Skarabäus und Schmetterling
„Skarabäus und Schmetterling“, das neueste Werk aus der Feder der Autorin Elisabeth Büchle, besticht bereits mit seiner Optik. Majestätische Pyramiden im Wüstensand, in goldenes Licht getaucht, als Hintergrund ...
„Skarabäus und Schmetterling“, das neueste Werk aus der Feder der Autorin Elisabeth Büchle, besticht bereits mit seiner Optik. Majestätische Pyramiden im Wüstensand, in goldenes Licht getaucht, als Hintergrund dezente, aber gut erkennbare Hieroglyphen – all das verführt regelrecht dazu, das Buch zur Hand zu nehmen und sich in den Klappentext zu vertiefen. Spätestens dann ist es um Fans dieser Autorin geschehen: die Aussicht auf ein grandioses Abenteuer, das einen Erzählzeitraum von beinahe einhundert Jahren umfasst, in dem das historisches Großereignis der Entdeckung der geheimnisumwitterten Grabanlage des Pharaos Tutanchamun im Tal der Könige eine tragende Rolle spielt, ist zu verlockend, um es wieder wegzulegen. Die Lektüre dieses in drei Zeitebenen spielenden Romans entpuppte sich für mich als atemberaubend. Der rätselhafte Prolog, der ein Ereignis in Ägypten im Jahre 1327 andeutet, bei dem eine junge Ägypterin und ihr Geliebter ihre Heimat verlassen und sich auf die Suche nach dem Gott der Hebräer machen, vollendet sich erst ganz zum Schluss, am Ende des Buches, in Form eines entschlüsselnden Epilogs.
Das Buch wurde in zwei Teile mit insgesamt 54 Kapiteln gegliedert, wobei es zunächst den Anschein hat, als handle es sich um zwei völlig verschiedene Geschichten. Doch sehr rasch erkennt man, wie sehr die beiden Teile ineinander überfließen, sie sich ergänzen bzw. aufeinander Bezug nehmen.
Im ersten Teil stellt die Autorin den Lesern ihre 20jährige Protagonistin Sarah Hofmann vor, die bei der besten Freundin ihrer Mutter aufwuchs. Die verwitwete Lady Alison Clifford mit dem exzentrischen Lebensstil, dem großen Wissen und der Begeisterung für alles Geheimnisvolle weckte mit ihrer unkonventionellen energischen Art das schüchterne Mädchen nach und nach aus ihrer Lethargie. Aus dem zurückgezogenen, sanften und freundlichen stillen Kind wurde eine feinfühlige junge Dame, die durch die richtigen Kontakte und das Ansehen ihrer Ziehmutter in der Aristokratie ein Leben in Sorgenfreiheit führte. Die britische Countess vermittelte dem ihr anvertrauten Kind auch ihren unerschütterlichen Glauben und liebte Sarah wie eine Tochter. Als Lady Alison erfuhr, dass der befreundete Lord Carnavon eine neuerliche Ausgrabung in Ägypten unter der Leitung des Archäologen Howard Carter finanzieren würde, ließ sie sich nicht davon abbringen, den Earl gemeinsam mit Sarah ins Tal der Könige zu begleiten. Bereits auf der Überfahrt trafen die beiden Damen auf einen lebenslustigen Abenteurer aus Deutschland, der sich als Andreas Sattler vorstellt. Er und sein Reisegefährte, der zuvorkommende höfliche Antiquitätenhändler namens Jacob Miller boten sich den beiden alleine reisenden Frauen als Begleiter an. Als es in Ägypten zu einigen gefährlichen und beinahe tödlichen Zwischenfällen kam, die sich auffallend auf Sarah konzentrieren, weckte dies nicht nur in Andreas den Beschützerinstinkt. Eine junge Ägypterin und das Geheimnis um ihren verschollenen Vater Martin Hofmann sowie das Rätsel um die Identität ihres unerbittlichen Verfolgers ließen Sarah nicht zu Atem kommen…
Im zweiten Teil des Buches wurde ich mit neuen Protagonisten und unbekannten Namen sowie einem Thriller konfrontiert, dessen Spannungsbogen kontinuierlich zunahm. Im London des Jahres 2011 wurde der angehende Kriminologe und Mitarbeiter des Scotland Yard, Duke Taylor, für Ermittlungen rekrutiert, die sich mit dem plötzlichen Auftauchen von Originalen aus dem Grab Tutenchamuns befassten. Der muskulöse Polizist internationaler Herkunft sollte der Familie der 21jährigen Studentin Rahel Höfling auf den Zahn fühlen, in deren Besitz Scotland Yard wertvolle Artefakte aus dem Pharaonengrab in Millionenhöhe vermutete. Der charmante Ermittler heftete sich an Rahels Fährte und fungierte schon bald als deren Beschützer gegen Anschläge, eine Situation, die jener ihrer Ururgroßmutter Sarah frappierend ähnelte. Die zierliche und intelligente Studentin konnte zudem auf ihre guten Freunde zählen, die unerschütterlich zu ihr standen, nämlich das Ehepaar Emma und Daniel Ritter sowie Rahels ehemaligen Klassenkameraden und „großen Bruder an ihrer Seite“, Falk Jäger. Gemeinsam mit ihnen versuchte Rahel, hinter die Beweggründe für die Anschläge zu kommen und wurde immer tiefer in ein Gespinst von Lügen, Geheimnissen und Abenteuer verwickelt…
Diese bis ins Detail perfekt gelungene Melange aus hervorragend recherchierten historischen Ereignissen, Abenteuer und Liebe, gewürzt mit einer kräftigen Portion Humor bescherte mir ein unvergessliches Lesevergnügen und es war schlichtweg unmöglich, es wieder aus der Hand zu legen. Ein Buch mit vorprogrammiertem Suchtfaktor, das für meine Person besonders mit hervorragend ausgearbeiteten, vielschichtigen und zutiefst einnehmenden handelnden Personen glänzt – etwas, das ich durchaus als eines von Elisabeth Büchles Markenzeichen benennen würde. Jene Figuren sind es auch, die meines Erachtens diesem Buch Leben einhauchen und es zu einem mitreißenden Epos machen, dessen Sogwirkung man sich einfach nicht entziehen kann. Die Autorin hat nicht nur die äußerlichen Erscheinungsmerkmale ihrer Personen, sondern auch deren Charaktereigenschaften liebevoll und detailliert gezeichnet, so dass sie mir innerhalb kürzester Zeit ans Herz wuchsen. Den größten Lesegenuss empfand ich bei den unzähligen Wortgeplänkeln, ausgelöst durch die raubeinige Suffragette Lady Alison, Rahels ehemaliger Lehrerin Emma, sowie Rahels Klassenkamerad Falk. Eine beeindruckende und nicht minder humorvolle Nebenfigur bietet die schrullige Kakteenliebhaberin Mary, Rahels Großmutter. Abgerundet wird das Ganze durch eine Beschreibung der Landschaft, insbesondere der Grabstätten im Tal der Könige, die einem den Eindruck vermittelte, selber vor Ort zu sein und das Gelesene auch tatsächlich „mit zu erleben“.
Elisabeth Büchle brilliert in diesem Roman nicht nur durch einen in äußerst einnehmendem Schreibstil präsentierten, ausgefeilten Plot, sondern hat neben ihrer Generationen umfassenden Geschichte voller Spannung, Romantik und Humor auch christliche Werte, wie den Glauben an Gott und die Kraft der Vergebung, in ihr Buch verwoben.
„Skarabäus und Schmetterlinge“ ist eine Lektüre, die ich uneingeschränkt weiter empfehlen kann, ein Buch, das für meinen Lesegeschmack bislang den Höhepunkt von Elisabeth Büchles Werken darstellt. Ein grandioses Familienepos, das man in atemloser Spannung und mit tiefen Emotionen verfolgt und nicht mehr aus der Hand legen möchte.