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Venatrix

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Veröffentlicht am 30.12.2019

Im ALltag wenig beachtet - Brücken

Wiener Brücken
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Autorin Elisabeth Patsios widmet sich in ihrem Buch „Wiener Brücken. Bauwerke ästhetischer Ingenieurskunst“ jenen Bauwerken, die wir im allgemeinen wenig beachten und die einem nur dann wirklich auffallen, ...

Autorin Elisabeth Patsios widmet sich in ihrem Buch „Wiener Brücken. Bauwerke ästhetischer Ingenieurskunst“ jenen Bauwerken, die wir im allgemeinen wenig beachten und die einem nur dann wirklich auffallen, wenn sie fehlen, wie die gesprengten Brücken über den Donaukanal im und nach dem Zweiten Weltkrieg sowie die Reichsbrücke nach deren Einsturz 1976. ?
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Sie spannt den Bogen (sic!) von den Anfängen des Brückenbaus im allgemeinen bis hin zu den 818 Brücken, die unter der Verwaltung der MA 29 (Magistratsabteilung Brückenbau und Grundbau) stehen. Damit reiht sich Wien in die Lieste der Städte mit vielen Brücken an fünfter Stelle ein, denn insgesamt gibt es 1.716 Brücken, die von anderen Verwaltungen wie den Österr. Bundesbahnen oder den Wiener Verkehrsbetrieben (Wiener Linien) betreut werden. Das Ranking der Städte mit den meisten Brücken führt übrigens New York (2.891) vor Hamburg (2.496) LOs Angeles (2.442) und Berlin (2.100). Das historische Venedig hat mit 436 vergleichsweise wenig Brücken zu bestaunen. Nachzulesen in www.brueckenweb.de.

Doch zurück zu diesem Buch. Hier werden die vorrangig jene 818 Brücken für die die MA29 zuständig ist, vorgestellt.

In sieben Kapiteln werden Brücken, deren Architektur und Verwendung sowie ihre Entstehung bis zum Abbruch dokumentiert.

Eine kurze Wiener Brückengeschichte
Die Donaukanal-Brücken
Die Wienfluss-Brücken
Innovationen beim Brückenbau
Brücken im Wiener Stadtgebiet
Die Donau-Brücken
Die Brücken der Stadt Wien

Zwei Brücken möchte ich besonders hervorheben. Zum einen die „Hohe Brücke in der Wiener Innenstadt, die bereits im Mittelalter als Holzsteg den Ottakringer Bach und den Alser Bach überquerte und heute als wunderbares städtebauliches Zeugnis des Wiener Jugendstils, das den Tiefen Graben im Zuge der Wipplinger Straße überspannt.
Die andere Brücke ist die „Reichsbrücke“, deren Bau 1876 als Verbindung der Stadt und den nördlichen Regionen der Monarchie begonnen wurde. Das weitere Schicksal der Brücke, die am 01. August 1976 eingestürzt ist, kann man in diesem Buch nachlesen.

Zahlreiche Fotos von Brücken im Ganzen oder von winzigen Details
bilden mit Bau- und Architekturgeschichte ein wunderbares Ganzes zum Thema „Brücken - Meisterwerke der Ingenieurskunst“.

Fazit:

Dieses Buch macht Lust, Spaziergänge am Donaukanal oder Wienfluss oder entlang der Donau zu machen und die zahlreichen Brücken mit anderen Augen, als der Zweckmäßigkeit beim Überwinden von Flüssen zu betrachten. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 30.12.2019

Spannende Krimiunterhaltung

Verhängnisvolles Calès
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Ein Hangrutsch in den labilen Gesteinsformationen und daher gesperrten Grotten von Calès, zu den ausnahmsweise Archäologen Zutritt haben, fördert ein Skelett zu Tage. Die Freude, ein Zeugnis möglicher ...

Ein Hangrutsch in den labilen Gesteinsformationen und daher gesperrten Grotten von Calès, zu den ausnahmsweise Archäologen Zutritt haben, fördert ein Skelett zu Tage. Die Freude, ein Zeugnis möglicher prähistorischer Besiedlung von Calès gefunden zu haben, verfliegt, als Roger Blanc und die Gerichtsmedizinern eine moderne Zahnfüllung entdecken.
Noch bevor sich Blanc und sein Team mit dem Skelett näher befassen können, müssen sie sich auf die Suche nach der neunjährigen Noëlle befassen. Das kleine Mädchen verschwindet von einer Hochzeitsfeier auf der väterlichen Burg.
Schnell gerät ein Hochzeitsgast, der Noëlle und einem zweiten Mädchen sein Auto gezeigt hat, unter Verdacht. Roger Blanc ist nicht zu 100 Prozent von dessen Schuld überzeugt und sucht nach weiteren Verdächtigen. Da kommt ihm der Hochzeitsfotograf, der nebenbei Fotos für Pädophile anfertigt, gerade recht. Doch auch er ist nicht der Täter.

So ganz nebenbei hat Roger Blanc noch Probleme mit seinem Haus, einer alten Ölmühle und erwartet seine Tochter zu den Weihnachtsfeiertagen. Außerdem scheint seine heimliche Beziehung zur Untersuchungsrichterin Aveline, der Gattin seines Intimfeindes Staatssekretär Vialaron-Allègre, aufgeflogen zu sein.

Roger Blanc gräbt in der Familiengeschichte des vermissten Mädchens und entdeckt, dass das Skelett die Großmutter der Kleinen ist. Daraufhin wirft der Unfalltod der Mutter, deren Fahrzeug vor einigen Jahren von einem grünen Auto von der Straße gedrängt worden ist, neue Fragen auf. Es scheint, als ob es jemand auf die Frauen der abgesehen hätte.

Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, denn das kleine Mädchen ist schon fast eine Woche verschwunden. Wird es gelingen Noëlle lebend zu finden?

Meine Meinung:

Dieser 6. Fall für Capitaine Roger Blanc ist fesselnd bis zur letzten Seite. Das liegt nicht nur am Kriminalfall selbst, der die mühsame Polizeiarbeit, und den Druck unter dem die Ermittler stehen, aufzeigt, sondern auch an den anderen Charakteren, mit dem Blanc umgeben ist. Da ist zum einen Polizeichef Nkoulou, der sich auffallend kooperativ verhält, und nur mehr wenig mit dem Ekelpaket seiner Anfangszeit gemein hat. Diesmal hält Nkoulou Roger Blanc sogar den Rücken frei, als der die Zusammenhänge zwischen dem Verschwinden des Mädchens und den gewaltsamen Toden von Mutter und Großmutter entdeckt. Jetzt fehlen ja nur mehr die Beweise.

Cay Rademacher gelingt abermals Macht und Ohnmacht präzise darzustellen. Roger Blanc ist ein Mensch mit Ecken und Kanten. Wie schon früher vermutet, hat der ehrgeiziger Vorgesetzte einen schwarzen Fleck auf seiner weißen Weste. Ich denke, dies wird genauso Gegenstand des einen oder anderen Nachfolgers sein, wie das Ende seiner Beziehung zu Aveline Vialaron-Allègre, die - wie es scheint - ein eigenes arrogantes Spielchen mit ihrem Liebhaber treibt. Dabei müsste der gute Roger ja gar keine solchen Umstände haben, liegt doch eine mögliche neue Liebe ganz in der Nähe. Doch da muss ihm vermutlich seine Tochter auf die Sprünge helfen. Ob die Trennung von Aveline mit einem Super-GAU endet oder nicht, werden wir Leser vermutlich bald erfahren. "Panta Rhei - alles fließt" - Es scheint auch hier, einiges in Fluss gekommen zu sein.


Das Ganze ist von Cay Rademacher sprachlich einwandfrei und kurzweilig erzählt. Der Plot ist raffiniert und gibt Einblick in die historische Vergangenheit. Die ist akkurat recherchiert und das „Vergessen“ der Dorfbewohner ist authentisch geschildert.

Fazit:

Diesmal wieder 5 Sterne für einen Krimi, der bis zur letzten Seite fesselt.

Veröffentlicht am 26.12.2019

Eine Familiengeschichte

Haltet euer Herz bereit
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Maxim Leo ist ein 1970 in Ost-Berlin geborener Journalist, der seine Familiengeschichte erforscht hat und dabei Ähnlichkeiten mit der DDR entdeckt hat. Er bezeichnet sein Familie als „DDR im Kleinen“. ...

Maxim Leo ist ein 1970 in Ost-Berlin geborener Journalist, der seine Familiengeschichte erforscht hat und dabei Ähnlichkeiten mit der DDR entdeckt hat. Er bezeichnet sein Familie als „DDR im Kleinen“.

Sowohl der Großvater väterlicher als mütterlicherseits haben sich der DDR verschrieben, wenn auch aus völlig unterschiedlichen Motiven. Der eine entwickelt sich vom jüdischer Flüchtling zum Partisanen in Frankreich, der andere ist ein Mitläufer im Nazi-Regime. Die Erfahrungen beider in der Diktatur lassen sie auf den neuen deutschen Staat hoffen. Erst die Kinder und Enkel lassen ihre Zweifel am Arbeiter- und Bauernstaat aufkommen. Die Bindung an die Ideale der DDR wird von Generation zu Generation schwächer. Es ist schwer zu begreifen, dass der Staat befindet, wer eine höhere Schulbildung bekommen darf, und wer nicht.

Witzig finde ich diese Sequenz:
Mit siebzehn spielt Maxim Leo mit seinen Berufsschulkollegen „Westler“. „Unser Westen ist ein Land, in dem die Menschen gut angezogen sind, bequeme Autos fahren, wo es überall so riecht wie im Intershop. Das völlige Gegenteil der grauen Ärmlichkeit, die Anti-DDR.“

Meine Meinung:

Im Gegensatz zu vielen anderen Büchern über die DDR rechnet Maxim Leo nicht mit dem Regime ab. Er beschreibt in eindringlichen Worten, wie sich eine gute Idee in die falsche Richtung entwickelt hat. Er schildert die Hoffnungen und die Enttäuschungen, die der Staat geweckt und dann nicht erfüllen konnte.

Einiges kenne ich schon aus seinem aktuellen Buch „Wo wir zu Hause sind“.

Sein amüsanter Schreibstil lässt die Seiten nur so dahin fliegen. Obwohl er auch über die Schattenseiten der DDR berichtet, ist sein Buch nicht wertend. Ebenso verzichtet er auf die oft übliche „DDR-Romantik“ und „Schwarzmalerei“. Der Autor lebt nach wie vor in Berlin.


Fazit:

Die gelungene Darstellung einer vergangenen Lebensweise ohne DDR-Romantik oder Schwarzmalerei. Gerne gebe ich für dieses Familiengeschichte, die sich über drei Generationen zieht, 5 Sterne.

Veröffentlicht am 25.12.2019

Fesselnd bis zur letzten Seite

Nebeljagd
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In diesem zweiten Fall erhält Dr. Linn Geller wieder ein Mandat zu einer Pflichtverteidigung. Sie soll Johann Haug verteidigen, der verdächtigt wird, seine Pflegemutter ermordet zu haben. Haug ist schon ...

In diesem zweiten Fall erhält Dr. Linn Geller wieder ein Mandat zu einer Pflichtverteidigung. Sie soll Johann Haug verteidigen, der verdächtigt wird, seine Pflegemutter ermordet zu haben. Haug ist schon mehr als einmal mit dem Gesetz in Konflikt gekommen: als Einbrecher, Dieb, wegen Körperverletzung und, vor allem das wiegt schwer im aktuellen Fall: als Verdächtiger im Mordfall Vanessa. Die junge Frau wurde vor 20 Jahren ermordet und ausgeweidet vorgefunden. Haug hätte mehr als ein Motiv gehabt, wurde aber aus Mangel an Beweisen vom Gericht nicht verurteilt, von den Dorfbewohnern jedoch schon.

Linn Geller ist nicht ganz von der Schuld oder Unschuld ihres Mandanten überzeugt. Mehrfach zweifelt sie. Sie fühlt sich beobachtet und nach ihrem schweren Unfall, über den die Leser nach wie vor im Unklaren gelassen werden, wirkt sich manchmal paranoid.
Da sie von der Staatsanwaltschaft nicht alle Unterlagen erhält, beginnt sie auf eigene Faust zu ermitteln. Im Dorf stößt sie nicht nur auf eine Mauer des Schweigens sondern auf unverhüllte Aggression gegen Johan Haug, die sich auch gegen sie richtet. Mehrfach gerät sie brenzlige Situationen.

Meine Meinung:

„Nebeljagd“ ist ein passender Titel für das Stochern in den beiden MOrdfällen. Kaum scheint ein wenig Licht in die verworrene Situation zu kommen, wird das sofort wieder hinter einem Nebelschleier versteckt. Auch die Jahreszeit, nämlich der Winter rund um Weihnachten, in dem dieser Krimi spielt, trägt zur gruseligen Atmosphäre bei.

Der Plot ist aufwändig und durchdacht konzipiert. Es kommt keine Minute Langeweile auf. Der Leser kann und muss selbst entscheiden, ob Haug schuldig ist oder nicht. Die Verwicklung der dörflichen Honoratioren ist ziemlich undurchsichtig. Die Autorin führt die Leser lange an der Nase herum, bis die stimmige und doch ein wenig überraschende Auflösung auf dem Tisch liegt.

Gut gelungen finde ich auch das Cover, das einen hohen Wiedererkennungswert der Autorin hat.

Fazit:

„Nebeljagd“ ist ein spannender, aufwändig ausgeklügelter, komplexer Krimi mit vielen unvorhersehbaren Wendungen, in dem nicht alles so ist, wie es scheint. Gerne gebe ich hierfür 5 Sterne.

Veröffentlicht am 22.12.2019

"Schindlers Liste" aus Sicht eines Betroffenen

Der Junge auf der Holzkiste
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Autor Leon Leyson wurde als Leib Lejzon 1929 in Polen geboren und gehörte zu jenen jüdischen Arbeitern, die von Oskar Schindler gerettet wurden. In diesem Buch berichtet er vom Lageralltag, der Todesangst, ...

Autor Leon Leyson wurde als Leib Lejzon 1929 in Polen geboren und gehörte zu jenen jüdischen Arbeitern, die von Oskar Schindler gerettet wurden. In diesem Buch berichtet er vom Lageralltag, der Todesangst, die ständig quälte und von seinem Helden Oskar Schindler.

Leon Leyson trug die Nummer 289. Er war auf Schindlers Liste verzeichnet. Mehr als 1.000 Juden waren auf dieser Liste eingetragen und konnten so gerettet werden. Als 13-jähriger arbeitete Leon in der Emailwarenfabrik von Oskar Schindler. Man nannte ihn den Jungen auf der Holzkiste, weil er auf Grund seiner geringen Körpergröße, auf eine Holzkiste steigen musste, um die Maschinen bedienen zu können.

Das Buch ist in 10 Kapitel gegliedert und mit Prolog, Epilog und Nachwort sowie einigen privaten Fotos des Autors und seiner Familie versehen.

Auch wenn es Berichte, Dokumentationen, Filme und wissenschaftliche Arbeiten zur Nazi-Zeit, in Hülle und Fülle gibt, es ist doch immer wieder etwas Berührendes die persönliche Erlebnisse „aus erster Hand“ zu lesen. So hat der Autor seine Lebensgeschichte in Schulen und Universitäten erzählt, auf dass diese Gräueltaten niemals vergessen werden. Denn die Zeitzeugen, Betroffene wie Beteiligte, werden nicht mehr lange unter uns weilen.

Leon Leyson verstarb Anfang 2013. Die Veröffentlichung seiner Lebensgeschichte erlebte er leider nicht mehr.

„Wer ein einziges Leben rettet, der rettet die ganze Welt." - Die Überlebenden dieser Liste schenkten ihrem Retter Oskar Schindler einen Ring aus Zahngold, in dem dieser Spruch eingraviert ist.

Fazit:

Eine beeindruckende Biografie, die in keiner Schulbibliothek fehlen sollte. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.