Aufgrund seines Handlungsortes – der Arktis – umgibt dieses Buch eine besondere Atmosphäre. Die Welt des ewigen Eises ist einfach faszinierend und wunderschön anzusehen und die Kälte spürt man schon fast gar nicht mehr, weil sie so allgegenwärtig ist.
In dieser einzigartigen Umgebung wächst Cassie auf. Sie begegnet dem Leser als Siebzehnjährige, in wenigen Rückblicken erfährt der Leser aber auch Einiges über ihre Kindheit. Insbesondere über die Tatsache, dass ihre Großmutter ihr regelmäßig eine Gute-Nacht-Geschichte erzählt hat, die davon handelte, dass Cassies Mutter vom Nordwind entführt wurde. Natürlich glaubt Cassie dieses Märchen nicht, doch sie soll schon bald eines Besseren belehrt werden.
Cassie ist ein sehr lebendiger und sympathischer Charakter. Sie hat ihren eigenen Willen, den sie auch durchsetzt und dabei den Unmut ihres Vaters gezielt ignoriert. Für ihr Verhalten steht sie jedoch gerade und lernt auch, mit den Konsequenzen zu leben. Hinter Cassie als Hauptcharakter bleiben die Nebenfiguren jedoch etwas zurück. Sie werden weniger lebendig und greifbar gezeichnet, wirken dadurch blass und distanziert. Allein der Eisbär, der Cassies Leben schon bald enorm verändern wird, wird lebendig und fühlbar beschrieben.
Als Leser muss man sich auf die Tatsache, dass sich in diesem Buch eine Liebesbeziehung zwischen einem Menschen und einem Eisbären entwickelt, einlassen können. Erleichternd wirkt dabei die Tatsache, dass sich der Eisbär nachts in einen Menschen verwandelt. Die Beziehung zwischen Cassie und Bär, wie der Eisbär unspektakulärerweise genannt wird, entwickelt sich jedoch hauptsächlich tagsüber, da Cassie den Bären nachts nur sehr zögerlich an ihre Seite lässt. Man muss also damit leben können, dass sich Bär nicht wie wir Menschen ernährt, dass er sich auf vier Pfoten fortbewegt und im Gegensatz zu „normalen“ Tieren sprechen kann. Aber die Autorin macht es dem Leser recht leicht, mit diesen Tatsachen umzugehen, da Bär einfach sehr sympathisch und liebevoll ist und so nicht nur das Herz von Cassie, sondern auch das des Lesers gewinnt.
Die erste Hälfte des Buches beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Cassie und Bär und es macht Spaß, deren Entwicklung zu verfolgen. Dann geschieht ein Ereignis, dass für eine große Wendung in der Handlung sorgt. Leider macht es nun nicht mehr so viel Spaß wie zu Beginn des Buches, dieser zu folgen. Denn jetzt rast die Handlung nur so dahin. Cassie hetzt förmlich durch die Welt um – erneut - für die Folgen ihres Handelns gerade zu stehen. Der Autorin bleibt dadurch nicht viel Zeit, sich auf die vielfältigen und unterschiedlichen Wesen, denen Cassie begegnet und die das Buch so märchenhaft machen, zu konzentrieren. Diese werden mit wenigen Worten erwähnt und schon ist Cassie wieder unterwegs. Die Handlung wirkt dadurch sehr oberflächlich, entscheidende Ereignisse werden mit wenigen Worten abgehandelt und es wird zum nächsten Ereignis gesprungen. Schade, dass die Autorin sich so wenig Zeit für die Entwicklung der Geschichte nimmt. Gerade jetzt, wo es spannend werden könnte, wo es um Liebe geht und das Schicksal von Cassies und Bärs Beziehung auf dem Spiel steht...
Der Schreibstil der Autorin ist sehr angenehm, wodurch sich das Buch leicht und flüssig lesen lässt. Sarah Beth Durst schafft es, Bilder vor dem geistigen Auge des Lesers entstehen zu lassen und die Handlung und die Charaktere nahe zu bringen.
Mein Fazit:
Ein arktisches Märchen, das eine besondere Atmosphäre ausstrahlt, bei der die Handlung aber zu oberflächlich bleibt und deshalb zu schnell abgehandelt wird.