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Veröffentlicht am 24.02.2020

Verschachtelte Erzählweise

Milchmann
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Die junge Frau, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird, lebt ihr Leben in geregelten Bahnen, sie hat ihre Arbeit, ihren Vielleicht-Freund und am Wichtigsten für sie: ihre Bücher. Oft läuft sie durch ...

Die junge Frau, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird, lebt ihr Leben in geregelten Bahnen, sie hat ihre Arbeit, ihren Vielleicht-Freund und am Wichtigsten für sie: ihre Bücher. Oft läuft sie durch die Straßen und liest dabei, immer ein Buch aus dem neunzehnten Jahrhundert, denn das zwanzigste Jahrhundert gefällt ihr nicht. Bis eines Tages dieser ältere Mann, den alle unter dem Namen Milchmann kennen, neben ihr ist und beiläufig davon spricht, wie gefährlich es doch sei, in diesen unruhigen Zeiten lesend umher zu laufen. Er bietet ihr an, in seinem Auto mit zu fahren, doch die junge Frau ist sich der Gefahr bewusst, die hinter diesem Angebot steht und lehnt höflich ab. Als der Milchmann wieder auftaucht, ist die junge Frau gerade beim Joggen im Park und da er nicht unhöflich zu ihr spricht und sie auch nicht berührt, sieht sie keinen Grund, sich belästigt zu fühlen - obwohl ihr der Mann und sein plötzliches Auftauchen Angst machen, zumal er eben so plötzlich wieder verschwindet. Um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, spricht sie mit niemandem darüber, aber die Nachbarn, allen voran der Mann ihrer ältesten Schwester, fangen dennoch an über die junge Frau und ihre angebliche Affäre mit dem verheirateten Milchmann zu reden. Er ist ein Staatsverweigerer, einer der Anführer der Bewegung und hat große Macht. So zieht er seine Kreise um die Protagonistin immer enger, doch die Bedrohung ist so subtil, dass die unbedarfte junge Frau immer noch nicht weiß, ob es Sinn macht, jemandem davon zu erzählen - doch das Gerede ist ihr voraus geeilt und als sie sich eines Tages ihrer Mutter anvertraut, glaubt diese ihr nicht, so dass sich die namenlose Protagonistin immer weiter in sich selbst zurück zieht....

"Milchmann" von Anna Burns handelt in der Zeit des Nordirlandkonflikts, was aus dem Text nicht wirklich zu erkennen ist. Die Zeit der Handlung kann der Leser nur durch Hinweise auf Filme und Musik erahnen, die die Männer in der Gegend ablehnen. Beiläufig, weil es für die Protagonistin zum Alltag gehört, werden Autobomben und entführte Linienbusse erwähnt, Staatsverweigerer und Staatsbefürworter, die richtige und die falsche Religion, was ohne die Informationen, die ich aus Pressetexten entnehmen konnte, schwierig zum Einstieg in das Buch gewesen wäre. Ein kurzes Vorwort um den geschichtlichen Hintergund der Handlung wäre da hilfreich gewesen. Auch die Erzählweise ist ungewöhnlich, so wird keine der Figuren mit Namen benannt, sie sind älteste Schwester, Schwager drei, Vielleicht-Freund, Nachbar und so weiter. Mit erschreckender Beiläufigkeit berichtet die Hauptfigur von den vielen Menschenleben, die der Konflikt bereits gefordert hat, es gehört zum Alltag, dass dieser Bruder und jener Nachbar getötet wurde, kaum eine Familie im Bezirk hat noch keinen Verlust zu beklagen. Diese alltäglichen Begebenheiten während des Nordirlandkonfliktes sind es, die aus der Sicht der Protagonistin so nebenher erzählt werden, und dabei so weit entfernt von unserer heutigen Realität scheinen, dass sie auf mich beim Lesen schockierend wirkten und ein Bild jener Zeit vor meinem geistigen Auge zeichneten.

Die Schreibweise habe ich in der ersten Hälfte des Buches als sehr verschachtelt empfunden, die Protagonistin kommt in ihren Gedanken von einer Szene in die nächste, weil sie sich vom Milchmann bedrängt fühlt, geht sie in Begleitung ihres Schwagers laufen, dabei denkt sie an eine Episode mit ihrem Vielleicht-Freund zurück bie dem einige Nachbarn zu Besuch sind, aus diesen Gedanken kommt sie zum Chefkoch, dem Freund ihres Vielleicht-Freundes und von den Gedanken geht sie noch weiter zurück, erst zum Stand ihrer Beziehung, dann zum Grund, warum ihr Vielleicht-Freund alleine in seinem Haus wohnt. Beim Lesen musste ich mir in Erinnerung rufen, dass sie immer noch mit ihrem Schwager durch den Park joggt und alles andere in ihren Gedanken statt findet. Doch plötzlich ist der Lauf vorbei und eine in der Gedankenspirale geplante Verabredung mit ihrem Vielleicht-Freund findet statt, die sie dann ebenfalls gedanklich zerpflückt. Erst viel später im Buch ist mir bewusst geworden, dass der Schreibstil die verworrenen Gedankengänge der Hauptfigur wiederspiegelt. Als sie später einige unangenehme Wahrheiten erkennt und sich nicht mehr vor der Realität flüchtet, wird auch die Geschichte klarer und geradliniger erzählt.

In der ersten Buchhälfte war ich erstaunt, was über diese Geschichte, die mit dem britischen Man Booker Prize ausgezeichnet worden ist, in den Pressestimmen geäußert wurde, am Ende muss ich zugeben, dass alles, was ich darüber gelesen habe, zutrifft. "Milchmann" ist keine leichte Lektüre, die verschachtelten Beschreibungen fordern Konzentration und ziehen manche Stellen auch ein wenig in die Länge. Doch immer wieder gab es Szenen, in denen still und doch sarkastisch die Misstände jener Zeit aufgezeigt werden, zum Beispiel als die Protagonistin von den Themenfrauen berichtet, die ersten Frauenrechtlerinnen, die sich in ihrem Bezirk versammeln. Nach der allgemeinen Meinung wäre es ja noch in Ordnung gewesen, wenn diese Themenfrauen die Unterdrückung ihrer Geschlechtsgenossinnen anhand historischer Beispiele angeklagt hätten, aber nein, sie forderten aktuelle Veränderungen, zum Beispiel, dass die Männer ihre Frauen nicht mehr schlagen dürften - was allgemein als völlig absurd angesehen wurde. Mit jugendlicher Naivität schließt sich die Hauptfigur den gängigen Meinungen der breiten Masse an, erst viel später wird ihr - und damit auch dem Leser - bewusst, wie sehr sie den Kopf in den Sand gesteckt hat. Eine Freundin weist sie schließlich darauf hin, dass sie bereits vor dem Auftauchen des Milchmanns regelmäßig kontrolliert und fotografiert worden ist (was sie zuvor auf seine plötzliche Aufmerksamkeit geschoben hatte), dass sie bereits damals von der Gemeinschaft als Übergeschnappte abgestempelt worden war, auch weil sie die Realität mit Hilfe ihrer Bücher ausgeblendet hatte.

Fazit: Anna Burns schildert die Ereignisse um die namenlose junge Frau in einzigartigem Schreibstil, der nicht immer leicht zu lesen ist. Mit alltäglichen, beiläufig berichteten Begebenheiten wird die Grausamkeit des Nordirlandkonfliktes aufgezeigt, auch die Geschichte der Protagonistin und die zunächst subtile Bedrohung, die vom Milchmann ausgeht, wird mit der jugendlichen Naivität der jungen Frau erzählt und wirkt dabei doch sehr eindringlich auf den Leser.

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Veröffentlicht am 10.02.2020

Spannende Geschichte im Stil einer Reportage

Vorleben
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Journalistin Sophia lebt seit einem halben Jahr mit dem virtuosen Cellisten Daniel zusammen, der oft beruflich einige Tage verreisen muss. Sie selbst steckt in einer Schaffenskrise und glaubt weniger an ...

Journalistin Sophia lebt seit einem halben Jahr mit dem virtuosen Cellisten Daniel zusammen, der oft beruflich einige Tage verreisen muss. Sie selbst steckt in einer Schaffenskrise und glaubt weniger an ihr aktuelles Projekt, als Daniel es tut. Stolz erzählt er allen Bekannten von dem Roman, an dem seine Freundin gerade schreibt und auch sie selbst ermutigt er immer wieder, dass sie alles schaffen kann, was sie sich vor nimmt. Sophia hingegen wird von Selbstzweifeln beherrscht, neben Daniel, der so selbstsicher, begabt und erfolgreich ist, fühlt sie sich unbedeutend. Aus diesem Unterschied heraus entwickelt Sophia ein Gefühl von Eifersucht, dass sie schließlich dazu bringt, sich Daniels alte Fotoalben anzusehen. Die Frau, die neben ihm zu sehen ist, kommt der Journalistin vage bekannt vor und als sie in einem Stadtführer den Namen und die grausige Geschichte der schönen Unbekannten findet, wird ihre Neugier geweckt und sie sucht nach Daniels Verbindung zu dieser Frau.....

"Vorleben" ist das erste Buch, das ich von Georg M. Oswald gelesen habe und am Anfang habe ich mich etwas schwer getan, in die Geschichte hinein zu finden. Durch den nüchternen Schreibstil, der mich in seiner Art an eine Reportage erinnert hat, blieben die Hauptfiguren Sophia und Daniel zunächst seltsam flach für mich. Auch die Erinnerung der Journalistin an das erste Zusammentreffen mit ihrem späteren Freund und die Entwicklung ihrer Beziehung fand ich wenig emotional beschrieben, möglicherweise beabsichtigte der Autor mit dem Stil, den journalistischen Charakter von Sophias Neugier zu unterstreichen. Erst als sie sich auf Spurensuche in die Vergangenheit begibt, gewinnen die Personen in der Handlung an Tiefe, von dem Moment an hat sich der Spannungsbogen durch das ganze Buch hin gesteigert und mich gefesselt, so dass ich die Geschichte hintereinander weg gelesen habe.

Fazit: Nach einen zunächst langsamen Einstieg nimmt die Geschichte schnell an Fahrt auf und die Personen werden dreidimensional, auch der Spannungsbogen steigert sich konstant bis zum Ende hin.

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Veröffentlicht am 09.02.2020

Rezepte zur gesunden Ernährung für Frauen

Tag für Tag leichter - das Kochbuch
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Wer schon den gleichnamigen Ratgeber gelesen hat, wird in der ausführlichen Einführung vor dem Rezeptteil kaum etwas Neues entdecken können, ohne die Vorkenntnis des Leitfadens sind die zusammen gefassten ...

Wer schon den gleichnamigen Ratgeber gelesen hat, wird in der ausführlichen Einführung vor dem Rezeptteil kaum etwas Neues entdecken können, ohne die Vorkenntnis des Leitfadens sind die zusammen gefassten Tipps zur intuitiven Ernährung sehr wertvoll um einen Einstieg zu finden. Dabei gehen die Autorinnen speziell auf die Bedürfnisse des weiblichen Körpers ein und geben Empfehlungen, wie manches gesundheitliche Problem, das uns Frauen betrifft, schon durch die passende Ernährung gelöst werden kann. Im Interview gehen Prof. Dr. Marion Kiechle und die Journalistin Julie Gorkow auf dieses Thema ein und erzählen Beispiele aus ihren eigenen Erfahrungen.
Die Rezepte bieten Ideen für gesundes und abwechslungsreiches Essen,, dabei sind sie nach Tageszeit der Mahlzeiten geordnet, angefangen bei gesundem und abwechslungsreichen Frühstück. Nicht gefallen hat mir dabei, dass die Mengenangaben immer für zwei Portionen berechnet sind, gerade bei frischem Obst finde ich es schwierig, um die Rezeptmenge zu halbieren müsste man bei manchem Gericht von mehreren verschiedenen Obstsorten jeweils ein halbes Stück verwenden, das ist nicht ganz so praktisch und alltagstauglich, wie angepriesen. Weitere Zutaten, die sich nicht in jeder Küche finden, wie zum Beispiel Sojasoße und Kurkuma sollte Frau sich anschaffen, um die Ernährungstipps dauerhaft umsetzen zu können werden diese immer wieder benötigt. Am Ende des Buches ist noch einmal ein Register, in dem die Rezepte nach den jeweiligen Zutaten sortiert sind, das finde ich sehr hilfreich.
Fazit: Das Kochbuch ist eine gute Ergänzung zum gleichnamigen Leitfaden, aber auch für sich alleine bietet es neben den Rezepten viele hilfreiche Tipps zur intuitiven Ernährung zusammen gefasst.

Veröffentlicht am 06.02.2020

Skurrile, teils düstere Geschichte in wunderbar poetischem Schreibstil erzählt

Die Ewigkeit in einem Glas
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Die Privatermittlerin Bridie Devine hat schon in frühester Jugend viel medizinisches und chirurgisches Wissen angesammelt, was für eine Frau im Jahr 1863 doch recht ungewöhnlich ist. Noch ehe sie ihren ...

Die Privatermittlerin Bridie Devine hat schon in frühester Jugend viel medizinisches und chirurgisches Wissen angesammelt, was für eine Frau im Jahr 1863 doch recht ungewöhnlich ist. Noch ehe sie ihren neuesten Auftrag kennen lernt, trifft Bridie auf dem Friedhof den Geist des Preisboxers Ruby Doyle, der im Verlauf der Geschichte meistens an ihrer Seite sein wird.
Ihr Auftraggeber Sir Edmund verlangt, dass Bridie seine entführte Tochter Christabel aufspüren soll, dennoch weigert er sich, Bridie das Kinderzimmer zu zeigen und beantwortet kaum eine ihrer Fragen. Da auch die Haushälterin Bridie eher wie einen unerwünschten Eindringling behandelt, verschafft sich die Detektivin mit Hilfe eines freundlichen Hausmädchens heimlich Einlass in Christabels Zimmer - dort begreift sie, dass das Mädchen einzigartig ist und dadurch in großer Gefahr schwebt. Unerschrocken macht sich Bridie Devine daran, zu ermitteln und trifft dabei auf viel Skurriles.
"Die Ewigkeit in einem Glas" ist das erste Buch, das ich von Jess Kidd gelesen habe und ich muss sagen, die Autorin versteht es meisterlich, mit Worten umzugehen. Ihr Schreibstil ist faszinierend und einzigartig, trotz der düsteren Atmosphäre, die in der Geschichte erzeugt wird, haben die Sätze etwas poetisches an sich. Darin lag für mich, neben der spannenden Handlung, der Reiz diesen Buches und ich habe es bis zum Ende es kaum mehr zur Seite gelegt. Bridie ist eine herrlich patente Protagonistin, die in ihrem Leben schon viel durchgemacht hat und sich dennoch ihr gutes Herz bewahren konnte. Auch ihre Freunde sind wunderbar einzigartig und teilweise so skurril, dass sie aus einem Tim-Burton-Film entsprungen sein könnten und wie die Burton-Filme vereint Jess Kidds Buch eine groteske, fantasievolle Handlung und sehr originelle Figuren mit einem makaber-schaurigem Hintergrund.
Fazit: Die Geschichte ist schaurig schön und vereint wunderbar zarte Momente mit manch grausiger Szene, das dürfte nicht jedem zarten Gemüt behagen. Wer aber skurrile Schauergeschichten mag, wird dieses Buch und den schönen poetischen Schreibstil lieben.

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Veröffentlicht am 21.01.2020

Geheimnisse der Vergangenheit

Dreck am Stecken
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Die Brüder Johannes, Philipp, Jakob und Simon haben keine leichten Kindheit, sie leben in einem Großstadtghetto, ihre Mutter ist Alkoholikerin und kämpft mit psychischen Problemen. Keiner der vier Väter ...

Die Brüder Johannes, Philipp, Jakob und Simon haben keine leichten Kindheit, sie leben in einem Großstadtghetto, ihre Mutter ist Alkoholikerin und kämpft mit psychischen Problemen. Keiner der vier Väter kümmert sich regelmäßig um seinen Nachwuchs, nur einer zahlt überhaupt Unterhalt. Als plötzlich der bis dahin unbekannte Großvater mit seinem Koffer vor der Tür steht und bei ihnen einzieht, ändert sich zunächst nicht wirklich etwas an der familiären Situation.

Erst viele Jahre später, nachdem der Großvater verstorben ist und den Brüdern eine Kiste mit alten Dokumenten vermacht hat, haben die Männer die Möglichkeit, etwas über die Geschichte ihrer Familie zu erfahren. Johannes, der inzwischen Redakteur bei einer Zeitung ist, findet im doppelten Boden der Kiste ein altes Tagebuch aus dem er und seine Brüder einiges über die Geschichte ihrer Familie erfahren.

"Dreck am Stecken" von Alexandra Fröhlich befasst sich mit einem dunklen Kapitel der deutschen Geschichte. Der Schreibstil hat mir dabei gut gefallen, die Handlung, die teilweise in drei Zeiträume aufgespalten war, habe ich mit Spannung bis zur letzten Seite gelesen. Die Protagonisten, besonders Johannes, aus dessen Perspektive die Erzählung geschrieben ist, sind mir schnell sympathisch geworden, jeder der Brüder ist auf seine Weise gewitzt und einzigartig. Um die Geschichte aufzuarbeiten haben die vier Männer ihre frühere Bindung untereinander wieder finden müssen. Der ganze Roman hat sich schnell weg gelesen, nur das Ende hätte für meinen Geschmack ein wenig spektakulärer ausfallen dürfen. Doch insgesamt betrachtet, verdient dieses Buch eine deutliche Leseempfehlung.

Fazit: Die Geschichte unterhält durch ihren lockeren Schreibstil und beschäftigt sich vor dem Hintergrund der Familienvergangenheit mit einem trüben Teil der deutschen Geschichte, das Buch empfehle ich gern weiter.

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