Subtiler Horror
Ich bin immer noch zwiegespalten diesem Buch gegenüber. Gut oder schlecht? Das ist die Frage, die nicht nur mich beschäftigt, sondern um die es auch in dieser Geschichte geht.
Mit knapp tausend Seiten ...
Ich bin immer noch zwiegespalten diesem Buch gegenüber. Gut oder schlecht? Das ist die Frage, die nicht nur mich beschäftigt, sondern um die es auch in dieser Geschichte geht.
Mit knapp tausend Seiten ist dieses Buch schon ein Klopper. Aber King & Co. haben ja bereits gezeigt, dass man diese Menge an Seiten auch mit viel Spannung füllen kann. Könnte. Hier ist das nicht so ganz gelungen. Die ersten zweihundert Seiten haben mich gefesselt, abgeholt, waren spannend. Nach zwei Dritteln hatte der Plot mehr was von einer Action-Story als von Horror. Inzwischen zog sich die Geschichte in die Länge, es gab viele unnötige Wiederholungen. Und was bitte hat sich der Autor gedacht, als er gegen Schluss völlig willkürlich Groß- und Kleinschreibung in den Worten gemixt hat? (Zitat: „unD deinE mutteR darF ihneN dabeI zuschaueN!“) Ein geheimer Code? Wenn ja, habe ich ihn nicht entschlüsselt. Vielmehr fand ich dieses Stilmittel nervig und anstrengend zu lesen.
Besonders Christopher und seine Mutter sowie die zischende Lady sind tolle Charaktere. Lediglich Christopher fand ich für sein Alter viel zu intelligent, schon fast altklug. Aber okay, das ist einer der weniger kritischen Punkte. Viel mehr hat mich gestört, wie der Autor Christophers besten Freund Eddie nennt. Dieser wird von den Mobbern „Special Ed“ gerufen, und dieser Spitzname wird durchweg genutzt – nicht nur, wenn er gemobbt wird, sondern auch wenn er ganz normal etwas sagt / denkt / macht. Das hat völlig unnötig den falschen Charakter in meinen Fokus gedrängt, und ich wollte eher Eddie zur Seite stehen als Christopher, weil ich viel mehr Mitleid damit hatte, wie er mit aller Macht für den Leser in eine Schublade gezwängt wurde.
Auch die Anspielungen auf die Bibel haben mich anfangs gestört, später haben sie sich jedoch besser in die Story eingefügt. Der Glaube spielt hier eine große Rolle. Die vielen bildhaften Beschreibungen stehen mir heute noch vor Augen, und sollte es mich einmal nach Mill Grove ziehen, werde ich mich dort sehr gut zurecht finden. Da macht dem Autor so schnell keiner was vor, er schreibt mit viel Liebe zum Detail und haucht so nicht nur den Figuren, sondern auch der Umgebung Leben ein. Da er sich so viel Zeit beim Erschaffen seiner Welt lässt, leidet die Atmosphäre ab und an ein bisschen. Die verschiedenen Sichtweisen haben mich aber dazu animiert, weiterzulesen und nicht aufzugeben.
Ist jetzt der Eindruck entstanden, dass ich das Buch schlecht fand? Beim Niederschreiben meiner Gedanken muss ich zugeben: Nein, schlecht war es nicht. Aber zu sehr in die Länge gezogen. Ich lese sehr gerne lange Geschichten, oft bedauere ich es, wenn ein Buch zu schnell zu Ende ist. Aber hier? Spannend am Anfang und am Ende, viel Füllmaterial in der Mitte. Da wäre weniger mehr gewesen.
Persönliches Fazit: Gemessen an der Gesamtlänge des Buches habe ich das Finale regelrecht herbeigesehnt. Ein solider Roman mit einigen Durststrecken. Dennoch ein Muss für alle, die gerne ruhigen und subtilen Horror lesen.