Stimmungsvolle Geistergeschichten für die Weihnachtszeit
Kobolde entführen einen griesgrämigen, bösartigen Totengräber und bewegen ihn auf recht drastische Weise zur Reue. Der Tod selbst überzeugt ungewollt einen Verzweifelten von der Schönheit des Lebens. Ein ...
Kobolde entführen einen griesgrämigen, bösartigen Totengräber und bewegen ihn auf recht drastische Weise zur Reue. Der Tod selbst überzeugt ungewollt einen Verzweifelten von der Schönheit des Lebens. Ein Signalwärter sieht vor einem Eisenbahntunnel einen Geist und hat bald darauf einen tödlichen Unfall.
In England erzählt man sich zu Weihnachten und zur Winterzeit gern am gemütlich lodernden Kaminfeuer Geschichten - erbauliche, abenteuerliche, gruselige. Charles Dickens hat uns neben seinen großen Weihnachtsgeschichten eine Vielzahl kleiner Kabinettstücke hinterlassen, die für diese Zeit gedacht sind und die hier in neuer Übersetzung vorgelegt werden... (Klappentext)
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"Vielleicht liegt ein Duft nach gerösteten Kastanien und anderen guten, gemütlichen Dingen in der Luft, denn wir erzählen ja Wintergeschichten - Spukgeschichten, zu unserer Schande - am Weihnachtskamin; und wir haben uns nie von der Stelle gerührt, außer vielleicht um ein wenig näher ans Feuer zu rücken."
(S. 82 - "Weihnachtsgeister")
Ohne Charles Dickens ist es für mich kein richtiges Weihnachten. Jedes Jahr lese ich "Eine Weihnachtsgeschichte", die jedem sicherlich bekannt sein dürfte, und jedes Jahr wird kurz vor Weihnachten ein Buch von Charles Dickens gekauft.
Dieses Jahr durfte "Am Kamin" bei mir einziehen und es enthält tatsächlich Wintergeschichten, welche ich noch nicht kannte.
Wer Weihnachtserzählungen von Dickens kennt weiß, dass es in diesen immer wunderlich, mystisch und schaurig zugeht. Das lag an der damaligen englischen Tradition, als sich die Erwachsenen abends mit einem Grog oder Wassail in der Hand vor dem prasselnden Kamin versammelten und sich eben solche schaurigen Winter- und Weihnachtsmärchen erzählten.
Ich liebe gute Geistergeschichten und ich liebe Weihnachten, also ist es nicht verwunderlich, dass ich von dieser alten englischen Tradition sehr angetan bin und diese bei mir ebenso zur Tradition geworden ist.
"Schließlich erreichte das Spiel einen ungemein erregenden Höhepunkt, die Orgel spielte schneller und schneller, und die Kobolde sprangen rascher und rascher, rollten sich zusammen, kugelten köpflings über den Boden und hüpften wie Fußbälle über die Grabsteine."
(S. 257 - "Die Geschichte von den Kobolden, die einen Totengräber stahlen")
Nun darf man sich bei Charles Dickens natürlich keine horrormäßigen Erzählungen erwarten, von denen sich einem vor Angst die Nackenhaare aufstellen.
Es sind schaurig-schöne Weihnachtsgeschichten, manchmal witzig, ein anderes Mal mysteriös oder traurig, aber alle haben einen durchaus tiefsinnigen Kern.
"Von dieser Stunde an betrachtete der Junge den Stern als das Zuhause, zu dem er gehen würde, wenn seine Zeit gekommen wäre, und er dachte, dass er nun nicht mehr nur zur Erde, sondern auch zum Stern gehörte, weil der Engel seiner Schwester ihm dorthin vorausgegangen war."
(S. 203 - "Ein Kindertraum von einem Stern")
Der Schreibstil ist flüssig, wobei ich das Gefühl habe, das hier stark nachgeholfen und modernisiert wurde.
Charles Dickens hat natürlich allgemein einen flüssigen und poetischen Schreibstil und neigt auch zu ausufernden Beschreibungen. Dies wurde hier auch beibehalten, doch den ganz und gar typischen und klassischen Dickens-Stil, den ich eben aufgrund dessen so gerne lese, fehlt hier.
Das Positive daran ist, dass dieses Buch auch diejenigen lesen können, welche mit diesem "altbackenen" Schreibstil nichts anfangen können oder sich damit schwer tun. Die typische Dickens-Atmosphäre geht für mich dadurch jedoch etwas verloren.
Trotzdem kam ich beim Lesen durchaus in Weihnachtsstimmung. Dickens bleibt eben doch Dickens.
Hier begegnen wir Geistern, Kobolden, unheimlichen Geschehnissen in alten Gemäuern und wird dabei in die Dickensche Zeit des 19. Jahrhunderts entführt, als das Leben noch hart und entbehrungsreich war und es noch klirrendkalte Winter gab.
"Genau in dem Augenblick wiederholte sich das Geräusch; eine der Glastüren öffnete sich langsam und gab den Blick auf eine bleiche, ausgezehrte Gestalt in verschmutzten und verschossenen Kleidern frei, die aufrecht in dem Schrank stand. Die Gestalt war lang und dünn, und ihre Miene drückte Sorge und Angst aus; aber es war irgendetwas an der Hautfarbe und an der hageren und unwirklichen Erscheinung, was man bei keinem Wesen von dieser Welt je gesehen hätte."
(S. 94 - "Der Rechtsanwalt und der Geist")
Die Ausgabe macht auch von außen etwas her. Wunderschönes Cover, mit Leinenrücken und Lesebändchen, ergo im passend klassischen Stil, sodass das Buch auch im Regal wunderschön aussieht.
Fazit:
Wie es bei Anthologien so ist, konnte mich nicht jede Geschichte von sich überzeugen, wobei sich das nur auf 1-2 Geschichten beschränkt. Alle anderen konnten mich durchaus unterhalten und begeistern. Die Winter- und Weihnachtsgeschichten versprühen eben doch einen ganz eigenen Flair, welcher mich jederzeit in Weihnachtsstimmung versetzen kann.
Mir persönlich ist jedoch die alte Schreibweise des Originals lieber als die modernisierte, doch somit ist dieses Buch auch für Dickens-Neuentdecker sehr gut geeignet.
© Pink Anemone (inkl. Leseprobe und Rezept zum Buch "Wassail")