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Veröffentlicht am 15.07.2020

Fiktion, beunruhigend vorstellbar

Zugvögel
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„Franny hat ihr ganzes Leben am Meer verbracht, die wilden Strömungen und gefiederten Gefährten den Menschen vorgezogen. Als die Vögel zu verschwinden beginnen, beschließt die Ornithologin den letzten ...

„Franny hat ihr ganzes Leben am Meer verbracht, die wilden Strömungen und gefiederten Gefährten den Menschen vorgezogen. Als die Vögel zu verschwinden beginnen, beschließt die Ornithologin den letzten Küstenseeschwalben zu folgen. Inmitten der exzentrischen Crew eines der letzten Fischerboote macht sie sich auf den Weg in die Antarktis. Schutzlos ist die junge Frau den Naturgewalten des Atlantiks ausgeliefert, allein die Vögel sind ihr Kompass. Doch wohin die Tiere sie auch führen, vor ihrer Vergangenheit kann Franny nicht fliehen. Ihr folgt das Geheimnis eines Verbrechens, die Geschichte einer außergewöhnlichen Liebe. Und schon bald entwickelt sich die Reise zu einem lebensbedrohlichen Abenteuer.“ – Zitat Buchbeschreibung

Ohne eine konkrete Erwartung bin ich in dieses Lese-Abenteuer gestartet. Der Autorin gelingt es, mir Franny sofort ganz nah zu bringen, fast wie eine gute Freundin, an deren Lippen in klebe, um alle Einzelheiten ihrer Erlebnisse zu erfahren. So fühle ich mich teilweise nicht nur als Zuschauer, sondern er-lebe das Geschriebene, er-fühle die Ereignisse, lasse mich – um Frannys Lieblingselement Wasser zu bemühen – ganz hinabsinken, so dass das Ende mich mit angehaltenem Atem auftauchen lässt.

Durch diese erzeugte Nähe ist das Buch spannend wie ein guter Krimi, gefühlvoll wie ein Liebesroman und grausam, wie es nur das „Leben“ sein kann. Charlotte McConaghy verbindet Gegenwart und Zukunft aufgrund aus meiner Sicht sehr guter Beobachtung und Recherche zu einem schlüssigen, nachvollziehbaren und informativen Szenario. Und obwohl die Geschichte „nur“ Fiktion ist, könnte es letztlich genauso werden…

Ein großartiges Buch, welches mich mit dem letzten Buchstaben, dem letzten Satzzeichen nicht loslässt, sondern nachwirkt.Ein Buch, welches aus meiner Sicht unbedingt JEDE*R lesen sollte, um diesen Entwurf unserer Zukunft nicht Realität werden zu lassen…


DANKE! an jellybooks.de & den Fischer Verlag, dass ich dieses eBuch als Rezensionsexemplar vorab lesen durfte!

Charlotte McConaghy, Zugvögel, Roman, eBook, S. Fischer Verlag, 18,99 €, 400 Seiten in der Print-Ausgabe, Erscheinungstermin 26.08.2020

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Veröffentlicht am 22.05.2020

Vergangen heißt nicht vergessen

Nordlicht - Die Spur des Mörders
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„Am Sockel des Idstedt-Löwen in Flensburg wird die Leiche des 73-jährigen Karl Bentien gefunden. Brutal zu Tode getreten und ausgeraubt. Ein zufälliges Opfer oder gezielter Mord? Der pensionierte Studienrat ...

„Am Sockel des Idstedt-Löwen in Flensburg wird die Leiche des 73-jährigen Karl Bentien gefunden. Brutal zu Tode getreten und ausgeraubt. Ein zufälliges Opfer oder gezielter Mord? Der pensionierte Studienrat gehörte der dänischen Minderheit an, Medien und Behörden sehen nach dem Mordfall bereits das friedliche Zusammenleben im Grenzland in Gefahr. Hauptkommissarin Vibeke Boisen und ihr Kollege Rasmus Nyborg von der dänischen Polizei stehen unter Druck und müssen rasche Ergebnisse liefern. Dann stoßen sie im Keller des Toten auf eine versteckte Kammer mit brisantem Inhalt …“ – Zitat Buchbeschreibung

Dies ist der zweite Fall für das Ermittlerteam rund um das Duo Boisen / Nyborg im dänisch-deutschen Grenzgebiet. Die Unkenntnis des ersten Falles / Bandes stellte für mich keinerlei Problem hinsichtlich des Verständnisses sowie Lesevergnügens dar. Schnell verzweigen sich die Ermittlungsstränge und reichen von Totschlag bis zu kaltblütigem Mord. Aber wer hätte denn wirklich ein Motiv, diesen älteren Herrn, der lediglich seinen eigenen Lebensweg rekonstruieren wollte, so brutal umzubringen?!?

Vibeke, stets kontrolliert und regelkonform, und Rasmus, der auch gerne „unkonventionell“ arbeitet, sind sich nicht immer über den zielführendsten Untersuchungsweg einig, so dass jeder auch „nebenbei“ eigene Ermittlungen anstrengt, was leider hier und dort „ins Auge geht“. Letztlich gibt es viele Protagonisten, die etwas zu verbergen suchen und insofern eine „Auswahl“ an potenziellen Tätern. Im dramatischen Finale laufen die Fäden doch schlüssig zusammen und die Anstrengungen aller Beteiligten münden in der vollständigen Aufklärung dieses Mordes.

Dieses Buch habe ich sehr gerne gelesen. Anette Hinrichs hat einen soliden Kriminalroman verfasst, der zwar ohne atemlose Spannung oder aufmerksamkeitsheischende Gewalt daherkommt, mich aber doch angenehm fesselt. Der Plot war gut und im Grunde ist es nicht "nur" ein Kriminalroman, sondern auch ein Zeitzeugnis der deutsch-dänischen Geschichte, die mir in dieser Tragweite nicht gegenwärtig war. Die Kombination hat mir in dieser Version richtig gut gefallen. Obwohl es sehr viele Personen und ihren Bezug zur Handlung kennenzulernen gab, blieb doch der rote Faden im Fokus. Für mich gab es kein platzfüllendes, unnötiges Geplänkel. Und geschickt eingefügt gibt es ein paar Cliffhanger, welche die Hoffnung auf einen dritten Fall nähren…

Schön und informativ finde ich Stadtplan und Fotos, welche im Einband abgedruckt sind und den detaillierten Beschreibungen der örtlichen Gegebenheiten des Buchschauplatzes noch mehr Leben einhauchen.


Anette Hinrichs, Nordlicht – Die Spur des Mörders, Kriminalroman, Taschenbuch, Blanvalet Taschenbuch Verlag, 10,00 €, 480 Seiten, Erscheinungstermin 13.04.2020

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Veröffentlicht am 28.03.2020

Überlebenswille versus Verblendung

Vardo – Nach dem Sturm
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Vardø, eine nord-norwegische Insel Heiligabend 1617: Ein furchtbarer Sturm verwandelt die Bucht vor der Insel in ein tödliches Inferno, in welchem die Fischer des Dorfes allesamt ihr Leben lassen. Den ...

Vardø, eine nord-norwegische Insel Heiligabend 1617: Ein furchtbarer Sturm verwandelt die Bucht vor der Insel in ein tödliches Inferno, in welchem die Fischer des Dorfes allesamt ihr Leben lassen. Den trauernden Frauen des Dorfes bleibt nichts anderes zu tun, als baldmöglichst ihre Schockstarre und Trauer zu überwinden. Gefangen in Aberglauben und christlichen Regeln verharrt die Mehrheit der Frauen in ihren „üblichen“ Rollen. Zwei Frauen jedoch krempeln die Ärmel hoch und organisieren die anstehenden „Männerarbeiten“, damit sie überleben können und ihr Dorf eine Zukunft haben kann. Überlebenswille und Verstand überzeugen nach und nach auch die meisten, großen Zweifler, so dass die Erfolgsgeschichte einer „Insel von Frauen“ ihre Runde macht.

Dies ruft mächtige Männer auf den Plan. Frauen, die allein – lediglich von einem Pfarrer betreut – ihr Schicksal in die Hand genommen haben, stellen eine Ungeheuerlichkeit, Unmöglichkeit und mit Sicherheit Hexenwerk dar. Dies zu überprüfen, ruft einen raubeinigen, im christlichen Glauben gefestigten, schottischen Inspektor auf den Plan, welcher die Lage vor Ort einer kritischen Überprüfung unterziehen soll. Nicht zuletzt aufgrund seiner Erfahrungen in Hexenprozessen, findet Absalom Cornet bald „seine“ Hexen in Vardø, welche im Rahmen eines grausamen „Prozesses“ überführt und schließlich hingerichtet werden.

Das Buch nimmt mich schnell für sich ein, während ich miterleben muss, wie die Protagonistinnen versuchen, ihrem Leben ein Stück Normalität zurückzugeben, in der kargen nordnorwegischen Landschaft zu überleben und das Beste aus ihrem Schicksal zu machen. Sie kämpfen, sie arbeiten hart und können schließlich die Früchte ihrer Arbeit ernten und die existenziellen Sorgen hinter sich lassen. Was für großartige Frauen!

Umso mehr lehne ich mich gegen den Schotten auf, welcher auf der langen Anreise nach Vardø quasi im Vorbeigehen eine Ehefrau gefunden hat und nun die „Ordnung“ auf der Insel um jeden Preis wiederherstellen will. Und damit stehe ich nicht allein. Einige Frauen von Vardø sind nicht bereit, die erlangte Selbstbestimmtheit aufzugeben.

Basierend auf wahren, historischen Begebenheiten hat Kiran Millwood Hargrave einen großartigen, aber auch atmosphärisch dichten Roman geschrieben. Die Haupt-Protagonistin Maren wächst mir ans Herz, ich freue mich, dass sie mit Hilfe der resoluten Kirsten aus ihrem eigenen Schatten heraustreten kann und ungeachtet ihrer äußeren Stärke zart und verletzlich bleibt. Der Plot lässt mich gefesselt von Seite zu Seite voranstreben und trägt mich dem unvermeidlich nahenden Ende entgegen.

Ein Zeitzeugnis aus dem 17. Jahrhundert, wo Mann sich für die Krönung der Schöpfung hält, Frauen jegliche Fähigkeiten jenseits von Haushalt und Bett abgesprochen werden, gepaart mit vermeintlich christlicher, gefährlicher Verblendung.


Kiran Millwood Hargrave, Vardø – Nach dem Sturm, Roman, eBook, Diana Verlag, 15,99 €, 432 Seiten in der Print-Ausgabe, Erscheinungstermin 02.03.2020

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Veröffentlicht am 10.01.2020

Auferstanden von den Toten

Lazarus
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„Hat Jurek Walter überlebt? Der gefährlichste Serienmörder Schwedens wurde vor Jahren für tot erklärt. Er war bei einem dramatischen Polizeieinsatz von mehreren Kugeln getroffen in den Fluss gestürzt. ...

„Hat Jurek Walter überlebt? Der gefährlichste Serienmörder Schwedens wurde vor Jahren für tot erklärt. Er war bei einem dramatischen Polizeieinsatz von mehreren Kugeln getroffen in den Fluss gestürzt. Seine Leiche wurde jedoch niemals gefunden. Als nun der Schädel von Joonna Linnas toter Ehefrau in der Wohnung eines Grabschänders entdeckt und eine perfide Mordserie aus ganz Europa gemeldet wird, ahnt Joona Linna das Unvorstellbare: Der Albtraum ist nicht zu Ende, und der grausame Serienmörder droht, alle lebendig zu begraben, die Joona lieb sind. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt ...“ - Zitat Buchbeschreibung

Eine bestialische Mordserie hält Europa in Atem. Eines haben die Opfer gemeinsam: sie waren allesamt Straftäter unterschiedlichster Couleur. Treibt ein Rächer sein Unwesen, welcher der Überzeugung ist, die Justiz käme ihrer Verpflichtung zur Schaffung von Gerechtigkeit nicht in vollem Umfange nach? Beim nächsten Opfer wird ein unerwartetes Artefakt gefunden, was Joona Linna auf den Plan ruft. Unmittelbar beschleicht ihn ein ungutes Gefühl. Sollte Saga Bauer Jurek Walter seinerzeit doch nicht erschossen haben?

Für Linna gibt es nur eine logische, zwingende Reaktion auf sein Bauchgefühl: er muss seine Liebsten in Sicherheit bringen, sofern sie es zulassen. Joona hat genau für diesen – eher unwahrscheinlichen – Fall vorgesorgt! Kollegen und Wegbegleiter nehmen Linna nicht ernst; gehen von einem anderen, evtl. durch Walter inspirierten Täter aus. Joona Linna hingegen betreibt eigene Recherchen, folgt alternativen Spuren und kommt dem Serienmörder sowie der Wahrheit immer näher…

Das Autorenduo hinter dem Pseudonym Lars Keppler hat mit „Lazarus“ wieder einen hervorragenden Kriminalroman geschrieben! Ich habe schon mehrere Bücher von ihnen gelesen und kenne, mag Joona Linna. Keppler bedient sich einer klaren Sprache ohne Sicherheitsschirm, so dass ich die Brutalität der Morde und Grausamkeit der Tatorte deutlich erlebe. Diese Gewalttätigkeit passt jedoch genau in die erzeugte Spannung, die beschriebene Szenarie und wirkt an keiner Stelle aufgesetzt oder unpassend. Dadurch ist dieser Krimi sicher nicht für jeden geeignet.

Ich habe diesen Schweden-Krimi „verschlungen“ und atemlose Spannung verspürt. Für mich gab es keine Längen, kein unnützes Beiwerk oder Füllmaterial. Die Autoren verstehen es hervorragend, mit den Gefühlen der Leser zu spielen und auch eine gewisse Dramatik zu erzeugen. Für mich ist Lars Keppler immer eine Lese-Empfehlung!


Lars Keppler, Lazarus, eBook, Kriminalroman, Bastei Lübbe, 14,99 €, 640 Seiten in der Print-Ausgabe, Erscheinungstermin 28.02.2019

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Veröffentlicht am 10.01.2020

Unvorstellbarer Plot

Durst
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„Ein Serienkiller findet seine Opfer über die Dating-App Tinder. Die Osloer Polizei hat keine Spur. Der einzige Spezialist für Serientäter, Harry Hole, unterrichtet an der Polizeihochschule, weil er mehr ...

„Ein Serienkiller findet seine Opfer über die Dating-App Tinder. Die Osloer Polizei hat keine Spur. Der einzige Spezialist für Serientäter, Harry Hole, unterrichtet an der Polizeihochschule, weil er mehr Zeit für seine Frau Rakel und ihren Sohn Oleg haben möchte. Doch Holes alter Chef Mikael Bellmann kennt Olegs Vergangenheit und setzt Hole unter Druck. Der Kommissar gibt schließlich nach und arbeitet hochkonzentriert mit seinen Leuten an dem Fall. In einer Atmosphäre der Angst zögern viele Frauen, sich weiter über die App zu verabreden. Die schlimmsten Befürchtungen werden wahr, als tatsächlich eine weitere junge Frau verschwindet, ausgerechnet eine Kellnerin aus Holes Stammlokal. Und der Kommissar kann nicht länger die Augen davor verschließen, dass der Mörder für ihn kein Unbekannter ist“ - Zitat Buchbeschreibung

Harry Hole hat seine Arbeit als Kommissar an den sprichwörtlichen Nagel gehangen und unterrichtet an der Polizeihochschule potenzielle Nachfolger*Innen. Ihn auch als Familienmensch zu erleben, tut gut; hat er doch bei all seinen Kriminalfällen immer sein ganzes Selbst mit in die Waagschale werfen müssen. Aber es wäre kein Buch von Jo Nesbø, wenn es dabei bliebe... Harry verweigert sich zunächst entschieden dem Ansinnen seines ehemaligen Vorgesetzten Bellmann, die Ermittlungen im Fall des Serienmörders durch seine aktive Mitarbeit voranzutreiben, um weitere Morde zu verhindern. Leider hält Bellmann ein Druckmittel in Händen und zögert nicht, dies einzusetzen.
Kaum zurück in den Reihen seines versierten Ermittlerteams wird Hole von seiner Vergangenheit eingeholt und muss sich gleich mehrerer todgeglaubter Dämonen erwehren, um obsiegen zu können.

Jo Nesbø hat mit Harry Hole einen unkonventionellen Kommissar erschaffen, der mir als Leser direkt ans Herz gewachsen ist. Der Feder des Autors ist auch dieses Mal ein wunderbarer Plot entsprungen, den ich zunächst nicht ernst nehmen wollte. Aber die Umsetzung des Modus Operandi in Kombination mit der psychischen Ausgestaltung des Serientäters lässt keinen Raum für Zweifel.

Die Morde werden in ihrer schier unmenschlichen Brutalität so geschildert, dass kaum Raum bleibt für Fantasie. Und doch bedient sich der Autor dieser Gewalt nicht aus reiner Effekthascherei, sondern sie passt wohldosiert in den Kontext. Dies könnte allerdings zartbesaitete Gemüter überfordern.

624 Seiten muten lang an, aber Nesbø versteht es hervorragend, mich mit Spannung und Entspannung, Nebenschauplätzen und Ablenkungsmanövern zu fesseln, dass „plötzlich“ der Fall gelöst und das Buch zu Ende ist.
Aus meiner Sicht ein weiterer, hervorragender Harry-Hole-Kriminalroman.


Jo Nesbø, Durst, Taschenbuch, Kriminalroman, Ullstein Taschenbuchverlag, 12,00 €, 624 Seiten, Erscheinungstermin 10.08.2018

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