Ein durchwachsenes Leseerlebnis
Die Erbin der TeufelsbibelDas Buch beginnt mit einer ausgezeichnet geschilderten Szene, die dem Leser jene schrecklichen Jahre des 30jährigen Krieges sehr nahe bringt – die absolute Verrohung der Soldaten, die Menschen aus purem ...
Das Buch beginnt mit einer ausgezeichnet geschilderten Szene, die dem Leser jene schrecklichen Jahre des 30jährigen Krieges sehr nahe bringt – die absolute Verrohung der Soldaten, die Menschen aus purem Vergnügen quälen und abschlachten; das Ausgeliefertsein der Zivilisten. Im Laufe dieses dritten Bandes der Teufelsbibel-Trilogie finden sich viele weitere solcher farbig und gut geschriebenen Szenen. Ich habe durch das Buch viel über den 30jährigen Krieg gelernt, man merkt die genaue historische Recherche. Neben den größtenteils fiktiven Charakteren begegnen uns auch historische Personen, die gut in die Geschichte eingeflochten werden. In einem informativen Nachwort berichtet der Autor von seiner Recherche und seinen Quellen – auch hier merkt man, daß viel Arbeit und Sorgfalt in das Buch geflossen sind. Das ist erfreulich. Was angesichts dieser Sorgfalt verwundert, sind die oft viel zu modernen Dialoge. Im Nachwort schreibt der Autor daß er „kein Freund künstlich rustikal gefärbter Dialoge“ ist. Da bin ich ganz bei ihm, solche Dialoge wirken gestelzt und manchmal sogar albern. Das ist aber kein Grund für vorgreifend anachronistische Dialoge, die mir im Buch immer wieder ärgerlich aufgefallen sind. Da wird historisch falsch gesiezt und bei manchen Dialogen fühlte ich mich eher wie im 20. denn im 17. Jahrhundert. So fragt an einer Stelle ein Charakter: „Alles klar?“ und auch sonst gibt es immer wieder solche Beispiele. Das ist für mich ein Schwachpunkt. Zwischen „künstlich rustikal gefärbten“ und viel zu modernen Dialogen gibt es eine Menge Spielraum und viele andere Autoren zeigen, wie man dies gut umsetzen kann.
Ich bin erst mit diesem dritten Band in die Trilogie eingestiegen. Das klappte erstaunlich gut; viele relevante Geschehnisse aus den früheren Bänden werden kurz erklärt, auch die Verwandtschafts- und Beziehungsverhältnisse werden ab und an erläutert. Teilweise geschieht dies leider auch etwas zu häufig, an manchen Stellen wäre weniger mehr gewesen. Dafür sind andere Teile der Handlung nur unzureichend erklärt. So werden Charaktere in einem Dorf gefangengesetzt, nachdem ihnen zunächst Begleitschutz angeboten wurde. Warum sie plötzlich Gefangene sind, erfährt man nie. Die sinistren Absichten einer Feldherrengattin werden angedeutet, aber nie aufgelöst. Viele Stellen waren einfach verwirrend, was nichts damit zu tun hatte, daß es der dritte Band ist.
Es gibt im Buch zahlreiche Schlachten- und Kampfszenen, oft sehr ausführlich. Diese mögen gut geschildert sein, waren mir aber zu häufig und zu lang. Das ist natürlich absolut persönlicher Geschmack – wer solche Szenen mag, wird hier viel Lesefreude haben.
Ärgerlich fand ich es, daß zu oft der Zufall zu Hilfe kommt. Die Charaktere begegnen sich auf dem doch großen Areal zwischen Würzburg und Prag immer wieder zufällig und im richtigen Moment. In einem Fall kommen so viele Zufälle zusammen, daß ich mich als Leser nicht ernst genommen fühlte. Auch die Charaktere sind oft nicht glaubhaft. Ein Charakter erledigt spielend ganz alleine vier oder fünf Wachmänner. Auf eine Person wird im Laufe des Buches mehrere Male aus kurzer Entfernung geschossen. Sie überlebt jedes Mal, kann auch mit einer frischen Schußwunde herumlaufen und viel erledigen, und das im Alter von weit über 70 Jahren. Überhaupt sind die älteren Herrschaften (zwischen 70 und 80 Jahren) bemerkenswert fit, flink und kampftüchtig. Das wär schon heute überraschend, im 17. Jahrhundert ist es in dieser Häufung unglaubwürdig.
Die Charaktere sind vielfältig, was mir gut gefiel. Einige haben mich angerührt und wir bekommen Einblick in die Gedanken und das Seelenleben sehr unterschiedlicher Personen. Ungewöhnliche Freundschaften und Schicksalsgemeinschaften bilden sich in jener alles durcheinanderwerfenden Zeit und werden vom Autor ausgezeichnet geschildert. Ich bin kein großer Fan von Liebesgeschichten, hier aber wird eine solche gelungen geschrieben, ohne Kitsch und Pathos, sehr berührend. Eine andere Liebesgeschichte dagegen findet fast nur durch erotische Handlungen und Gedanken statt, was schnell langweilte. Wie man merkt, hinterläßt das Buch in mir zwiespältige Eindrücke; das setzt sich auch weiter fort: in manchen Szenen ist der Humor herrlich, an anderen Stellen kippt er ins Alberne. Es gibt Szenen, die ich großartig fand, aber auch viele, die zur Geschichte nichts beitrugen und überflüssig oder zu lang waren. Es gibt tolle Sätze, die ich mehrfach las, beeindruckende Handlungsstränge, eine Vielfalt spannender historischer Themen. Aber auch sich ständig wiederholende Motive, eine umständliche Vielzahl von Handlungsorten und Personen, eine unnötige Komplexität und Detailverliebtheit. So war für mich „Die Erbin der Teufelsbibel“ ein eher gemischtes, durchwachsenes Leseerlebnis.