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Veröffentlicht am 08.01.2020

Verschwendetes Potential!

Elanus
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"Elanus" ist mein erstes Buch der Autorin (jaaa, ich habe "Erebos" immer noch nicht gelesen), um die man so langsam wirklich nicht mehr herum kommt, wenn man im Jugendbuch-Genre unterwegs ist. Im Nachhinein ...

"Elanus" ist mein erstes Buch der Autorin (jaaa, ich habe "Erebos" immer noch nicht gelesen), um die man so langsam wirklich nicht mehr herum kommt, wenn man im Jugendbuch-Genre unterwegs ist. Im Nachhinein denke ich, dass es vielleicht nicht die beste Wahl war, zuerst zu diesem Roman zu greifen, da er in Kritiken häufig am schlechtesten wegkommt. Doch auch wenn hier wirklich einige Dinge nicht ganz gepasst haben, hat mich dieser Jugendthriller über weite Strecken mitgerissen, sodass ich mir definitiv noch andere Bücher der Autorin vornehmen werden.

Das Cover ist mir dem einfachen, geometrischen Rautenmuster im Hintergrund und dem augenähnlichen Hauptmotiv, das vermutlich die Drohe "Elanus" darstellen soll, eigentlich recht einfach gestaltet. Dennoch wird durch die unterschiedlichen Grüntöne und die starken Kontraste eine spannende, dynamische Grundatmosphäre erzeugt und der gelbe Lichtpunkt auf der Drohne wirkt als Eye-Catcher. An dem Titel ist selbstverständlich auch nichts auszusetzen - knapp, passend und mit Wiedererkennungswert. Innerhalb der Buchdeckel ist die Geschichte in 40 kurze Kapitel geteilt.


Erster Satz: "Der Zug hielt mit einem Ruck."


Die Geschichte beginnt mit Jonas Ankunft in der Kleinstadt Rothenheim, wo der minderjährige Hochbegabte bei der Familie Helmreich wohnen und auf die renommierte Privatuniversität Victor-Franz-Hess gehen soll. Das 17jährige Technikgenie glänzt zwar auf den Gebieten der Mathematik und Informatik, hat aber deutlich Nachholbedarf im Umgang mit anderen Menschen, was sich zeigt, dass er sich gleich am ersten Tag an der Uni mit überheblichem Verhalten keine Freunde macht. Auch seine Gastfamilie nimmt ihn äußerst reserviert auf. Um alle ein wenig besser kennenzulernen und vielleicht doch noch Freunde zu finden, setzt er seine selbstgebaute Drohne Elanus auf einige Leute seiner Umgebung an und stößt bald auf eine Menge wohlgehüteter Geheimnisse. Dass er mitten in ein gefährliches Wespennest gestochen hat, erfährt er erst, als ein Dozent tot, zwei Studenten verletzt aufgefunden werden und auch er beschattet wird. Was geht in Rothenheim vor? Und wie kann er unbeschadet aus der Sache herauskommen?

Ursula Poznanski steigt rasant mit einem Haufen an Geheimnissen, Intrigen und Problemen in die Geschichte ein und fesselt die Aufmerksamkeit des Lesers durch ein großes, zusammenhängendes Geheimnis, das sich schon bald hinter den vielen, verwirrenden Einzelereignissen abzeichnet. Bald weiß weder der Leser noch Jona noch, wem zu trauen ist, und wer in der rätselhaften Verschwörung mit drin steckt. Auf den spannenden Einstieg, der relativ schnell eine komplexe Hintergrundgeschichte erkennen lässt, folgt dann aber leider ein lauer Mittelteil, in dem die Handlung nicht so recht vorankommen will. Wir werden mit vielen Wiederholungen, gleichen Beobachtungen und der Abwesenheit von neuen Informationen gelangweilt, sodass die Geschichte für etliche Seiten auf dem Fleck zu treten schneit und sich in die Länge zieht. Wirkliche Offenbarungen werden alle für das Ende aufgespart und der angeblich so intelligente, geniale Protagonist tappt völlig im Dunkeln, während dem Leser schon seit Langem einige Zusammenhänge schwanen. Ich hatte bald das dringende Bedürfnis, einfach hundert Seiten nach vorne zu blättern, um zu überprüfen, ob sich mein Verdacht bestätigt und den langweiligen Zwischenteil einfach zu überspringen. Um den Leser hier bei Stange zu halten wäre es vielleicht hilfreich gewesen, einige Andeutungen zwischenein zu streuen oder einige alternative Themen miteinfließen zu lassen. Es hätte den Zwischenteil zum Beispiel attraktiver machen können, wenn die Autorin die Zeit genutzt hätte, einen Fokus auf Jonas Charakterentwicklung oder seine Beziehung zu Marlene zu legen.


"Sie hatte geantwortet. Jona grinste zufrieden in sich hinein. Jetzt gehörte sie ihm. Ja, sie würde ihn kennenlernen. Und er sie noch viel besser."


Ein weiterer Kritikpunkt, der meine Bewertung nach unten korrigiert ist, dass sich viele Spannungssituationen sehr schnell wieder auflösen, sodass "Elanus" einfach nicht so atmosphärisch dicht ist, wie ich es von anderen Thrillern gewohnt bin. Trotz ihres flüssigen, mitreißenden Schreibstils hatte ich zu keinem Zeitpunkt der Geschichte dieses nervöse Kribbeln, das man tief in sich spürt, wenn man um das Leben des Protagonisten bangt und kaum erwarten kann, was auf der nächsten Seite passiert. Das kann auch ein wenig am Protagonisten selber liegen, der allgemein seine Umwelt sehr distanziert und nüchtern betrachtete. Selbst bei Situationen, in denen er in Lebensgefahr schwebt, erfahren wir kaum Gefühle, sodass man nicht wirklich Angst um ihn hat und in seine Situation hineinversetzt wird.

Wir erfahren die Geschichte von einem personalen Er-Erzähler aus seiner Sicht, wodurch wir ein relativ gutes Bild davon erhalten, was in seinem Inneren vor sich geht. Zur wirklich sympathischen Identifikationsfigur wird er aber zu keinem Zeitpunkt der Geschichte - dafür sorgen seine bissige Selbstsicherheit, sein fehlendes Feingespür und seinen Hang zur Selbstüberschätzung, die nicht nur andere Menschen sondern auch den Leser deutlich auf Abstand hält. Das wäre im Grunde genommen kein Problem - die Autorin hat ihren Charakter eben bewusst so konzipiert - wäre da nicht die Entwicklung gewesen, die er im Verlauf der Geschichte durchmacht. Ursula Poznanski versucht ihn, mit allen möglichen Mitteln, zum Held der Geschichte zu machen, stellt ihm Freund und Freundin zur Seite und begründet sein abweisendes Verhalten mit sozialer Unsicherheit. Leider gelingt das aber nur bedingt. Ich habe mich oft gefragt, warum Marlene und Pascal es eigentlich mit Jona aushalten und bin auch über viele Handlungen seinerseits gestoßen, die bezüglich seines Charakters keinen Sinn ergeben und klar eingebaut wurden, um die Handlung voranzubringen.


"Siebzehn und so hochbegabt, dass es kaum noch auszuhalten ist. Vollstipendium, persönliche Einladung des Rektors und des Beirats der Schule, die wahrscheinlich hoffen, sich einen künftigen Nobelpreisträger unter die Absolventen zu holen."


Das Ende kann nach dem verbummelten Mittelteil wieder ordentlich an Fahrt aufnehmen und wartet mit einem spannenden Showdown und einer passenden Auflösung am Ende auf. Wie alle Einzelteile am Ende zusammenhängen ist definitiv unvorhersehbar und originell, auch wenn ich zugeben muss, dass mir einige Aspekte von vornherein klar waren. Das wirkliche Ende verbindet alle Fäden der Handlung und lässt nur einige Kleinigkeiten offen, über die man aber getrost hinwegsehen kann.



Fazit:

Auf einen rasanten Beginn voller Geheimnisse, Intrige und Probleme, welcher die Aufmerksamkeit des Lesers durch einen komplexen Handlungsaufbau fesselt, folgt leider ein schwacher Mittelteil voller Wiederholungen, Sackgassen und Ungereimtheiten. Auch der Protagonist kann über weite Teile der Geschichte nicht überzeugen, sodass trotz des spannenden Showdowns am Ende das Gefühl von verschenktem Potential verbleibt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.01.2020

Verschwendetes Potential!

Elanus
0

"Elanus" ist mein erstes Buch der Autorin (jaaa, ich habe "Erebos" immer noch nicht gelesen), um die man so langsam wirklich nicht mehr herum kommt, wenn man im Jugendbuch-Genre unterwegs ist. Im Nachhinein ...

"Elanus" ist mein erstes Buch der Autorin (jaaa, ich habe "Erebos" immer noch nicht gelesen), um die man so langsam wirklich nicht mehr herum kommt, wenn man im Jugendbuch-Genre unterwegs ist. Im Nachhinein denke ich, dass es vielleicht nicht die beste Wahl war, zuerst zu diesem Roman zu greifen, da er in Kritiken häufig am schlechtesten wegkommt. Doch auch wenn hier wirklich einige Dinge nicht ganz gepasst haben, hat mich dieser Jugendthriller über weite Strecken mitgerissen, sodass ich mir definitiv noch andere Bücher der Autorin vornehmen werden.

Das Cover ist mir dem einfachen, geometrischen Rautenmuster im Hintergrund und dem augenähnlichen Hauptmotiv, das vermutlich die Drohe "Elanus" darstellen soll, eigentlich recht einfach gestaltet. Dennoch wird durch die unterschiedlichen Grüntöne und die starken Kontraste eine spannende, dynamische Grundatmosphäre erzeugt und der gelbe Lichtpunkt auf der Drohne wirkt als Eye-Catcher. An dem Titel ist selbstverständlich auch nichts auszusetzen - knapp, passend und mit Wiedererkennungswert. Innerhalb der Buchdeckel ist die Geschichte in 40 kurze Kapitel geteilt.


Erster Satz: "Der Zug hielt mit einem Ruck."


Die Geschichte beginnt mit Jonas Ankunft in der Kleinstadt Rothenheim, wo der minderjährige Hochbegabte bei der Familie Helmreich wohnen und auf die renommierte Privatuniversität Victor-Franz-Hess gehen soll. Das 17jährige Technikgenie glänzt zwar auf den Gebieten der Mathematik und Informatik, hat aber deutlich Nachholbedarf im Umgang mit anderen Menschen, was sich zeigt, dass er sich gleich am ersten Tag an der Uni mit überheblichem Verhalten keine Freunde macht. Auch seine Gastfamilie nimmt ihn äußerst reserviert auf. Um alle ein wenig besser kennenzulernen und vielleicht doch noch Freunde zu finden, setzt er seine selbstgebaute Drohne Elanus auf einige Leute seiner Umgebung an und stößt bald auf eine Menge wohlgehüteter Geheimnisse. Dass er mitten in ein gefährliches Wespennest gestochen hat, erfährt er erst, als ein Dozent tot, zwei Studenten verletzt aufgefunden werden und auch er beschattet wird. Was geht in Rothenheim vor? Und wie kann er unbeschadet aus der Sache herauskommen?

Ursula Poznanski steigt rasant mit einem Haufen an Geheimnissen, Intrigen und Problemen in die Geschichte ein und fesselt die Aufmerksamkeit des Lesers durch ein großes, zusammenhängendes Geheimnis, das sich schon bald hinter den vielen, verwirrenden Einzelereignissen abzeichnet. Bald weiß weder der Leser noch Jona noch, wem zu trauen ist, und wer in der rätselhaften Verschwörung mit drin steckt. Auf den spannenden Einstieg, der relativ schnell eine komplexe Hintergrundgeschichte erkennen lässt, folgt dann aber leider ein lauer Mittelteil, in dem die Handlung nicht so recht vorankommen will. Wir werden mit vielen Wiederholungen, gleichen Beobachtungen und der Abwesenheit von neuen Informationen gelangweilt, sodass die Geschichte für etliche Seiten auf dem Fleck zu treten schneit und sich in die Länge zieht. Wirkliche Offenbarungen werden alle für das Ende aufgespart und der angeblich so intelligente, geniale Protagonist tappt völlig im Dunkeln, während dem Leser schon seit Langem einige Zusammenhänge schwanen. Ich hatte bald das dringende Bedürfnis, einfach hundert Seiten nach vorne zu blättern, um zu überprüfen, ob sich mein Verdacht bestätigt und den langweiligen Zwischenteil einfach zu überspringen. Um den Leser hier bei Stange zu halten wäre es vielleicht hilfreich gewesen, einige Andeutungen zwischenein zu streuen oder einige alternative Themen miteinfließen zu lassen. Es hätte den Zwischenteil zum Beispiel attraktiver machen können, wenn die Autorin die Zeit genutzt hätte, einen Fokus auf Jonas Charakterentwicklung oder seine Beziehung zu Marlene zu legen.


"Sie hatte geantwortet. Jona grinste zufrieden in sich hinein. Jetzt gehörte sie ihm. Ja, sie würde ihn kennenlernen. Und er sie noch viel besser."


Ein weiterer Kritikpunkt, der meine Bewertung nach unten korrigiert ist, dass sich viele Spannungssituationen sehr schnell wieder auflösen, sodass "Elanus" einfach nicht so atmosphärisch dicht ist, wie ich es von anderen Thrillern gewohnt bin. Trotz ihres flüssigen, mitreißenden Schreibstils hatte ich zu keinem Zeitpunkt der Geschichte dieses nervöse Kribbeln, das man tief in sich spürt, wenn man um das Leben des Protagonisten bangt und kaum erwarten kann, was auf der nächsten Seite passiert. Das kann auch ein wenig am Protagonisten selber liegen, der allgemein seine Umwelt sehr distanziert und nüchtern betrachtete. Selbst bei Situationen, in denen er in Lebensgefahr schwebt, erfahren wir kaum Gefühle, sodass man nicht wirklich Angst um ihn hat und in seine Situation hineinversetzt wird.

Wir erfahren die Geschichte von einem personalen Er-Erzähler aus seiner Sicht, wodurch wir ein relativ gutes Bild davon erhalten, was in seinem Inneren vor sich geht. Zur wirklich sympathischen Identifikationsfigur wird er aber zu keinem Zeitpunkt der Geschichte - dafür sorgen seine bissige Selbstsicherheit, sein fehlendes Feingespür und seinen Hang zur Selbstüberschätzung, die nicht nur andere Menschen sondern auch den Leser deutlich auf Abstand hält. Das wäre im Grunde genommen kein Problem - die Autorin hat ihren Charakter eben bewusst so konzipiert - wäre da nicht die Entwicklung gewesen, die er im Verlauf der Geschichte durchmacht. Ursula Poznanski versucht ihn, mit allen möglichen Mitteln, zum Held der Geschichte zu machen, stellt ihm Freund und Freundin zur Seite und begründet sein abweisendes Verhalten mit sozialer Unsicherheit. Leider gelingt das aber nur bedingt. Ich habe mich oft gefragt, warum Marlene und Pascal es eigentlich mit Jona aushalten und bin auch über viele Handlungen seinerseits gestoßen, die bezüglich seines Charakters keinen Sinn ergeben und klar eingebaut wurden, um die Handlung voranzubringen.


"Siebzehn und so hochbegabt, dass es kaum noch auszuhalten ist. Vollstipendium, persönliche Einladung des Rektors und des Beirats der Schule, die wahrscheinlich hoffen, sich einen künftigen Nobelpreisträger unter die Absolventen zu holen."


Das Ende kann nach dem verbummelten Mittelteil wieder ordentlich an Fahrt aufnehmen und wartet mit einem spannenden Showdown und einer passenden Auflösung am Ende auf. Wie alle Einzelteile am Ende zusammenhängen ist definitiv unvorhersehbar und originell, auch wenn ich zugeben muss, dass mir einige Aspekte von vornherein klar waren. Das wirkliche Ende verbindet alle Fäden der Handlung und lässt nur einige Kleinigkeiten offen, über die man aber getrost hinwegsehen kann.



Fazit:

Auf einen rasanten Beginn voller Geheimnisse, Intrige und Probleme, welcher die Aufmerksamkeit des Lesers durch einen komplexen Handlungsaufbau fesselt, folgt leider ein schwacher Mittelteil voller Wiederholungen, Sackgassen und Ungereimtheiten. Auch der Protagonist kann über weite Teile der Geschichte nicht überzeugen, sodass trotz des spannenden Showdowns am Ende das Gefühl von verschenktem Potential verbleibt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.01.2020

Das kannst du besser, Colleen!

Was perfekt war 1: Was perfekt war
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Treue Leser meines Blogs werden vermutlich wissen, dass ich ein großer Fan von Colleen Hoover bin. Bei "Was perfekt war" ließ schon der Klapptext darauf schließen, dass wir es hier mit einem anderen Aufbau ...

Treue Leser meines Blogs werden vermutlich wissen, dass ich ein großer Fan von Colleen Hoover bin. Bei "Was perfekt war" ließ schon der Klapptext darauf schließen, dass wir es hier mit einem anderen Aufbau und einer anderen Thematik zu tun haben als im Hoover-Durchschnittsroman, weshalb ich besonders gespannt auf die Geschichte war. Was bei "Nur noch ein einziges Mal" und "Die tausend Teile meines Herzens" ganz wundervoll funktioniert hat und erfrischend neu war, kommt hier jedoch nur schleppend in die Gänge und erlaubt sich einige Schnitzer.


Das Cover ist ein wenig anders als die typische Gestaltung, da "Was perfekt war" im dtv-Imprint "bold" erschienen ist. Mit dem weißen Hintergrund, dem großen Titel und der rosa-roten Farbgebung des Motivs passt es optisch dennoch gut zu anderen Büchern der Autorin, die bei dtv erschienen sind. Ich finde das Motiv (der Rauch/das Tuch/der Farbverlauf) zwar nicht besonders aussagekräftig und kann keine besondere thematische Verbindung zum Inhalt der Geschichte feststellen, mir gefällt das deutsche Cover aber trotzdem um Welten besser als das Original. Sehr nett sind auch die beiden Zitate in den Leselaschen der broschierten Ausgabe.


Erster Satz: "Der Portier hat mich nicht angelächelt."


Wir steigen mit einem absoluten Tiefpunkt in Quinns Leben ein, von dem sie noch nicht weiß, dass er der Beginn ihres großen Glücks ist. Als sie einen Tag früher aus dem Urlaub zurückkommt und sie von einem Fremden erfahren muss, dass ihr Verlobter Ethan sie gerade mit seiner Freundin betrügt, zerbricht ihr großer Traum vom glücklichen Familienleben in tausend Stücke. Der gutaussehende Fremde vor ihrer Wohnung stellt sich als Graham vor und als sie beschließen, das Leid gemeinsam durchzustehen, werden ihre Wut und ihr Kummer schon bald von neuen Gefühlen überdeckt...So unglücklich die Umstände ihrer ersten Begegnung auch waren, so perfekt wird die Beziehung, die sich daraus entwickelt. Doch statt Grahams und Quinns Kennenlernen weiter zu verfolgen, vollführen wir einen Zeitsprung von acht Jahren und treffen die beiden - nun verheiratet - wieder und müssen feststellen, dass was perfekt war, fast zerbrochen und Quinn trotz der immer noch bestehenden Liebe todunglücklich ist. Was ist passiert, was diese Liebe nicht aushalten konnte? Und können die beiden ihre Ehe retten?


"Als wir uns bei Ethan im Hausflur gesehen haben, haben wir uns sofort erkannt. Es gibt Menschen, die begegnen sich und erkennen sich instinktiv - da spielen äußere Faktoren keine Rolle, weil sie daran vorbei direkt in das Innere des anderen sehen."



Wenn ihr das genaue Thema noch nicht kennt, mit dem sich das Buch auseinandersetzt, dann hört genau an dieser Stelle mit dem Lesen meiner Rezension auf und lasst die Handlung einfach auf euch zu kommen. Da sich die Autorin (aus mir nicht verständlichen Gründen) gegen eine Triggerwarnung entschieden hat, könnt ihr im Laufe der Geschichte das Thema erfahren. Colleen Hoover hat hier nach einem unkonventionellen Start eine ebenso ungewöhnliche Handlungskonstruktion gewählt und erzählt ihre Geschichte abwechselnd auf zwei Zeitebenen. Das "Damals" beschreibt als eingeschobene Rückblicke die Phase des Kennenlernens und die zarte Entwicklung der Liebe, die wir auch im "Jetzt" noch spüren. Acht Jahre später ist von der unbeschwerten Leichtigkeit zu Beginn der Beziehung aber nicht mehr viel zu spüren und das Paar kämpft mit einem Problem, dass sich tief in sie und ihre Beziehung gefressen hat: ein unerfüllbarer Kinderwunsch. Dadurch dass sich "Damals" und "Jetzt" Kapitel ständig abwechseln, wird uns der Kontrast zwischen den emotionalen Zuständen der Protagonisten immer wieder vor Augen geführt. Für den Leser ist der ständige Wechsel keinesfalls einfach, während man bei der Vorgeschichte immer wieder dahinschmilzt, kann man das unter die Haut gehende Leid Quinns im zweiten Handlungsstrang kaum ertragen. So finden wir uns in einer wohl kalkulierten Gefühlsachterbahn wieder, in der sich beide Komponenten die Waage halten, sodass die herzerwärmende Vorgeschichte über die herunterziehenden Sequenzen hinwegtrösten.


"Quinn." Er hält mich in den Armen, drückt sein Gesicht in meine Haare. Seien Stimme ist voller Qual als er meinen Namen sagt. Ich habe diesen Namen noch nie so gehasst. Ich halte mir die Ohren zu, weil ich seine Stimme jetzt nicht hören will. Aber er sagt sowieso nichts mehr. Nicht einmal, als ich mich aus seiner Umarmung winde, aufstehe, in unser Schlafzimmer gehen und die Tür abschließe."


Auch dass Colleen Hoover diese Thematik zum Mittelpunkt ihrer Geschichte macht und einfühlsam schildert, was es mit der Psyche einer Frau und einer Ehe machen kann, wenn der Kinderwunsch nicht erfüllt werden kann, hat mir gut gefallen. Für mich war es ein wenig schwer, mich in Quinns Situation hineinzuversetzen, da ich in einer ganz andern Lebensphase bin als die Protagonistin und deshalb mit ihrem Problem noch nicht besonders viel anfangen konnte. Dennoch hat mir Quinns emotionales Leiden selbst sehr zugesetzt und mich in meiner Stimmung stark beeinflusst, was von der hohen Qualität des Schreibstils zeugt. Die "Queen of Hearts" ist hier mal wieder ein schmerzhaftes Problemthema angegangen und fand in jeder Situation genau die richtigen Formulierungen, um nur so mit unseren Emotionen zu spielen und kannte dabei kein Tabu, wenn es darum geht, uns Leser zu quälen. Die Geschichte ist herzzerreißend, sie beschäftigt, sie macht den Leser fertig. Colleen Hoover besitzt einfach das Talent aus wenigen Worten die größten Gefühle heraus zu locken und so eigentlich aus dem Nichts ein riesiges Gefühlschaos und Drama zu erschaffen.


"Es ist eine echte Leistung, dass du bist, wie du bist. Dass du es geschafft hast, ganz aus dir selbst heraus zu einer emotional so klugen, großzügigen, tollen Frau zu werden."
Die wenigsten Menschen sind in der Lage, den exakten Zeitpunkt zu benennen, an dem sie angefangen haben, einen anderen Menschen zu lieben.
Ich schon.
Es ist gerade eben passiert."


Aber (jetzt kommt leider ein dickes, fettes ABER): sie ist beim Erschaffen von eben erwähntem Gefühlschaos und Drama deutlich zu weit über ihr Ziel hinausgeschossen. Ich habe über weite Teile der Geschichte ihren humorvollen, leichten Stil sehr vermisst und trotz der erwähnten Balance zwischen Problem und Vorgeschichte war mir die Geschichte alles in allem über weite Teile zu weinerlich. Wer jetzt vielleicht dagegen einzuwenden hat, dass es ein emotional belastendes Thema ist und Quinn natürlich sehr leidet, dem sei gesagt, dass ich die gesamte Beziehungskrise, unter der sie zusätzlich zu leiden hat, nicht nachvollziehen konnte. Ich fand es schlichtweg unglaubwürdig, dass dieses tolle, perfekte Paar, das sich immer noch liebt und füreinander da sein will (was in jedem zweiten Satz beteuert wird), nicht miteinander redet und die Missverständnisse aus dem Weg schafft. Hier stehen keine Abhängigkeit, keine Hierarchie, keine Angst, keine Kommunikationsbarriere, keine äußerlichen Zwänge oder negative Gefühle wie Abneigung und Hass der Aussprache im Weg, sodass ich ab Seite 20 einfach nur dachte: redet doch einfach miteinander, dann können wir uns das alles sparen. Warum genau Quinn ihre Gefühle nicht einfach offen äußert, erschloss sich mir trotz der Innensicht aus ihrer Perspektive einfach nicht, wodurch mir ihr Leiden bald zu viel wurde. Am Anfang war ich ein wenig skeptisch, dass die Geschichte nur 300 Seiten hat, irgendwann in der Mitte hatte ich aber sogar einen Moment, in dem ich mir überlegt habe, wie lange dieser verfahrene Zustand noch andauern muss, bis endlich etwas passiert.


"Ich vermisse dich, Quinn. Du fehlst mir so schrecklich. Du sitzt direkt vor mir und bist trotzdem nicht da. Ich weiß nicht, wo du hingegangen bist oder wann du gegangen bist, und ich habe keine Ahnung, wie ich dich zurückholen soll. Ich fühle mich so allein. Wir leben zusammen. Wir essen zusammen. Wir schlafen zusammen. Aber ich habe mich in meinem ganzen Leben nie einsamer gefühlt."



Ein weiteres Problem der Konstruktion ist, dass sich im "Jetzt" beinahe jeder Satz auf das große im Raum stehende Problem bezieht und wir dadurch die Protagonisten aus den Augen verlieren. Eigentlich liegt der Fokus der Geschichte auf den Charakteren und deren Beziehung und wir konzentrieren uns nur auf Quinns Gefühle, alles andere, was in ihrem Leben passiert und wer darin vorkommt, wird ausgeblendet. Wir sollten dadurch also theoretisch einen tiefen Einblick in die Protagonisten erhalten und sie intensiv kennenlernen können. Stattdessen hatte ich das Gefühl, dass beide mit jedem Kapitel immer blasser wurden und all die vielen Gefühle (die man als Leser wie oben erwähnt heftig zu spüren bekommt) trotzdem nicht dafür sorgen, dass man ein vollständiges Bild der beiden Personen erhält. Wir lernen nicht Quinn, die Person, kennen sondern erfahren von den Gefühlen von Quinn, der leidenden Nicht-Mutter und Problem-Ehefrau. Was die beiden arbeiten, was sie für Hobbies haben, was sie mögen, was sie hassen, welche Musik sie hören, wie ihr alltägliches Leben aussieht, schlichtweg wer sie sind wenn sie sich nicht gerade leidend anschweigen, erfahren wir erst spät oder gar nicht. So bleibt Quinn obwohl aus ihrer Sicht erzählt wird total auf der Strecke. Dass man sich über weite Strecken nicht besonders mit ihr anfreunden kann liegt also meiner Meinung nach nicht daran, dass sie ein emotionales Wrack und als solches ein wenig anstrengend ist, sondern vor allem, dass sie zu keiner tiefgründigen, vollständigen Figur wird.


"Ich habe immer geglaubt, wenn man jemanden nur genug liebt, könnte diese Liebe alles überstehen. Solange sich zwei Menschen liebten, gäbe es nichts, das sie auseinanderreißen könnte. Noch nicht einmal eine Tragödie. Aber mittlerweile weiß ich, dass es Tragödien gibt, die selbst das Perfekteste zerstören können."


Auch Graham ist viel zu einseitig dargestellt. Da er bis auf einige Briefe gegen Ende keine eigene Stimme hat und wir auf Quinns Beschreibungen zugreifen, ist das Problem bei ihm fast noch schlimmer. Denn wenn Quinn etwas über ihn erzählt, dann immer nur in Zusammenhang mit ihrem Problem oder wie sehr sie ihn liebt. Wir erhalten also eine Mischung aus anhimmelnder und ablehnender Spekulationen über seine Gedanken und wissen nicht wirklich, was ihn umtreibt. Was wir gezeichnet bekommen ist ein total überhöhtes Bild eines Traummanns, sodass sich selbst die Protagonistin immer wieder daran erinnern muss, dass er "auch nur ein Mensch" ist. Bei ihm hat die Autorin definitiv ein kleines bisschen übertrieben, sodass auch er nicht authentisch war. Auch wenn mir die Dynamik zwischen den Protagonisten sehr gut gefallen hat, konnten die Beiden aber einfach nicht die Echtheit und Lebendigkeit transportieren, die ich sonst von CoHos Geschichten kenne.


Als wir endlich durch einige Briefe, die total nett eingefädelt die Auflösung der Story einleiten, einen Einblick in seine Gedanken- und Gefühlswelt erhalten, ist mein kritisches Urteil über die Konzeption der Geschichte endgültig gefällt. Kurz: viel zu aufgebauscht um realistisch zu erscheinen. Denn unter der Voraussetzung der Auflösung ergibt das ganze Drama noch weniger Sinn. Denn wenn Graham Quinns Probleme und ihre Gedanken seit Jahren kennt, wichtige Schlüsselszenen doch nicht so ahnungslos beobachtet hat, wie angenommen und genau weiß, was er sagen muss, um alles zu lösen - warum hat er es dann nicht einfach schon vor Jahren getan??? Was hat ihn davon abgehalten, einfach mit seiner Frau zu sprechen und ein glückliches Leben mit ihr zu führen. So kommt die ganze Problematik, so nett auch der Grundgedanke war, unglaubwürdig, konstruiert und gewollt daher, was dem Thema einfach nicht gerecht wird.


"Dass jemand der Richtige für dich ist, erkennst du daran, dass er dich nicht verunsichert, indem er dich auf deine Fehler aufmerksam macht, sondern dich stark macht, weil er vor allem deine guten Eigenschaften sieht."


Das tatsächliche Ende wird dann schnell und fast schon lachhaft einfach eingeleitet, was ein weiteres Indiz dafür ist, dass entweder die Auflösung dem Problem nicht gerecht wird oder das Problem total aufgebauscht war. Zum Glück greift Colleen Hoover nicht auf das erwartete, plumpe Happy-End zurück sondern fädelt das Finale geschickter ein und entlockt sogar noch mit einem kleinen Easter-Egg mit Ausblick für alle, die "Finding Cinderella" gelesen habe, kurze Begeisterungssprünge. Alles in allem erfüllt die Geschichte aber nur bedingt das, was ich von einem Colleen Hoover Buch mittlerweile zu erwarten habe: dramatisch -ja-, emotional -ja-, tiefgehende Befassung mit wichtigem Thema - naja-, authentisch, -nein-, amüsant zu lesen, -nein-.




Fazit:


Dramatisch, emotional, mitreißend, leider aber über weite Strecken zu weinerlich, unglaubwürdig konzipiert und eine Handlung, die dem wichtigen Thema nicht ganz gerecht wird. Das kannst du besser, Colleen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.01.2020

Das kannst du besser, Colleen!

Was perfekt war
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Treue Leser meines Blogs werden vermutlich wissen, dass ich ein großer Fan von Colleen Hoover bin. Bei "Was perfekt war" ließ schon der Klapptext darauf schließen, dass wir es hier mit einem anderen Aufbau ...

Treue Leser meines Blogs werden vermutlich wissen, dass ich ein großer Fan von Colleen Hoover bin. Bei "Was perfekt war" ließ schon der Klapptext darauf schließen, dass wir es hier mit einem anderen Aufbau und einer anderen Thematik zu tun haben als im Hoover-Durchschnittsroman, weshalb ich besonders gespannt auf die Geschichte war. Was bei "Nur noch ein einziges Mal" und "Die tausend Teile meines Herzens" ganz wundervoll funktioniert hat und erfrischend neu war, kommt hier jedoch nur schleppend in die Gänge und erlaubt sich einige Schnitzer.


Das Cover ist ein wenig anders als die typische Gestaltung, da "Was perfekt war" im dtv-Imprint "bold" erschienen ist. Mit dem weißen Hintergrund, dem großen Titel und der rosa-roten Farbgebung des Motivs passt es optisch dennoch gut zu anderen Büchern der Autorin, die bei dtv erschienen sind. Ich finde das Motiv (der Rauch/das Tuch/der Farbverlauf) zwar nicht besonders aussagekräftig und kann keine besondere thematische Verbindung zum Inhalt der Geschichte feststellen, mir gefällt das deutsche Cover aber trotzdem um Welten besser als das Original. Sehr nett sind auch die beiden Zitate in den Leselaschen der broschierten Ausgabe.


Erster Satz: "Der Portier hat mich nicht angelächelt."


Wir steigen mit einem absoluten Tiefpunkt in Quinns Leben ein, von dem sie noch nicht weiß, dass er der Beginn ihres großen Glücks ist. Als sie einen Tag früher aus dem Urlaub zurückkommt und sie von einem Fremden erfahren muss, dass ihr Verlobter Ethan sie gerade mit seiner Freundin betrügt, zerbricht ihr großer Traum vom glücklichen Familienleben in tausend Stücke. Der gutaussehende Fremde vor ihrer Wohnung stellt sich als Graham vor und als sie beschließen, das Leid gemeinsam durchzustehen, werden ihre Wut und ihr Kummer schon bald von neuen Gefühlen überdeckt...So unglücklich die Umstände ihrer ersten Begegnung auch waren, so perfekt wird die Beziehung, die sich daraus entwickelt. Doch statt Grahams und Quinns Kennenlernen weiter zu verfolgen, vollführen wir einen Zeitsprung von acht Jahren und treffen die beiden - nun verheiratet - wieder und müssen feststellen, dass was perfekt war, fast zerbrochen und Quinn trotz der immer noch bestehenden Liebe todunglücklich ist. Was ist passiert, was diese Liebe nicht aushalten konnte? Und können die beiden ihre Ehe retten?


"Als wir uns bei Ethan im Hausflur gesehen haben, haben wir uns sofort erkannt. Es gibt Menschen, die begegnen sich und erkennen sich instinktiv - da spielen äußere Faktoren keine Rolle, weil sie daran vorbei direkt in das Innere des anderen sehen."



Wenn ihr das genaue Thema noch nicht kennt, mit dem sich das Buch auseinandersetzt, dann hört genau an dieser Stelle mit dem Lesen meiner Rezension auf und lasst die Handlung einfach auf euch zu kommen. Da sich die Autorin (aus mir nicht verständlichen Gründen) gegen eine Triggerwarnung entschieden hat, könnt ihr im Laufe der Geschichte das Thema erfahren. Colleen Hoover hat hier nach einem unkonventionellen Start eine ebenso ungewöhnliche Handlungskonstruktion gewählt und erzählt ihre Geschichte abwechselnd auf zwei Zeitebenen. Das "Damals" beschreibt als eingeschobene Rückblicke die Phase des Kennenlernens und die zarte Entwicklung der Liebe, die wir auch im "Jetzt" noch spüren. Acht Jahre später ist von der unbeschwerten Leichtigkeit zu Beginn der Beziehung aber nicht mehr viel zu spüren und das Paar kämpft mit einem Problem, dass sich tief in sie und ihre Beziehung gefressen hat: ein unerfüllbarer Kinderwunsch. Dadurch dass sich "Damals" und "Jetzt" Kapitel ständig abwechseln, wird uns der Kontrast zwischen den emotionalen Zuständen der Protagonisten immer wieder vor Augen geführt. Für den Leser ist der ständige Wechsel keinesfalls einfach, während man bei der Vorgeschichte immer wieder dahinschmilzt, kann man das unter die Haut gehende Leid Quinns im zweiten Handlungsstrang kaum ertragen. So finden wir uns in einer wohl kalkulierten Gefühlsachterbahn wieder, in der sich beide Komponenten die Waage halten, sodass die herzerwärmende Vorgeschichte über die herunterziehenden Sequenzen hinwegtrösten.


"Quinn." Er hält mich in den Armen, drückt sein Gesicht in meine Haare. Seien Stimme ist voller Qual als er meinen Namen sagt. Ich habe diesen Namen noch nie so gehasst. Ich halte mir die Ohren zu, weil ich seine Stimme jetzt nicht hören will. Aber er sagt sowieso nichts mehr. Nicht einmal, als ich mich aus seiner Umarmung winde, aufstehe, in unser Schlafzimmer gehen und die Tür abschließe."


Auch dass Colleen Hoover diese Thematik zum Mittelpunkt ihrer Geschichte macht und einfühlsam schildert, was es mit der Psyche einer Frau und einer Ehe machen kann, wenn der Kinderwunsch nicht erfüllt werden kann, hat mir gut gefallen. Für mich war es ein wenig schwer, mich in Quinns Situation hineinzuversetzen, da ich in einer ganz andern Lebensphase bin als die Protagonistin und deshalb mit ihrem Problem noch nicht besonders viel anfangen konnte. Dennoch hat mir Quinns emotionales Leiden selbst sehr zugesetzt und mich in meiner Stimmung stark beeinflusst, was von der hohen Qualität des Schreibstils zeugt. Die "Queen of Hearts" ist hier mal wieder ein schmerzhaftes Problemthema angegangen und fand in jeder Situation genau die richtigen Formulierungen, um nur so mit unseren Emotionen zu spielen und kannte dabei kein Tabu, wenn es darum geht, uns Leser zu quälen. Die Geschichte ist herzzerreißend, sie beschäftigt, sie macht den Leser fertig. Colleen Hoover besitzt einfach das Talent aus wenigen Worten die größten Gefühle heraus zu locken und so eigentlich aus dem Nichts ein riesiges Gefühlschaos und Drama zu erschaffen.


"Es ist eine echte Leistung, dass du bist, wie du bist. Dass du es geschafft hast, ganz aus dir selbst heraus zu einer emotional so klugen, großzügigen, tollen Frau zu werden."
Die wenigsten Menschen sind in der Lage, den exakten Zeitpunkt zu benennen, an dem sie angefangen haben, einen anderen Menschen zu lieben.
Ich schon.
Es ist gerade eben passiert."


Aber (jetzt kommt leider ein dickes, fettes ABER): sie ist beim Erschaffen von eben erwähntem Gefühlschaos und Drama deutlich zu weit über ihr Ziel hinausgeschossen. Ich habe über weite Teile der Geschichte ihren humorvollen, leichten Stil sehr vermisst und trotz der erwähnten Balance zwischen Problem und Vorgeschichte war mir die Geschichte alles in allem über weite Teile zu weinerlich. Wer jetzt vielleicht dagegen einzuwenden hat, dass es ein emotional belastendes Thema ist und Quinn natürlich sehr leidet, dem sei gesagt, dass ich die gesamte Beziehungskrise, unter der sie zusätzlich zu leiden hat, nicht nachvollziehen konnte. Ich fand es schlichtweg unglaubwürdig, dass dieses tolle, perfekte Paar, das sich immer noch liebt und füreinander da sein will (was in jedem zweiten Satz beteuert wird), nicht miteinander redet und die Missverständnisse aus dem Weg schafft. Hier stehen keine Abhängigkeit, keine Hierarchie, keine Angst, keine Kommunikationsbarriere, keine äußerlichen Zwänge oder negative Gefühle wie Abneigung und Hass der Aussprache im Weg, sodass ich ab Seite 20 einfach nur dachte: redet doch einfach miteinander, dann können wir uns das alles sparen. Warum genau Quinn ihre Gefühle nicht einfach offen äußert, erschloss sich mir trotz der Innensicht aus ihrer Perspektive einfach nicht, wodurch mir ihr Leiden bald zu viel wurde. Am Anfang war ich ein wenig skeptisch, dass die Geschichte nur 300 Seiten hat, irgendwann in der Mitte hatte ich aber sogar einen Moment, in dem ich mir überlegt habe, wie lange dieser verfahrene Zustand noch andauern muss, bis endlich etwas passiert.


"Ich vermisse dich, Quinn. Du fehlst mir so schrecklich. Du sitzt direkt vor mir und bist trotzdem nicht da. Ich weiß nicht, wo du hingegangen bist oder wann du gegangen bist, und ich habe keine Ahnung, wie ich dich zurückholen soll. Ich fühle mich so allein. Wir leben zusammen. Wir essen zusammen. Wir schlafen zusammen. Aber ich habe mich in meinem ganzen Leben nie einsamer gefühlt."



Ein weiteres Problem der Konstruktion ist, dass sich im "Jetzt" beinahe jeder Satz auf das große im Raum stehende Problem bezieht und wir dadurch die Protagonisten aus den Augen verlieren. Eigentlich liegt der Fokus der Geschichte auf den Charakteren und deren Beziehung und wir konzentrieren uns nur auf Quinns Gefühle, alles andere, was in ihrem Leben passiert und wer darin vorkommt, wird ausgeblendet. Wir sollten dadurch also theoretisch einen tiefen Einblick in die Protagonisten erhalten und sie intensiv kennenlernen können. Stattdessen hatte ich das Gefühl, dass beide mit jedem Kapitel immer blasser wurden und all die vielen Gefühle (die man als Leser wie oben erwähnt heftig zu spüren bekommt) trotzdem nicht dafür sorgen, dass man ein vollständiges Bild der beiden Personen erhält. Wir lernen nicht Quinn, die Person, kennen sondern erfahren von den Gefühlen von Quinn, der leidenden Nicht-Mutter und Problem-Ehefrau. Was die beiden arbeiten, was sie für Hobbies haben, was sie mögen, was sie hassen, welche Musik sie hören, wie ihr alltägliches Leben aussieht, schlichtweg wer sie sind wenn sie sich nicht gerade leidend anschweigen, erfahren wir erst spät oder gar nicht. So bleibt Quinn obwohl aus ihrer Sicht erzählt wird total auf der Strecke. Dass man sich über weite Strecken nicht besonders mit ihr anfreunden kann liegt also meiner Meinung nach nicht daran, dass sie ein emotionales Wrack und als solches ein wenig anstrengend ist, sondern vor allem, dass sie zu keiner tiefgründigen, vollständigen Figur wird.


"Ich habe immer geglaubt, wenn man jemanden nur genug liebt, könnte diese Liebe alles überstehen. Solange sich zwei Menschen liebten, gäbe es nichts, das sie auseinanderreißen könnte. Noch nicht einmal eine Tragödie. Aber mittlerweile weiß ich, dass es Tragödien gibt, die selbst das Perfekteste zerstören können."


Auch Graham ist viel zu einseitig dargestellt. Da er bis auf einige Briefe gegen Ende keine eigene Stimme hat und wir auf Quinns Beschreibungen zugreifen, ist das Problem bei ihm fast noch schlimmer. Denn wenn Quinn etwas über ihn erzählt, dann immer nur in Zusammenhang mit ihrem Problem oder wie sehr sie ihn liebt. Wir erhalten also eine Mischung aus anhimmelnder und ablehnender Spekulationen über seine Gedanken und wissen nicht wirklich, was ihn umtreibt. Was wir gezeichnet bekommen ist ein total überhöhtes Bild eines Traummanns, sodass sich selbst die Protagonistin immer wieder daran erinnern muss, dass er "auch nur ein Mensch" ist. Bei ihm hat die Autorin definitiv ein kleines bisschen übertrieben, sodass auch er nicht authentisch war. Auch wenn mir die Dynamik zwischen den Protagonisten sehr gut gefallen hat, konnten die Beiden aber einfach nicht die Echtheit und Lebendigkeit transportieren, die ich sonst von CoHos Geschichten kenne.


Als wir endlich durch einige Briefe, die total nett eingefädelt die Auflösung der Story einleiten, einen Einblick in seine Gedanken- und Gefühlswelt erhalten, ist mein kritisches Urteil über die Konzeption der Geschichte endgültig gefällt. Kurz: viel zu aufgebauscht um realistisch zu erscheinen. Denn unter der Voraussetzung der Auflösung ergibt das ganze Drama noch weniger Sinn. Denn wenn Graham Quinns Probleme und ihre Gedanken seit Jahren kennt, wichtige Schlüsselszenen doch nicht so ahnungslos beobachtet hat, wie angenommen und genau weiß, was er sagen muss, um alles zu lösen - warum hat er es dann nicht einfach schon vor Jahren getan??? Was hat ihn davon abgehalten, einfach mit seiner Frau zu sprechen und ein glückliches Leben mit ihr zu führen. So kommt die ganze Problematik, so nett auch der Grundgedanke war, unglaubwürdig, konstruiert und gewollt daher, was dem Thema einfach nicht gerecht wird.


"Dass jemand der Richtige für dich ist, erkennst du daran, dass er dich nicht verunsichert, indem er dich auf deine Fehler aufmerksam macht, sondern dich stark macht, weil er vor allem deine guten Eigenschaften sieht."


Das tatsächliche Ende wird dann schnell und fast schon lachhaft einfach eingeleitet, was ein weiteres Indiz dafür ist, dass entweder die Auflösung dem Problem nicht gerecht wird oder das Problem total aufgebauscht war. Zum Glück greift Colleen Hoover nicht auf das erwartete, plumpe Happy-End zurück sondern fädelt das Finale geschickter ein und entlockt sogar noch mit einem kleinen Easter-Egg mit Ausblick für alle, die "Finding Cinderella" gelesen habe, kurze Begeisterungssprünge. Alles in allem erfüllt die Geschichte aber nur bedingt das, was ich von einem Colleen Hoover Buch mittlerweile zu erwarten habe: dramatisch -ja-, emotional -ja-, tiefgehende Befassung mit wichtigem Thema - naja-, authentisch, -nein-, amüsant zu lesen, -nein-.




Fazit:


Dramatisch, emotional, mitreißend, leider aber über weite Strecken zu weinerlich, unglaubwürdig konzipiert und eine Handlung, die dem wichtigen Thema nicht ganz gerecht wird. Das kannst du besser, Colleen!

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Veröffentlicht am 03.01.2020

Das kannst du besser, Colleen!

Was perfekt war
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Treue Leser meines Blogs werden vermutlich wissen, dass ich ein großer Fan von Colleen Hoover bin. Bei "Was perfekt war" ließ schon der Klapptext darauf schließen, dass wir es hier mit einem anderen Aufbau ...

Treue Leser meines Blogs werden vermutlich wissen, dass ich ein großer Fan von Colleen Hoover bin. Bei "Was perfekt war" ließ schon der Klapptext darauf schließen, dass wir es hier mit einem anderen Aufbau und einer anderen Thematik zu tun haben als im Hoover-Durchschnittsroman, weshalb ich besonders gespannt auf die Geschichte war. Was bei "Nur noch ein einziges Mal" und "Die tausend Teile meines Herzens" ganz wundervoll funktioniert hat und erfrischend neu war, kommt hier jedoch nur schleppend in die Gänge und erlaubt sich einige Schnitzer.


Das Cover ist ein wenig anders als die typische Gestaltung, da "Was perfekt war" im dtv-Imprint "bold" erschienen ist. Mit dem weißen Hintergrund, dem großen Titel und der rosa-roten Farbgebung des Motivs passt es optisch dennoch gut zu anderen Büchern der Autorin, die bei dtv erschienen sind. Ich finde das Motiv (der Rauch/das Tuch/der Farbverlauf) zwar nicht besonders aussagekräftig und kann keine besondere thematische Verbindung zum Inhalt der Geschichte feststellen, mir gefällt das deutsche Cover aber trotzdem um Welten besser als das Original. Sehr nett sind auch die beiden Zitate in den Leselaschen der broschierten Ausgabe.


Erster Satz: "Der Portier hat mich nicht angelächelt."


Wir steigen mit einem absoluten Tiefpunkt in Quinns Leben ein, von dem sie noch nicht weiß, dass er der Beginn ihres großen Glücks ist. Als sie einen Tag früher aus dem Urlaub zurückkommt und sie von einem Fremden erfahren muss, dass ihr Verlobter Ethan sie gerade mit seiner Freundin betrügt, zerbricht ihr großer Traum vom glücklichen Familienleben in tausend Stücke. Der gutaussehende Fremde vor ihrer Wohnung stellt sich als Graham vor und als sie beschließen, das Leid gemeinsam durchzustehen, werden ihre Wut und ihr Kummer schon bald von neuen Gefühlen überdeckt...So unglücklich die Umstände ihrer ersten Begegnung auch waren, so perfekt wird die Beziehung, die sich daraus entwickelt. Doch statt Grahams und Quinns Kennenlernen weiter zu verfolgen, vollführen wir einen Zeitsprung von acht Jahren und treffen die beiden - nun verheiratet - wieder und müssen feststellen, dass was perfekt war, fast zerbrochen und Quinn trotz der immer noch bestehenden Liebe todunglücklich ist. Was ist passiert, was diese Liebe nicht aushalten konnte? Und können die beiden ihre Ehe retten?


"Als wir uns bei Ethan im Hausflur gesehen haben, haben wir uns sofort erkannt. Es gibt Menschen, die begegnen sich und erkennen sich instinktiv - da spielen äußere Faktoren keine Rolle, weil sie daran vorbei direkt in das Innere des anderen sehen."



Wenn ihr das genaue Thema noch nicht kennt, mit dem sich das Buch auseinandersetzt, dann hört genau an dieser Stelle mit dem Lesen meiner Rezension auf und lasst die Handlung einfach auf euch zu kommen. Da sich die Autorin (aus mir nicht verständlichen Gründen) gegen eine Triggerwarnung entschieden hat, könnt ihr im Laufe der Geschichte das Thema erfahren. Colleen Hoover hat hier nach einem unkonventionellen Start eine ebenso ungewöhnliche Handlungskonstruktion gewählt und erzählt ihre Geschichte abwechselnd auf zwei Zeitebenen. Das "Damals" beschreibt als eingeschobene Rückblicke die Phase des Kennenlernens und die zarte Entwicklung der Liebe, die wir auch im "Jetzt" noch spüren. Acht Jahre später ist von der unbeschwerten Leichtigkeit zu Beginn der Beziehung aber nicht mehr viel zu spüren und das Paar kämpft mit einem Problem, dass sich tief in sie und ihre Beziehung gefressen hat: ein unerfüllbarer Kinderwunsch. Dadurch dass sich "Damals" und "Jetzt" Kapitel ständig abwechseln, wird uns der Kontrast zwischen den emotionalen Zuständen der Protagonisten immer wieder vor Augen geführt. Für den Leser ist der ständige Wechsel keinesfalls einfach, während man bei der Vorgeschichte immer wieder dahinschmilzt, kann man das unter die Haut gehende Leid Quinns im zweiten Handlungsstrang kaum ertragen. So finden wir uns in einer wohl kalkulierten Gefühlsachterbahn wieder, in der sich beide Komponenten die Waage halten, sodass die herzerwärmende Vorgeschichte über die herunterziehenden Sequenzen hinwegtrösten.


"Quinn." Er hält mich in den Armen, drückt sein Gesicht in meine Haare. Seien Stimme ist voller Qual als er meinen Namen sagt. Ich habe diesen Namen noch nie so gehasst. Ich halte mir die Ohren zu, weil ich seine Stimme jetzt nicht hören will. Aber er sagt sowieso nichts mehr. Nicht einmal, als ich mich aus seiner Umarmung winde, aufstehe, in unser Schlafzimmer gehen und die Tür abschließe."


Auch dass Colleen Hoover diese Thematik zum Mittelpunkt ihrer Geschichte macht und einfühlsam schildert, was es mit der Psyche einer Frau und einer Ehe machen kann, wenn der Kinderwunsch nicht erfüllt werden kann, hat mir gut gefallen. Für mich war es ein wenig schwer, mich in Quinns Situation hineinzuversetzen, da ich in einer ganz andern Lebensphase bin als die Protagonistin und deshalb mit ihrem Problem noch nicht besonders viel anfangen konnte. Dennoch hat mir Quinns emotionales Leiden selbst sehr zugesetzt und mich in meiner Stimmung stark beeinflusst, was von der hohen Qualität des Schreibstils zeugt. Die "Queen of Hearts" ist hier mal wieder ein schmerzhaftes Problemthema angegangen und fand in jeder Situation genau die richtigen Formulierungen, um nur so mit unseren Emotionen zu spielen und kannte dabei kein Tabu, wenn es darum geht, uns Leser zu quälen. Die Geschichte ist herzzerreißend, sie beschäftigt, sie macht den Leser fertig. Colleen Hoover besitzt einfach das Talent aus wenigen Worten die größten Gefühle heraus zu locken und so eigentlich aus dem Nichts ein riesiges Gefühlschaos und Drama zu erschaffen.


"Es ist eine echte Leistung, dass du bist, wie du bist. Dass du es geschafft hast, ganz aus dir selbst heraus zu einer emotional so klugen, großzügigen, tollen Frau zu werden."
Die wenigsten Menschen sind in der Lage, den exakten Zeitpunkt zu benennen, an dem sie angefangen haben, einen anderen Menschen zu lieben.
Ich schon.
Es ist gerade eben passiert."


Aber (jetzt kommt leider ein dickes, fettes ABER): sie ist beim Erschaffen von eben erwähntem Gefühlschaos und Drama deutlich zu weit über ihr Ziel hinausgeschossen. Ich habe über weite Teile der Geschichte ihren humorvollen, leichten Stil sehr vermisst und trotz der erwähnten Balance zwischen Problem und Vorgeschichte war mir die Geschichte alles in allem über weite Teile zu weinerlich. Wer jetzt vielleicht dagegen einzuwenden hat, dass es ein emotional belastendes Thema ist und Quinn natürlich sehr leidet, dem sei gesagt, dass ich die gesamte Beziehungskrise, unter der sie zusätzlich zu leiden hat, nicht nachvollziehen konnte. Ich fand es schlichtweg unglaubwürdig, dass dieses tolle, perfekte Paar, das sich immer noch liebt und füreinander da sein will (was in jedem zweiten Satz beteuert wird), nicht miteinander redet und die Missverständnisse aus dem Weg schafft. Hier stehen keine Abhängigkeit, keine Hierarchie, keine Angst, keine Kommunikationsbarriere, keine äußerlichen Zwänge oder negative Gefühle wie Abneigung und Hass der Aussprache im Weg, sodass ich ab Seite 20 einfach nur dachte: redet doch einfach miteinander, dann können wir uns das alles sparen. Warum genau Quinn ihre Gefühle nicht einfach offen äußert, erschloss sich mir trotz der Innensicht aus ihrer Perspektive einfach nicht, wodurch mir ihr Leiden bald zu viel wurde. Am Anfang war ich ein wenig skeptisch, dass die Geschichte nur 300 Seiten hat, irgendwann in der Mitte hatte ich aber sogar einen Moment, in dem ich mir überlegt habe, wie lange dieser verfahrene Zustand noch andauern muss, bis endlich etwas passiert.


"Ich vermisse dich, Quinn. Du fehlst mir so schrecklich. Du sitzt direkt vor mir und bist trotzdem nicht da. Ich weiß nicht, wo du hingegangen bist oder wann du gegangen bist, und ich habe keine Ahnung, wie ich dich zurückholen soll. Ich fühle mich so allein. Wir leben zusammen. Wir essen zusammen. Wir schlafen zusammen. Aber ich habe mich in meinem ganzen Leben nie einsamer gefühlt."



Ein weiteres Problem der Konstruktion ist, dass sich im "Jetzt" beinahe jeder Satz auf das große im Raum stehende Problem bezieht und wir dadurch die Protagonisten aus den Augen verlieren. Eigentlich liegt der Fokus der Geschichte auf den Charakteren und deren Beziehung und wir konzentrieren uns nur auf Quinns Gefühle, alles andere, was in ihrem Leben passiert und wer darin vorkommt, wird ausgeblendet. Wir sollten dadurch also theoretisch einen tiefen Einblick in die Protagonisten erhalten und sie intensiv kennenlernen können. Stattdessen hatte ich das Gefühl, dass beide mit jedem Kapitel immer blasser wurden und all die vielen Gefühle (die man als Leser wie oben erwähnt heftig zu spüren bekommt) trotzdem nicht dafür sorgen, dass man ein vollständiges Bild der beiden Personen erhält. Wir lernen nicht Quinn, die Person, kennen sondern erfahren von den Gefühlen von Quinn, der leidenden Nicht-Mutter und Problem-Ehefrau. Was die beiden arbeiten, was sie für Hobbies haben, was sie mögen, was sie hassen, welche Musik sie hören, wie ihr alltägliches Leben aussieht, schlichtweg wer sie sind wenn sie sich nicht gerade leidend anschweigen, erfahren wir erst spät oder gar nicht. So bleibt Quinn obwohl aus ihrer Sicht erzählt wird total auf der Strecke. Dass man sich über weite Strecken nicht besonders mit ihr anfreunden kann liegt also meiner Meinung nach nicht daran, dass sie ein emotionales Wrack und als solches ein wenig anstrengend ist, sondern vor allem, dass sie zu keiner tiefgründigen, vollständigen Figur wird.


"Ich habe immer geglaubt, wenn man jemanden nur genug liebt, könnte diese Liebe alles überstehen. Solange sich zwei Menschen liebten, gäbe es nichts, das sie auseinanderreißen könnte. Noch nicht einmal eine Tragödie. Aber mittlerweile weiß ich, dass es Tragödien gibt, die selbst das Perfekteste zerstören können."


Auch Graham ist viel zu einseitig dargestellt. Da er bis auf einige Briefe gegen Ende keine eigene Stimme hat und wir auf Quinns Beschreibungen zugreifen, ist das Problem bei ihm fast noch schlimmer. Denn wenn Quinn etwas über ihn erzählt, dann immer nur in Zusammenhang mit ihrem Problem oder wie sehr sie ihn liebt. Wir erhalten also eine Mischung aus anhimmelnder und ablehnender Spekulationen über seine Gedanken und wissen nicht wirklich, was ihn umtreibt. Was wir gezeichnet bekommen ist ein total überhöhtes Bild eines Traummanns, sodass sich selbst die Protagonistin immer wieder daran erinnern muss, dass er "auch nur ein Mensch" ist. Bei ihm hat die Autorin definitiv ein kleines bisschen übertrieben, sodass auch er nicht authentisch war. Auch wenn mir die Dynamik zwischen den Protagonisten sehr gut gefallen hat, konnten die Beiden aber einfach nicht die Echtheit und Lebendigkeit transportieren, die ich sonst von CoHos Geschichten kenne.


Als wir endlich durch einige Briefe, die total nett eingefädelt die Auflösung der Story einleiten, einen Einblick in seine Gedanken- und Gefühlswelt erhalten, ist mein kritisches Urteil über die Konzeption der Geschichte endgültig gefällt. Kurz: viel zu aufgebauscht um realistisch zu erscheinen. Denn unter der Voraussetzung der Auflösung ergibt das ganze Drama noch weniger Sinn. Denn wenn Graham Quinns Probleme und ihre Gedanken seit Jahren kennt, wichtige Schlüsselszenen doch nicht so ahnungslos beobachtet hat, wie angenommen und genau weiß, was er sagen muss, um alles zu lösen - warum hat er es dann nicht einfach schon vor Jahren getan??? Was hat ihn davon abgehalten, einfach mit seiner Frau zu sprechen und ein glückliches Leben mit ihr zu führen. So kommt die ganze Problematik, so nett auch der Grundgedanke war, unglaubwürdig, konstruiert und gewollt daher, was dem Thema einfach nicht gerecht wird.


"Dass jemand der Richtige für dich ist, erkennst du daran, dass er dich nicht verunsichert, indem er dich auf deine Fehler aufmerksam macht, sondern dich stark macht, weil er vor allem deine guten Eigenschaften sieht."


Das tatsächliche Ende wird dann schnell und fast schon lachhaft einfach eingeleitet, was ein weiteres Indiz dafür ist, dass entweder die Auflösung dem Problem nicht gerecht wird oder das Problem total aufgebauscht war. Zum Glück greift Colleen Hoover nicht auf das erwartete, plumpe Happy-End zurück sondern fädelt das Finale geschickter ein und entlockt sogar noch mit einem kleinen Easter-Egg mit Ausblick für alle, die "Finding Cinderella" gelesen habe, kurze Begeisterungssprünge. Alles in allem erfüllt die Geschichte aber nur bedingt das, was ich von einem Colleen Hoover Buch mittlerweile zu erwarten habe: dramatisch -ja-, emotional -ja-, tiefgehende Befassung mit wichtigem Thema - naja-, authentisch, -nein-, amüsant zu lesen, -nein-.




Fazit:


Dramatisch, emotional, mitreißend, leider aber über weite Strecken zu weinerlich, unglaubwürdig konzipiert und eine Handlung, die dem wichtigen Thema nicht ganz gerecht wird. Das kannst du besser, Colleen!

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