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Veröffentlicht am 04.02.2020

Ein Stück Familiengeschichte

Die Bagage
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Monika Helfer legt uns mit ihrem Roman „Die Bagage“ ein Stück eigener Familiengeschichte dar. Der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist ihre Großmutter Maria Moosbrugger, die vor allem für ihre außerordentliche ...

Monika Helfer legt uns mit ihrem Roman „Die Bagage“ ein Stück eigener Familiengeschichte dar. Der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist ihre Großmutter Maria Moosbrugger, die vor allem für ihre außerordentliche Schönheit bekannt war. Mit ihrem Mann Josef und ihren vier Kindern lebt sie am Rand eines Bergdorfs, als der Erste Weltkrieg ausbricht und Josef für Kaiser und Vaterland ins Feld zieht. In dieser Zeit gebiert Maria ein Kind, Grete, die Mutter der Autorin, doch bis heute weiß niemand, ob das Kind von Josef ist oder von dem aus Hannover stammenden Georg, den Maria auf einem Jahrmarkt kennenlernt...

Das dünne Büchlein ist schnell gelesen. Man folgt voller Neugier und Interesse den Schicksalswendungen der Familie, schließlich liegt es in der Natur des Menschen, sich für das Leben der anderen zu interessieren. Zuweilen bleibt man an einem klugen Gedanken länger hängen. Auch verspürt man ab und an einen Schmerz in der Brust, denn es ist eine ziemlich tragische Geschichte, die Geschichte von der Bagage und ihrer Nachkommen.

„Die Bagage“ – der Kategorie „Roman“ zugeordnet – ist eine bunte Mischung aus Tradiertem, Erdachtem und Persönlichem. Die Geschichte ist ansprechend und zuweilen berührend, aber nicht weltbewegend. Es ist die Art von Literatur, die ich eher in die Kategorie „für die Schublade“ einordnen würde – wichtig für die Autorin selbst, um ihre Vergangenheit und Herkunft zu verarbeiten, aber nicht unbedingt ebenso lesenswert für Unbeteiligte, also uns, die breite Leserschaft.

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Veröffentlicht am 23.03.2020

Auf der Suche nach dem gelobten Land

Eine fast perfekte Welt
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„Papa, glaubst du, das Kind wird sterben?“
„Nein, ich glaube, das war nur ein Versuch. Kann man es ihm verübeln? Er sehnt sich nach einer anderen Welt. Einer perfekten Welt. Daran leiden wir doch alle. ...

„Papa, glaubst du, das Kind wird sterben?“
„Nein, ich glaube, das war nur ein Versuch. Kann man es ihm verübeln? Er sehnt sich nach einer anderen Welt. Einer perfekten Welt. Daran leiden wir doch alle. Aber dann finden wir uns irgendwie zurecht. Auch Gregorio wird sich zurechtfinden. Bestimmt spürt er, dass wir hier draußen auf ihn warten und dass wir ihn lieben. Vielleicht reicht ihm das bereits, um zu beschließen, hierzubleiben.“

Ester lebt auf Sardinien. Nichts wünscht sie sich sehnlicher, als dass sie ihr Verlobter Raffaele von diesem steinigen Leben wegbringt. Doch kaum ist sie mit ihrem Mann in Genua und dann in Mailand, wünscht sie sich ihr altes Leben auf Sardinien zurück. Als sie nach vielen Jahren schließlich mit Raffaele und ihrer Tochter Felicita dorthin zurückkehrt, stellt sie fest, dass das Leben, das sie zunächst verabscheut und nach dem sie sich später jahrelang gesehnt hat, doch nicht das Wahre ist. Felicita dagegen fühlt sich überall wohl, wo das Schicksal sie hinführt. So lebt sie sowohl gerne in Mailand und dann auf Sardinien als auch in Cagliari, wo sie hinzieht, um dort mit ihrem unehelichen Sohn Gregorio zu leben. Gregorio wiederum, der mit der Zeit ein großes Talent im Klavierspielen entwickelt, zieht es nach New York, in die Stadt des Jazz, wo er sein persönliches Glück zu finden hofft.

Milena Agus legt uns mit „Eine fast perfekte Welt“ eine moderne Fabel dar, in der die Figuren auf einige wenige Merkmale reduziert werden und der Roman voller symbolischer Szenen ist. Ester, Raffaele, Felicita, Gregorio und einige weitere Figuren haben eine Gemeinsamkeit – sie suchen nach dem gelobten Land, ihrem eigenen, persönlichen gelobten Land. Während Ester beispielsweise zu den Personen gehört, die ihr ganzes Leben lang auf der Suche sind und nie dort, wo sie sich gerade befinden, glücklich sind, ist Felicita das genaue Gegenteil von ihr. Sie findet sich an jedem Ort, wo sie das Schicksal verschlägt, zurecht und findet zu persönlichem Glück. Felicita wird somit zur Verkünderin ermutigender Lebensweisheiten, von denen wir profitieren können, denn schließlich sind wir ja alle in gewisser Weise auf der Suche nach unserem eigenen gelobten Land. Einige sind an dem Ort, wo sie leben, und mit dem, was sie haben, vollkommen zufrieden; andere sind stets auf der Suche nach etwas Größerem, Schönerem, Optimalerem. Vielleicht ist das gelobte Land auch kein Dauerzustand, sondern äußert sich in den wenigen, flüchtigen Momenten unseres Lebens? In einer Berührung, einem Duft, einer Melodie?

Milena Agus' „Eine fast perfekte Welt“ kann nicht mit denselben Maßstäben wie ein Roman gemessen werden, denn die Geschichte ist wenig romanhaft. Eine richtige Handlung fehlt, die Figuren bleiben schemenhaft. Die Autorin wollte uns vielmehr ein Werk mit Symbolkraft darlegen. Zu den Figuren konnte man somit keine Verbindung aufbauen und einige der symbolhaften Versatzstücke und Geschichten haben sich mir in ihrer Aussage nicht erschlossen, weshalb ich nur drei Sterne vergebe. Alles in allem ist „Eine fast perfekte Welt“ aber ein lesenswerter Roman, der je nach gegenwärtiger Situation des Lesers wohl in seiner Wirkungsintensität stark variieren kann.

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Veröffentlicht am 05.01.2020

Schön, aber kein Muss

Sweet Sorrow
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Charlie Lewis ist sechzehn, das letzte Jahr der Highschool liegt gerade hinter ihm und ein langer Sommer vor ihm, bevor er sich entscheiden muss, was danach kommen soll – das College oder doch lieber ein ...

Charlie Lewis ist sechzehn, das letzte Jahr der Highschool liegt gerade hinter ihm und ein langer Sommer vor ihm, bevor er sich entscheiden muss, was danach kommen soll – das College oder doch lieber ein Job, in Anbetracht dessen, dass er ohnehin in fast allen Fächern durchgefallen ist. Es war und ist eine schwere Zeit für Charlie, da seine Eltern sich getrennt haben und er bei seinem arbeitslosen, zunehmend depressiveren Vater lebt. Um möglichst wenig Zeit zu Hause zu verbringen, fährt er den ganzen Tag mit seinem Fahrrad in der Gegend herum, dabei stößt er eines schönen Tages auf Fran Fisher und ihre Schauspieltruppe, die „Romeo und Julia“ inszenieren. Da Charlie Fran unbedingt wiedersehen möchte, stößt er kurzerhand zu der Truppe und langsam beginnen die zarten Triebe der ersten großen Liebe zu keimen.

David Nicholls gelingt es einwandfrei die Gedanken- und Gefühlswelt eines Sechzehnjährigen in seinem Roman „Sweet Sorrow“ einzufangen. Die Unsicherheit, der Wunsch nach Akzeptanz und Zugehörigkeit, die Sehnsucht nach Stabilität und die Suche nach dem Sinn des Lebens und der großen Liebe – das alles hat der Autor anschaulich und überzeugend in Worte gefasst. Die Situation bei Charlie zu Hause, sein Verhältnis zu seinen drei Kumpels aus der Schule, die sich langsam entwickelnde Liebe zu Fran, die Gruppendynamik in der Schauspielertruppe – das alles bringt der Autor in seiner ganzen Komplexität sprachlich vollendet zum Ausdruck, ohne dabei ins Klischeehafte abzudriften.

„Sweet Sorrow“ liest sich wie eine Autobiographie und das ist gleichzeitig auch das etwas Problematische an dem Roman: Was in einer Autobiographie funktioniert, funktioniert nicht zwangsläufig in einem Roman. Der Ich-Erzähler, der zum Zeitpunkt der Niederschrift um die 30 ist, erinnert sich an seine Jugend zurück. An den Stellen, wo er von der Gegenwart in die Vergangenheit übergeht, bleibt er zunächst vage in der Art „ich erinnere mich, dass...“, um kurz darauf alles auf unmittelbare Weise – wie eine Art Bewusstseinsstrom – mit exakt wiedergegebenen Dialogen und Details, an die sich niemand tatsächlich erinnern könnte, zu erzählen. Der Leser ist unmittelbar im Geschehen der Vergangenheit drin. Da sich Erinnerungen im Laufe der Zeit ändern, ist vieles davon, an was sich der Autobiograph zu erinnern glaubt, tatsächlich als Selbstsuggestion zu verstehen. Eine entstandene Erinnerungslücke wird durch Erfindung, durch eine Plausibilitätsüberlegung oder durch das, was dramaturgisch passt, geschlossen. Entstandene Lücken werden somit entweder automatisch oder bewusst gefüllt. Das weiß der Leser und es wird aufgrund der übergeordneten autobiographischen Wahrheit akzeptiert. Da es sich bei „Sweet Sorrow“ allerdings um einen Roman handelt, funktioniert dies nicht wie bei einer tatsächlichen Autobiographie. Es wirkt unauthentisch. Das war es, was ich bei „Sweet Sorrow“ vermisst habe. Das Erzählte kann ja absolut glaubhaft sein – und ist es auch – aber authentisch ist es allein deswegen trotzdem nicht.

Insgesamt stellte sich „Sweet Sorrow“ als eine zähe Lektüre für mich dar. Obwohl ich das Talent des Autors, sich so fehlerfrei in die Gedanken- und Gefühlswelt eines Sechzehnjährigen (zurück-)zuversetzen, bewundert habe, hat es mir an Authentizität und Leben gefehlt. Wie ich auch von Anfang an vermutet habe, dient der autobiographische Ansatz auch viel mehr dem Zweck, kein ‚richtiges‘ Ende für den Roman finden zu müssen. Und mal ganz ehrlich: Ist es außerdem nicht auch so, dass jeder von uns in der Erinnerung der eigenen ersten großen Liebe schwelgen möchte, anstatt über die erste große Liebe eines anderen zu lesen?

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Veröffentlicht am 03.04.2019

Ein Wälzer ohne Wirkung

Eine eigene Zukunft
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Victoria, Mona und Luz – diese drei temperamentvollen Spanierinnen haben ihren Vater kaum gekannt, war er doch ständig auf See und kam nur selten in seinem Heimatland vorbei. Trotzdem folgen sie mit ihrer ...

Victoria, Mona und Luz – diese drei temperamentvollen Spanierinnen haben ihren Vater kaum gekannt, war er doch ständig auf See und kam nur selten in seinem Heimatland vorbei. Trotzdem folgen sie mit ihrer Mutter seinem Ruf nach New York, wo er endlich sesshaft geworden ist und ein Restaurant zusammen mit seiner Familie führen möchte. Doch das Schicksal meint es nicht gut mit ihnen: Kaum haben die vier ein wenig in der neuen Welt Fuß gefasst, kommt der Vater bei einem Hafenunglück ums Leben. Auf sich allein gestellt, suchen die drei Schwestern nach einem Weg in dieser großen fremden Stadt zu überleben.

Zunächst muss ich erwähnen, dass der Klappentext des Romans den Leser in die Irre führt. So habe ich aufgrund der Formulierung „Sie verwandeln das väterliche Lokal in einen Nachtklub, mit abenteuerlichen Folgen...“ natürlich angenommen, dass sich alles darum drehen würde, wie die drei Schwestern einen Nachtklub gründen und wie sie ihn führen. Tatsächlich soll der Leser nicht einen Tag in diesem Nachtklub erleben. Die Idee dafür kristallisiert sich zwar nach ungefähr einem Drittel des Romans heraus und eine der drei Schwestern widmet sich eingehend diesem Projekt, doch eröffnet wird es nie – aus welchen Gründen, das möchte ich nun aber nicht mehr spoilern. Wie dem auch sei – ich finde es äußerst unbefriedigend, wenn der Klappentext nicht mit dem Inhalt eines Buches übereinstimmt und völlig falsche Erwartungen aufbaut.

Obwohl sich die Autorin augenscheinlich viel Mühe gibt, lebhafte Charaktere zu skizzieren und eine spannende Handlung mit amourösen wie kriminellen Aspekten aufzubauen, ist es ihr nach meinem Empfinden nicht gelungen eine runde und überzeugende Geschichte zu erzählen. Die Lesersympathien für ihre Protagonistinnen versucht sie viel zu verkrampft zu gewinnen, Zufälle und schicksalsverändernde Begebenheiten häufen sich auf eine geradezu schreiende fiktionale Art und Weise und vieles wirkt einfach nur fehl am Platz. Äußerst ermüdend ist auch die Vorgehensweise der Autorin von jeder neu eingeführten Figur die Lebensgeschichte ausrollen zu wollen, bevor sie die Haupthandlung weiter fortsetzt. Spannungsfördernd ist diese Vorgehensweise bei weitem nicht und aus rückblickender Perspektive für das Funktionieren des Romans auch nicht zwingend notwendig gewesen.

Aber genau das ist das Problem: Der Roman funktioniert einfach nicht. Jeder Leser kennt es: Entweder verzaubert ein Roman durch seine Leichtigkeit oder durch seinen Tiefgang. Der vorliegende Roman ist weder der einen noch der anderen Kategorie zuzuordnen. „Eine eigene Zukunft“ hat mir weder vergnügliche Lesestunden bereitet noch hat er mich berührt oder zu eigenen Reflexionen angeregt. Nachdem ich diesen fast sechshundertseitigen Wälzer zugeschlagen habe, war ich lediglich erleichtert darüber, den Roman nun endlich beendet zu haben. Das ist wirklich schade, denn die Autorin wollte mit ihrem Werk offenkundig allen Emigranten dieser Welt im Allgemeinen und den spanischen Auswanderern im Speziellen ein feierliches Denkmal setzen.

Veröffentlicht am 23.10.2018

Leider zum Ende hin schwach

Die Sonnenschwestern
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Chloe verbringt jeden Sommer in Tenby bei Tante Susan und Onkel Henry. Das ganze Jahr freut sie sich auf die Sommerferien. Sie liebt die walisische Stadt am Meer. Was die Zeit für sie dort aber ganz besonders ...

Chloe verbringt jeden Sommer in Tenby bei Tante Susan und Onkel Henry. Das ganze Jahr freut sie sich auf die Sommerferien. Sie liebt die walisische Stadt am Meer. Was die Zeit für sie dort aber ganz besonders macht ist Llew Jones, der zwei Jahre jünger ist als sie, jedoch über eine Weisheit weit jenseits seines Alters verfügt. Sie sind unzertrennlich. Bis eines Tages ein großes Unglück passiert, das alles verändern soll.

Nora ist fast 40, als sie ihre halbherzige Beziehung beendet, ihren Job an der Universität kündigt und nach Tenby fährt, weil sie diesen Strand aus Kindheits- und Jugendtagen vor dem inneren Auge sah. Er hat sie ganz deutlich gerufen, sich auf das Sinngebende in ihrem Leben zu berufen und das wahre Glück zu suchen.

Tracy Rees gelingt es, einen atmosphärischen Roman zu kreieren, der ihre eigene Liebe zu Wales im Allgemeinen und Tenby im Speziellen widerspiegelt. Ihre Beschreibungen des Ortes sind so lebhaft und ansprechend, dass man als Leser auch direkt dem Ruf Tenbys folgen möchte, um dort Ruhe und Schönheit zu finden. Auch den zwei Frauenschicksalen, im Wechsel geschildert, folgt man mit gleichbleibender Anteilnahme und anhaltendem Interesse. Jede Leserin wird sich sowohl mit Chloe und ihren unbeschwerten Sommertagen als auch mit Nora und ihrem Ausbruch aus dem Alltagstrott identifizieren können. Beide sind glaubhaft, lebensnah und vertraut. Zu schade ist deshalb die Tatsache, dass der Roman im letzten Abschnitt in völligen Kitsch abdriftet, der den ganzen vorhergehenden Zauber der Geschichte zerstört und das Glaubwürdige ins Unglaubwürdige verwandelt. Zusätzlich zu bemängeln sind der manchmal etwas holprige Übersetzungsstil sowie die recht vielen Rechtschreibfehler, die sich in den deutschen Text geschlichen haben.