommt alles ganz anders.......

Die Figur Maja ist zwar herrlich liebenswert, aber manchmal derart unsicher und verplant, dass ich sie beim Lesen öfter durchschütteln wollte. Trotzdem habe ich mit ihr mitgefiebert. Auch Majas unkonventionelle Familie und ihre netten Freunde musste ich einfach gern haben. Natürlich sind einige Personen, allen voran Tristan und die zickige Lissy klischeehaft und sehr einseitig dargestellt, aber für einen Roman dieser Art, der in erster Linie gut unterhalten soll, gehört das für meine Begriffe genau so. Und Maja, die einem doch recht naiv und verträumt vorkommt, lernt dazu: Nicht nur in Sachen Ordnung und Selbstbewusstsein, sondern auch darüber, was Familie bedeutet und wie man mit Konflikten umgeht.
Maja und Wilhelm sind übrigens prominenten Vorbildern aus einem sehr erfolgreichen Film nachempfunden. Um welche es sich handelt, wird hier aber nicht verraten. Nur soviel: Mir hat der Vergleich großen Spaß gemacht.

Die Chorszenen wirken sehr authentisch. Man merkt, dass sich die Autorin auskennt und selber eine Leidenschaft fürs Chorsingen hegt. Mit ihrer Begeisterung hat sie mich fast ein bisschen angesteckt.

Manchmal, gerade an tristen Wintertagen, neige ich zu trüben Gedanken. Da will ich mich einfach ins Bett oder aufs Sofa kuscheln und ein Buch fürs Herz lesen, das mich den Ärger vergessen und wieder lachen lässt. Für solche Zeiten ist dieser Roman genau das richtige: ein kleiner Seelenwärmer für dunkle Tage, eine gelungene romantische Liebeskomödie zum Lesen.

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Veröffentlicht am 05.12.2019

Schön illustriertes und gut strukturiertes Sachbuch, das auch Erwachsenen noch neue Informationen bietet

Hallo, Frau Elefant!
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„Hallo, Frau Elefant!“, ein Sachbuch für Kinder ab drei Jahren, stellt verschiedene Tiere der Savanne vor. Auf den Seiten finden sich sehr kurze Informationstexte zu Nashorn, Zebra, Gnu, Löwe, Nilpferd, ...

„Hallo, Frau Elefant!“, ein Sachbuch für Kinder ab drei Jahren, stellt verschiedene Tiere der Savanne vor. Auf den Seiten finden sich sehr kurze Informationstexte zu Nashorn, Zebra, Gnu, Löwe, Nilpferd, Krokodil, Gepard, Elefant, Giraffe und Geier. Zusätzlich bieten die gut strukturierten Abschnitte noch Entdeckerklappen zum Öffnen, hinter denen weiteres Spezialwissen verborgen ist. Zum Schluss sind auf einem Bild noch einmal alle Tiere versammelt und sollen von den Kindern gesucht und benannt werden

Ich habe das Buch meinen Kindern (vier und sechs Jahre ) und dem dreijährigen Neffen vorgelesen. Die großen farbenfrohen Bilder haben ihnen sehr gut gefallen, auch ich war recht angetan von den dekorativen, aber nicht überladenen Illustrationen und der interessanten Maltechnik. Das Buch ist liebevoll und hochwertig aufgemacht. Die Klappen und Seiten sind von der Qualität für das angegebene Alter in Ordnung, könnten aber noch etwas dicker und stabiler sein, um auch die Angriffe kleinerer Geschwister schadlos zu überstehen.

Die Auswahl, was inhaltlich zu den einzelnen Tieren erzählt wird, ist für mich toll getroffen. Zunächst werden die exotischen Tiere ganz simpel in Fleisch- und Pflanzenfresser unterteilt. Aber dann erfahren auch erwachsene Vorleser noch viel Neues über sie, zum Beispiel, dass Zebras eigentlich schwarze Haut haben oder dass Gnus schon fünf Minuten nach ihrer Geburt neben ihrer Mutter herrennen können. (Mein Sohn hat dafür immerhin 15 Monate gebraucht ) So ist das Buch auch für Ältere noch interessant und lehrreich.

Eine gute Idee fand ich zudem, dass die Tiere zuerst immer direkt von den Lesern (z.B. mit den Worten „Hallo Frau Nashorn!“ ) begrüßt werden sollen. So werden die kleinen Zuhörer zum Mitsprechen aufgefordert, gerade das hat meinen Kindern großen Spaß gemacht.

Mein sechsjähriger Sohn war etwas irritiert, dass der Titel des Buchs „Hallo, Frau Elefant!“ lautet, im Text aber „Herr Elefant“ begrüßt wird. Auch ist er nach wie vor davon überzeugt, dass die Zungen der Giraffen blau und nicht wie im Buch geschrieben „fast schwarz“ sind.

Von diesen beiden Punkten abgesehen, hat uns Sam Boughtons Buch aber sehr gut gefallen. Wir können es für alle kleinen Tierliebhaber und wissensdurstigen Entdecker ab frühestens zweieinhalb Jahren nur empfehlen.


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Veröffentlicht am 04.12.2019

Brandaktueller Krimi, recht spannend umgesetzt

Das Floriansprinzip
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Als der ehemalige Bankenrevisor Mark Malecki von seiner Freundin und früheren Kollegin Sarah gebeten wird, ihr bei der Aufklärung eines Versicherungsbetrugs zu helfen, findet er eine Leiche. Kurze Zeit ...

Als der ehemalige Bankenrevisor Mark Malecki von seiner Freundin und früheren Kollegin Sarah gebeten wird, ihr bei der Aufklärung eines Versicherungsbetrugs zu helfen, findet er eine Leiche. Kurze Zeit später wird Sarah gar selbst entführt. Auf eigene Faust beginnt Mark zu ermitteln und stößt auf einen hochkriminellen Müllschieberring, der auch vor Mord nicht zurückschreckt.

Erschreckend realistisch und grausam, was in der Geschichte da ans Tageslicht kommt. Getreu dem Floriansprinzip „Heiliger Florian verschone mein Haus, zünde lieber das Dach des Nachbarn an“, produziert die Wohlstandsgesellschaft tonnenweise Müllberge, weigert sich aber, selbst die Konsequenzen dafür zu tragen. Der Müll wird stattdessen in die Dritte Welt verschifft, sollen die Leute dort doch unter den Folgen unseres Müllwahns leiden. Obwohl der Roman schon etwas älter ist, ist das brisante Thema angesichts der Klimaschutzdebatte gerade so aktuell wie selten zuvor. Hauptfigur Mark Malecki weigert sich zunächst, tiefere Nachforschungen anzustellen. Auch ihm ist bewusst, dass es so nicht weitergehen kann. Er will aber erstmal trotzdem nichts an seinem Verhalten ändern oder Anstrengungen unternehmen, dem kriminellen Netzwerk das Handwerk zu legen. 

Überhaupt präsentiert Malecki sich eher als Anti-Held. Von früheren unangenehmen Erfahrungen des Lebens gezeichnet, ist er unfreundlich und abweisend, stur, nimmt wenig Rücksicht, schlägt immer mal wieder über die Strenge und verhält sich manchmal unvernünftiger und verantwortungsloser als seine beiden Kinder. Aber unter der harten Fassade verbirgt sich dann doch ein weicher Kern. Letztendlich riskiert er für seine Lieben gar sein Leben. Mark erzählt die Geschichte als Ich-Erzähler in rauem, lässigen Ton, er kommentiert oft bissig ironisch. Daher wirkt das Ganze stellenweise mehr wie ein amerikanischer Thriller als ein deutscher Krimi. Der Fall ist recht spannend und nimmt rasant an Fahrt auf.
Sprecher Simon Jäger macht seine Sache sehr gut, wenn er die Hauptfigur spricht. Manche Charaktere wie z.B. Daniel, Marks Sohn, stellt er nicht ganz so gelungen dar. Er lässt ihn ziemlich nervig und penetrant wirken, was für mich seinem Charakter gar nicht entspricht.

Auch wenn ich den Fall zunächst nicht ganz so interessant fand -mir persönlich sind klassische Krimis mit Einzeltätern eigentlich lieber- hat mich die Geschichte rasch gefesselt. Dass Maleckis privates Umfeld, seine Familie, im Geschehen eine größere Rolle spielt, empfand ich als positiv. Dadurch wurde „der harte Hund“  Malecki menschlicher und ein wenig nachvollziehbarer. Autorin Gable kenne ich eigentlich nur als Verfasserin von historischen Romanen. Dass sie auch Krimis schreibt und das gar nicht mal schlecht, hat mich überrascht.  Alles in allem ist ihr hier ein solider, kurzweiliger und spannender Krimi gelungen.

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