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Veröffentlicht am 03.01.2017

Ein kleines Genie

Das geheimnisvolle Leben des Nicholas Benedict
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Nicholas ist neun, Waise und mit Narkolepsie geschlagen. Das heißt, es kann passieren, dass er jederzeit einschläft, meistens, wenn ihn starke Gefühle überwältigen. Er war schon in mehreren Waisenheimen ...

Nicholas ist neun, Waise und mit Narkolepsie geschlagen. Das heißt, es kann passieren, dass er jederzeit einschläft, meistens, wenn ihn starke Gefühle überwältigen. Er war schon in mehreren Waisenheimen und dieses Mal verschlägt es ihn nach Child's End, einem Gutshof, der früher mal den Rothschilds gehört hatte. Wie er es gewohnt ist, gibt es auch hier mehrere jugendliche Raufbolde, die ihn mobben, weil er einfach anders ist, und dabei wissen sie noch nicht einmal, dass er ein kleines Genie ist, der innerhalb von Minuten dicke Bücher lesen - und sich merken kann. Nicholas hat ein eidetisches Gedächtnis und ist überaus clever. Als er von einem nie gefundenem Schatz der Rothschilds erfährt, beschließt er, ihn zu finden, um dem Waisenhaus zu entgehen; zusammen mit seinen neuen Freunden John und Violet macht er sich auf die Suche.

Bei diesem Buch hätte so viel schiefgehen können, gerade weil Nicholas so außergewöhnlich ist. Aber Stewart hat es echt geschafft, ihn einem nahezubringen, sympathisch zu machen, so dass man die ganze Zeit hinter dem kleinen Kerl steht, wenn er sich wieder einmal aufgrund seiner großen Klappe in Schwierigkeiten gebracht, aber gleich darauf auch wieder hinausmanövriert hat. Auch die Nebencharaktere sind supergut gezeichnet, jeder hat etwas, das ihn von den anderen abhebt und einzigartig macht, ohne ihn (oder sie) weniger authentisch wirken zu lassen. Natürlich muss man sich vor Augen halten, dass es sich hier um ein Kinderbuch handelt, manche Sachen müssen einfach mit einem Happy End ausgehen, auch wenn es wohl in der Realität nicht so einfach wäre, aber wenn dem nicht so wäre, wer wollte dann noch solche Bücher lesen wollen? Nein, hier hat es gepasst und Spaß gemacht, es gibt eine dicke Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 01.01.2017

00Salat - geschüttelt, nicht gerührt

Shaking Salad Low Carb
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Da haben wir den Salat! Für mich war das eigentlich immer so Zeug dazu, konnte, musste jedoch nicht unbedingt gegessen werden. Ja, ich weiß, gesund und so. Trotzdem. Und dann kam die Neugierde und ich ...

Da haben wir den Salat! Für mich war das eigentlich immer so Zeug dazu, konnte, musste jedoch nicht unbedingt gegessen werden. Ja, ich weiß, gesund und so. Trotzdem. Und dann kam die Neugierde und ich dachte: Joa, probiere ich halt mal die Salate aus diesem Buch aus. Will jetzt nicht gerade behaupten, dass es eine Offenbarung war - aber mal was richtig anderes in Bezug auf Salat. Und das auch noch sympathisch.

Also, was ist denn nun das Tolle? Erstens mal bildet sich die Autorin nicht ein, sie hätte mit ihrem Buch die Welt verändert, das finde ich schon mal cool. Dann hat sie ein paar echt gute Ideen, was man alles zu Salat verarbeiten könnte - schon mal von Sojapfannkuchen mit Avocado gehört? Bis ich das Buch aufschlug, hatte ich das auch nicht. Schmeckt aber, ehrlich.

Gut gemacht ist auch die Einteilung des Buches, denn sie unterteilt in vegetarisch, vegan, Fisch, Fleisch, süß - und dann der Knaller: Cheat Meals. Denn eigentlich heißt das Buch ja Shaking Salad Low Carb - aber Stöttinger sagt selbst, dass man manchmal cheaten muss, um vernünftig eine Diät oder Low Carb durchzuhalten. Gibt nun mal kaum was Besseres, als seine Zähne in frisches Brot zu graben. Dann sind da noch ihre Dressings, die fast alle mit den einfachsten Mitteln herzustellen sind, die sogar ich zuhause habe. Dreimal sympathisch war mir, dass sie bei exotischen Sachen immer auch Alternativen aufführte, es war kein dogmatisches "Du brauchst unbedingt das megateure Gewürz/Öl/die Zutat, die du danach nie wieder verwenden wirst", sondern sie hatte meistens einen preiswerten Ausweg bei der Hand.

Es hat mir also tatsächlich gefallen, das Shake-it-Baby-Buch - allerdings habe ich eine Kategorie kategorisch ausgelassen: Fisch. Sorry, nein, aber Fisch (oder Muscheln) im Glas - kein Plan, aber da schüttelt's mich selbst. Ich habe also nicht alle Rezepte probiert, aber alle Rezepte, die ich probierte, haben geschmeckt.
Und als Abschluss für all diejenigen, die das immer übelst wichtig finden: Ein Lesebändchen ist in dem Buch auch dabei. In Rot.

Veröffentlicht am 30.12.2016

Kupfersternträger Eins-Null-Sieben

Das Feuer der Freiheit
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Stadtrat Symmes ist kein Freund von Timothy Wilde, dem ersten Ermittler der Polizei New Yorks, im Gegenteil. Vor wenigen Jahren erst war Symmes bereit gewesen, Timothy zu töten, so beiläufig, als wäre ...

Stadtrat Symmes ist kein Freund von Timothy Wilde, dem ersten Ermittler der Polizei New Yorks, im Gegenteil. Vor wenigen Jahren erst war Symmes bereit gewesen, Timothy zu töten, so beiläufig, als wäre er eine Fliege. Trotzdem ist es Wildes Pflicht, Ermittlungen anzustellen, als ausgerechnet Häuser des Stadtrates angezündet werden - und das, obwohl er ein Trauma vor Feuer hat, sind doch seine Eltern bei einem umgekommen. Zusätzlich gibt es Ärger mit Näherinnen aus Symmes Fabrik, die es tatsächlich wagen, mehr Lohn zu fordern, und ausgerechnet Wildes Bruder Valentine tritt gegen Symmes bei der Stadtratswahl an. Timothy wird halb erschlagen, fast verbrannt und muss sich ausgerechnet mit seiner Erzfeindin verbünden, um nicht nur sein Leben zu retten, sondern auch das vieler unschuldiger Frauen. Und dann kehrt auch noch Mercy Underhill zurück, die große und einzige Liebe seines Lebens.

Der letzte Fall für Timothy Wilde, und man könnte übelst nostalgisch werden. Wenn ich ehrlich bin, habe ich dieses Mal auch ein wenig gebraucht, um wieder richtig abgeholt zu werden. Es gab zwei Sachen, die mich ein wenig störten. Einmal die plötzliche Neigung Fayes, immer mit Foreshadowing zu arbeiten - das hat sie absolut nicht nötig, das nervt. Und dann Mercy Underhill. Ich mag die Frau nicht. Ich mochte sie nicht. Ich werde sie nie mögen. Es gibt manchmal so Protagonisten, mit denen wird man nicht warm, sie gehört dazu, obwohl sie genauso authentisch ist wie jeder andere aus den Timothy-Wilde-Büchern. Trotzdem. Nicht nur, dass hier extrem gute Krimis vor einem liegen, man bekommt gleichzeitig einen Exkurs in die Geschichte New Yorks, immer anhand eines wichtigen Themas. Im ersten Teil waren das Kinderprostitution, im zweiten Sklavenhandel, im dritten Frauenrechte. Ich hab keinen Plan, ob es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wirklich so abgelaufen ist in New York, aber für mich wird es immer so geschehen sein, einfach weil Lyndsay Faye mir mit ihrer mega kraftvollen Sprache und den Bilder entstehenden Beschreibungen diese Annäherung verschafft hat. Diese Frau braucht sich vor niemandem zu verstecken, gegen sie sind die meisten Autoren nur Anfänger.

Veröffentlicht am 16.12.2016

Apocalíptico!

Die verlorene Puppe
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Ferenc ist ein junger Zigeuner, der als Trapezkünstler in einem Zirkusluftschiff arbeitet, nicht sehr heimlich in seine Partnerin Yue verliebt ist und mit dem Luftschiff durch (über?) ganz Europa tingelt ...

Ferenc ist ein junger Zigeuner, der als Trapezkünstler in einem Zirkusluftschiff arbeitet, nicht sehr heimlich in seine Partnerin Yue verliebt ist und mit dem Luftschiff durch (über?) ganz Europa tingelt um aufzutreten. Der Zirkus wird von Pablo Diaz geleitet, weitere Künstler sind die bärtige Dame, eine schwarze Messerwerferin, Pferdeartistin und ein echtes Mammut! Die jahrhundertelange Eiszeit hat verhindert, dass man über den Tellerrand Europas hinaussehen kann und so fallen Ferenc und seine Freunde fast wortwörtlich aus allen Wolken, als ihr Luftschiff von fremden Kriegern überfallen und sie selbst gekidnapt und weit über das eisige Meer in Richtung Westen verschleppt werden, durch Stürme und Gefahren bis zu einem Land, in dem Menschenopfer nicht die größte Merkwürdigkeit darstellen. Als wäre das nicht schon genug, stellt sich heraus, dass niemand an Bord ist, was er scheint, alle etwas suchen; Intrigen entspinnen sich, Luftpiraten tauchen auf und selbst in Europa ist die Hölle los und es droht ein Weltkrieg, der alles auslöschen wird ...

Mann, hier haben die Autoren es aber wirklich krachen lassen und ein Silvesterfeuerwerk an originellen Ideen, super Protagonisten und fantastischem Schreibstil entzündet. Man taucht tief ein in diese Steampunkwelt, für die sie sogar eine eigene Timeline entwickelt haben. Es gibt andere Ansätze der europäischen Entwicklung, auch andere Kontinente sind plötzlich weiter als in der Realität. Gleichzeitig schaffen es die beiden Vogts, nicht nur eine spannende Story zu erzählen, sondern auch nahezu fesselnd-faszinierende Fragen aufzuwerfen: Was bedeutet Menschlichkeit, wie lässt sie sich interpretieren? Sie führen uns auf Ab- und Umwege und fast durchweg aufs Glatteis und es bleibt uns Lesern eigentlich nur übrig, immer rasanter auf dem rutschigen Untergrund hinterherzurutschen und zu hoffen, dass es zu keinem tiefen Fall kommt. Und wenn doch: Niemand weiß, wie eine Nummer ausgeht, ehe er nicht gesprungen ist. Ohne Netz und doppelten Boden. ;)

Veröffentlicht am 18.11.2016

Cleverer, als die Polizei erlaubt

Digby #01
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Zoe Webster ist neu in der Kleinstadt. Leider ist sie keine von den cool Kids, so dass sie sich ziemlich einsam fühlt. Zumindest solange, bis Digby in ihr Leben platzt, und mit Digby ist es eher so, dass ...

Zoe Webster ist neu in der Kleinstadt. Leider ist sie keine von den cool Kids, so dass sie sich ziemlich einsam fühlt. Zumindest solange, bis Digby in ihr Leben platzt, und mit Digby ist es eher so, dass man sich gelegentlich wünscht, einsam zu sein. Doch Digby wäre nicht der sechszehnjährige Filou, der er ist, wenn er nicht Zoes Leben völlig auf den Kopf stellen würde. Zusammen mit ihm bricht Zoe bei einem Frauenarzt ein (aus völlig vernünftigen Gründen), kauft Drogen (aus ebenso vernünftigen und ermittlungstechnischen Gründen), legt sich mit einer Sekte an (denkt euch euren Teil), sucht nach verschwundenen Millionärstöchtern (jaha!), lässt sich beschießen und in die Luft sprengen. Und das waren noch die normalen Tage mit Digby. Eines ist klar, langweilig wird es mit dem Typen nie.

Der Schreibstil und die Geschichte sind einfach nur mega. Obwohl es sich bei genauerem Betrachten durchaus um ernste Themen handelt wie Mobbing in der Schule, Drogenhandel, vermutlich Mord oder zumindest Kindesentführung, ist das Buch in so einem schnoddrigen, witzigen Stil geschrieben, dass man eigentlich permanent am Grinsen ist. Digby, Zoe und Henry sind super sympathische Jugendliche, die alle nicht auf den Mund gefallen sind und cleverer, als es selbst die Polizei erlaubt, die eigentlich aus zwei richtig coolen Cops besteht. Klar, allzu sehr darf man über manche Sachen nicht nachdenken, dann merkt man nämlich, dass das einfach nicht funktionieren würde, aber es ist einfach so unterhaltsam und witzig geschrieben, dass ich da ausnahmsweise gern drüber hinwegsehe, zumal man merkt, dass sich das Buch selbst nicht ganz ernst nimmt. Ich hoffe, der Titel Digby #1 lässt darauf schließen, dass auch wirklich ein zweiter Teil folgt.