ein vielschichtiger Krimi mit Einblicken in die skandinavische Geschichte
Der Krimi „Der letzte Pilger“ des norwegischen Autors Gard Sveen wird damit beworben, als bester Krimi Skandinaviens prämiert worden zu sein. Das finde ich zwar etwas hoch gegriffen, beeindruckend ist ...
Der Krimi „Der letzte Pilger“ des norwegischen Autors Gard Sveen wird damit beworben, als bester Krimi Skandinaviens prämiert worden zu sein. Das finde ich zwar etwas hoch gegriffen, beeindruckend ist dieses Debüt mit seiner spannenden und komplexen Geschichte aber allemal.
Eigentlich sind es sogar zwei Geschichten und Kriminalfälle, die hier erzählt und auf sehr geschickte Weise miteinander verwoben werden. Im Jahr 2003 wird nördlich von Oslo ein Grab aufgefunden mit den Leichen dreier im 2. Weltkrieg als vermisst gemeldeten Personen, darunter ein 8-jährigesMädchen. Als wenige Tage später der bekannte frühere Politiker und Oskar Krogh in seinem Haus in Oslo grausam ermordet wird, der unter anderem eine tragende Person des norwegischen Widerstands im 2. Weltkrieg darstellte, vermutet Kommissar Tommy Bergmann einen Zusammenhang.
Und hier setzt die auch die Verbindung an zum zweiten Handlungsstrang. Dieser beginnt mit der Ermordung eines norwegischen Offiziers kurz nach Ende des Krieges, und geht dann noch weiter zurück bis ins Jahr 1939. Dort lernt der Leser Agnes Gerner kennen, die zu Beginn des Krieges aus England in ihr Heimatland Norwegen zurück kehrt, um dort für den Widerstand zu arbeiten und über den persönlichen Kontakt zu Nazigrößen aus Deutschland und Norwegen an wichtige Informationen zu kommen.
Agnes Gerner ist eine der vermissten Personen, deren Geschichte Tommy Bergmann nach dem Leichenfund keine Ruhe lässt. Auf der Suche nach einem Motiv für den Mord an Oskar Krogh geht Tommy Spuren nach, die in die Vergangenheit führen und zu den Personen, deren tatsächliche Geschichte in den Rückblenden nach und nach dargelegt wird. Im Zusammenhang mit Tommys Erkenntnissen entsteht so ein eindrucksvolles Bild von der Arbeit des Widerstandes und deren schwierigen Umständen sowie der inneren Zerrissenheit der Beteiligten.
Der Autor geht behutsam mit dem Thema um und überlässt an vielen Stellen dem Leser die Wertung der Ereignisse. Der Spannungsbogen ist hoch und trotz des Umfangs von über 500 Seiten habe ich beim Lesen die Geschichte nie als langatmig empfunden.
Tommy Bergmann als Hauptperson dieser neuen Krimireihe ist für mich eine der schwächsten Charaktere des Buches. Wie viele Kommissare in der Literatur besitzt Tommy eine problematische Vergangenheit und hadert mit seiner Persönlichkeit. Tommy hat seine große Liebe verloren, weil er seinen Hang zu Gewalt gegen Frauen nicht in den Griff bekommen kann und hat jetzt Schwierigkeiten, eine neue Beziehung einzugehen. Mir als weiblicher Leserin ist Tommy trotz seiner intelligenten Ermittlungsweise dadurch äußerst unsympathisch, zumal er zu sehr als Opfer dieser Veranlagung dar gestellt wird.
Abgesehen davon kann ich dieses Buch jedem Fan tiefgründiger Krimis jedoch sehr empfehlen.