Cover-Bild Whiteout
(4)
  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: mareverlag
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 192
  • Ersterscheinung: 29.08.2017
  • ISBN: 9783866482470
Anne von Canal

Whiteout

Was bleibt, wenn ein Mensch wortlos geht?

Es ist eine E-Mail mit nur einer Zeile, die Hannas Welt ins Wanken bringt:
Durch ihren Bruder Jan erfährt sie vom Tod ihrer besten Jugendfreundin Fido. Die Nachricht erreicht Hanna ausgerechnet während einer wichtigen Antarktisexpedition, von der die Glaziologin neue Erkenntnisse über das
Klima der Vergangenheit erwartet. Seit Fido vor zwanzig Jahren ohne Erklärung den Kontakt abbrach und damit
alle gemeinsamen Zukunftspläne verriet, hat Hanna versucht, die einst so Vertraute aus ihrem Kopf zu verbannen. Doch jetzt, in der endlosen Weite des
Eises, lassen die Erinnerungen und ungeklärten Fragen sie immer mehr die Kontrolle verlieren. Als die Spannungen in Hannas kleinem Forscherteam zunehmen und dann auch noch ein Schneesturm den Erfolg ihres Projektes gefährdet, wird die Zeit im Eis endgültig zur Zerreißprobe.

Weitere Formate

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.09.2017

Whiteout

0

Früher waren sie unzertrennlich. Sie bildeten eine Einheit, waren Seelenverwandte und verstanden sich ohne auch nur ein Wort zu sagen. Früher, vor etlichen Jahren, in ihrer Kindheit und Jugend, da hatte ...

Früher waren sie unzertrennlich. Sie bildeten eine Einheit, waren Seelenverwandte und verstanden sich ohne auch nur ein Wort zu sagen. Früher, vor etlichen Jahren, in ihrer Kindheit und Jugend, da hatte Hanna ihren Bruder Jan und ihre Freundin Fido um sich und war nicht allein.

Jetzt, als erwachsene Frau und gebildete Forscherin, ist Hanna im ewigen Eis unterwegs, um Eisblöcke aus vielen Metern Tiefe an die Oberfläche zu befördern und die im Eis eingespeisten Luftlöcher zu untersuchen. Ihr kleines Forscherteam ist in unmittelbarer Nähe, aber sie ist doch allein. Allein mit ihren Gedanken, mit ihrer organisierten Art und strengen Denkweise. Erst als ihr Bruder ihr eine Email, die nur einen einzigen Satz beinhaltet, schickt und sie diese liest, ändert sich alles um sie herum und vor allem in ihr. Dieser einzige Satz versetzt Hanna in die Vergangenheit, erinnert sie an die glücklichen Tage mit Jan und Fido und all die Dinge, die sie zusammen erlebt und geplant hatten. Fast jeden Tag haben sie sich gesehen, von Abenteuern geträumt, diese nachgespielt und Zukunftspläne geschmiedet. Sie wollten zusammen die Weiten der eisigen Welt erkunden und so ihrer gemeinsamen Leidenschaft folgen und diese intensivieren.

Doch eines Tages ist Fido fort. Sie ist einfach weg und meldet sich nie wieder bei Jan oder Hanna. Sie verschwindet lautlos aus Hannas Leben, hinterlässt eine enorme Lücke, Zeiten des Schmerzes, Zeiten der Verzweiflung und Wut. Hanna versucht mit dem Kapitel abzuschließen und ihren Weg im Leben zu finden und alles alleine zu meistern, doch am Ende der Welt reißt die Wunde von damals wieder auf und das nur in Folge eines einzigen Satzes. Hanna macht sich erneut Gedanken über ihre damalige Freundschaft und Fidos Verschwinden, hat aber gleichzeitig mit Problemen in ihrem Forscherteam und den schlechten Wetterbedingungen in der Antarktis zu kämpfen. Beides zerrt an ihren Nerven, an ihrem Seelenleben und lässt die sonst so toughe Frau ein wenig weicher und verletzlicher werden.

Die Antarktis als Schauplatz dieser Story ist meines Erachtens perfekt ausgewählt. Die Kälte, die allgemeinen Wetterbedingungen, die endlose Weite und die Abgeschiedenheit vermitteln nicht nur die passende Atmosphäre, um sich in den Zustand der Hauptprotagonistin hineinzuversetzen, sondern spiegeln auch über das ganze Buch hinweg ihre Gedanken und ihr Inneres wieder. Zunächst ist alles ruhig, bis ein leichter Wind geht und sich leichte Spannungen aufbauen, bis die Email des Bruders gelesen wird und sich draußen und gleichzeitig in Hannas Seele ein Sturm entlädt und alles durcheinander bringt und ein Kontrollverlust in allen Bereichen droht.

Wieder einmal wurde im Mare Verlag ein höchst interessantes, anspruchsvolles und originelles Buch veröffentlicht, welches durch einen guten Schreibstil, eine einzigartige Story und ein wundervolles Layout besticht.

Veröffentlicht am 03.01.2020

Poetische gefühlvolle Geschichte in einer unwirtlichen Welt

0

Hanna hat ihren Traum endlich wahr gemacht: Sie ist als Expeditionsleiterin in der Antarktis. Doch als sie von ihrem Bruder eine Mail erhält mit der Nachricht 'Scott ist tot.', bricht sie beinahe zusammen. ...

Hanna hat ihren Traum endlich wahr gemacht: Sie ist als Expeditionsleiterin in der Antarktis. Doch als sie von ihrem Bruder eine Mail erhält mit der Nachricht 'Scott ist tot.', bricht sie beinahe zusammen. Scott war ihre beste Jugendfreundin, die kurz vor ihrem gemeinsam geplanten Studium einfach verschwand und nie mehr auftauchte. Den Schmerz und die Enttäuschung darüber hat Hanna nie überwunden, nur tief in sich vergraben wie das Eis, nach dem sie und ihre KollegInnen suchen. Plötzlich stürzen all die Erinnerungen wieder über sie herein und Hanna ist kaum noch in der Lage, ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Doch die Antarktis verzeiht keine Fehler.
Es ist ein krasser Gegensatz zwischen der unwirtlichen und auch gefährlichen Umgebung, in der die Geschichte spielt und dem Stil, in dem Anne von Canal sie geschrieben hat. Voller Gefühl, Poesie und Sanftheit beschreibt sie das Vergangene, das so plötzlich Hannas Denken und Fühlen fast vollständig in Anspruch nimmt. Und das in einer Situation, in der sie sich als Expeditionsleiterin keine Fehler erlauben kann. Wunderschöne Sätze bringen einem die Lage, in der sich Hanna befindet, so nahe, dass man ihre Anspannung und Zerrissenheit förmlich mitfühlen kann. "Vielleicht findet der Schlaf mich vor den Gedanken, dann müssen sie sich ein anderes Opfer suchen." Oder "Am Morgen sitze ich in einem Haufen loser Knochen, die irgendjemand über mir ausgeschüttet hat. Die Arme und Beine, die ich finde, scheinen nicht zu mir zu passen, jedenfalls kann ich sie kaum bewegen. Das bin doch nicht ich."
Chronologisch erzählt wird lediglich die Expedition; die Erinnerungen an Scott sind hingegen zeitlich ungeordnet und springen stellenweise willkürlich auch innerhalb eines Rückblicks. Doch ich fand es weder störend noch verwirrend, sondern eher normal. Wer denkt schon an längst Vergangenes, das einem zudem wichtig war, in streng chronologischer Reihenfolge?
Es ist ein Buch, das viele Fragen offen lässt. Während der ersten 20 bis 40 Seiten wollte ich diese unbedingt gelöst wissen, doch Hannas Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit ist so eindringlich geschildert, dass all meine Fragen weitestgehend in den Hintergrund rückten - wo sie auch geblieben sind

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.08.2017

Über Vergangenheit, Verlust und Zerbrechlichkeit

0

"Benommen sinke ich auf die Knie, lege die Hände in den Schnee, der weder weich ist noch sanft. In meinen Bronchien rasselt der Atem, es klopf und wummert im ganzen Leib. Ich kann nicht anders, als zu ...

"Benommen sinke ich auf die Knie, lege die Hände in den Schnee, der weder weich ist noch sanft. In meinen Bronchien rasselt der Atem, es klopf und wummert im ganzen Leib. Ich kann nicht anders, als zu hören, wie das Blut durch meine Adern pumpt. Höre mein Leben. Und dahinter, davor, darüber eine mächtige, gewaltige Stille." - Whiteout

Dieser Roman ist für mich eine recht ruhige und leise Geschichte, die ohne große Aktion und Spannung auskommt. Gespickt mit einer Menge Humor begeben wir uns mit auf eine Forschungsreise in der Antarktis. Hier ist Hanna mit ihrem Team auf der Suche nach der Vergangenheit - ihre eigene verdrängt sie mehr oder weniger. Als sie auf der Expedition vom Tod ihrer ehemals besten Freundin erfährt, bröckelt erstmals ihre starke Fassade und Erinnerungen kommen hoch.

"Das Karussell fährt wieder. Die alten Gefühle, die alten Fragen drehen sich im selben Kreis wie früher. Sehnsucht, Trauer, Unverständnis und Stolz hocken auf ihren Holzpferdchen, winken mir bei jeder Runde zu. Immer weiter, immer weiter. Neue Fahrt, neues Glück."

Der Leser nimmt in der Erinnerung die Rolle Friederike ein. Frido, wie sie alle nannten, Hannas beste Freundin und Vorbild, die sie plötzlich im Stich gelassen hat und nicht gemeinsam mit ihr in die Zukunft aufbrach. Die harsche, ehrgeizige, ordnungsverliebte und sture Hanna eifert nun allein ihren Kindheitstraum hinterher, geht auf die Suche im Eis und findet dann aufgrund einer einzigen E-Mail die kleine, ängstliche Hanna und sich selbst.

"Die Luft hat sich kalt um meine Schultern gelegt. Oder es ist dieses feinmaschige Netz aus Vergangenheit, unsichtbar wie ein Spinnengewebe, in dem sich meine Gedanken immer wieder verfangen..."

Dieser Roman wirft bei mir eine Menge Fragen auf und mit ihr die bereits von der Autorin selbst gestellte "Was bleibt, wenn ein Mensch wortlos geht?" Er zeigt, wie der Mensch von der Vergangenheit bzw. Kindheit geprägt wird und inwieweit uns unsere Gedanken manchmal beeinflussen und hindern. Durch die sehr bildhaften Umschreibungen, die interessanten Charaktere und tiefgründigen bis ergreifende Abschnitte ein für mich rund um tolles Buch, welches ich sehr gerne gelesen und durchdacht habe. Da ich hier sehr viele Lieblingszitate gefunden habe, möchte ich meine Rezension abschließend mit einem weiteren bereichern.

"Die Vergangenheit sagt uns, wer wir sind, ohne sie verlieren wir unsere Identität."

Veröffentlicht am 20.12.2017

Wenn das Damals zurückkehrt

0

Die Wissenschaftlerin Hanna befindet sich gerade auf einer Expedition in die Antarktis, als die Vergangenheit sie einholt - in Form einer Mail ihres Bruders Jan.

"Scott ist tot" steht drin und es ist ...

Die Wissenschaftlerin Hanna befindet sich gerade auf einer Expedition in die Antarktis, als die Vergangenheit sie einholt - in Form einer Mail ihres Bruders Jan.

"Scott ist tot" steht drin und es ist natürlich nicht derjenige Scott, der Amundsen vor langer Zeit ins Eis folgte, obwohl - andererseits ist er es natürlich doch. Denn Hanna, Jan und die gemeinsame Freundin Fido haben immer die Expedition nachgespielt - und IMMER war Hanna Amundsen, Fido war Scott und Jan war Wilson.

Hanna ist diejenige, die ihren Kindheitstraum wahr gemacht hat, so sehr, dass sie die Rolle von Amundsen lebt. Sie nämlich ist es , die die aktuelle Expedition leitet. Scott und Wilson aus der Kindheit hat sie hinter sich gelassen und auch zu den Teilnehmern ihrer aktuellen Expedition ist das Verhältnis ziemlich distanziert.

Aber jetzt katapultiert sich die Vergangenheit durch einen Knopfdruck wieder in ihr Leben und sie wird von ihrer Kindheit eingeholt.

Die Autorin Anne von Canal lässt so einiges offen, dennoch ist dies ein klares Buch. Nicht, dass keine diffusen Gedanken zugelassen werden, doch es ist klar, um was es geht: um Hanna, um das was sie prägte, um das, was sie wurde und darum, wie es weitergehen wird. Ein Auszug aus der Innensicht eines Menschen, denn das ist es, wie wir die Gedanken und die Gegenwart Hannas sehen. Durch ihren Blick. Die Sichtweisen der anderen, vor allem die von Fido, können wir nur erahnen.

Ein Roman, der sich einschleicht in die Gedanken des Lesers, der Einblicke gewährt, aber auch Raum für Spekulationen lässt und auch für Übertragungen auf die eigene Situation. Ich empfehle das Buch für Leser, die nicht alles wissen wollen, sondern lieber deuten oder auch das ein oder andere einfach so stehen lassen.