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Veröffentlicht am 02.01.2020

Psychologisch hervorragend ausgearbeitet!

Neujahr
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Henning und Theresa fliegen mit ihren kleinen Kindern über Weihnachten und Neujahr nach Lanzarote. Henning wird und wurde das Leben zu viel, er ist erschöpft und leidet unter Panikattacken. Auch auf Lanzarote. ...

Henning und Theresa fliegen mit ihren kleinen Kindern über Weihnachten und Neujahr nach Lanzarote. Henning wird und wurde das Leben zu viel, er ist erschöpft und leidet unter Panikattacken. Auch auf Lanzarote. Zur Entspannung mietet er sich ein Fahrrad und macht eine Tour auf den Vulkan Atalaya. Doch es wird eine Reise in seine Vergangenheit.

Wieder mal stelle ich fest, dass ich den Schreibstil von Juli Zeh unheimlich mag. Nein, mehr noch. Ich finde in fantastisch. Die Autorin versteht es hervorragend, mit nebenbei eingestreuten Details, die Figuren sehr lebendig erscheinen zu lassen.
Von Beginn weg spürte ich einen unheimlichen Sog. Die Gefühlswelt von Henning, seine Überforderung mit den Kindern, die Sicht auf seine Familie und dem Leben ist sehr gut ausgearbeitet.

Teils sehr berührend, teils schockierend schonungslos. Und über all dem schweben die Panikattacken von Henning, hier "ES " genannt. Und immer wieder habe ich mich gefragt, weshalb dieser Mann so labil ist? Die grosse Auflösung, die mit der Tour per Velo beginnt, ist psychologisch sehr gut ausgearbeitet. Und zeigt deutlich, wie Erlebnisse Menschen prägen. Und auch, weshalb Menschen zu dem werden, wer sie sind. Sehr gutes Beispiel ist da Hennings Schwester Luna, die mehr oder weniger durch das Leben strauchelt und nirgendwo sesshaft ist.

Das Erklimmen des Berges, mit einem Mountainbike und praktisch keiner Ausrüstung, enthält ganz viel Symbolik. Wie viele Männer werden Väter, stellen sich das einfach vor und merken mittendrin, dass sie erstens nicht gerüstet sind für eine so lange Tour. Und zweitens, ihnen die Puste mittendrin ausgeht? Aber auch : Eine Reise in die Vergangenheit, zu den Erlebnissen und Wurzeln der Kindheit, kann wie das Erklimmen eines Berges sein. Hart, schweisstreibend und mit Zusammenbeissen der Zähne.

Und gerade diese symbolischen Einschübe haben mich in dieser Geschichte fasziniert und gefesselt. Allerdings bleiben auch noch nach Beendigung des Buches leise Zweifel, ob die Erlebnisse dort auf dem Berg der Unterzuckerung oder realen Erinnerungen Hennings geschuldet sind.

" Neujahr" ist ohne Zweifel eine fesselnde und spannende Geschichte und ich konnte das Buch kaum mehr aus der Hand legen.

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Veröffentlicht am 23.12.2019

Hat mich tief berührt!

Deine Schritte im Sand
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Anne - Dauphine ist schwanger mit dem dritten Kind, als sie und ihr Mann Loîc die niederschmetternde Diagnose erfahren. Ihre erst zweijährige Tochter Thaîs leidet unter einer schweren Erbkrankheit und ...

Anne - Dauphine ist schwanger mit dem dritten Kind, als sie und ihr Mann Loîc die niederschmetternde Diagnose erfahren. Ihre erst zweijährige Tochter Thaîs leidet unter einer schweren Erbkrankheit und wird bald sterben. Der vierjährige Sohn Gaspard ist gesund. Die Eltern müssen zudem Angst haben, dass das ungeborene Kind auch unter der Erbkrankheit leidet.
Die Eltern gehen durch die Hölle. Sie versuchen jedoch, ihrer Tochter so weit wie möglich, das wenige Leben, das ihr bleibt, so lebenswert wie möglich zu machen.

Dieses Buch ist der Tatsachenbericht einer Mutter, die nach dem Tod der kleinen Tochter, dieses Mittel gewählt hat um irgendwie zu verarbeiten, ihre kleine Tochter leiden und sterben zu sehen.
Die Geschichte ist ganz klar wie eine Erzählung gehalten. Die Autorin fasst Gefühle, Ängste aber auch die kleinen Freuden der Familie zusammen. Dabei ist der Schreibstil sehr echt und authentisch. Ich weigere mich strikte, diesen zu beurteilen, denn in so einer Geschichte steht bei mir die Echtheit im Vordergrund … vor den eventuellen holperigen Stellen. Mich hat dieses Buch sehr berührt. Und wie immer, wenn ich höre oder lese, was für Schicksalsschläge Eltern verkraften müssen, werde ich zutiefst demütig, dass es mir und meiner Familie gut geht.
Oft steht bei Krankheiten, Beeinträchtigungen und lebensbedrohenden Situationen das kranke Kind im Vordergrund. Teilweise ist dies auch hier der Fall. Doch die Autorin zeigt auch die Gefühlswelt des gesunden Bruders Gaspard. Er ist vierjährig, als seine kleine Schwester erkrankt und sein Leben wird plötzlich durcheinander gewirbelt. Ich hatte grosses Mitleid mit diesem kleinen Jungen.
Medizinische Handlungen, aber auch Infos zu der Erbkrankheit metachromatische Leukodystrophie, sind so gut erklärt und beschrieben, dass man auch als Laie bedenkenlos folgen kann. Ich denke, der Grund dafür ist, dass die Autorin im Grunde eben auch Laie ist und damit die Details so erklärt, wie es selten ein Arzt zu erklären weiss.
Die Mutter lässt den Leser Einblick haben in schwierige Entscheidungen zum Wohle ihrer Kinder. Knochenmarktransplantation: ja oder nein? Können die Eltern das Risiko, dass ihr Kind daran sterben könnte, verantworten? Die damit zusammenhängende, monatelange Isolation im Krankenhaus in Kauf nehmen? Wo und wie ist die Lebensqualität höher für das kranke Kind? Wie weit verabreicht man starke Schmerzmittel? Entscheidungen um Entscheidungen, was das beste für das kranke und bald sterbende Kind ist …
Ich litt unheimlich mit der Familie mit. Als beschrieben wird, wie Thaîs erst die Fähigkeit zu laufen, dann zu sitzen und schliesslich die Sprache und das Augenlicht verliert, hat es mich regelrecht geschüttelt. Auch weil ich wusste, dass das Gelesene genau so, dieser Familie aus Paris geschehen ist.
Sehr beeindruckt hat mich, wie Grosseltern, nahe Verwandte und Freunde der Familie zusammen rücken, helfen, da sind und alle Kräfte mobilisieren, dass die Eltern würdevoll Abschied nehmen dürfen.
Dieses Buch hat mein Weltbild wieder mal zurecht gerückt und mich nachdenklich und …wie schon gesagt….demütig und dankbar gemacht.

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Veröffentlicht am 15.12.2019

DAS ist Psychothriller!

Sister, Sister - Zwei Schwestern. Eine Wahrheit.
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Als ihr Vater Patrick die kleine Schwester Alice nach Amerika entführt, stürzt für die neunjährige Clare eine Welt zusammen. Zwanzig Jahre lang leiden Clare und ihre Mutter unter dem Verlust. Und nicht ...

Als ihr Vater Patrick die kleine Schwester Alice nach Amerika entführt, stürzt für die neunjährige Clare eine Welt zusammen. Zwanzig Jahre lang leiden Clare und ihre Mutter unter dem Verlust. Und nicht zu wissen, was mit Alice geschehen ist, beeinflusst ihr ganzes Leben.
Dann, Clare ist schon lange verheiratet und hat mit Mann Luke zwei Töchter, bekommt Mutter Marlis einen Brief. Alice hat ihre Adresse herausgefunden und möchte ihre Familie in England kennen lernen. Was erst wie eine glückliche Familienzusammenführung aussieht, wird zu Clares persönlichem Albtraum. Nach und nach manipuliert Alice ihre Mutter, den Mann und die Töchter von Clare und drängt sie mehr und mehr aus ihrem Leben. Seltsame Dinge geschehen und die ganze Familie richtet sich gegen Clare, die sich fragt, ob sie sich das alles aus Eifersucht auf Alice nur einbildet?

Als ich das Buch in der Verlagsvorschau vom Penguin Verlag gesehen habe, wusste ich eines : Es passt genau in mein Leseschema. Psychothriller, eine mysteriöse Story, zwei Frauen, bei denen man sich lange nicht sicher ist, wer denn ein falsches Spiel treibt. Und das alles eingebettet in eine Familiengeschichte.

Das erste Drittel des Buches widmet sich der Einführung in die Familie von Clare. Hier wird auch die Entführung der kleinen Alice thematisiert. Ich fand das berührend und konnte das Entsetzen von Mutter und Schwester nachvollziehen. Das war auch der Tatsache geschuldet, dass die Figuren toll charakterisiert wurden. Clare ist eine Karrierefrau, die als Anwältin die Brötchen für die Familie verdient. Ihr Ehemann Luke, ein Künstler, der sich um die Kinder kümmert. Er ist sehr nett, und liebt seine Frau abgöttisch. Bis er mehr und mehr den Eindruck hat, dass seine Frau unter Wahnvorstellungen leidet. Diese Entwicklung Luke's ist stimmig und nachvollziehbar beschrieben.

Im ersten Kapitel, das mit dem Schluss der Geschichte beginnt, wurde meine Lust für diese Story so richtig entfacht. Denn mit dem Wissen aus dem ersten Kapitel wartet man wortwörtlich auf den grossen Knall, was die Spannung enorm erhöht. Danach springt die Geschichte sechs Wochen zurück und oft war ich fassungslos, wie viel Psychoterror man sich so ausdenken kann. Subtiler Psychoterror, wohlgemerkt.
Die Gratwanderung, nicht zu schnell, zu viel zu verraten, ist der Autorin hervorragend gelungen. Spielt Alice ein falsches Spiel und weswegen? Oder ist Clare eifersüchtig auf den guten Draht, den Alice sofort zu Mutter Marlis und ihrer Familie hat?

Ich kannte die Autorin Sue Fortan nicht und bin begeistert vom Schreibstil. Wunderbar rund und flüssig liest man sich durch das Leben der Familie Tennison / Kennedy.
Mit vielen überraschenden Wendungen und geschickt eingestreuten Ereignissen, die mich haben zweifeln und rätseln lassen, hat mich die Autorin die ganze Story über bei der Stange gehalten. Es war so fesselnd, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte und an einem Wochenende verschlungen habe.

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Veröffentlicht am 06.12.2019

Eine für mich neue Figur!

Die andere Frau
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Joe O'Loughlin ist Psychologe und versucht nach dem Tod seiner Frau, die Familie zusammen zu halten. Dazu gehören seine Töchter sowie seine Schwestern und seine Eltern. Der Schock ist gross, als sein Vater ...

Joe O'Loughlin ist Psychologe und versucht nach dem Tod seiner Frau, die Familie zusammen zu halten. Dazu gehören seine Töchter sowie seine Schwestern und seine Eltern. Der Schock ist gross, als sein Vater William überfallen und mit schweren Kopfverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert wird. Als Joe im Krankenhaus ankommt, sitzt am Bett seines Vaters eine fremde Frau, die behauptet, mit William verheiratet zu sein. Doch wie kann das sein, denn Joe's Mutter ist auf dem Weg ins Krankenhaus?

Auf den Punkt gebracht und ohne langatmige Details! So reihe ich den Schreibstil von Michael Robotham ein. Ab und zu blinzelt ein trockener Humor durch, der mir sehr gut gefallen hat.
Ich habe schon frühere Werke von Robotham gelesen, dies hier war jedoch das Erste rund um den Psychologen Joe O' Loughlin. Und schon bin ich ein grosser Fan dieser Figur. Ab und zu streut der Autor Details der Arbeit eines Psychologen ein, was mir sehr gut gefallen hat. Daneben hat Joe einen sehr einprägsamen Charakter, den ihn unverwechselbar macht. Er leidet unter Parkinson und diese lebensverändernde Krankheit ist sehr sensibel und auch eindrücklich in die Charakterisierung eingefügt worden.
Sehr gefallen hat mir, als beschrieben wird, wie der Tod von Joe's Frau die Familie, allen voran vor allem die 12jährige Tochter Emma, verändert. Normalerweise mag ich es weniger, wenn das Privatleben eines Ermittlers, und ja, Joe fungiert hier als Ermittler, immer wieder thematisiert wird. In diesem Buch ist erstens dieses Privatleben äusserst interessant und zweitens so mit dem Fall verwoben, dass es sehr gut passt.
Die grosse Fragen, die auch mich durch das Buch getrieben hat, waren : wer hat William niedergeschlagen und was war der Grund dafür? Was hat es mit der fremden Frau am Krankenbett von Joe's Vater auf sich?
So hat mich der Autor zu den verschiedensten Verdächtigungen verführt, mich auf falsche Fährten gelockt … um mir am Schluss des Buches eine logische, eigentlich völlig simple und zudem sehr schlüssige Auflösung zu präsentieren.
Schon das Ende des ersten Kapitels hat bei mir wie eine Bombe eingeschlagen, da macht der Titel des Buches schon richtig Sinn. Und die Spannung hat mich nicht losgelassen, sondern mich regelrecht durch das Buch getrieben.
Die vielen medizinischen Aspekte, wie Pflege einer Schwerstbehinderten, ein Koma und auch Joe's Krankheit, Parkinson, wurden anschaulich und, soweit ich das beurteilen kann, absolut authentisch beschrieben.
Dies wird ganz sicher nicht mein letztes Buch rund um den Psychologen Joe O'Loughlin sein!

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Veröffentlicht am 28.11.2019

4 Frauen - Eine Geschichte !

Das Erbe
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Mona Lang kann es nicht glauben. Ihre Grosstante, Klara Hacker, hat ihr das Schwanenhaus in München vermacht. Sehr zum Verdruss ihrer Familie, mit der Mona kaum Kontakt pflegt. Nach der Trennung von Freund ...

Mona Lang kann es nicht glauben. Ihre Grosstante, Klara Hacker, hat ihr das Schwanenhaus in München vermacht. Sehr zum Verdruss ihrer Familie, mit der Mona kaum Kontakt pflegt. Nach der Trennung von Freund Bernd, zieht Mona kurzerhand von Berlin nach München, in das Mehrfamilienhaus, dessen Besitzerin sie nun ist. Doch eine Entdeckung trübt ihre Freude. Diese Entdeckung hat ihren Ursprung 1938, in der Zeit, in der Klara als Teenager im Schwanenhaus aufwuchs.


Vier Frauen, in zwei Zeitebenen, mit unterschiedlichem Lebenslauf und Hintergrund! Äusserst geschickt verstrickt Ellen Sandberg diese vier völlig unterschiedlichen Erzählstränge zu einer grossen, berührenden und fesselnden Geschichte.

Mona, die in der Gegenwart das Haus der Tante erbt und von Beginn weg Ungereimtheiten in der Familiengeschichte entdeckt. Ich habe gerätselt und immer wieder war ich völlig überrascht, in welche Richtung die Story sich entwickelte. Dieser Strang beinhaltet auch eine Liebesgeschichte, die jedoch sehr zurückhaltend erzählt wird.

Dann ist man als Leser hautnah dabei, als Klara um 1938 im Brennpunkt der Judenverfolgung aufwächst. Viele geschichtliche Details, die sich hervorragend in die Geschichte einfügen, lassen atemlos weiterlesen. Hier wurden immer wieder Briefe von ihrer besten Freundin Miryam, die mit jüdischem Glauben in Deutschland lebt, eingefügt. Auch Miryam spielt eine wichtige Rolle in der Story und ihre Lebensgeschichte hat mich sehr berührt und beschäftigt. Spiegelt sie doch die Geschichte tausender Juden in den 40 er Jahren in Deutschland, wieder.

Und schlussendlich spielt noch Sabine, eine Hartz 4 Empfängerin und alleinerziehende Mutter eine Rolle. Auch ihre Vergangenheit ist mit einem Familiengeheimnis , das sie nach und nach nach dem Einzug ihrer Oma ins Seniorenheim aufdröselt, behaftet.
Die Figuren sind so charakterisiert, dass sie sehr lebensecht wirken. Gerade Mona, gezeichnet mit einer Familie, die man dem schlimmsten Feind nicht wünscht, hat mich fasziniert. Immer wieder steht sie vor Entscheidungen, bei denen ich beim Lesen richtiggehend mitgezittert habe. Und die auch meine Emotionen geweckt haben. Ich denke da an Gespräche mit ihrer Mutter, Schwester Heike und / oder Bruder Julian.

Der Schreibstil von der Autorin Inge Löhnig, die unter dem Pseudonym Ellen Sandberg, schreibt ist grandios. Schon mit ihren Krimis weiss sie mich zu begeistern. Hier in den Romanen, die immer auch ein Stück Zeitgeschichte Deutschlands widerspiegeln, genau so. Ellen Sandberg zeigt ein dunkles Stück Vergangenheit und ich finde es sehr wichtig, dass man als Leser diese Zeitepoche nicht vergisst. Ausgebombte Häuser, Denunzination, das systematische Vertreiben der jüdischen Bevölkerung und schliesslich KZ und Massenermordungen. Themen, die die Autorin aufgreift und den nachfolgenden Generationen bewusst macht, welcher Horror um den Krieg herum in Deutschland herrschte.