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Veröffentlicht am 13.02.2020

Tod an der Theologischen Fakutät in Aix-en-Provence

Mord in der Rue Dumas
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Gleich vorweg: Der Krimi hat mich positiv überrascht, denn ich habe Vorurteile was "Regional"-Krimis angeht, die in angesagten Regionen oder Orten spielen, zumal wenn die Autoren nicht dort ansässig sind ...

Gleich vorweg: Der Krimi hat mich positiv überrascht, denn ich habe Vorurteile was "Regional"-Krimis angeht, die in angesagten Regionen oder Orten spielen, zumal wenn die Autoren nicht dort ansässig sind oder, noch schlimmer, Ausländer sind, die unter einem Pseudonym schreiben, das dies vortäuscht.
Mary L. Longworth macht zumindest keinen Hehl daraus, dass sie Kanadierin ist.

Mord in der Rue Dumas lebt weniger von dem Kriminalfall, der allerdings auch sehr schlüssig ist, als vielmehr durch die Personen und ihre Beziehungen untereinander, die anfangs nicht leicht zu durchschauen sind, wenn man die Reihe nicht kennt, und vor allem durch die Atmosphäre der Stadt Aix-en-Provence.
Hier kennt man sich untereinander wie typisch in einer Kleinstadt, ist verwandschaftlich, beruflich, gesellschaftlich miteinander verbandelt. Entsprechend gelangen auch die Informationen auf teilweise ungewöhnlichen Kanälen zu den beiden Ermittlern, Untersuchungsrichter Antoine Verlaque und Kommissar Bruno Paulik.

Das liest sich sehr angenehm und hat mich gut unterhalten, so dass ich nicht übel Lust hätte, mehr aus der Reihe zu lesen.

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Veröffentlicht am 03.02.2020

36 Geschichten, so unterschiedlich wie ihre Verfasser

Feierabend!
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Zu dieser Kurzgeschichtensammlung des Rhein-Mosel-Verlags haben 36 Autoren beigetragen. So unterschiedlich wie die Autoren sind auch die von ihnen erzählten Geschichten. Schon beim Ansatz zum Thema "Feierabend!" ...

Zu dieser Kurzgeschichtensammlung des Rhein-Mosel-Verlags haben 36 Autoren beigetragen. So unterschiedlich wie die Autoren sind auch die von ihnen erzählten Geschichten. Schon beim Ansatz zum Thema "Feierabend!" zeigt sich, dass einige von ihnen den Feierabend, also die Phase, in der aus dem Arbeitsmenschen wieder der private Mensch wird, als Ausgangspunkt ihrer Geschichte gewählt haben, während für andere "Feierabend!" ganz ohne Bezug zur Arbeitswelt das bewusste Setzen eines Schlussstrichs, ob freiwillig oder nicht, unter eine Phase des Lebens bedeutet.
Herausgekommen dabei sind Geschichten, die sehr persönlich sind, wie zum Beispiel Martine Lestrats "Au revoir, liebe Routine" oder blutig und witzig zugleich, wie Stefan Lochners "Kunst". Manche Erzählungen klangen aber auch sehr nach den Anweisungen der gerade so angesagten Achtbarkeitsratgebern.
Meine Lieblingsgeschichte ist Jana Frankes "Carpe Diem", die mich sehr berührt hat.
Bisher waren mir die Autoren und Autorinnen bis auf Martine Lestrat nicht bekannt, daher hat mich gefreut, im Anhang ein paar Informationen zu jeder Person zu finden. Die große Überraschung war das Alter von Elisabeth Niedermaier zu erfahren, deren "Migliore amica" mir ausgesprochen gut gefallen hat. Respekt!

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Veröffentlicht am 16.12.2019

Ein verändertes "Vaterland"

Das Vaterland
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Ganz erstaunlich finde ich diesen "Roman, der kein Roman sondern ein Pamphlet sein soll" (so Liepman in seinem 1933 in Paris verfassten Vorwort). Er dürfte einer der ersten sein, die die Geschehnisse in ...

Ganz erstaunlich finde ich diesen "Roman, der kein Roman sondern ein Pamphlet sein soll" (so Liepman in seinem 1933 in Paris verfassten Vorwort). Er dürfte einer der ersten sein, die die Geschehnisse in Deutschland literarisch auch für eine internationale Leserschaft festhalten.
Heinz Liepman erzählt die Geschichte der Schiffsbesatzung, die nach nur 3 Monaten auf See in ein völlig verändertes Hamburg zurückkehrt. Nun, Aufmärsche, Antisemitismus hatte es gewiss auch schon vorher gegeben, aber nun war es geschehen: die Nationalsozialisten hatten die Macht übernommen. Was die Heimkehrer erleben, ist staatlich organisierte Gewalt, Spitzeltum, die organisierte Vernichtung einer ganzen Volksgruppe, willkürliche Verhaftungen, Folter.

Die Reaktionen der Besatzungsmitglieder darauf sind so unterschiedlich wie ihre Gesinnung. Zusammen mit den im weiteren Verlauf auftretenden Figuren verkörpern sie das ganze Spektrum von Verhalten unter der Schreckensherrschaft.

Der Roman wirkt nicht wie aus einem Guss, dies verhindern die Abfolge der einzelnen Episoden und die wechselnden Erzählperspektiven, aber dennoch finde ich ihn faszinierend: wegen der Dichte der Informationen und besonders wegen der Menschlichkeit, die bei der Schilderung all der Grausamkeiten immer wieder durchblitzt. Und immer wieder wird verwiesen auf die aufrechten Menschen, die sich selbst in Gefahr bringen, weil sie sich nicht mit den Gegebenheiten arrangieren können. Das hat mich beeindruckt.

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Veröffentlicht am 16.12.2019

"atmosphärisch unangenehme Stimmung" in den Spätsommerferien in Italien

Mario und der Zauberer
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Ich weiß nicht, warum es mich jedesmal solche Überwindung kostet, bevor ich an ein Werk von Thomas Mann gehe (meine Sympathie galt schon immer eher Heinrich, Klaus, Erika und Golo, die sich entschieden ...


Ich weiß nicht, warum es mich jedesmal solche Überwindung kostet, bevor ich an ein Werk von Thomas Mann gehe (meine Sympathie galt schon immer eher Heinrich, Klaus, Erika und Golo, die sich entschieden hatten, in weniger geordneten Verhältnissen zu leben und zu arbeiten, vielleicht auch nur, weil es mir für sie ungeheuer schwer vorkommt, neben einer Figur wie Thomas Mann bestehen zu können).
Wenn es dann aber geschieht, bin ich jedesmal wieder fasziniert, wie auch hier von der Erzählung Mario und der Zauberer, fasziniert wie meisterhaft er beobachtet und analysiert, sein Gespür für Unterschwelliges und Atmosphärisches, deren genaue Darstellung und die klare Analyse des Zustands, in dem sich die bürgerliche Gesellschaft, der er angehört, sich befindet.

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Veröffentlicht am 15.12.2019

Warum ausgerechnet Lissabon?

Nachtzug nach Lissabon
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"Mitten im Unterricht verlässt ein Lehrer seine Schule und macht sich auf den Weg nach Lissabon, um den Spuren eines geheimnisvollen Autors zu folgen..."
Zugegeben, dieses Buch wollte ich nicht mehr aus ...

"Mitten im Unterricht verlässt ein Lehrer seine Schule und macht sich auf den Weg nach Lissabon, um den Spuren eines geheimnisvollen Autors zu folgen..."
Zugegeben, dieses Buch wollte ich nicht mehr aus der Hand legen, nachdem ich mit dem Lesen begonnen hatte. Ich habe mir sogar eine extralange Zugfahrt gegönnt, um in Ruhe weiterlesen zu können. Der Roman ist fesselnd und hat mich nicht losgelassen. Während der Lektüre kam mir immer öfter der Gedanke "Hast du das nicht schon mal irgendwo genauso gelesen?" oder aber "In welcher Situation hast du genau diesen Gedanken gehabt?" , das hat einerseits den Lesefluss beflügelt, mich aber andererseits schon beim Lesen befremdet.
Nachdem ich eine Nacht darüber geschlafen habe, bin ich mir noch weniger klar in meiner Bewertung dieses Romans.
Eines jedoch steht für mich fest: ich wünschte mir, der Autor habe seinen Protagonisten eine Iranerin treffen lassen und anschließend nach Isfahan geschickt.
Und ich werde mich endlich entweder an Pessoas Buch der Unruhe heranwagen oder aber eines der anderen noch ungelesenen Bücher (realer) portugiesischer Schriftsteller aus dem Regal nehmen, und in denen darf der Schauplatz der Handlung dann ruhig Lissabon sein.

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