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Veröffentlicht am 11.01.2020

Die letzten sieben Tage bis zum Attentat - spannend erzählt

Der Attentäter
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Der Autor schreibt seinen neuen Roman im Präsens. So erlebt man das Geschehen direkt und hautnah mit. "Der Attentäter" ist weder Sachbuch, noch ein biografischer Roman, sondern Ulf Schiewe mischt reale ...

Der Autor schreibt seinen neuen Roman im Präsens. So erlebt man das Geschehen direkt und hautnah mit. "Der Attentäter" ist weder Sachbuch, noch ein biografischer Roman, sondern Ulf Schiewe mischt reale Historie und Fiktion.
In drei verschiedenen Handlungssträngen begleiten wir eine Woche lang den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Familie, wie auch die jungen Attentäter Gravrilo Princip, Nedeljko Čabrinović und Trifun „Trifko“ Grabež, sowie den vom Autor fiktiven Major Rudolf Marković, der beim k. und k. Geheimdienst arbeitet. Obwohl man natürlich weiß, wie der Anschlag auf den Thronfolger und seiner Frau in Sarejevo ausgehen wird, verfolgt man voller Spannung die letzten sieben Tage im Leben von Franz Ferdinand und seiner Sophie. Trotzallem hat man die Hoffnung, dass hier die Geschichte neu geschrieben wird, was natürlich nicht der Fall ist. Man bangt mit den Opfern und hat auch teilweise Mitgefühl mit den Tätern. Diese haben sich seit Monaten auf diesen Tag vorbereitet und trotzdem waren sie mehr oder weniger eher Werkzeuge der "Schwarzen Hand" (nationalistisch-irredentistischer serbischer Geheimbund des frühen 20. Jahrhunderts, der auch mit terroristischen Mitteln für ein Großserbien kämpfte). Dazu kamen noch weitere Umstände, die dem Leser die Charaktere und die Beweggründe etwas näher bringen. Trotzdem darf man dabei nicht vergessen, dass alle Attentäter sich gegen die Habsburger auflehnten und für ein vereintes Großserbien kämpften. Mit dem darauffolgenden Ersten Weltkrieg haben sie sicher nicht gerechnet. Ulf Schiewe bewertet nicht oder zeigt mit den Fingern auf die Attentäter, sondern zeigt auch ihre menschliche Seite, die jugendliche Verblendung und die Hoffnung als Helden in die Geschichte einzugehen.

Krasses Unvermögen war hingegen jede Handlung des Feldzeugmeisters Oskar Potiorek, dem Militär- und Landeschef von Bosnien-Herzegowina. Wie einfach hätte man das Attentat verhindern können! Doch dieser arrogante und inkompetente Mann lernte nicht einmal aus dem Tod des Thronfolgers etwas, sondern gab die Schuld anderen und verursachte in seinem weiteren Leben noch mehr Fehlentscheidungen. Manche historischen Fakten machten mich sprachlos, vorallem weil es in der heutigen Zeit einfach undenkbar wäre so ungeschützt durch die Straßen zu fahren.

Der fiktive Major Rudolf Marković bringt in die Geschichte noch zusätzlich Spannung, da er - leider weitab von der Realität - eine Spur zu den Attentätern aufnimmt und diesen auf den Fersen ist. Mit aller Kraft versucht er die Katastrophe zu verhindern, scheitert jedoch kläglich.

Franz Ferdinand erscheint als Thronfolger kühl und oftmals cholerisch. Das macht ihn bei den Menschen nicht gerade beliebt. Er hat jedoch politisches Gespür und ahnt bereits einen Krieg gegen Serbien. Zu seiner Frau Sophie von Hohenberg und den Kindern ist er jedoch liebevoll und aufgeschlossen. Es war eine Liebesheirat, die Kaiser Franz Joseph nicht wirklich akzeptieren wollte und Sophie als "nicht standesgemäß" abstempelte, obwol sie aus böhmischen Adel stammte. Sophie durfte am Wiener Hof keinerlei repräsentative Auftritte absolvieren und wurde gemieden. In der heutigen Zeit ebenso unverständlich, wo Könige und Prinzen bereits Bürgerliche heiraten dürfen. Doch der alte Kaiser war konservativ und bemerkte auch den aufkommenden Hass zwischen den Menschen im Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn nicht....ein wahres Pulverfass.
Im Schloss Artstetten, unweit meiner Heimat, haben Franz Ferdinand und Sophie ihre letzte Ruhestätte in der Familiengruft gefunden.

Schreibstil:
Ulf Schiewe hat hier akribisch recherchiert und sich mit seinen Figuren auseinandergesetzt. Er gibt ihnen ein Gesicht und verleiht ihnen Leben. Er schreibt sehr detailliert und bildhaft.
Das Buch wird als historischer Thriller angepriesen, was ich als Thrillerleser nicht so empfinde. Trotzdem erhöhen rasante Szenenwechsel die Spannung.
Über jeden Kapitel stehen Datum, Zeit und Ort. Im Nachwort erklärt der Autor wie es zum Attentat kommen konnte und was danach passierte. Besonders das Schicksal der Kinder von Franz Ferdinand und Sophie fand ich einfach nur traurig und für Österreich beschämend.
Am Beginn des Romans findet man eine Karte von Sarejevo, am Ende gibt es ein Glossar und ein Personenverzeichnis der historisch belegten und der fiktiven Personen der Geschichte.

Fazit:
Ein packender historischer Roman, der obwohl man den Ausgang kennt, zu fesseln weiß. Die letzten sieben Tage bis zum Attentat am österreichischen Thronfolgerpaar werden aus einer Mischung realer Begebenheiten und einem fiktiven Anteil erzählt und sind eine Geschichtsstunde vom Feinsten.

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Veröffentlicht am 26.12.2019

Berührt das Leserherz

Für immer Weihnachten
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Frankfurt, 1950. Eva sitzt am Bahnhof und wartet, wie jeden Tag, auf die Rückkehr ihres Mannes Johann, der seit Kriegsende als vermisst gilt. Diesmal entsteigt ein Kriegsgefangener dem Zug, der ihr die ...

Frankfurt, 1950. Eva sitzt am Bahnhof und wartet, wie jeden Tag, auf die Rückkehr ihres Mannes Johann, der seit Kriegsende als vermisst gilt. Diesmal entsteigt ein Kriegsgefangener dem Zug, der ihr die Nachricht bringt, dass Johann verstorben ist. Trauer und Schmerz begleiten Evas weiteren Lebensweg und trotzdem hofft sie ein Jahr später auf einen Neuanfang mit Paul. Als Kriegswitwe und Alleinerzieherin ihrer Tochter Lotte kann sie sich kaum ihre kleine Wohnung leisten und so zieht sie zu Paul. Doch je näher die Weihnachtszeit rückt, umso mürrischer und unleidlicher wird er. Auch ihm suchen Kriegserinnerungen heim, die ihn gerade zur Weihnachtszeit besonders schmerzen. Als Lotte überraschend einen kleinen Esel mit nach Hause bringt eskaliert die Situation. Paul setzt Eva und Lotte vor die Tür. August, ein alleinstehender älterer Nachbar nimmt Eva, Lotte und Zwergeselchen Hermann auf und gemeinsam entdecken sie den Zauber der Weihnacht. Doch kann er auch Pauls Herz erweichen?

Nicht ganz 200 Seiten ist diese herzerwärmende Weihnachtsgeschichte lang und hat mir eine wunderbare Lesezeit voller bewegender Momente hinterlassen. Man blickt tief in die Seele von Menschen, die durch den Krieg geliebte Angehörige verloren haben oder noch immer an Kriegstraumata leiden und die durch etwas Nächstenliebe und einem kleinen Mädchen und einem Esel wieder Hoffnung erhalten.
Ein Roman, der sich etwas von anderen Weihnachtsgeschichten abhebt, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Viele von ihnen haben versucht das wohlige Gefühl dieser Zeit und generell den Sinn von Weihnachten näher zu bringen und haben es aber nur teilweise geschafft. In "Für immer Weihnachten" verzaubert Lotte und ihr kleiner Esel Hermann dem Leser auf ganz besondere Art. Beide bringen etwas Fröhlichkeit in die manchmal traurige Geschichte. Es geht um Hoffnung und Vergebung und vorallem um Zusammenhalt. Eine wunderschöne Weihnachtsgeschichte, die das Leserherz berührt.

Fazit:
Eine wundervolle und herzerwärmende Weihnachtsgeschichte - perfekt für die (Vor-)weihnachtszeit! Und wer sie noch nicht kennt, der sollte sie spätestens im Advent 2020 lesen!

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Veröffentlicht am 15.12.2019

Packender historischer Roman aus dem viktorianischen England

Hurentochter - Die Distel von Glasgow
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Schon der Prolog hat mich bei diesem ersten Teil der Trilogie sofort gefesselt und gepackt. Am Hafen von Glasgow wird eine unbekannte Frau schwer verletzt aufgefunden. Sie wird von der Bordellmutter des ...

Schon der Prolog hat mich bei diesem ersten Teil der Trilogie sofort gefesselt und gepackt. Am Hafen von Glasgow wird eine unbekannte Frau schwer verletzt aufgefunden. Sie wird von der Bordellmutter des hiesigen Hurenhauses aufgenommen und gesund gepflegt. Die unter Amnesie leidende Frau ist schwanger und bringt ein halbes Jahr später ein Mädchen zur Welt. Ihre Tochter Emily wächst im Hurenhaus auf, wo sie von allen viel Zuwendung und Liebe erhält, genauso wie Liam, der ebenfalls dort untergebracht ist. Beide helfen als Dienstboten aus. Emily möchte später auf keinen Fall selbst ein gefallenes Mädchen, sondern ein respektables Mitglied der Gesellschaft werden. Doch sie ist bereits gebranntmarkt und kaum jemand lässt ein Hurenkind als Dienstmädchen ins Haus. Als die alte Bordellmutter stirbt, zwingt die neue Besitzerin Emily zur Prostitution. Emily's Mutter hat das bereits vorhergesehen und für ihre Tochter, Liam und ihre Freundin Christine eine Fluchtmöglichkeit vorbereitet. Doch dann passiert ein großes Unglück....

Mit dem ersten Teil der "Flowers of Scotland" Reihe bekommt man einen wirklich spannenden historischen Roman aus dem viktorianischen Zeitalter, der mich von der ersten Seite an nicht mehr losgelassen hat. Emily ist eine starke junge Frau, die ihren eigenen Weg gehen und das Stigma der Hurentocher ablegen möchte. Sie erlebt viele Höhen und Tiefen und erreicht schlussendlich mit viel Fleiß und Tatkraft eine Stelle in einem noblen Herrenhaus zu bekommen. Doch die Vergangenheit und ein brutaler Mörder, der bereits ihre Mutter auf dem Gewissen hat, holen sie bald ein. Das Geheimnis rund um die Herkunft von Emily's Mutter wird auch für sie bald lebensbedrohlich. Nur ein Medaillon, das ihr von ihr geblieben ist, kann sie der Wahrheit näher bringen...

Der überaus bildgewaltige und fesselnde Schreibstil von Tabea Koenig lässt sich wunderbar lesen. Die
Standesdünkel und die gesellschaftlichen Konventionen der damaligen Zeit werden lebendig dargestellt. Die harten Lebendbedingungen der armen Bevölkerungsschicht und besonders die der Frauen, die oftmals ohne ihr zutun an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, werden sehr realistisch dargestellt.
Mit lebendigen Charakteren, die Ecken und Kanten aufweisen, schafft es die Autorin diese authentisch zu zeichnen. Ich konnte mit ihnen mitfühlen und mitleiden. Der gut durchdachte Plot glänzt ebenso mit überraschenden Wendungen. Detaillierte Stadt- und Landschaftsbeschreibungen und ein hoher Spannungsbogen runden diesen tollen Roman ab.
Ich habe auch bereits Band 2 verschlungen (Rezi folgt) und freue mich bereits auf den Abschlussband, der hoffentlich bei meinem nächsten Büchereibesuch schon auf mich wartet...

Fazit:
Ein spannender historischer Roman, dem ich auch Anfänger des historischen Genres ans Herz legen kann. Lebendige Charaktere, bildhafte Beschreibungen und ein gutes Gesellschaftsbild des viktorianischen Zeitalters in England haben mich an Band Eins der Trilogie gefesselt. Von mir gibt es eine Empfehlung!

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Veröffentlicht am 28.11.2019

Packender Roman

Der Fjord schweigt
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Wow - was für eine Geschichte! Ihr könnt euch gewiss sein, dass euch dieser Roman wie ein Thriller in Atem halten wird! Deswegen habe ich auch unter Genrebezeichnung noch "Spannungsroman" dazu geschrieben, ...

Wow - was für eine Geschichte! Ihr könnt euch gewiss sein, dass euch dieser Roman wie ein Thriller in Atem halten wird! Deswegen habe ich auch unter Genrebezeichnung noch "Spannungsroman" dazu geschrieben, denn für mich war dieses Buch eindeutig eine Mischung aus (Spannungs)Roman, Krimi und einem Funken Liebesroman. Außerdem enthält es ein Familiengeheimnis. Es ist mein erster Roman der Autorin und sicherlich nicht mein letzter!

Annika erfährt bei der Beerdigung ihres Vaters eine Neuigkeit, die ihr ganzes Leben auf den Kopf stellt. Ihr Vater hat ihr einen Brief und Fotos hinterlassen, die ihr zeigen, dass sie als Zwilling geboren wurde. Bei einem Norwegenurlaub ertrank ihr Bruder Dennis noch als Kleinkind. Annika ist fassunglos. Nun wird ihr auch klar, woher ihr Gefühl kommt, dass ihr etwas fehlen würde. Keine Beziehung füllte sie richtig aus. Als sie bei ihrer Mutter Kerstin nachfragt, schweigt diese weiterhin. Kurzerhand sagt Annika den Kroatienuurlaub mit ihren Freunden ab und fährt nach Norwegen. Sie quartiert sich in einem kleinen Ferienhaus im selben Ort ein, wo ihr Bruder damals ertrunken ist. Jan Sorensen, der das Ferienhaus vermietet, und sein Bruder Erik helfen Annika bald bei ihren Nachforschungen...

Vor 30 Jahren war auch ihre Mutter Kerstin mit ihrer damals besten Freundin Iris in diesem Dorf auf Urlaub. Die beiden jungen Frauen wollten einige kurze unbeschwerte Tage verbringen. Dabei lernten sie den attraktiven Morten kennen, der ein Auge auf Kerstin wirft. Sie hat jedoch keinerlei Interesse. Doch Morten sieht das anders und bedrängt Kerstin immer wieder aufs Neue. Sogar als sie zurück in Deutschland sind, spürt er ihr nach und lädt sie und Iris zu einer Party in Hamburg ein, wo er studiert. Bei dieser Fete lernt Kerstin Stefan kennen...

Der Roman wird abwechselnd in der Gegenwart durch Annika und in der Vergangenheit erzählt. Durch Rückblenden und Erzählungen von Kerstin erfahren wir was damals vor 30 Jahren geschehen ist. Durch die Distanz und immer wiederkehrenden Nachfragen von Annika via Skype erzählt Kerstin ihrer Tochter nach und nach von ihrer Vergangenheit. Dabei kommt es durch die wechselnden Handlungsstränge immer wieder zum Ansteigen der Spannungskurve. Meine Überlegungen was damals passiert sein könnte, mussten immer wieder aufs Neue verworfen werden, denn eine überraschende Wende jagte die nächste.

Die Geschichte fesselt durchgehend und vermittelt auch die Naturschönheiten Norwegens. Die bildhaften Landschaftsbeschreibungen lassen einem sehr bald von einem Norwegenurlaub träumen, wenn man nicht wie ich, sowieso schon jahrelang davon träumt dieses Land zu besuchen ;)
Die Charaktere sind lebendig und facettenreich und haben Ecken und Kanten. Ich konnte die Trauer und Verzweiflung von Annika am Anfang der Geschichte spüren, genauso wie den Verlust ihres Zwillingsbruders. Ebenso lernt man Kerstin mit der Zeit besser kennen und erkennt den unsäglichen Schmerz den sie mit sich herumschleppt und der schließlich ihre Ehe zerstörte. Am faszinierensten, aber auch am unverständlichsten, waren die menschlichen Abgründe, die uns Morten aufzeigt... Man bekommt richtig Gänsehaut beim Lesen!
Das Ende ist schlüssig und hat mich nach einem nervenzerreißenen Show-Down zufrieden zurückgelassen. Ich kann diesen Roman einfach nur weiterempfehlen!

Schreibstil:
Der lockere und flüssige Schreibstil lässt sich wunderbar lesen. Die Autorin versteht es den Leser an das Buch zu fesseln und schreibt nicht nur sehr lebendig und bildhaft, sondern konnte mich mit falschen Fährten in die Irre führen.

Fazit:
Ein toller und spannender Roman, der einen Liebesroman, einen Krimi, ein gut gehütetes Familiengeheimnis, etwas Drama und fast Thrillerelemente am Ende verbindet. Ich bin begeistert und spreche eine fette Empfehlung aus!

Veröffentlicht am 10.11.2019

Start einer mitreißenden Familiensaga in der Hamburger Speicherstadt

Der Duft der weiten Welt
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Mina Deharde hat den "Kaffee im Blut" und verbringt seit ihrer Kindheit viel Zeit im Kontor ihres Vaters in Hamburgs Speicherstadt. Trotzdem ist es ihr nicht möglich in seine Fußstapfen zu treten und den ...

Mina Deharde hat den "Kaffee im Blut" und verbringt seit ihrer Kindheit viel Zeit im Kontor ihres Vaters in Hamburgs Speicherstadt. Trotzdem ist es ihr nicht möglich in seine Fußstapfen zu treten und den Kaffeekontor eines Tages zu übernehmen. Wir schreiben nämlich das Jahr 1912, eine Zeit, in der Frauen an der Seite ihres Ehemannes oder unter der Obhut des Vaters stehen. Sie sind weder befugt ein Geschäft zu führen, noch die Handelskammer zu betreten. Doch Mina möchte weder heiraten, noch hinter einem Mann zurückstehen, sondern Medizin studieren oder den Kontor ihres Vaters übernehmen. Handarbeiten oder Haushaltsführung interessiert sie nicht die Bohne. Karl Deharde ist zwar ein eher moderner Mann, doch als Geschäftsführerin sieht er seine Tochter nicht und schickt sie auf ein Pensionat für höhere Töchter. Als Minas Vater erkrankt, sieht sie die Chance sich im Kontor noch mehr einzubinden und unersetzlich zu werden. Doch dann spitzen sich die Ereignisse zu und Mina steht vor einer großen Entscheidung...

Fenja Lüders gibt dem Leser einen interessanten Einblick in die Familiengeschichte der Dehardes, dem Kaffeehandel und den Konventionen der damaligen Zeit. Schonungslos zeigt sie auf, auf welche Rolle die Frau zu dieser Zeit reduziert wurde. Minas Wünsche sind uninteressant. Hauptziel ist die Heirat mit einem Geschäftsmann, der den Kontor weiterführen kann. Die damaligen Lebensumstände sind fundiert recherchiert und dargestellt. Als Leserin der heutigen Zeit wurde mir beim Lesen wieder sehr bewusst, wie froh wir über die Errungenschaften der letzten hundert Jahre sein können.
Ebenso bekommt man als Leser einen großartigen Einblick in die Welt des Handels und der Kaffeehändler zu dieser Zeit, sowie der Speicherstadt und dem Hafenviertel Hamburgs.

Charaktere:
Mina ist eine sehr sympathische Protagonistin, die in den gesellschaftlichen Konventionen dieser Zeit feststeckt und versucht daraus das Beste zu machen. Einige Schicksalsschläge lassen sie schneller erwachsen werden. Mina macht eine große Entwicklung durch und wird vom Backfisch zu einer jungen Frau mit hohem Verantwortungsbewusstsein.
Ihr Vater spielt eine wichtige Rolle in ihrem Leben. Er nennt sie liebevoll "sein Wunschmädchen". Minas jüngere Schwester Agnes ist im ersten Teil der Trilogie noch nicht sehr präsent. Sie ist der Liebling der strengen Großmutter, die nach wie vor an den alten Konventionen festhält und Anstand und Tugend predigt.
Aber auch die Nebenfiguren, wie Fräulein Brinkmann, die Hauslehrerin der beiden Mädchen oder Irma von Gusnar, Minas quirlige beste Freundin im Pensionat, sind wunderbar lebendig dargestellt. Von Irma hätte ich gerne noch mehr gelesen und hoffe sie im zweiten Teil wiederzutreffen.
Eine größere Rolle spielt hingegen Edo Blumenthal, der Minas Vater im Kontor zu Hand geht. Mit ihm verbindet Mina eine enge Freundschaft aus der Liebe wird. Edo sieht seine Zukunft jedoch in Amerika und möchte mit Mina auswandern.
Sein Ziehbruder Heiko, ein einfacher Arbeiter, sieht die Kluft zwischen Arm und Reich. Er unterstützt die Gedanken der Sozialdemokraten, die für mehr Gleichheit und Gerechtigkeit eintreten.
Mit Leutnant Frederik Lohmayer kommt ein weiterer spannender Charakter hinzu, der ebenfalls bei Karl Deharde in die Welt des Kaffees eingeführt wird. Der zweite Sohn eines Kaffeeplantagenbesitzers aus Guatemala erhofft sich Chancen bei Mina und ihrem Vater.

Schreibstil:
Fenja Lüders hat einen wunderbaren flüssigen Schreibstil, der mich von Anfang an gefesselt hat Man fliegt durch die Seiten. Auch wenn einige Handlungen leicht vorherhsehbar sind, gibt es immer wieder unerwartete Wendungen, die mich überraschten. Der Roman wird aus der Sicht von Mina in der 3. Person erzählt.
Die bildhaften Beschreibungen der Hamburger Speicherstadt, die ich selbst erst letztes Jahr mit eigenen Augen sehen durfte, sind absolut gelungen.

Fazit:
Der Start einer mitreißenden Familiensaga, die in der Hamburger Speicherstadt spielt und mich bereits mit Band 1 überzeugen konnte. Die stimmige Handlung, tolle Recherche und facettenreiche Charaktere, die sich alle weiterentwickeln, runden die Geschichte ab. Ich freue mich schon auf den Folgeband, auf den wir leider bis Juni 2020 warten müssen. Von mir gibt es eine Leseempfehlung!

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