Quälende Vergangenheit
Die Zeit der vergessenen Kinder„Die Zeit der vergessenen Kinder“ von Charlotte Kliemann ist erschienen im Verlag Feuer Werke. Der Titel und das Cover, in Sepia gehalten, weisen auf eine Geschichte aus vergangenen Zeiten hin und machen ...
„Die Zeit der vergessenen Kinder“ von Charlotte Kliemann ist erschienen im Verlag Feuer Werke. Der Titel und das Cover, in Sepia gehalten, weisen auf eine Geschichte aus vergangenen Zeiten hin und machen mich neugierig. Die Fragen der Autorin: „Lest ihr gerne Familiengeschichten mit mehreren Zeitebenen, deren Verknüpfungspunkte sich allmählich herauskristallisieren? Und lest ihr gerne Liebesgeschichten der komplizierteren Art?“ kann ich mit einem klaren JA beantworten. So habe ich mich gern auf das Buch eingelassen, das zur Zeit des Dritten Reichs und im Jahr 2008 spielt.
2006: Es ist ein merkwürdiger Zufall, dass Martin Gelegenheit hat, die gesamte traurige Lebensgeschichte von Claudia zu lesen, und er sich daraufhin sofort in die Unbekannte verliebt. Dabei ist seine Familiengeschichte nicht weniger dramatisch. Das Roma-Mädchen Rubina, Martins Mutter, ist aufgewachsen im Dritten Reich. Schon als Kind hat sie viel Schweres erlebt, musste sich viel zu früh wie eine Erwachsene benehmen und Verantwortung übernehmen, und sie musste – ohne es zu verstehen – damit klarkommen, dass ihre Familie keinerlei Rechte hatte. Im Gegensatz zu Claudia, die ihre Geschichte aufgeschrieben hatte, bleibt Martin eher verschlossen. Selbst seine beiden Kinder wissen nicht viel über sein Leben.
Ich liebe Bücher, in deren Geschichten ich mit hineingenommen werde und die mir das Gefühl geben, ich wäre ein Teil davon. Dazu gehört dieses Buch nicht – und damit habe ich ganz neue, wunderbare Erfahrungen gemacht. Ich konnte zwar tief hineintauchen, aber ich war kein Teil der Geschichte, sondern habe eher ganz still am Rande gestanden und aus einer gewissen Entfernung respektvoll das Geschehen verfolgt. Dabei wurden mir die Charaktere, vor allem Rubina, Martin und Claudia, so vertraut, als würde ich sie schon lange kennen.
Auf jeden Fall ist die Geschichte spannend und zu Herzen gehend, der Schreibstil sehr lebendig. War ich in einem Moment verängstigt und erschüttert über die erschreckenden Ungerechtigkeiten, so konnte ich im nächsten Augenblick aus Hilflosigkeit und Verzweiflung heraus Zuversicht und Hoffnung schöpfen. Ein Stück Geschichte, über das es sich lohnt nachzudenken, und das heute immer noch aktuell ist. Warum sollten Menschen weniger wert sein, nur weil sie Fremde sind, und warum müssen sie fremd bleiben?
Das Buch ist leicht zu lesen, trotzdem habe ich mir viel Zeit dafür genommen zum Nachdenken und manchmal auch einfach, um bestimmte Momente zu genießen, zum Beispiel mit einem der vielen zauberhaften Zitate: „Die Nacht hatte glitzernde Perlen auf die Fäden der Spinnweben gefädelt.“