Ein fiktiver Roman, der auf einer wahren Geschichte beruht...
Die Schule am MeerSandra Lüpkes hat der „Schule am Meer“ mit ihrem gleichnamigen Buch ein würdiges Denkmal gesetzt. Ich hatte vorher noch nie von diesem reformpädagogischen Internat gehört, dass tatsächlich in der Zeit ...
Sandra Lüpkes hat der „Schule am Meer“ mit ihrem gleichnamigen Buch ein würdiges Denkmal gesetzt. Ich hatte vorher noch nie von diesem reformpädagogischen Internat gehört, dass tatsächlich in der Zeit von 1925 – 1934 auf der Nordseeinsel Juist existiert hat. Während des Lesens wurde ich neugierig und habe mich durch diverse Wikipedia-Artikel durchgearbeitet – und bestimmt noch nicht alle gelesen, so umfangreich ist das Material...
Der Roman schildert die Zeit von 1925 – 1934, in dem wir einige Schüler von der Sexta (5. Klasse) bis zur Oberprima (13. Klasse, Abitur), die Lehrer und das Hauspersonal begleiten. Jedes Jahr wird gewissermaßen in einem „Blitzlicht“ von verschieden Ereignissen der Schule oder des Inseldorfs Juist berichtet. Wir erfahren die jeweiligen Situationen aus unterschiedlichen Perspektiven. Dies hat zwar den Nachteil, dass wir anfangs etwas verwirrt über die Vielzahl der Namen sind, aber letztendlich den großen Vorteil genießen können, aus der Sicht verschiedener Menschen ihre Motivation, ihre Vergangenheit, ihre Zukunftshoffnungen zu erfahren… Dieses Konzept hat mir sehr gut gefallen und nach anfänglichen Schwierigkeiten hatte ich auch keine Probleme damit, da mir die meisten Protagonisten schon „ans Herz gewachsen“ waren...
Meine Sympathie lag eindeutig bei der Schule, besonders bei Anni (Ehefrau von Paul Reiner, beides „reale“ Personen), Fräulein Kea, Marje und „Moskito“ (fiktive Personen) und – nicht zu vergessen - der Gans Titicaca. Aber wir nehmen auch Anteil an einigen dörflichen Begebenheiten auf Juist und erleben mit, wie der Nationalsozialismus auch auf dieser Insel immer „salonfähiger“ wird – und sich dadurch auch der Antisemitismus verstärkt! Das Ende des Buches wird bestimmt durch das Ende der Schule: „Sie wurde im Frühjahr 1934 vor dem Hintergrund der NS-'Gleichschaltung' und des staatlichen Antisemitismus geschlossen.“ (S.564). Ein Prolog und ein Epilog aus dem Jahr 1962 runden die Geschichte ab.
In einem ausführlichen Nachwort stellt Sandra Lüpkes ihre Herangehensweise an dieses Buch dar, erklärt, welche Personen fiktiv und welche tatsächlich auf Juist gewesen sind, z.B. wird allgemein häufig nur von dem charismatischen Leiter Martin Luserke berichtet, aber auch andere engagierte Lehrer*innen haben ihren Beitrag zum Erfolg dieser Schule beigetragen: u.a. Paul Reiner, Rudolf Aeschlimann, Fritz Hafner, Eduard Zuckmayer (der ältere Bruder Carl Zuckmayers) und viele andere. Sie alle „wirken“ auch in dem Buch mit...
Frau Lüpkes hat intensiv geforscht und ihre Recherchen „zu den historischen Begebenheiten und realen Personen im Umfeld der Schule führten sie ins Tessin, nach Berlin und natürlich auch nach Juist, wo sie aufgewachsen ist und lange Jahre gelebt hat.“ (hinterer Klappentext) Und wie sie im Nachwort schreibt: „Dann darf ich als Autorin bestehende Lücken mit Phantasie schließen.“ (S. 565)
Und das hat sie ganz wunderbar und sehr fesselnd gemacht, ich konnte zeitweise das Buch kaum aus der Hand legen und habe einige Male mit den Protagonisten mitgefiebert (und mitgezittert!), manchmal fiel es mir richtig schwer, Juist zu verlassen und in meinen Alltag zurückzukehren... Deshalb gibt es von mir eine klare Leseempfehlung!