Gregg Hurwitz, Die Sekte (2)
Tim Rackley wurde vom Dienst suspendiert. Der ehemalige US Marshal muss noch immer mit den Folgen der Ermordung seiner Tochter Ginny und seinem persönlichen Rachefeldzug klar kommen, als ein bekannter Hollywoodpoduzent vor seiner Tür steht und ihn darum bittet, seine Tochter Leah zu suchen. Die mittlerweile 19jährige junge Frau hat all ihr Geld einer Sekte überschrieben und den Kontakt zu ihren Eltern abgebrochen. Tim Rackley steht vor einer schweren Entscheidung, vorübergehend wird er beim Marshal-Service wieder eingestellt, um diesen Fall zu lösen, doch die Kollegen sind alles andere als begeistert davon. Auch seine Ehefrau Dray hat einige Einwende.
Doch Tim kann nicht anders als zu helfen. Unter falscher Identität schleicht er sich bei der Sekte als wohlhabener Geschäftsmann ein... und bringt sich damit in Lebensgefahr.
Ich kenne von Gregg Hurwitz bereits die „Orphan“-Reihe um den Profikiller mit Evan Smoak, die mich immer wieder aufs neue begeistern kann. Dementsprechend hatte ich hohe Erwartungen an diesen Thriller.
Der Erzählstil ist fast durchgängig spannend, temporeich und fesselnd, obwohl auch ein paar wissenschaftliche Fakten zur Sektenmentalität eingestreut werden, was die Geschichte aber nicht im Tempo bremst.
Der Autor achtet darauf, unterschwellige Ängste des Lesers zu schüren und die ohnehin schon recht düstere, beklemmende Atmosphäre zu verstärken. Botschaft: Jeder könnte „eingefangen“ werden!
Da ich den direkten Vorgänger „Die Scharfrichter“ nicht kenne, hatte ich an einigen Stellen in der Geschichte kleinere Lücken, die mich gestört haben. Ich empfehle an dieser Stelle, den ersten Band um Tim Rackley zu kennen, obwohl der Fall an sich, eigenständig gelesen werden kann.
Die Figurenausarbeitung war lebendig, ich konnte mir Tim und sein Alter Ego Tom Altman sehr gut vorstellen, auch wenn ich mir ein bisschen mehr charakterliche Tiefe, gerade auch für die Nebenfiguren, gewünscht hätte, vor allem für die Leser, die noch kein Buch aus dieser Reihe kennen.
Ich denke aber, wenn ich das erste Buch gelesen habe, werde ich einiges mehr erfahren und im Nachhinein besser verstehen können.
Tim hat das Herz am rechten Fleck, auch wenn er dafür Regeln brechen muss, um an sein Ziel zu kommen. Der Schmerz über den Verlust seiner Tochter ist glaubhaft, dass er wahrscheinlich einen Mord deswegen begangen hat, glaube ich heraus gelesen zu haben, aber das werde ich alles im ersten Buch erfahren. In seinen jetzigen Fall geht er an seine persönliche Grenzen, dabei hilft ihm die Spezialausbildung die er genossen hat. Um Politik kümmert er sich gar nicht, und er ist genauso frustriert, wenn er keine Handhabe gegen die Bösewichte bekommt.
Seine Ehefrau Andrea, genannt Dray, eine Polizistin, konnte mir während der ganzen Geschichte leider überhaupt nicht sympathisch werden, was sicherlich daran liegt, das sie vom Verlust ihrer Tochter gezeichnet, sehr distanziert wirkte und wenig an sich heran lies. Die Dynamik zwischen ihr und Tim wirkte teils aufgesetzt und etwas künstlich.
Besonders sympathisch dagegen war mir Tims alter Partner Bear, der eine gewisse Gemütlichkeit und Kompetenz ausstrahlt und den ich auf Anhieb mochte.
Die Sekte und ihr Meister wurden sehr detailliert dargestellt. Die Machenschaften mit denen sich der Meister aufspielt, welche psychologischen Tricks er nutzt, um seine „Jünger“ gefügig zu machen, welchen Medikamenten-Coctail oder welche hypnotischen Tricks er mit einbezieht, um die Leute zu manipulieren, aber auch wie er gekonnt körperliche Funktionen durch bestimmte Übungen ausser Kraft bzw. aus dem Gleichgewicht bringt, all das ist wahrlich erschreckend und wenn ich als Leser so über den Wahrheitsgehalt nachdenke, dann ist das schlichtweg erschreckend. Jeder könnte von so einer Sekte eingefangen werden, und hier wird bewußt mit den Ängsten des Lesers gespielt.
Die Story selbst hätte einen Touch spannender sein können, aber das ist jetzt wirklich jammern auf hohem Niveau, da die „Orphan Reihe“ ein hoher Maßstab ist.
Der Autor kann mit seinen Schauplätzen punkten, die er detailreich und bildlich beschreibt, sodass ich die Ranch oder den Ballsaal gut vor Augen hatte.
Ich kann diesen Thriller von Gregg Hurwitz empfehlen, es ist alles da, was es braucht: viel Spannung, Action, ein böser Gegenspieler, ein sympathischer, aber gebrochener Held, eine tolle Story und Emotionen, die beim Leser geweckt werden, dazu ein paar Irrwege, Überraschungen und eine Vielzahl an Problemen, die gelöst werden wollen. Mich hat der kurzweilige Thriller gut unterhalten.
Das Cover gefällt mir gut, die Farben wirken nicht zu aufdringlich, die Details sind gut herausgearbeitet.
Fazit: eine Sekte, ein Meister und ein Undercover-US-Marshal, der nach Gerechtigkeit sucht. 4 Sterne.