Eine schwere Enttäuschung nach den Hype um die Autorin
Die WälderWas für ein großartiger Einstieg! Melanie Raabe hat es geschafft, schon auf den ersten Seiten eine immense Spannung aufzubauen und den Leser dementsprechend neugierig zu machen. Alles ist äußerst mysteriös, ...
Was für ein großartiger Einstieg! Melanie Raabe hat es geschafft, schon auf den ersten Seiten eine immense Spannung aufzubauen und den Leser dementsprechend neugierig zu machen. Alles ist äußerst mysteriös, unzählige Fragen werden aufgeworfen und animieren zum Miträtseln. Ich war sehr positiv überrascht und freute mich auf den weiteren Verlauf der Geschichte. Vor allem freute ich mich aber auf die düstere Atmosphäre, die schon im Prolog angerissen wurde. Alles deutete auf gruselige Stunden inmitten der dunklen Wälder hin. Dazu kamen die zwei unterschiedlichen Zeitebenen, die die Autorin hier verbaut hat. Immer wieder springen wir in die Vergangenheit und erleben so hautnah, was damals passiert ist. Heißt im Umkehr-Schluss: gleich zwei Erzählstränge, die Spannung versprachen.
Leider ließ die anfängliche Begeisterung recht schnell nach. Schon nach dem ersten Drittel war sie beinah komplett verflogen. Die Geschichte wurde immer skurriler und unglaubwürdiger, die Zufälle häuften sich und Geschehnisse nahmen rapide ab. Bald schon war also die Vergangenheit wesentlich interessanter, obwohl auch da zu viel passierte, was ich der Autorin nicht abnahm. Wo bitte war die Spannung, die Action, das Tempo und der Stoff zum Mitfiebern hin? Wie blieb die gruselige Atmosphäre, das Düstere? Das einzige was ich noch verspürte war so etwas wie Langeweile. Selbst der rote Faden hatte sich scheinbar in sich selbst verfangen und war gerissen. Keine erkennbare klare Linie mehr, stattdessen ein ewiges Hin und Her und ein Zufall nach dem anderen. Szenen, die selbst zum Schluss keinen Sinn ergeben, sich aber über mehrere Kapitel hinweg zogen und das Tempo ruinierten; Entscheidungen und Ansichten von Seiten der Protagonisten, die fern ab jeglicher Realität lagen und ein Chaos, über das ich nicht mehr Herr wurde.
Das Buch lässt sich grob gesagt in drei Drittel einteilen. Erstes Drittel (wie beschrieben) starker Start, danach geht es langsam bergab. Zweites Drittel (ebenfalls erläutert): ziemlich öde und total verwirrend. Zum letzten Drittel kommen wir jetzt:
Die Auflösung, die eigentlich gar nicht als solches bezeichnet werden kann, überrascht am Ende auch nicht mehr. Die Erzählstränge laufen zwar zusammen und werden eins, doch fand ich das alles viel zu absurd und unlogisch eingefädelt. Da wurde einiges so hingebogen, wie es gebraucht wurde, ohne Sinn und Zweck. Künstlerische Freiheit schön und gut – aber das? Das war einfach völlig überzogen und unkreativ. Die Fragezeichen in meinem Kopf wurden dabei auch nicht weniger, sondern verblassten viel eher – weils mir schlicht egal wurde. Durch die ganzen Lobeshymnen von Melanie Raabe habe ich mir definitiv mehr erhofft; viel mehr Realität und viel weniger Asurdität. Und dass es dann auch noch Richtung Übernatürliches geht, war dann selbs für mich als Fantasy-Fan zu viel des Guten. Lediglich eine einzige Szene konnte mir ein kurzes, zufriedenes Lächeln ins Gesicht zaubern; der Rest war ganz einfach unglaubwürdig und abstrus.
Eines muss ich Melanie Raabe aber lassen. Obwohl mir bereits zugetragen war, dass sich der Stil in „Die Wälder“ ganz erheblich von den anderen Werken aus ihrer Feder abhebt, empfand ich ihn als sehr flüssig und gut zu lesen. Die Sätze sind kurz und knackig; wenig ausschweifend und „auf den Punkt“. Ich hatte stets ein klares Bild der Charaktere, Kulissen und Szenen vor Augen und fühlte mich trotz derber Kritik an der Handlung, gut unterhalten und durchaus gefesselt (rein auf den Schreibstil bezogen).
Das Buch hat sich schnell und einfach lesen lassen, man kommt gut voran und auch ansonsten gibt es wenig zu meckern in diesem Bereich. Die Gliederung sprach mich genau so an wie es die Art und Weise, wie Frau Raabe die Geschichte erzählte. Selbst die Dialoge sind glaubhaft und authentisch dargestellt. Also sollte ich mich je dazu entscheiden, nichts mehr von der Autorin zu lesen, so liegt es definitiv nicht am Stil oder der Sprache.
Auch an den Charakteren gibt es erstmal nichts auszusetzen. Wir lernen Nina, unsere Protagonistin, als sehr sympathische, junge, erfolgreiche Frau kennen. Schnell jedoch offenbart sich ihre schwierige Vergangenheit und Erinnerungsfetzen aus der Zeit, in der sie in dem kleinen Dorf lebte, werden den Leser zugetragen. Man versteht ihre Beweggründe, kann ihr Handeln deutlich besser nachvollziehen und obwohl ich manches, von dem was sie tat, zu übereilt fand, begleitete ich sie doch gern auf der Suche nach der verschollenen Schwester ihres besten Freundes.
Auch David, der zweite Protagonist, konnte mich für sich gewinnen. Er hatte etwas an sich, das mich restlos in seinen Bann zog und ihn sehr attraktiv wirken ließ. Ob es nun seine Unnahbarkeit, seine bedingungslose Loyalität oder sein Job als Polizist war, vermag ich nicht zu sagen, doch Fakt ist, dass er der Hottie in der Geschichte war. Warum auch immer. Er war, trotz einigen Parallelen, so ganz anders als Nina. Eher der ruhige, bedachte Typ, der weniger impulsiv agierte als sie. Doch die beiden harmonierten gut miteinander und ergänzten sich auf ganzer Linie.
Erst später begannen sie dann damit, seltsam zu werden. Plötzlich änderten sie sich, schlugen Wege ein und entschieden Dinge, die so gar nicht zu ihnen passten. Es ist schwer, das in Worte zu fassen, ohne euch nichts vorweg zu nehmen; doch stellenweise muss man einfach den Kopf schütteln. Sie schwankten einfach ein wenig. Von sympathisch glaubhaft zu völlig kopflos chaotisch und wieder zurück. Beide wirkten aber in eben jenen schwachen Momenten sehr unsicher und beinah ängstlich – und wir alle wissen, was Angst mit den Charakterzügen eines Menschen machen kann: nämlich sie um 180 Grad zu drehen.
Randfiguren gab es ebenfalls ein paar wenige; die mir aber, genau so David und Nina, im Großen und Ganzen gut gefielen. Sie alle besaßen ein gutes Maß an Tiefgang, wirkten detaillreich ausgearbeitet und waren bildhaft dargestellt. Selbst die, die bewusst negative Stimmung verbreiteten, hatten ihre Gründe und waren so umso interessanter und vielschichtiger. Manche trugen dabei wichtigere Rollen als andere, doch insgesamt stimmte das Verhältnis und ich konnte sogar den ein oder anderen ins Herz schließen obwohl es mir nur wenige Male begegnete.
FAZIT:
„Die Wälder“ von Melanie Raabe ist ein Thriller, der besonders zu Beginn einiges aufwirbelt und Potential mitbringt. Leider empfand ich die Umsetzung der Handlung als nicht gelungen. Ein völlig wirrer Ablauf, zu viele Zufälle, zu lahmer Mittelteil und eine Auflösung, die ihren Namen eigentlich gar nicht verdient hat. Einzig die Charaktere können größenteils überzeugen, sowie der durchaus gute Schreibstil. Für mich, gerade wegen den hohen Erwartungen durch die vielen guten Kritiken zu Melanie Raabe, eine unterdurchschnittliche Geschichte voller Chaos, Unglaubwürdigkeiten und unlogischen Irrungen und Wirrungen, nur damit es am Ende irgendwie passt. Schade.