Mitreißend und spannend!
Der Kuss der LügeLia ist als älteste Tochter das wichtigste Kind ihrer Eltern, des Königspaares von Morrighan. Mit 17 soll sie verheiratet werden, an einen Mann, den sie nie gesehen hat. Doch Lia liebt ihre Freiheit und ...
Lia ist als älteste Tochter das wichtigste Kind ihrer Eltern, des Königspaares von Morrighan. Mit 17 soll sie verheiratet werden, an einen Mann, den sie nie gesehen hat. Doch Lia liebt ihre Freiheit und ist nicht bereit, auf Liebe zu verzichten. Sie flieht und begeht damit Hochverrat. An der Seite ihrer treuen Zofe und Freundin beginnt sie ein neues Leben als Bedienung in einer Taverne. Sie weiß nicht, was alles im Königreich vor sich geht. Und sie weiß nicht, dass nicht nur der verschmähte Prinz auf ihren Fersen ist, sondern auch ein Kopfgeldjäger. Als Lia die beiden trifft, verheimlichen sie, wer sie wirklich sind. Und Lia muss zugeben, dass beide sie anziehen.
Ein kleines Stopp von mir, gleich hier. Nein, das wird keine Dreiecksbeziehung, bei der die Protagonistin mal hier mal dort glücklich wird. Sie ist sich auf den ersten Blick sicher, wer ihr besser gefällt, doch es dauert einfach einen Moment, bis sie es auch dem Leser gesteht. Oder besser gesagt, sich selbst, denn Lia ist die Erzählerin. Aber sie ist nicht die einzige. Neben ihr treten der Attentäter und der Prinz auf, gleichzeitig werden manche Kapitel Rafe und Kaden zugeschrieben. Die beiden sind keine anderen, als die zwei Männer, die aus so unterschiedlichen Gründen Lia suchen. Doch wer wer ist, erfährt der Leser erst, wenn sich die Handlung in eine unerwartete Richtung entwickelt.
Dieser Dreh hat genau dann nochmal für Faszination und Interesse gesorgt, als es wichtig war. Während am Anfang die Spannung einer ungesehenen Bedrohung sich angestaut hat, geht es im zweiten Teil des Buches um Bewegung. Nicht nur wortwörtlich, sondern auch metaphorisch. Lia erfährt mehr über das Reich (das ja eigentlich ihres ist), als ihr alle Lehrer je hätten vermitteln können. Und sie kommt ihrer Gabe auf die Spur. Jener ominösen Macht der Vorausahnung, die eigentlich jede erste Tochter haben sollte, die bei Lia aber bisher nie gesehen wurde.
Insofern ist das Buch auf weite Strecken mit wenig fantastischen Elementen ausgestattet. Keine redenden Tiere, keine große Magie. Und auch, als sie im Buch eine Rolle spielt, ist „die Gabe“ etwas sehr Persönliches und Verhaltenes. Das hat mir sehr gut gefallen, weil gekonnt dabei Psychologisches und Figurenentwicklung verwoben wurden. Doch auch Politik und Gesellschaft spielen eine große Rolle. Hier erahnt Lia – und damit auch der Leser – erst, wie groß die Verschwörung ist, der sie zum Opfer fällt. Ein großer Anreiz für die folgenden Bände und erste Hinweise für einen größeren Zusammenhang.
Den gibt es auch bei den ersten Zügen der Liebesgeschichte, die in Der Kuss der Lüge behandelt wird. Motive, die anfangs eine Rolle spielen und am Ende wieder aufgeworfen werden, runden den Roman ab und lassen ihn dennoch voll Erwartungen enden. Eine wunderbare Mischung, um zufrieden und dennoch gespannt aus dem Buch hinaus zu gehen.
Wunderbar fand ich auch die Nebenfiguren, die ihren eigenen Charme haben. Alle haben ihre Päckchen und Geheimnisse. Tiefe entsteht, die dem Roman Farbe verleihen und eine angenehme Dynamik geben. Auch hier gibt es Handlungsstränge, die sich entwickeln und die bereits in die weiteren Bände hinein reichen. Dass diese Stränge so unterschiedlich sind und gleichzeitig miteinander eng verwoben ist großartig gemacht.
Doch auch die Hauptfiguren sind mit einer mitreißenden Tiefe ausgestattet. Angefangen bei Lia, die von Grund auf wenig prinzessinnenhaft ist (mit Begründung!) und deren Verantwortungsgefühl immer wieder auf die Probe gestellt wird. Auch die Männer, die hier so gleichzeitig und doch grundverschieden in ihr Leben treten haben ihre intensive Vorgeschichte. Noch kennt der Leser sie nicht alle. Ein weiterer Grund, sich auf das große Ganze in den weiteren Bänden zu freuen.
Der Kuss der Lüge ist ein wirklich lesenswertes Buch. Ich habe es in einem Rutsch gelesen und war danach ganz hibbelig, bis zum Sommer zum nächsten Band warten zu müssen. Danke an Bastei Lübbe für das Rezensionsexemplar!