Eine Hommage an einen Unbequemen
Václav Havel (1936-2011) war eine schillernde und vielgestaltige Persönlichkeit. Er war Schriftsteller und Dramatiker mit Publikationsverbot, Dissident und nach der „Samtenen Revolution“ von 1989 auch ...
Václav Havel (1936-2011) war eine schillernde und vielgestaltige Persönlichkeit. Er war Schriftsteller und Dramatiker mit Publikationsverbot, Dissident und nach der „Samtenen Revolution“ von 1989 auch ein gefeierter Staatsmann.
Auf Grund seiner Herkunft aus einer großbürgerlichen Familie, die 1948 nach dem kommunistischen Umsturz enteignet wurde, durfte er - wie viele andere, aus solchen Verhältnissen - keine weiterführende Schule besuchen. Das machte ihm zeitlebens zu schaffen. Die diversen Ehrendoktorwürden nahm er nur ungern an, weil er sich dafür nicht gebildet genug fühlte.
Während des „Prager Frühlings“ war er Vorsitzender des „Klubs unabhängiger Schriftsteller“ und Unterstützer von Alexander Dubčeks Reformkurs.
Interessant, dass Havel erst 1977, wegen der von ihm initiierten „Charta 77“ ins Gefängnis musste.
Nach 1989 wurde er, fast schon wider Willen, Staatspräsident der Tschechoslowakei. Dieses Amt hatte er gleich dreimal inne. Unter seiner Regierung erfolgte - im Angesicht der blutigen Auflösung von Jugoslawien - die friedliche Trennung in Tschechien und Slowakei.
Ohnehin nicht mit besonders robuster Gesundheit ausgestattet und durch die jahrelangen Gefängnisaufenthalte sowie durch das Kettenrauchen geschädigt, stirbt Václav Havel am 18.12.2011 an Lungenkrebs.
"Havel war ein unangenehmes Spiegelbild für seine Landsleute" (Jiri Pehe)
Meine Meinung:
Als Österreicherin bin ich natürlich mit einem ambivalenten Verhältnis zur Tschechoslowakei aufgewachsen. Nicht immer habe ich die Geschehnisse im Nachbarstaat verfolgt, doch der „Prager Frühling“ 1968 und die „Samtene Revolution“ 1989 sind mir als Meilensteine in Erinnerung. Diese Biografie hat mir Details offenbart, die ich so nicht gewusst habe. Ich war z.B. immer der Meinung, dass Havel wegen seiner Haltung zum „Prager Frühling“ im Gefängnis war.
Biograf und Schriftsteller Michael Žantovský war lange Jahre als Diplomat an der Seite Havels. Er kennt Vàclav Havel genau. Sehr spannend finde ich die Zusammenstellung seines ersten Regierungsteams, das hauptsächlich aus (oft langhaarigen) Intellektuellen und weniger aus Politikern oder Diplomaten bestanden hat. Mit Karl Schwarzenberg holt er sich einen Vollblutdiplomaten und Politiker als Stabschef und Außenminister in sein Team, der in über verschiedene Hürden auf dem glatten Parkett der Politik begleitet (und fallweise auch rettet). Schmunzeln musste ich über die Passage, in der Havel & Co. eine Audienz bei Queen Elizabeth, aber keine adäquate Kleidung hatten. Schwarzenberg ließ die Delegation auf seine eigene Kosten in der Savile Row neu einkleiden.
Žantovskýs Biografie zeigt uns einen Mann, der bei aller Verletzlichkeit mit bewundernswertem Mut für Freiheit und Wahrhaftigkeit eintreten ist. Er schildert die faszinierende Geschichte eines verspielten Dramatikers, der die totalitären Verhältnisse seines Landes zum Einsturz bringt.
Die Biografie lässt sich sehr gut lesen. Manchmal sind die vielen Details ein wenig zu üppig und die Auszüge aus Briefen oder Theaterstücken für meinen Geschmack zu lange.
Ein bisschen mehr hätte ich gerne über den schwierigen Prozess der Restitution an die ehemals (oft mehrfach) enteigneten Familien gelesen.
Fazit:
Für diese umfassende Biografie eines großen Schriftstellers, Dissidenten und Politikers, gebe ich gerne 5 Sterne.