Dramatisch, tragisch, exotisch
Dies ist die dramatische und tragische Geschichte einer Familie, geprägt von Herkunft, sozialer Schicht und äußerer Umstände. Clyde und Joy, die sich mehr schlecht als recht durchs Leben schlagen, um ihren ...
Dies ist die dramatische und tragische Geschichte einer Familie, geprägt von Herkunft, sozialer Schicht und äußerer Umstände. Clyde und Joy, die sich mehr schlecht als recht durchs Leben schlagen, um ihren Söhnen etwas zu ermöglichen, eine Zukunft, Bildung, Hoffnung. Doch Peter und Paul, die eineiigen Zwillinge, ähneln sich zwar äußerlich, sind aber ansonsten grundverschieden, und die Frage, die im Raum steht: Welche dieser Unterschiede sind tatsächlich real, welche anerzogen? Da ist Peter, der Erstgeborene, das titelgebende Goldkind. Er ist unfassbar klug und hat beste Chancen, die ärmliche Herkunft seiner Familie auf dem Bildungsweg hinter sich zu lassen. Paul hingegen hat von Geburt an mit Schwierigkeiten zu kämpfen: Noch im Mutterleib von der Nabelschnur umwickelt, stockte die Sauerstoffzufuhr zu seinem Gehirn, seitdem wird er als "zurückgeblieben" abgestempelt - und auch durchgängig so behandelt. Zu Recht?
Die Geschichte beginnt, als die Zwillinge 13 Jahre alt sind und sich die Familie gerade von einem Überfall mit anschließendem Streit erholt. Kurz darauf verschwindet Paul. Clyde macht sich auf die Suche nach seinem Sohn, durchstreift die Nachbarschaft und den Busch, doch Paul bleibt verschwunden. Dieser erste Teil dient als gute Einführung in den Alltag der Familie, man bekommt einen ersten Eindruck der Verhältnisse der einzelnen ProtagonistInnen zueinander.
Dann macht die Autorin einen cleveren Cut: Teil zwei springt weit in die Vergangenheit und erzählt von Peter und Pauls Kindheit und den unterschiedlichen Erwartungen, mit/unter denen sie aufwuchsen. Die Erzählstimme wechselt hier in jedem Kapitel, neben den unmittelbaren Familienmitgliedern kommen auch Außenstehende zu Wort und werfen so noch mal ein ganz anderes Licht auf bestimmte Situationen. Neben der vierköpfigen "Kernfamilie" gibt es noch zahlreiche weitere Verwandte, die das Schicksal der anderen wechselseitig bestimmen. Zum Beispiel Onkel Vishnu, der Bruder von Mutter Joy, der als studierter Mediziner und relativ wohlhabender Mann der große Vorbildcharakter ist. Er erkennt Peters Talent und fördert den Jungen, was wiederum zu Neid und Missgunst bei anderen Verwandten führt.
Der dritte Teil setzt schließlich wieder in der Gegenwart ein, wir erhalten tiefere Einsicht in Pauls Gefühlswelt und seinen Entschluss zur Flucht, die schließlich der Auslöser für den tragischen Höhepunkt des Familiendramas wird. Das Ende bzw. der letzte Teil hat mich sehr mitgenommen - die Situation, die sich ergibt, die Gründe dafür und die letztlichen Konsequenzen waren wirklich absolut tragisch und ich lobe Claire Adam für ihren Mut, das so krass durchzuziehen. Das wird mich noch eine Weile beschäftigen.
Neben der Erzählung an sich und den tiefen Emotionen, die das alles bei mir ausgelöst hat, ist noch ein dritter Aspekt wichtig und erwähnenswert: Die Location des Romans, die hier ganz klar ein weiterer "Protagonist" ist. Die Geschichte spielt auf Trinidad, und der Inselstaat ist allgegenwärtig: Es kribbelt und krabbelt überall, der Busch ist dunkel und geheimnisvoll, das Wetter heiß und feucht. Doch nicht nur die Natur, auch die Menschen und Gewohnheiten sprühen nur so vor Lokalkolorit. Korruption und Banden bestimmen das gesellschaftliche Bild und durchdringen auch scheinbar "sichere" Beziehungen. Die Angst vor Gewalt ist ebenso allgegenwärtig: Hunde sind nicht die "besten Freunde", sondern werden scharf gemacht und verdingen sich als Alarmanlage. Claire Adam bringt den Staat, in dem sie aufwuchs, hier gut zum Leben.
Ein faszinierender Debütroman, der Lust auf mehr von der Autorin macht.