Cover-Bild Archipel
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20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Rowohlt
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: Generationenroman
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 432
  • Ersterscheinung: 21.08.2018
  • ISBN: 9783498042240
Inger-Maria Mahlke

Archipel

Ausgezeichnet mit dem Deutschen Buchpreis 2018: ein großer europäischer Familienroman von der Peripherie des Kontinents: der Insel des ewigen Frühlings, Teneriffa.
"Es ist der 9. Juli 2015, vierzehn Uhr und zwei, drei kleinliche Minuten. In La Laguna, der alten Hauptstadt des Archipels, beträgt die Lufttemperatur 29,1 Grad. Der Himmel ist klar, wolkenlos und so hellblau, dass er auch weiß sein könnte". Damit fängt es an. Und mit Rosa, die zurückkehrt auf die Insel und in das heruntergewirtschaftete Haus der vormals einflussreichen Bernadottes. Rosa sucht. Was, weiß sie nicht genau. Doch für eine Weile sieht es so aus, als könnte sie es im Asilo, dem Altenheim von La Laguna, finden. Ausgerechnet dort, wo Julio noch mit über neunzig Jahren den Posten des Pförtners innehat. Julio war Kurier im Bürgerkrieg, war Gefangener der Faschisten, er floh und kam wieder, und heute hütet er die letzte Lebenspforte der Alten von der Insel. Julio ist Rosas Großvater. Von der mütterlichen Seite. Einer, der Privilegien nur als die der anderen kennt.
Inger-Maria Mahlke ist in nur wenigen Jahren zu einer der renommiertesten deutschen Schriftstellerinnen avanciert und hat sich mit jedem ihrer Bücher thematisch und formal weiter vorgewagt. In "Archipel" führt sie rückwärts durch ein Jahrhundert voller Umbrüche und Verwerfungen, großer Erwartungen und kleiner Siege. Es ist Julios Jahrhundert, das der Bautes und Bernadottes, der Wieses, der Moores und González' – Familiennamen aus ganz Europa. Aber da sind auch die, die keine Namen haben: Die Frau etwa, die für alle nur 'die Katze' war: unverheiratete Mutter, Köchin, Tomatenpackerin - und irgendwann verschwunden. Denn manchmal bestimmen Willkür, Laune, Zufall oder schlicht: mitreißende Erzählkunst über das, was geht, und das, was kommt.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.02.2019

Unbequem verkürzt, trotzdem ganzheitlich

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Das Lesen des Archipels begann ich mit gehörigen Respekt vor der rückwärts gewandten Erzählweise. Diese Abweichung von der Norm erschien mir ähnlich kompliziert wie manche Übung zum Trainieren des Zusammenspiels ...

Das Lesen des Archipels begann ich mit gehörigen Respekt vor der rückwärts gewandten Erzählweise. Diese Abweichung von der Norm erschien mir ähnlich kompliziert wie manche Übung zum Trainieren des Zusammenspiels von linker und rechter Gehirnhälfte. Wie erwartet, musste ich mir des Öfteren die Reihenfolge klar machen, aber letztlich waren die verkürzte Sprache und Erzählweise sowie die Vielschichtigkeit des Romans die größeren Herausforderungen.

Auf eine sehr intensive Weise begleitet Inger-Maria Mahlke hauptsächlich drei Familien durch das vergangene Jahrhundert, die Bernadottes als Mitglieder der Aristokratie, die mittelständischen Bautes und die Morales aus der Unterschicht. Ausgehend von den Mitgliedern der Familie Bernadotte Baute und ihrer Haushaltshilfe Eulalia Moralez Ruiz in 2015 geht sie in der Geschichte bis zur Geburt des in 2015 ältesten Familienmitglieds, Julio Baute Ramos, zurück. Nicht durchgehend, sondern punktuell zu wichtigen historischen Ereignisse betrachtet Inger-Maria Mahlke in feinsten Details die einzelnen Familienstränge bezüglich ihrer Haltung zur aktuellen politischen Lage, in ihren Lebensmöglichkeiten und hinsichtlich ihrer Gefühlslagen. Sie beschreibt darüber hinaus die Schauplätze und Örtlichkeiten Teneriffa‘s mit einer Leidenschaft, die ihresgleichen sucht. Als Leser hat man Mühe, sich im Detailreichtum des Romans nicht zu verlieren.

Interessant, aber irgendwie auch deprimierend, ist die Entwicklung der Ehe im Betrachtungsrahmen des Archipels. Während in den 1920ern die Ehe sehr arrangiert erscheint und niemand wirklich diejenige oder denjenigen heiraten kann, den er oder sie liebt, sind die Ehen der mittleren Generation zumindest durch Zuneigung gekennzeichnet. Felipe und Ana aus 2015 erscheinen mit ihrer erwachsenen Tochter Rosa distanziert voneinander aufgrund ihrer beruflichen Erfolge. In allen Ehen habe ich echte Leidenschaft für einander vermisst. Die guten Ehen sind durch gegenseitige Achtung gekennzeichnet, in den schlechten wünschen sich Ehefrauen das Dahinscheiden des Gatten.

Vielleicht hat mich die fehlende Leidenschaft auf Distanz zu den Charakteren gehalten. Mit kaum jemanden konnte ich mitfiebern, mich niemanden konnte ich mich identifizieren. Möglicherweise waren es aber auch zu viele Familienmitglieder, die nach und nach in den Roman eintraten und aus der Geschichte ausschieden, um eine richtige Beziehung zu ihnen aufzubauen. Wirklich nahe gekommen bin ich nur Julio im Asilo, der sich um die Eingangskontrolle kümmert und nebenbei Tour de France guckt.

Der Sprachstil von Inger-Maria Mahlke war für mich sehr gewöhnungsbedürftig, weil zeitweise irgendwie karg und verkürzt. Subjekte und Verben fehlen plötzlich, dafür gibt es unendlich lange Aufzählungen. Anstrengend war dabei nicht der verkürzte Stil an sich, sondern der Wechsel zwischen unendlichem Detailreichtum und dieser abgehakten Art. Dadurch wird der Lesefluss ähnlich ausgebremst, manchmal ganz unterbrochen wie durch die diskontinuierliche, punktuelle Erzählweise.

Inger-Maria Mahlke hat mich mit Archipel wirklich herausgefordert. Von den vielen Details habe ich mir wahrscheinlich nicht einmal die Hälfte gemerkt, aber es ist ein Gesamteindruck entstanden, der mir über den Touristenblick hinaus eine andere Perspektive von Teneriffa gezeigt hat. Archipel ist kein Roman für zwischendurch, er ist unbequem zu lesen, braucht Zeit und wirkliches Interesse an Geschichte, die den meisten im Rahmen ihrer Schulausbildung wahrscheinlich verborgen geblieben ist. Hält man das Lesen durch, bekommt man eine ganz unaufgeregte Familiengeschichte, die Politisches mit Persönlichem verknüpft. Mit den Familien erlebt man turbulente Zeiten, die hier jedoch vornehmlich nüchtern und niemals reißerisch präsentiert werden.

Veröffentlicht am 06.12.2018

Gewöhnungsbedürftiger Schreibstil mit interessantem Inhalt

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Es scheint einen neuen Trend in der Literatur zu geben: Statt einer durchgehend chronologischen Familiensaga präsentiert man den Lesenden die handelnden Personen in etwas größeren Häppchen. In einzelnen ...

Es scheint einen neuen Trend in der Literatur zu geben: Statt einer durchgehend chronologischen Familiensaga präsentiert man den Lesenden die handelnden Personen in etwas größeren Häppchen. In einzelnen Abschnitten werden vergleichsweise kurze Zeitspannen dargestellt, die mehrere Jahre, teils auch Jahrzehnte auseinanderliegen. Beispiele dafür sind 'Häuser aus Sand' von Hala Alyan (2018), 'Heimkehren' von Yaa Gyasi (2017) und auch 'Archipel' von Inger-Maria Mahlke, das ebenso aufgebaut ist.
Zu Beginn des Buches steht die Familie um Ana und Felipe im Mittelpunkt. Er stammt aus einer ehemals einflussreichen, alteingesessenen und noch immer reichen Familie, die zu Francos Herrschaft zahlreiche Privilegien genoss. Anas Eltern hingegen waren die Leidtragenden zu jener Zeit, verloren Familienmitglieder und ihren Besitz. Die Autorin bezieht in ihren Roman auch das Umfeld der beiden Familien mit ein: die Dienstmädchen, Freunde der Familie, Geliebte usw. und entwirft so ein umfassendes Panorama der damaligen Gesellschaft Teneriffas.
Die Geschichte, die vollständig auf Teneriffa spielt, umfasst die Jahre 2015 bis 1919, das Jahr, indem einer der Protagonisten geboren wird. Weshalb die Geschehnisse von der Gegenwart ausgehend rückwärts erzählt werden, kann ich auch nach dem Ende des Buches nicht nachvollziehen. Denn statt mit den Figuren ihre jeweilige Entwicklung mitzuerleben und zu erleiden betrachtete ich sie so eher von außen. Ich kam ihnen nicht nahe und hatte mehr damit zu tun, jeweils einzuordnen, um wen es sich im Einzelfall handelte. Im Nachhinein würde ich Interessierten empfehlen, das Buch lieber rückwärts zu lesen.
Womit ich ebenfalls zu kämpfen hatte, war der Sprachstil der Autorin. Sie nutzt häufig kurze Sätze, teils ohne Verb oder Subjekt und längere, die wie eine Art Aufzählung wirken. Auf mich wirkte es stellenweise so nüchtern wie eine Bedienungsanleitung - vielleicht hadere ich auch deshalb etwas mit diesem Buch.
Was ich als überaus bereichernd empfand, war, dass ich das Buch während eines Teneriffaurlaubes gelesen habe. Inger-Maria Mahlke beschreibt die Insel so exakt wie anschaulich, dass ich beim Lesen stets genau wusste, wo sich die einzelnen Figuren jeweils aufhielten. Zudem erfuhr ich praktisch nebenbei eine Menge über Teneriffas (und auch Spaniens) Geschichte und Traditionen, die so nicht im Reiseführer stehen. Oder wem ist San Borondón geläufig, die sagenumwobene achte Kanareninsel? Hat man die Stadtpläne von La Laguna, Santa Cruz oder Puerta de la Cruz neben sich liegen, kann man Felipe, Ana, Julio und den andern Straße für Straße folgen.
Alles in allem eine interessante Lektüre, die sich nicht so nebenbei lesen lässt.

Veröffentlicht am 20.01.2020

Archipel - Geschichte einer Insel im Wandel

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In Archipel nimmt uns Inger - Maria Mahlke mit auf die Insel Teneriffa. Dort begleiten wir das Leben von drei sehr unterschiedlichen Familien über mehrere Zeitepochen hinweg. Unterscheiden tun sie sich ...

In Archipel nimmt uns Inger - Maria Mahlke mit auf die Insel Teneriffa. Dort begleiten wir das Leben von drei sehr unterschiedlichen Familien über mehrere Zeitepochen hinweg. Unterscheiden tun sie sich in der Herkunft, Lebensstil und Wohlstand. Dies ist noch der interessanteste Teil am ganzen Buch. Ihre Beschreibungen der örtlichen Begebenheiten und der Personen sind sehr anschaulich, aber wirken auf mich oberflächlich. Es fehlt an Tiefe des Geschehens. Und so plätschert die Erzählung für mich einfach so dahin. Es bleibt wenig hängen. In einigen Situationen benehmen sich die Personen für mich sehr eigenartig. Die Gespräche sind sehr einsilbig, aber vielleicht ist die Mentalität des Volkes dort so.

Eine Besonderheit des Buches liegt im Erzählstrank. Der läuft rückwärts. Die politische Situation zur jeweiligen Zeit hat einen Schwerpunkt im Geschehen. Dies hat die Autorin gekonnt in das Familienleben eingearbeitet.

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Veröffentlicht am 05.09.2018

Romanhandlung rückwärts erzählt hemmt den Lesefluss

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Der Roman „Archipel“ von Inger-Maria Mahlke spielt vor dem Hintergrund einer einhundertjährigen Geschichte, die mich als Leserin mit auf die Inselgruppe der Kanarischen Inseln nahm. Die Autorin siedelt ...

Der Roman „Archipel“ von Inger-Maria Mahlke spielt vor dem Hintergrund einer einhundertjährigen Geschichte, die mich als Leserin mit auf die Inselgruppe der Kanarischen Inseln nahm. Die Autorin siedelt die Ereignisse im Buch hauptsächlich auf Teneriffa an, einer Insel die ich selbst zweimal besucht habe, so dass ich mir das Umfeld sehr gut vorstellen konnte. Einen Eindruck dazu gibt das Cover. Im oberen Bereich sind die Inseln des Archipels Gran Canaria und Teneriffa als alte Kartenabbildung zu entdecken, im unteren Bereich steht ein Drachenbaum vor einem typischen kanarischen Landhaus.

Die Geschichte beginnt im Juli 2015. Zunächst lernte ich als Leser die Familie Bernadotte kennen. Sie wohnen in San Cristobal de La Laguna im Norden von Teneriffa. Ana ist Ende 50, studierte Verwaltungswissenschaftlerin und heute in der Politik auf der Seite der Konservativen aktiv. Sie ist aktuell in einen Abhörskandal verwickelt. Ihr kaum älterer Mann Felipe ist ein Spross einer früher auf der Insel hochangesehenen Familie. Früher war er Professor, jetzt ist er nur noch ein Schatten seiner selbst, im Clubhaus sitzend, dem Alkohol zusprechend und den Tag genießend. Rosa, die Tochter der beiden, hat gerade ihr Kunststudium in Madrid abgebrochen und ist auf die Insel zu ihren Eltern zurückgekehrt. Julio Baute, ihr Großvater mütterlicherseits versieht derweil mit Mitte 90 noch seinen Dienst als Pförtner im örtlichen Seniorenheim. Sein Leben umklammert die gesamte Erzählung.
Kaum hatte Inger-Maria Mahlke ihre Figuren und den entsprechenden Hintergrund aufgebaut, steuert sie ihre Geschichte rückwärts über die Jahre bis 1919. Das war sicher nicht nur für mich ungewohnt. Die handelnden Personen blieben in ihrer Zeit zurück, Andeutungen bezüglich des zukünftigen Geschehens blieben unausgeführt. Stattdessen begegneten mir die Charaktere in zunehmend jüngerer Form und ihre Vorfahren. Die Autorin zeigt auf diesem Weg ein Bild der Gesellschaft und der Historie des Archipels, die verknüpft sind mit der Geschichte ganz Europas. Ihre Liebe für die Heimat und seiner Bewohner finden Eingang in ihre Schilderung.

Die Familien von Ana und Felipe beeinflussen die Geschehnisse nicht, sind aber von den Auswirkungen betroffen. Inger-Maria Mahlkes Charaktere bilden alle Gesellschaftsschichten ab, denn neben den Familienzweigen der Bernadottes und der Bautes folgt sie auch dem der Haushälterin von Ana und Felipe. Ihre Themen sind vielschichtig und reichen von Altersarmut über Umgang mit Medien bis hin zu Faschismus und Spanischer Grippe. Während der Rückwärtsgang der Erzählung manches Mal notwendigerweise eine Erklärung des geschichtlichen Hintergrunds benötigt, bei denen die Autorin sich kurz fasst, liegen ihr ihre Figuren am Herzen. Ihr Ding sind die Alltagsbeobachtungen und dazu zoomt sie gerne die Situation nah ran und beschreibt mit ausschmückenden Worten und Sätzen. Dadurch erreicht sie eine große Nähe zu den Personen. Leider fühlte ich mich durch den besonderen Erzählstil nicht zu den Charakteren hingezogen. Mein Lesefluss wurde immer wieder unterbrochen. Kaum nahm das Geschehen vor meinen Augen Form an nahm musste ich es auch wieder gehenlassen und mich mit der Erzählung zurück bewegen.

Einerseits wirkt der Roman konstruiert, der Gedankengang strengt an weil es immer wieder zu Abbrüchen der stringenten Erzählführung kommt. Andererseits zolle ich der Idee und der Ausführung, die Romanhandlung rückwärts zu erzählen, große Anerkennung.