Sehr enttäuschend
Die im Klappentext erwähnte Thematik des Buches ist ausgesprochen interessant: "Das erste Jahr der jungen Ehe von Annie und Carl ist nicht leicht - ständig fehlt es an Geld, obwohl Carl neben seinem Jurastudium ...
Die im Klappentext erwähnte Thematik des Buches ist ausgesprochen interessant: "Das erste Jahr der jungen Ehe von Annie und Carl ist nicht leicht - ständig fehlt es an Geld, obwohl Carl neben seinem Jurastudium noch mehrere Jobs hat." Ich war gespannt darauf, wie die jungen Leute mit dieser Situation zurechtkommen und freute mich dann auch, als ich beim Lesen festsstellte, daß das Buch Ende der 1920er spielt und hoffentlich Einblicke in das Leben der Zeit gegeben würden.
Leider aber ist die Umsetzung gleich aus mehreren Gründen meines Erachtens völlig mißlungen. Der Hauptgrund ist der ausgesprochen schlechte Schreibstil. Ich konnte es kaum glauben, daß diese Autorin renommierte Preise gewonnen hat, denn das Buch liest sich, als ob es ein Schulmädchen verfaßt hätte. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal ein so schlecht geschriebenes Buch gelesen habe.
Auch bei der Schilderung der Beziehung zwischen Carl und Annie wurde meistens zielsicher am Interessanten vorbei geschrieben. Das Buch beginnt mit ihrer Hochzeit und ich war von der Banalität der Dialoge bereits überrascht, habe es aber über gemächlicher Einführung verbucht. Allerdings ändert sich das Ganze nicht. Annie und Carl führen zum Großteil absolut uninteressante Dialoge, die nicht dadurch besser werden, daß die beiden sich in fast jedem Satz zwanghaft mit Vornamen ansprechen.
Ein Auszug:
"Hast du schon mal so viele Pee-wees gesehen, Carl?"
"Das sind Beanies."
"In Brooklyn heißen die Pee-wees."
"Ich bin aber nicht in Brooklyn."
"Aber trotzdem bist du noch Brooklyner."
"Das müssen ja nicht alle wissen, Annie."
"Das ist jetzt nicht dein Ernst, Carl."
"Ach, wir können sie doch einfach Beanies nennen, Annie."
Das ist keine unrühmliche Ausnahme, sondern Carl und Annie sprechen fast ständig so miteinander. Irgendwann merkt man auch, daß ihre begrenzte Themenauswahl sich immer wiederholt und wir lesen Varianten des Banalen immer und immer wieder.
Die Charaktere sind nicht gut gezeichnet. Annie ist manchmal erschreckend einfältig, an manchen Stellen ist es kaum glaubhaft. Dazu ist sie noch völlig distanzlos und launisch. Das macht die Szenen mit ihr unangenehm zu lesen. Carl ist farblos. Er lernt viel, er arbeitet viel und er wird ab und an etwas grob. Mehr erfahren wir nicht. Was diese beiden aneinander finden, erfahren wir auch nicht, meistens scheinen sie genervt voneinander. Manche Szenen sollen uns vermitteln, wie sehr sie einander lieben, aber man kann es nicht nachempfinden und versteht es auch nicht. Überhaupt ergeben die Beziehungen zwischen den Charakteren nur selten Sinn.
Interessante Aspekte, wie eben Carls finanzielle Nöte oder das gespannte Verhältnis zu den jeweiligen Eltern, werden leider kaum behandelt, stattdessen versinkt die Geschichte größtenteils in Banalitäten. Zudem kommt Carl ein glücklicher Zufall nach dem anderen zu Hilfe und sobald ein wenig Geld im Haus ist, wird es (vor allem von Annie) mit vollen Händen hastig ausgegeben, was der finanziellen Thematik Dringlichkeit und Glaubwürdigkeit nimmt.
Annie, wie gesagt von ausgesprochener Einfältigkeit und dazu mit gerade mal grundlegender Schulbildung, schreibt gerne, insbesondere Theaterstücke. Ihre ersten Versuche sind schmerzhaft schlecht, was verständlich ist - sie konnte es bislang nicht lernen. Nun reicht aber ihr Interesse an der Thematik aus, kostenlose Gasthörerin bei entsprechenden Vorlesungen zu werden und dort braucht sie nur ein paar Monate, um zu den drei Besten der Klasse zu zählen. Das ist völlig unglaubwürdig (auch wenn das Buch wohl autobiographische Züge hat) und wird noch unglaubwürdiger, als wir Annies spätere Schreibversuche zu lesen bekommen und sie immer noch schmerzhaft schlecht sind.
So las ich hier also ein schlecht geschriebenes Buch mit unsympathischen, teils überzeichneten Charakteren, dessen teils interessante Themen entweder unzureichend oder unglaubwürdig behandelt wurden. "Glück am Morgen" ist leider die Enttäuschung des Jahres für mich. Die zwei Sterne gibt es für einige informative Schilderungen von Stadt- und Universitätsleben und für durchblitzende Momente, in denen man von Carls Situation gerührt ist und merkt, daß hier eine gute Geschichte hätte drinstecken können.