Beeindruckender Perspektivenwechsel
Ich halte mal wieder einen tollen Fotobildband in Händen. Diesmal beinhaltet er Fotos von einem internationalen Zusammenschluss mehrerer Fotografinnen, die sich 2017 unter dem Namen „Bell Collective“ zusammengeschlossen ...
Ich halte mal wieder einen tollen Fotobildband in Händen. Diesmal beinhaltet er Fotos von einem internationalen Zusammenschluss mehrerer Fotografinnen, die sich 2017 unter dem Namen „Bell Collective“ zusammengeschlossen haben.
Der Bildband selber ist 256 Seiten stark. Er hat einen festen ansprechendes Einband und ein Leseband. Schon das Foto auf dem Frontcover lässt erahnen, das es um außergewöhnliche Fotos bzw. Motive geht Auf der Rückseite befindet sich der Klappentext. Es gibt keinen zusätzlichen Schutzumschlag. Das Buch ist etwas größer als ein DIN-A4-Blatt und wiegt ca. 1,5 kg. Die Blätter sind hochwertig verarbeitet. Der Aufbau ist gut strukturiert. Die Fotos stehen hier definitiv im Vordergrund und gehen oftmals auch über eine Doppelseite. Die Texte sind gut eingearbeitet und informativ gehalten.
Auf den ersten Seiten wird die Gruppe der Fotografinnen und deren Gründung vorgestellt. In einem Interview mit der Autorin Alina Rudya erfährt der Leser mehr über die Beweggründe zur Gründung des „Bell Collective“. Viele Aussagen haben mich zum Nachdenken gebracht. Fotografien werden immer noch oft mit Männern in Zusammenhang gebracht. Agenturen wenden sich hauptsächlich an Fotografen und Frauen werden auf diesem Gebiet nicht so wahrgenommen. Sie fallen viel mehr in die Kategorie „Bloggerin“, anstatt „Profifotografin“. Einige Reisefotografinnen machen sich auf Instagram mit Fotos von Urlaubsregionen und Hotels einen Namen und lassen sich dadurch finanzieren. Die Bilder sind dementsprechend und zeigen die „Schokoladenseiten“ der Auftrag gebenden Hoteliers. Hier stehen der Kommerz und die Kundengewinnung im Vordergrund. Weitere Frauen stehen meist vor der Kamera oder machen Selfies von sich. Hier geht es um die Selbstdarstellung und Inszenierung.
Der Name der Gruppe geht auf die britische Pionierin Gertrude Bell zurück. Sie gehörte zu den ersten Frauen, die 1900 in Regionen des Nahen Osten reiste und diese erkundete. Damit setzte sie in ihrer von Männern bestimmten Zeit ein Zeichen. Ebenso setzten nun die 14 Fotografinnen ein Zeichen. Sie brechen aus den starren Denkstrukturen der Fotografie aus und wechseln mit ihren Objektiven einfach mal die Perspektive. Weck vom klischeebehafteten Reisefoto, welches meist nur die berühmten Gebäude oder Sehenswürdigkeiten des Ortes zeigt, hin zu dem Blick auf „das Besondere“. Diese „Besondere“ liegt im Auge des Betrachters und hier haben die Fotografinnen ein besonderes Gespür entwickelt.
Dieses besondere Gespür für das richtige Motiv hat Alina Rudya 2015 mit einem Besuch von Tschernobyl bewiesen, wo es im Jahr 1986 zu einer verheerenden Katastrophe in einem Kernkraftwerk kam. Alina Rudya hat hier mit ihrer Kamera ganze Arbeit geleistet und beeindruckende Bilder erstellt.
Im Bildband sind beeindruckende Fotos zu betrachten. Die einzelnen Fotografinnen haben Landschaften, Gebäude, Menschen, Pflanzen, Tiere und alltägliche Situationen festgehalten, die man nicht alle Tage zu sehen bekommt. Dabei wird bei jedem die persönliche Handschrift deutlich und die Einzigartigkeit ihrer Fotos. Sie bereisen Gegenden abseits von bekannten und berühmten Foto-Spots und sind immer auf der Suche nach neuen Eindrücken. Das zeigt sich in jedem der im Buch zu findenden Fotos.
In den einzelnen Kapiteln werden die Fotografinnen der Gruppe und ihre „persönliche Handschrift“ vorgestellt. Der Leser erfährt unter anderem wie sie zur Fotografie gekommen sind, was sie antreibt oder was sie erreichen wollen. Begleitete werden diese persönlichen Worte mit einem „Steckbrief“, in dem neben Daten zur Person auch die Instagram-Seite oder Homepage angegeben sind. Alle verraten dem Leser welche Ausrüstung sie nutzen, was in der Reisetasche nicht fehlen darf und was ihr bestes Reisesouvenir ist. So gehört neben einer hochleistungsfähigen Kamera bei einigen auch eine Drohne zum Equipment. Gerade diese Drohnen-Aufnahmen schaffen noch einmal eine völlig neue Perspektive und Betrachtungsweise. Aber auch das „normale“ Handy gehört bei vielen zur Ausrüstung und es hat den Vorteil, dass es immer mal für eine spontane Aufnahme zu Verfügung steht.
Neben der German Roamers hat sich hier eine besondere Gruppe gefunden, die sicherlich auch zukünftig noch auf sich aufmerksam machen wird. Die Fotos sind nicht nur einzigartig, sondern auch noch wirklich beeindruckend. Besonders haben mit die Drohnenaufnahmen von Huda bin Redha (Seite 216 und folgende) gefallen. Wer mehr sehen möchte kann sich auch die Instagram Seiten der einzelnen Fotografinnen ansehen. Wer selber Interesse an der Fotografie gefunden hat, bekommt zum Ende des Buches noch 10 Tipps von Alina Rudya.
Für wen ist das Buch gedacht? Ich denke mal, das professionelle Fotografen an diesem Werk ihre Freude haben werden. Die Zielgruppe ist aber größer! Ich denke mal, dass hier alle Menschen angesprochen werden, die sich mit der Fotografie beschäftigen und tolle Fotos lieben. Menschen, die gerne mal eine andere Perspektive einnehmen wollen und aufgeschlossen für Neues sind.
Ich möchte meine Rezension mit einem Zitat aus dem Buch beenden:
„Aus einer ungewöhnlichen Perspektive auf gewöhnliche Orte zu blicken hilft, das Außergewöhnliche zu finden.“
Ása Steinardóttir
(aus „Bell Collective” Seite 249)