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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.12.2016

Untreue Ehemänner leben gefährlich

Schere 9
1

Isabella Archan überrascht mich mit jedem Buch auf’s Neue. Mit Heinz Baldur hat sie einen Kommissar auf den Weg gebracht, der in seinen Ermittlungen mehr involviert ist, als ihm lieb sein kann.
Obwohl ...

Isabella Archan überrascht mich mit jedem Buch auf’s Neue. Mit Heinz Baldur hat sie einen Kommissar auf den Weg gebracht, der in seinen Ermittlungen mehr involviert ist, als ihm lieb sein kann.
Obwohl er seine Verlobte Rita liebt, kann er keiner Versuchung widerstehen und sein letzter Seitensprung mit der besten Freundin Ritas, lässt sie ausrasten. Sie versucht Baldur zu vergiften. Nach seiner Genesung lässt er sich nach Frankfurt versetzen um einen privaten und beruflichen Neuanfang zu machen. Gleich sein erster Fall führt in an seine Grenzen. In einem Hotel wird die Leiche eines Mannes gefunden, der offensichtlich ein tödliches Sexabenteuer hatte, die Mordwaffe: eine Schere! Es bleibt nicht bei diesem Toten und allen ist gemeinsam, dass sie hemmungslos jede Möglichkeit zu außerehelichem Sex nutzten. Die Rache einer betrogenen Frau?
Verstörend ist der zweite Handlungsstrang: ein Chat zwischen zwei Personen, die sich an diesen Morden ergötzen.
Heinz Baldur kommt an seine Grenzen, zu nah kommt ihm dieser Fall. Aber seine Mitarbeiter Melek Arslan und Thomas Habermann können ihn immer wieder erden. Die Entwicklung des Teams und die Zusammenarbeit untereinander haben mir gut gefallen.
Der Krimi hat viele Elemente, die ihn schon fast zum Psychothriller machen. Ich konnte mich dem Sog der Handlung nicht entziehen, auch wenn die Mordschilderungen mir schon an die Nieren gingen. Isabella Archan schaut schon genau hin und die Opfer sind in ihrer realistischen Charakterisierung so erschreckend banal. Die Story wird temporeich vorangetrieben und die zweite Erzählebene, aus der Sicht des Täters geschrieben, ist schonungslos, rasant und eiskalt und hat die Spannung noch einmal erhöht. Das liegt sicher auch an der Sprache der Autorin, die in diesem Buch ungewohnt hart ist.
Ein toller Krimi, eher schon ein Thriller, der mich von der ersten Seite an gepackt hat.


Veröffentlicht am 12.12.2016

In Dunkelheit und Eiseskälte

Lautlose Nacht
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Eigentlich wollte Yasmin zusammen mit ihrer gehörlosen Tochter Ruby ihren Mann Matt in Alaska besuchen. Er arbeitet dort als Tierfilmer, sie sehnt sich nach langer Abwesenheit Matts auch nach einer Aussprache. ...

Eigentlich wollte Yasmin zusammen mit ihrer gehörlosen Tochter Ruby ihren Mann Matt in Alaska besuchen. Er arbeitet dort als Tierfilmer, sie sehnt sich nach langer Abwesenheit Matts auch nach einer Aussprache. Doch statt von ihrem Mann wird sie am Flughafen von der Polizei erwartet, die von einem tragischen Unfall spricht. In der kleinen Ansiedlung Anaktue im Norden Alaskas wurde durch einen Brand die ganze Bevölkerung ausgelöscht und Matt hat sich dort aufgehalten.
Doch alles in Yasmin wehrt sich gegen die Nachricht, sie ist sich sicher dass Matt lebt und macht sich zusammen mit Ruby auf die Reise in den Norden Alaskas, zuerst als Beifahrer auf einem Truck, dann später allein, durch Dunkelheit, Stürme und Minustemperaturen weit unter vorstellbaren Graden.
Drei Ebenen strukturieren diesen spannenden, mitreißenden Roman: Yasmins Erinnerungen an den Beginn ihrer Liebe zu Matt und die beginnende Entfremdung. Rubys Gedankenwelt, ihr Umgang mit der Gehörlosigkeit und ihr Sträuben gegen Einengung durch ihre Mutter. Ihre Welt ist auch ohne Sprache vielseitig und mit ihren Sinnen nimmt sie viel an Stimmungen wahr, hat so viele Ausdrucksmöglichkeiten, dass ihre Welt dem Leser ebenso reich erscheint, wie dem Sprechenden. Dann die Realität, die Gefahr durch die lebensfeindliche Umwelt und ganz akut durch einen geheimnisvollen Verfolger, der mit allen Mitteln verhindern will, das Yasmin und ihre Tochter Anaktue erreichen.
Die Geschichte fesselte mich durch die facettenreiche Beschreibung der Erinnerungen und der Gedanken von Yasmin und Ruby, aber auch durch die tollen Schilderungen des arktischen Winters. Dunkle, menschenleere Tundra, durchzogen vor einer Eisstraße, auf der nur die Scheinwerfer des Trucks einen Lichtstrahl durch die dunkle Welt schicken. Stürme, Schnee, Eis und eisige Temperaturen von minus 40° werden für mich auch beim Lesen fast erlebbar, so plastisch und lebendig ist die Sprache von Rosemary Lupton, so atmosphärisch dicht ihr Stil.
Ein tolles, spannendes Buch, ein Thriller mit einer wichtigen Botschaft, das ich nicht mehr aus der Hand legen konnte und das mich tief beeindruckt hat.
Auch das Cover passt zur Atmosphäre des Romans, eine Nacht mit dem kalten Grün des Polarlichts, passend auch der deutsche Titel.


Veröffentlicht am 07.12.2016

Miss Marple 2.0

Canterbury Blues
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Ella Martin, eine junge Schriftstellerin, reist für Recherchen zu ihrem neuen Roman nach England. Genauer gesagt nach Canterbury. Sie kennt die Stadt gut, hat aus früheren längeren Aufenthalten auch Freunde ...

Ella Martin, eine junge Schriftstellerin, reist für Recherchen zu ihrem neuen Roman nach England. Genauer gesagt nach Canterbury. Sie kennt die Stadt gut, hat aus früheren längeren Aufenthalten auch Freunde gefunden und eine der Freundinnen hat ihr einen Aufenthalt in Feniston Park ermöglicht. In diesem herrschaftlichen Landsitz hat sich vor einigen Jahrzehnten eine tragische Liebesgeschichte abgespielt und Ella möchte sich davon inspirieren lassen.
Zwei Schwestern lebten dort, Rose, verheiratet mit George und Mutter von drei Kindern und Amelia, sehr unglücklich in Felix verliebt, der von der Familie als nicht standesgemäß angesehen wird. Zusätzlich hat der 1. Weltkrieg die Liebenden getrennt. Amelie wählte den Freitod und auch Rose ist nicht glücklich. Ihr Mann George, ein wahrer Tyrann, desertierte und ließ seine Frau und Kinder in Schande zurück.
Ella wird herzlich aufgenommen, ganz besonders von der betagten Heather, einer Tochter von Rose, die dort bei ihrem Neffen Ed Buckton, dem Titelerben und seiner Frau lebt. Dennoch scheint es auf Feniston Park Geheimnisse zu geben, je weiter Ella mit ihren Recherchen kommt, umso deutlicher wird, dass sie jemandem damit zu nahe kommt.
Hier stimmt wirklich alles, die englische Landhausatmosphäre, die sich für einen Cozy-Krimi direkt anbietet. Spannung, Verwicklungen, für Ella auch amouröser Art, hielten mich gefangen. Von der ersten Seite an, habe ich mich wunderbar unterhalten. Der locker-flüssige Sprachstil machten mir wirklich Spaß und Lust auch auf die anderen Abenteuer von Ella Martin, die fast wie Miss Marple in der Version 2.0 agiert. Das Buch ist eine Empfehlung für alle Liebhaber des Genres.

Veröffentlicht am 30.11.2016

Leben kann man bis zum Schluss

Im Sommer wieder Fahrrad
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Zwei Frauen, zwei Leben, zwei Schicksale. Wer bei diesem Buch nicht sofort in Bann gezogen wird, dem ist nicht zu helfen.



Lea bekommt sehr jung eine niederschmetternde Diagnose, sie hat die lebensbedrohliche ...

Zwei Frauen, zwei Leben, zwei Schicksale. Wer bei diesem Buch nicht sofort in Bann gezogen wird, dem ist nicht zu helfen.



Lea bekommt sehr jung eine niederschmetternde Diagnose, sie hat die lebensbedrohliche Krankheit Morbus Hodgkin. Lea ist lebenslustig, wirbelt durch ihr schnelles Großstadtleben, Reisen, Freunde – all das soll nun zu Ende sein? Sie hat viele Menschen, die sie stützen, einen wundervollen Freund, eine liebevolle Familie, aber den Kampf gegen die Krankheit muss sie ganz alleine aufnehmen. Sie schreibt ganz unsentimental über die „Scheisskrankheit“, die Zeit im Krankenhaus, die Chemotherapien. Es sind Sätze wie „Leben kann man bis zum Schluss“, die Lea aufrütteln.


Dann ist da noch der Koffer von „Mütterchen“, so wurde die unkonventionelle Großmutter genannt. Er enthielt Briefe, Drehbücher, Fotos, Berichte, Mütterchens ganzes Leben eben. Und diese Lebensgeschichte wechselt mit Leas Beschreibung ihrer Krankheit ab.


Mit Mütterchens Leben gehen wir zurück in die 30 iger Jahre, dann der aufkommende National-sozialismus, die Judenverfolgung und der Krieg bilden den Hintergrund. Die Großmutter, eine Schauspielerin, ist eine starke Frau, unkonventionell und unerschrocken. Sie bleibt trotz aller Gefahren und Bedrohungen integer und mutig. Dann die Nachkriegszeit, die Gründung der DDR und der reale Sozialismus. Zu keiner Zeit lässt sie sich verbiegen oder passt sich an. Es ist fast eine Geschichtsstunde der Deutsche Vergangenheit.


Dabei ist dieser Roman nie schwermütig oder melancholisch. Der Grundton ist heiter, Lea gewinnt jeder Situation noch eine komische Seite ab. Auch wenn die Schilderungen der Therapien erschrecken, man den Krankenhausmief direkt in der Nase spürt, es wird nie rührselig. Rechtzeitig kommt dann ein Patient um die Ecke und berlinert „ et looft jut“ und klopft auf den Infusionsbeutel.
Die ganze Familie ist Stütze für Lea und sie beschreibt ihre Familie so liebevoll und menschlich, dass man sich nur wünscht, auch ein Teil dieser Familie zu sein.


Was für eine Familie, was für ein Schicksal und was für eine Kraft, das habe ich mir immer wieder gedacht und konnte mich kaum von diesem Buch losreißen.


„Bleibt tapfer, lacht weiter“ so verabschiedet sich Lea Streisand auf ihrem Blog. Das ist ein gutes Motto.

Veröffentlicht am 23.11.2016

Was für eine Familie!

Ihr einziges Kind
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Mit der Geburt des kleinen Caspars wirkt das junge Eheglück von Silvana und Dr. Cord Cassjens zumindest nach außen vollkommen. Doch die junge Mutter scheint unter postnatalen Störungen zu leiden, sie sieht ...

Mit der Geburt des kleinen Caspars wirkt das junge Eheglück von Silvana und Dr. Cord Cassjens zumindest nach außen vollkommen. Doch die junge Mutter scheint unter postnatalen Störungen zu leiden, sie sieht sich und das Kind bedroht und als sie das Baby versteckt und sich nicht mehr daran erinnert, kommt zum ersten Mal die Polizei ins schöne Familienheim nach Martinsfehn. Renke Nordmann und seine Kollegin Nola van Heerden ahnen schon, dass das nicht das letzte Mal sein wird.
Tatsächlich sind sie einige Tage später schon wieder in Martinsfehn. Cord liegt erschossen im Wohnzimmer, die Pistole liegt auf Silvanas Bett und sie und das Baby sind verschwunden. Silvana steht unter starken Psychopharmaka und die Zeit drängt, sie und das Baby unversehrt zu finden. Nur Nola scheint Zweifel am offensichtlichen Tathergang zu haben und drängt auf weitere Ermittlungen. Doch schon bald zeigt sich, dass es hinter der schönen Fassade der Familie Cassjens eher brodelt. Die Mutter Margit ist erfolgreiche und einflussreiche Unternehmerin, die ihren Enkel gern allein aufziehen möchte und ihre Schwiegertochter ablehnt. Dr. Cord Cassjen war immer auf die Unterstützung seiner Mutter angewiesen und ihr in Hassliebe verbunden. Und dann taucht noch ein Erpresserbrief auf….
Wer die Autorin kennt, weiß, dass im beschaulichen Ostfriesland Abgründe lauern. Ihren sympathischen Ermittlern, denen man gern auch im Privaten über die Schulter schaut, folgt man gern auf der Spurensuche. Mit familiären Konflikten, Rachsucht, Ehebruch und Gier finden sich genug Motive und Verdächtige um das Buch von der ersten Seite sehr spannend und offen zu halten. Barbara Wendelken spinnt ihre Fäden sehr geschickt und ihre Protagonisten zeigen erst nach und nach ihre wahre Natur. Die realistischen Ermittlungen und vor allem die Darstellung der einzelnen Charaktere mit ihrer psychologischen Tiefe gefielen mir außerordentlich. Als Leserin machte es mir sehr viel Spaß mich ins Geschehen ziehen zu lassen und in die Abgründe Martinfehns zu blicken.