Schöne Idee, aber nicht rund genug gestaltet
Close to youNeulich benötige ich für eine längere Zugfahrt noch eine Lektüre und als ich so in mein Regal geschaut habe, dachte ich, dass sich close to you von Isabell May sehr dafür eignen würde. Ich schätze es als ...
Neulich benötige ich für eine längere Zugfahrt noch eine Lektüre und als ich so in mein Regal geschaut habe, dachte ich, dass sich close to you von Isabell May sehr dafür eignen würde. Ich schätze es als ein leichtes New Adult-Buch ein, das man locker weg lesen kann - und genau so kam es auch.
In close to you schildert uns Violet aus der Ich-Perspektive ihre Geschichte:
Violet möchte ihre Vergangenheit hinter sich lassen und zu Beginn des Buches sitzt sie im Zug nach Maine um dort neu anzufangen. Nachdem sie sich bei einer schrulligen älteren Dame als Mitbewohnerin einquartiert hat, beginnt sie ihr Studium am dortigen College. Sie findet schnell Freunde und fängt langsam an sich in ihrer neuen Heimat wohl zu fühlen. Besonders der Aiden, geheimnisvolle Typ aus dem Zug, geht ihr nicht mehr aus dem Kopf und dann studiert er auch noch an ihrem College! Er wirkt zwar sehr düster und ist immer abweisend zu ihr, doch irgendetwas hat er an sich, dass sie magisch anzieht.
„Ich war weit weg von zuhause. Ganz egal, wie die Wohnung aussah: Das hier war ein Neuanfang und das war genau das, was ich wollte.“ S. 15
Die Idee dahinter ist nichts Neues. Ein Mädchen versucht irgendeiner schrecklichen Situation, die sie zuhause erlebt hat, zu entfliehen und flüchtet dazu ans andere Ende des Landes. Dort fängt sie ihr neues Leben mit einem Studium an, findet Freunde und irgendein Kerl, der dem absoluten Bad-Boy entspricht, läuft ihr über den Weg und sie findet in total anziehend, weil er so gut aussieht und irgendwie geheimnisvoll ist.
Dabei wünsche ich mir aber immer, dass die Autorin aus dieser gewöhnlichen Geschichte irgendetwas Besonderes macht. Isabell May hat dies hier auch versucht, aber die Umsetzung ist ihr, trotz des angenehmen leichten Schreibstils, meiner Meinung nach nicht ganz so gut gelungen.
Dies fängt schon bei den Charakteren an, die irgendwie nicht rund gestaltet worden sind. Ich bin weder mit Violet, noch mit Aiden irgendwie warm geworden.
Violet ist ein sehr sprunghafter Charakter, der einem als ängstliches und schüchternes Mädchen vorgestellt wird, das sich schwer auf Leute einlassen und ihnen vertrauen kann. Doch ziemlich schnell freundet sie sich mit ein paar Leuten an und vertraut allen leichtgläubig, obwohl nicht alle ihr Bestes im Sinn haben. Genauso reagiert sie immer wieder in ihr unbekannten Situationen kühn, handelt einfach ohne, dass ihr bewusst ist, warum sie dies oder jenes tut.
„Wieso hatte ich überhaupt je an ihr gezweifelt? Nur, weil sie ein oder zwei dumme Aktionen gerissen hatte? Das änderte doch nichts daran, dass sie ein netter und fürsorglicher Mensch war, auf den man sich verlassen konnte.“ S. 157
Je weiter ich gelesen habe, desto öfter ging sie mir wirklich auf die Nerven. Denn auch, wenn Aiden sie immer wieder abgewiesen hat und wirklich schroff wurde, ist Violet ihm noch hinterher gelaufen - immer wieder. Und da muss ich wirklich sagen, dass ich ihre Reaktion einfach nicht verstanden habe. Wenn jemand so mit mir reden und umgehen würde, dann würde sich doch mein Stolz und Selbsterhaltungstrieb melden und ich würde den Typen einfach stehen lassen - egal wie geheimnisvoll und sexy er auch sein mag. Aber ich schätze, da ist jede Frau anders.
Aiden soll der typische männliche Protagonist sein. Er wirkt düster mit seinen dunkeln Haaren und seinen schwarzen Klamotten. Dazu ist er tätowiert, redet nicht viel und auch er hat irgendein dunkles Geheimnis oder ein Ereignis aus seiner Vergangenheit, das ihn quält.
Ich glaube es hätte der Geschichte gut getan ebenso aus Sicht von Aiden erzählt zu werden, auch wenn das dem Aufbau der meisten New-Adult Romane momentan entspricht und somit nichts Neues wäre. Doch so konnte ich überhaupt keinen Bezug zu Aiden aufbauen und habe ihn nur als verschlossenen Charakter kennen gelernt, der nicht über seine Probleme redet und doch irgendwie ab und zu mal nett zu Violet ist.
„Da waren Fingerspitzen, die leicht über meine Wange strichen. Eine Berührung, so zart wie Schmetterlingsflügel und so glühend heiß wie Lava.“ S. 151
Somit habe ich auch nicht das Knistern zwischen den beiden gespürt. Problematisch war für mich auch, dass die Autorin brisante Ereignisse ungenutzt hat verstreichen lassen. Energiegeladene Situationen werden mit nur ein paar Sätzen abgetan und die Spannung, die sich gar nicht richtig aufbauen kann, verfliegt viel zu schnell. Dabei hätte man aus vielen Situationen so viele schöne emotionale Vorkommnisse stricken können und einfach mehr aus dem Ganzen herausholen können.
Deshalb kann sich auch kein richtiger Spannungsbogen aufbauen. Die Handlung plätschert teilweise so vor sich hin, gespickt mit vielen einzelnen brisanten Szenen, die nicht ihr volles Potenzial entwickeln können.
Und dort hatte ich das Gefühl, dass die Autorin zu viel auf einmal wollte und in jede dieser Szenen oder Situationen eine Prise (oder manchmal auch zwei) zu viel Drama gepackt hat. Bestimmte Situationen wirkten einfach überdramatisiert und nicht realistisch ausgearbeitet. Ich meine, wir lieben zwar alle Drama und dieses Element ist auch etwas, dass dieses Genre ausmacht und auch einfach zu New Adult dazu gehört, doch es war an der ein oder anderen Stelle eben zu viel.
Fazit:
Ein solider New-Adult Roman, wären da nicht die unausgewogenen Charaktere und die vorhersehbare, klischeebehaftete Handlung. Die Geschichte ist leichte Unterhaltung und die perfekte Lektüre für einen Sonntagnachmittag auf dem Balkon. Mich konnte das Buch nicht ganz überzeugen, deswegen an dieser Stelle nur 2,5 Schmetterlinge.