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Veröffentlicht am 30.05.2020

Rebell von Emmerich

Das schwarze Band
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Der ehemalige Polizeichef Schober wird Bundeskanzler. Auf einem Empfang ihm zu Ehren benimmt sich Kriminalinspektor August Emmerich mal wieder daneben. Im Jahr 1921 ist es heiß in Wien und das Geld ist ...

Der ehemalige Polizeichef Schober wird Bundeskanzler. Auf einem Empfang ihm zu Ehren benimmt sich Kriminalinspektor August Emmerich mal wieder daneben. Im Jahr 1921 ist es heiß in Wien und das Geld ist knapp. Da können einem dreifachen alleinerziehenden Vater schon mal die Nerven durchgehen. Aber Strafe muss sein und Emmerich wird zu einem polizeilichen Benimmkurs abgeordnet, die Teilnahme ist Pflicht. Und das wo er und sein Assistent Winter gerade die Morde an zwei jungen Frauen hereinbekommen haben. Das ist doch wohl wichtiger als geschliffene Manieren. Obwohl die beiden Tänzerinnen sich gewehrt haben, sie hatten keine Chance.

In seinem nunmehr vierten Auftritt bekommt Kriminalinspektor August Emmerich eine ganz besondere Aufgabe zugeteilt. Er, der unangepasste Freund deutlicher Worte, soll Diplomatie und gute Manieren lernen. Da ist wohl von vornherein Hopfen und Malz verloren. Oder steckt etwa mehr dahinter? Emmerich will an diesem Kurs nicht teilnehmen, doch es geht um seinen Job und das Wohlergehen seiner Kinder. Schweren Herzens muss er seinem Assistenten Ferdinand Winter die Ermittlungen in den Mordfällen überlassen. Der Junge ist doch eher ein Feingeist aus dem ehemaligen Adel. Kaum vorstellbar, dass er sich in der rauen Wirklichkeit ohne seinen Mentor zurechtfindet.

Nach seinen vorherigen Fällen hätte man beinahe annehmen können, für August Emmerich könne nicht mehr viel kommen. Welch köstliche Überraschung bereitet da sein vierter Auftritt. Hier soll er tatsächlich seine Ecken und Kanten geglättet bekommen. Dieses schier aussichtslose Unterfangen lässt den Leser im Chor mit Emmerich ins Zähneknirschen verfallen. Und der kleine Winter übt sich im Tun des Gegenteils, was er üblicherweise tun würde. Erstaunlich, zu welchen Ergebnissen das führt. Auch wenn er manchmal doch einer hilfreichen Hand bedarf. Winter beginnt sich frei zu schwimmen. Ausgesprochen packend ist dabei mitzuerleben, wie sich aus den Ereignissen schließlich wenigstens zwei Fälle herauskristallisieren, die an Brisanz kaum zu überbieten sind. Die mit großem Verständnis für die politischen Rahmenbedingungen beschriebene Hintergrundgeschichte ist zudem sehr interessant und spannend. Dieser Roman ist ein Höhepunkt der Reihe, der keine Wünsche offen lässt.

Veröffentlicht am 14.03.2020

Unter falscher Flagge

Im Namen der Lüge
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Wird tatsächlich der Linksterrorismus reaktiviert? Diese Frage stellt sich die Referatsleiterin für Linksextremismus beim Inlandsgeheimdienst Düsseldorf. Melia Khalid hat Kenntnis von einem Traktat erhalten, ...

Wird tatsächlich der Linksterrorismus reaktiviert? Diese Frage stellt sich die Referatsleiterin für Linksextremismus beim Inlandsgeheimdienst Düsseldorf. Melia Khalid hat Kenntnis von einem Traktat erhalten, mit dem genau das behauptet wird. Die Beamtin beginnt mit den Nachforschungen, schließlich hat es in letzter Zeit Überfälle gegeben, die darauf hindeuten, dass das Schreiben nicht völlig aus der Luft gegriffen ist. Doch möglicherweise kommt die Gefahr auch aus einer ganz anderen Ecke. Etwa zur gleichen Zeit beginnt Hauptkommissar Vincent Che Veih mit den Ermittlungen in einem Mordfall. Es scheint sich um eine Eifersuchtstat zu handeln, allerdings bewegte sich der Tote in einem rechts Milieu.

In Gedanken ist Melia der Meinung, sie muss ihre Position verteidigen, denn sicher glauben viele Kollegen, sie habe hier Position nur der Einflussnahme ihres Vaters zu verdanken, der ein bekannter Politiker ist. Auch Vincent hat immer unter seiner Herkunft gelitten, obwohl er sich inzwischen einigermaßen mit seiner Mutter, einer ehemaligen Terroristin, versteht. Doch Brigitte Veih ist unter anderen eine der Personen, die von Melias Behörde beobachtet werden könnten. Möglicherweise gibt es auch noch mehr Zusammenhänge. Vincent und seine Kollegen finden heraus, dass ihr Toter eigentlich als Journalist tätig war, der sich bei den Rechten eingeschleust hatte.

Heutzutage sind die extremen Linken fast vergessen, könnte man meinen. Und so ist der Ansatz, diese könnten sich neu formieren, ausgesprochen spannend. Wie es allerdings in die heutige Zeit passt, so ist bei Extremen meist auch der Rechte nicht weit. Eine Gefahr, die möglicherweise lange unterschätzt wurde. Unter dem Mäntelchen des Konservativen kann sich ein Rechter für eine Weile gut verstecken und die eher konservativen Institutionen unterwandern. Aus diesem Spannungsfeld strickt der Autor einen ausgesprochen packenden Politthriller, bei dessen Lektüre man es tatsächlich mit der Angst zu tun bekommen kann. Je länger man liest, desto mehr fragt man sich, wie nahe an der Realität sich die Handlung entlang hangelt. Gefühlt wirkt das Szenario jedenfalls sehr authentisch. Dazu noch eine Innenansicht aus der Geheimdiensttätigkeit, die sonst doch eher wie der Name schon sagt im Geheimen abläuft. An diesem Buch saugt man sich fest und es lässt einen auch nach der Lektüre lange nicht los.

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Veröffentlicht am 14.01.2020

Letzte Junitage

Der Attentäter
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Der österreichisch-ungarische Thronfolger soll im Juni 1914 in der Nähe von Sarajevo einem Manöver beiwohnen. Seine Frau Sophie begleitet ihn auf der Reise, denn es soll auch einen angenehmen Teil geben, ...

Der österreichisch-ungarische Thronfolger soll im Juni 1914 in der Nähe von Sarajevo einem Manöver beiwohnen. Seine Frau Sophie begleitet ihn auf der Reise, denn es soll auch einen angenehmen Teil geben, während dessen er nicht auf seine geliebte Gattin verzichten möchte. In Sarajevo kursieren Gerüchte, dass Mitglieder der „Schwarzen Hand“, einer geheimen serbischen Terrororganisation, einen Anschlag auf das Thronfolger-Paar planen. Major Markovic vom österreichisch-ungarischen Geheimdienst versucht zum einen herauszufinden, ob an den Gerüchten etwas dran und falls ja, das Attentat zu verhindern. Gleichzeitig sind jedoch wenige Polizisten und andere Sicherheitsleute vor Ort, so das keine lückenlose Absicherung des hohen Besuches gewährleistet ist.

Aus Sicht von Thronfolger Franz Ferdinand und seiner Frau Sophie, der Sicherheitsdienste und der Attentäter wird über die Woche vor dem Attentat und über das Attentat berichtet. Die Gruppe von Attentätern hat die Tat ausgiebig geplant und geübt. Der Geheimdienst erfährt von den Plänen und seine alle Kraft des Apparates in Bewegung, um das Attentat zu verhindern und die mutmaßlichen Täter zu verhaften. Die glücklich verheirateten Thronfolger freuen sich auf die Reise wie auf einen Urlaub. Besonders Franz Ferdinand mag nicht glauben, dass ihnen jemand nach dem Leben trachten könnte.

Man glaubt gar nicht, dass ein historisch verbürgtes Ereignis zu einem so spannenden Roman führen kann. Von dem Attentat auf den Thronfolger weiß man aus dem Geschichtsunterricht und man erinnert sich, dass es als Auslöser für den ersten Weltkrieg genommen wurde. Dass mit Franz Ferdinand einer getötet wurde, der eher gegen einen Krieg war, ist schon eine bitterböse Ironie. In diesem historischen Roman wird das Thronfolger-Paar sehr menschlich und auch sympathisch dargestellt, nicht so herrschaftlich von oben herab, wie man sich es vielleicht vorstellt. Doch auch die Attentäter werden nicht als dumme Mörder beschrieben, sondern eher wie junge Menschen, denen eine schwere Krankheit, die Tuberkulose, die Zukunft genommen hat. Da sie eh nichts mehr zu verlieren hatten, haben sie sich der „Schwarzen Hand“ angeschlossen. Ein besonderes Spannungsmoment besteht darin, dass der Geheimdienst immer wieder knapp davor ist, das Attentat zu verhindern. Und so läuft die packende Handlung auf ihr bedauerlicherweise unausweichliches Finale hin. Ein toller Roman über ein geschichtliches Ereignis, das dem Leser so ungemein nahe gebracht wird.

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Veröffentlicht am 29.11.2019

Fünf rockt

Freaks
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Mit über 70 sollte Opal die ideale Babysitterin sein. Ob das die Eltern von Ember sagen würden, wenn sie wüßten, was die alte Dame und das kleine Mädchen so unternehmen, muss man mal dahingestellt sein ...

Mit über 70 sollte Opal die ideale Babysitterin sein. Ob das die Eltern von Ember sagen würden, wenn sie wüßten, was die alte Dame und das kleine Mädchen so unternehmen, muss man mal dahingestellt sein lassen. Luster führt gern Selbstgespräche und hasst seinen Job schon seit zehn Jahren. Ray kam aus dem Irak, um den Man um Verzeihung zu bitten, den er im Krieg angeschossen hat. Aurora, die nuttige Schönheit, fährt mit ihrem Rollstuhl durch die Gegend. Gemeinsam machen sie Musik und gehen gelegentlich in den örtlichen Hähnchengrill-Imbiss.

Fünf schräge Typen und Typinnen, die überall anecken und die vielleicht gerade deshalb zusammengefunden haben. Sie sind laut und schrill und irgendwie lieb. Alle haben sie ihre Probleme. Ihre Nichten wollen Opal ins Pflegeheim stecken. Aurora hadert mit ihrer Herkunft als Pfarrerstochter. Ember ist so anstrengend, dass ihre Eltern lieber in Urlaub fahren als sich um sie zu kümmern. Luster ist ein Mittlerer unter zwölf Brüdern, wobei die anderen alle mit Drogen zu tun haben. Und Rays Frau ist alles andere als einverstanden, in diesem komischen amerikanischen Land zu sein. Doch gemeinsam halten sie es aus und suchen im amerikanischen Middle of Nowhere nach einem Probenraum für ihre Musik.

Zu Beginn fragt man sich, wie man solch schräge Typen leiden können soll. Und bevor man zu Ende gedacht hat, tut man es schon. Die Fünf sind einfach herzzerreißend schräg. Sie wecken Mitgefühl, aber nicht allzu sehr. Schließlich packen sie es an, wenn die anderen nicht zu ihnen halten, halten sie eben zueinander. Sie rocken ihre Welt und haben es nicht leicht. Und wenn sich der Polizist die Welt so zurechtbiegt, wie sie in sein Weltbild passt, dann ist es einfach tragisch und komisch und bitter. Dieses Buch nimmt Anlauf und schwupp hat man seine Protagonisten im Herzen und möchte sie nicht mehr loslassen. Unbedingt lesen!

Veröffentlicht am 25.04.2019

Jeder Tag ist gut

Im Leben bleiben
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Er ist oben, einer der Trance-Pioniere der ersten Stunde. Paul van Dyk reist um die Welt, seine DJ-Sets sind gesucht und gebucht. Doch bei dem Utrecht Festival im Februar 2016 stürzte Paul van Dyk wegen ...

Er ist oben, einer der Trance-Pioniere der ersten Stunde. Paul van Dyk reist um die Welt, seine DJ-Sets sind gesucht und gebucht. Doch bei dem Utrecht Festival im Februar 2016 stürzte Paul van Dyk wegen einer ungesicherten Gefahrenstelle von der Bühne. Mit schwersten Verletzungen wurde er ins nahegelegene Krankenhaus gebracht. Die Prognose war nicht gut. Seine Freundin Margarita reist aus Los Angeles an, seine Mutter aus Berlin. Der Ernst der Lage ist klar erkennbar. Mit der Energie der Liebe hält Margerita alles Negative von Paul fern und Schritt für Schritt kämpft sich der DJ ins Leben zurück.

Man kennt sie, die DJs, mit deren Namen man den Beginn der elektronischen Musik verbindet. Man hat die Zeit miterlebt, Techno, Rave, Trance, House und wie die Stile heißen. Nicht jede Richtung ist für jeden angenehm. Musik ist halt, was gefällt und das ist individuell verschieden. Doch es gibt die Lieder, bei denen man abhebt, bei denen der Rhythmus sofort ins Blut beziehungsweise in die Beine geht. Man hat einige Sets besucht und sich den Wind der unvergessenen Love-Parade in Berlin um die Nase wehen lassen. Natürlich ist die Zeit irgendwann vorbei und man genießt die Musik eher am Computer. Dennoch bleibt einem die Musik nahe und man hört von den Festivals und man hört auch von dem Unfall. Nicht in seinem ganzen Ausmaß.

Und nun drei Jahre später hat Paul van Dyk mit seinem Buch das Leben nach dem Unfall beschrieben. Zum Teil aus seiner eigenen Sicht und zum anderen aus Sicht Margaritas wird dem Leser die schwere Zeit nahegebracht. Margarita, der zunächst niemand so richtig erzählt, was geschehen ist. Paul, schwer verletzt im Krankenhaus. Mit emotionalen und mitreißenden Worten wird geschildert, wie es um Paul stand, wie Margarita mit dem Mut einer Tigerin alles unternimmt, um Paul ins Leben zurückzuhelfen. Ein schwerer Weg, der mit der Zeit wohl etwas leichter wird, der aber nie aufhört. Doch Paul van Dyk nimmt die Einschränkungen an, die ihm der Unfall auferlegt. Er akzeptiert, dass es gewisse Grenzen gibt und er versucht doch immer wieder sie zu verschieben. Und in kleinen Schritten glückt es. Es gibt keinen Tag ohne Schmerzen, doch jeder Tag am Leben, jeder Tag, an dem er seine Musik leben kann, ist ein guter Tag.

Paul van Dyk ist einer der sich aus einfachen Verhältnissen hochgekämpft hat. Vielleicht hat er zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, das richtige Thema erwischt. Doch sein begünstigtes Leben konnte ihn nicht vor dem Unfall schützen. Er musste beinahe von Null anfangen, mit dem Beistand vor allem seiner Freundin kam er ins Leben zurück. Aufgeben ist keine Option und so kann das Beispiel Pauls jedem in einer schwierigen Situation Mut machen.