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Veröffentlicht am 01.02.2020

Drei Frauen mit Sorgen

Die Frauen von Richmond Castle
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1920er Jahre England. Ein Townhouse in Richmond ist das Zuhause der wohlhabenden Familie Camberwell, die auf alle so harmonisch und glücklich wirkt. Doch alles ist gut hinter Masken verborgen. Auf der ...

1920er Jahre England. Ein Townhouse in Richmond ist das Zuhause der wohlhabenden Familie Camberwell, die auf alle so harmonisch und glücklich wirkt. Doch alles ist gut hinter Masken verborgen. Auf der Party ihres 21. Geburtstages muss Tochter Blue erkennen, dass es ihren Eltern hauptsächlich darum geht, sie adäquat zu verheiraten, während sie selbst von einem Leben als Schriftstellerin träumt und eine Ehe momentan nicht in Erwägung zieht. Als Blue die Bekanntschaft der mittellosen Delphine macht, die vor ihrem gewalttätigen Ehemann auf der Flucht ist, bietet sie ihr an, bei ihrer Familie unter und erst einmal zur Ruhe zu kommen. Schon bald werden die beiden jungen Frauen zu engsten Vertrauten, doch dann sorgt unvorhergesehen ein altes Familiengeheimnis der Camberwells für große Unruhe und stellt die Freundschaft zwischen Blue und Delphine auf die Probe…
Tracy Rees hat mit „Die Frauen von Richmond Castle“ einen unterhaltsamen historisch angehauchten Roman vorgelegt, der den Leser mit einer flüssigen und bildhaften Erzählweise in das vergangene Jahrhundert entführt und dort an die Seite von drei Frauen stellt, deren Schicksal er hautnah mitverfolgen darf. Durch wechselnde Erzählperspektiven, die dem Leser sowohl Blue als auch Delphine und Blues Stiefmutter Midge sehr nahe bringen, erfährt er nach und nach deren Gefühls- und Gedankenwelt, aber auch ihre Ängste und Sorgen bleiben nicht verborgen. Rees gewährt dem Leser einen Blick durchs Schlüsselloch einer hochherrschaftlichen Familie, die bei allen beliebt und hoch angesehen ist, jedoch mit ihren eigenen Schwächen und Geheimnissen zu kämpfen hat. Spannend werden die Schicksale der drei Frauen miteinander verwoben und Themen wie u.a. eheliche Gewalt, Minderwertigkeitsgefühle, unkonventionelle Lebensträume mit in die Handlung eingebracht. Auch die Rolle der Frau zur damaligen Zeit wird von der Autorin angerissen, denn gerade ihnen war es nicht erlaubt, eigenständig einen Beruf zu ergreifen oder überhaupt Karriere zu machen. Ihr Leben definierte sich hauptsächlich über ihren Ehemann und dessen Position. Die Beschreibung der Örtlichkeiten laden regelrecht zum Kopfkino ein, während der Leser die Frauen in ihrem Leben begleitet.
Die Charaktere sind sehr interessant ausgestaltet, wirken lebendig, glaubwürdig und authentisch. Der Leser fühlt sich ihnen verbunden, darf ihre Entwicklung miterleben und mit ihnen fühlen. Blue weiß mit ihren 21 Jahren schon genau, was sie will und strebt danach, ihre Träume zu erfüllen. Sie ist ebenso selbstbewusst wie stark, dabei mitfühlend und eine sehr ehrliche Haut. Delphine hat mit ihrem Ehemann einen Alptraum erlebt, der sie in die Flucht trieb. Sie ist ängstlich, verunsichert und traut sich kaum ans Tageslicht. Ihr fehlt es an Selbstvertrauen, doch ihre Entwicklung innerhalb der Geschichte ist sehr schön mitzuverfolgen. Midge ist ebenfalls eine verunsicherte Frau, sie besitzt kaum Selbstwertgefühl und wirkt oftmals ängstlich, dass ihr alles im Leben jeden Moment wieder genommen werden könnte. Auch Blues Vater, Audra, Elf und andere Protagonisten bringen mit ihren Episoden einigen Unterhaltungswert.
„Die Frauen von Richmond Castle“ ist ein unterhaltsamer Schmöker über drei miteinander verknüpfte Frauenschicksale im vergangenen Jahrhundert. Die farbenfrohe und mitreißende Erzählweise der Autorin macht dieses Buch zu einer genussvollen Auszeit vom Alltag. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 26.01.2020

Das rote Seidentuch

Jahre der Hoffnung
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1938 Zentralfrankreich. Eliane Martin lebt mit ihren Eltern Liesette und Gustave sowie Bruder Yves in der alten Mühle des Ortes Couillac, während Schwester Mireille in Paris in einem Modeatelier arbeitet. ...

1938 Zentralfrankreich. Eliane Martin lebt mit ihren Eltern Liesette und Gustave sowie Bruder Yves in der alten Mühle des Ortes Couillac, während Schwester Mireille in Paris in einem Modeatelier arbeitet. Eliane kümmert sich liebevoll um ihre Bienenstöcke, die sie im Garten des Comte de Bellevue aufstellen durfte und bei dem sie als Hausmädchen in der Küche arbeitet. Beim Honigverkauf auf dem Markt lernt sie Mathieu kennenlernt, der schon bald zu ihrer großen Liebe wird. Aber die Zeiten sind unruhig, die Nazis marschieren in Frankreich ein und auch Couillac bleibt davon nicht verschont, die Lebensmittel werden rationiert und die Judenverfolgung hält in dem Ort Einzug. Zusätzlich wird die Stadt durch Zäune abgetrennt, so dass Mathieu und Eliane sich aufgrund ihrer verschiedenen Wohnorte nicht mehr sehen können. Während die Deutschen ihren Stützpunkt ins Schloss verlagern, betreibt der Conte insgeheim den Widerstand und bittet Eliane für Nachrichtengänge mit Hilfe eines roten Seidentuchs. Auch Elaines Familie stellt sich den Nazis entgegen, Yves taucht unter und wird Mitglied der Résistance, während Liesette und Gustave zu Fluchthelfern werden. Die Trennung von Mathieu macht Eliane schwer zu schaffen, als sie ihn das nächste Mal sieht, stehen sie sich wie Fremde gegenüber…
Fiona Valpy hat mit „Jahre der Hoffnung“ einen Roman vorgelegt, der mit zwei sich abwechselnden Handlungssträngen und einer fesselnden Geschichte über die französische Widerstandsbewegung im Zweiten Weltkrieg zu unterhalten weiß. Der mitreißende Erzählstil ist flüssig und bildgewaltig, so dass der Leser schnell in die Handlung eintaucht, um Eliane in einer gefährlichen Zeit (von 1938-1944) zu begleiten. Der zweite Handlungsstrang im Jahr 2017 mit der Protagonistin Abi dient nicht nur als Rahmen, in der die historische Geschichte eingebettet ist, sondern für den Leser auch als kleine Atempause, um das Gelesene zu rekapitulieren. Die Autorin erweckt mit ihrer farbenfrohen Sprache das Chateau, seinen Garten sowie die alte Mühle und die Bewohner von Couillac regelrecht zum Leben, so dass der Leser während der Lektüre alles gut vor Augen hat. Die Arbeit der Widerstandsbewegung gegenüber den Nazis wird ebenso gut beschrieben wie die unbarmherzigen Sanktionen der Feinde und das immer weiter wachsende Misstrauen innerhalb der Bevölkerung. Besonders hervorzuheben ist hier auch der Zusammenhalt innerhalb der Familie Martin, die sich der Freiheit regelrecht verschrieben haben und ungeachtet der Gefahr mit Erfindungsreichtum und Mut für andere einstehen.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und mit Leben versehen, sie wirken aufgrund ihrer ganz persönlichen Eigenheiten glaubwürdig und authentisch, so dass der Leser sich als unsichtbarer Teil von ihnen fühlt und mit ihnen hoffen und bangen kann. Familie Martin sowie der Comte und seine Köchin sind einfach zum Verlieben. Liesette, Gustave, Yves, Mireille und Eliane haben ein großes und mitfühlendes Herz, kämpfen für Gerechtigkeit und helfen, wo sie nur können. Der alte Comte wirkt zwar so, als könne ihn ein Windstoß umhauen, doch ist er ein zäher und kämpferischer Mann, der nie die Contenance verliert. Jack Lemaitre ist ein englischer Agent, der aufgrund seines guten Französisch wunderbar mit der Bevölkerung verschmilzt, während er seiner Arbeit nachgeht. Mathieu ist ein zurückhaltender fleißiger Mann, der nicht viel preisgibt, weshalb es zu Missverständnissen kommt. Stéphanie ist ein richtiges Biest, die mit Lügen andere nicht nur in Gefahr bringt. Leutnant Faber ist ein Nazi, der wohl doch ein Herz in seiner Brust hat. Aber auch Francine, die Sekretärin des Bürgermeisters sowie weitere Protagonisten fesseln mit ihren Auftritten.
„Jahre der Hoffnung“ ist ein packender historischer Roman, der dem Leser eine Reise in eine unruhige und gefährliche Zeit Frankreichs beschert und dort das Leben und Treiben der Bewohner, aber auch eine zarte Liebesgeschichte miterleben darf. Sehr schöne Lektüre mit verdienter Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 25.01.2020

Franks Aufstieg in Hollywood

Tal der Illusionen
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1911-1926 Kalifornien. Frank Maynard verlässt nach dem Tod seiner Frau San Francisco und lässt sich in dem kleinen Kaff Hollywood nieder, wo die allmählich aufblühende Filmbranche sich niedergelassen hat ...

1911-1926 Kalifornien. Frank Maynard verlässt nach dem Tod seiner Frau San Francisco und lässt sich in dem kleinen Kaff Hollywood nieder, wo die allmählich aufblühende Filmbranche sich niedergelassen hat und sich immer weiter vergrößert. Schon bald gelingt es Frank durch Scharfsinn, harter Arbeit und einer Portion Glück, sich in der Filmwelt zu etablieren und die Schalthebel der Macht zu erreichen. Mit seiner Geliebten Harriet Caldwell verbindet ihn immer noch viel, doch die Welt Hollywoods ist so verschieden von der Welt, in der Harriet sich bewegt, und es lauern an jeder Ecke so einige Versuchungen…
Kate O’Hara hat mit „Tal der Illusionen“ den zweiten Teil der Caldwell-Saga vorgelegt, die schon mit dem Titel klar macht, dass sich diesmal hauptsächlich alles um die Filmindustrie dreht. Zum besseren Verständnis sei den Lesern empfohlen, erst „Stadt der Träume“ zu lesen, um die Protagonisten und ihr Leben kennenzulernen, bevor sie sich diesem Teil widmen, der nahtlos an den Vorgänger anschließt. Der Schreibstil ist flüssig-leicht und bildhaft, schnell findet sich der Leser in Gesellschaft vertrauter Protagonisten wieder, um ihr Schicksal über einen Zeitraum von 15 Jahren weiter zu begleiten und nebenbei interessante Hintergrundinformationen zur damaligen Zeit und ihrer Entwicklung zu erfahren. Im Mittelpunkt steht diesmal Frank Maynard, der San Francisco den Rücken kehrt und seinem Traum vom Filmgeschäft in Hollywood nachgeht. Die Beziehung zwischen Harriet und Frank ist auf Distanz, denn Frank vergräbt sich immer mehr ins Geschäft, und Harriet ist mit der Reederei und ihrem Ehemann Jordan sowie einigen intriganten Familienmitgliedern beschäftigt. Die Autorin überzeugt hier mit guter Recherche und gibt dem Leser einen guten Einblick in die Anfänge der sich dort ansiedelnden Unterhaltungsindustrie. So wurde das erste Filmstudio 1911 gegründet und zog im gleichen Jahr noch 15 weitere an. Die Filmindustrie verlagerte sich von New York nach Kalifornien vor allem wegen der guten Lichtverhältnisse und dem konstant milden Klima.
Die Charaktere haben sich gegenüber dem ersten Band weiterentwickelt und lassen den Leser daran teilhaben. Sie wirken realistisch und vor allem glaubwürdig, was es dem Leser leicht macht, sich ihnen verbunden zu fühlen und ihr Schicksal genau zu verfolgen. Frank ist ein ewig Zweifelnder, aber mit jeder Menge Mut und Tatkraft ausgestattet. Er ist clever, nutzt die Gunst der Stunde, ist zur rechten Zeit am richtigen Ort, um seinen Traum zu verwirklichen. Er scheut keine harte Arbeit und klettert die Leiter des Erfolges nach oben, immer sein Ziel im Blick. Harriet ist derweil in Frisco durch die Reederei in Beschlag genommen, schlägt sich mit ihrem Onkel Henry und ihrer Schwester Ashley herum, die ihr das Leben schwer machen. Jordan Shaw, Harriets Ehemann, ist ein gutmütiger Kerl, der seine Frau auf Händen trägt. Aber auch andere Protagonisten machen die Handlung abwechslungsreich und kurzweilig.
Mit „Tal der Illusionen“ ist eine unterhaltsame Fortsetzung von „Stadt der Träume“ gelungen, die sich diesmal nicht auf dem Parkett der Reederei, sondern dem der Filmindustrie bewegt. Die Anfänge der Unterhaltungsbranche in Kalifornien sind sehr gut in die Handlung integriert und geben der Geschichte eine schöne Kulisse. Der spannend-inszenierte Schluss lässt auf einen packenden letzten Teil hoffen.

Veröffentlicht am 25.01.2020

Harriets Traum

Stadt der Träume
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19./20. Jh. San Francisco, Kalifornien. Harriet Caldwell hat sich schon immer für Schiffe und Technik interessiert. Als älteste Tochter möchte sie unbedingt ihrem Vater Arthur nachfolgen und die familieneigene ...

19./20. Jh. San Francisco, Kalifornien. Harriet Caldwell hat sich schon immer für Schiffe und Technik interessiert. Als älteste Tochter möchte sie unbedingt ihrem Vater Arthur nachfolgen und die familieneigene Caldwell Shipping Company übernehmen. Doch als der durch einen Schlaganfall außer Gefecht gesetzt wird, muss Harriet die Ärmel hochkrempeln, um sich ihren Anspruch zu erkämpfen, denn es werden ihr, auch aus der eigenen Familie, immer wieder Steine in den Weg gelegt. Immer wieder begegnet sie dabei Frank Maynard, der in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs und davon träumt, im Filmgeschäft Karriere zu machen. Als 1906 ein schweres Erdbeben San Francisco heimsucht, brechen schwere Zeiten an für Harriet und Frank…
Kate O’Hara hat mit „Stadt der Träume“ den ersten Teil ihrer historischen Familiensaga rund um die Reederfamilie Caldwell vorgelegt und nimmt den Leser mit in das alte Kalifornien, wo er nicht nur einiges über das Reedereigeschäft kennenlernt. Der fesselnde Erzählstil ist durchweg flüssig und farbenfroh, so dass der Leser mit den ersten Zeilen regelrecht in den Seiten verschwindet, um sich in San Francisco am Embarcadero gelegenen Hafen umzusehen und Harriets Treiben während einiger Jahre zu begleiten. Wechselnde Perspektiven erlauben es zudem, auch Franks Entwicklung kennenzulernen. Die Autorin lässt mit bildhaften Beschreibungen die alte Stadtkulisse wieder auferstehen und bringt nebenbei einiges an interessanten Informationen über das Schifffahrtsgeschäft in ihrer Geschichte unter. Die unterschiedlichsten Gesellschaftsformen sind ebenso Thema wie die Rolle der Frau zur damaligen Zeit, vor allem die Erwartungen, die von ihrer Familie an Harriet gestellt werden. Der Einblick in die Familiendynastie sowie die unterschiedlichsten Geheimnisse und Intrigen sind wunderbar in die Handlung eingeflochten und lassen die Spannung immer wieder ansteigen. Auch die sich langsam entwickelnde Filmindustrie und die ersten Lichtspieltheater haben in diesem historisch angehauchten Roman eine Rolle, die sich vermutlich in den Folgebänden noch intensivieren wird. Das starke Erdbeben von 1906 ist hier Spannungsanker und Wendepunkt.
Die Charaktere wurden lebendig und glaubwürdig inszeniert. Sie bestechen mit Individuellen Eigenschaften und geben dem Leser die Möglichkeit, sich an ihre Fersen zu heften, um mit ihnen zu fiebern. Harriet stammt aus einer wohlhabenden Familie, was ihr Schicksal eigentlich vorprogrammieren sollte, mit einer Heirat in bessere Kreise den Status zu erhalten. Doch Harriet ist selbstbewusst, neugierig, intelligent und vor allem sehr entschlossen, sich ein Leben nach eigenen Vorstellungen zu kreieren. Sie ist willensstark und hat Kampfgeist, lässt sich nicht so leicht unterkriegen. Frank ist ein abenteuerlustiger Mann, der den ärmlichen Verhältnissen den Rücken gekehrt hat und sich daran macht, seinen Traum zu verwirklichen, ins Filmgeschäft einzusteigen. Arthur Caldwell ist ein bodenständiger Mann, der das Interesse seiner Tochter für die Reederei fördert. Harriets Mutter ist ein Snob und benimmt sich wie eine Diva, nach deren Wünschen alle zu springen haben. Die weiteren Protagonisten tragen mit ihren eigenen Auftritten ebenso zur Handlung bei und machen sie bunt und abwechslungsreich.
Mit „Stadt der Träume“ ist O’Hara ein spannender Auftakt gelungen, der den Leser mit einer sehr unterhaltsamen Geschichte, viel Hintergrundwissen sowie einen gut recherchierten historischen Hintergrund überzeugen kann. Die Fortsetzung wird mit Spannung erwartet! Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 19.01.2020

Drei Frauenschicksale im alten Schmelztiegel Berlin

Die Frauen vom Alexanderplatz
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1918 Berlin. Den verlorenen Krieg haben die Deutschen noch nicht verdaut, da stehen sie schon mit einem Bein in der Novemberrevolution. In diesen schwierigen Zeiten kommen drei Frauen aus unterschiedlichen ...

1918 Berlin. Den verlorenen Krieg haben die Deutschen noch nicht verdaut, da stehen sie schon mit einem Bein in der Novemberrevolution. In diesen schwierigen Zeiten kommen drei Frauen aus unterschiedlichen Motiven nach Berlin. Während die Schneidertochter Vera sich in den Matrosen Benno verliebt hat und diesen versteckt, ist Fritzi von der Ostsee nach Berlin gekommen auf der Suche nach Benno, der wie vom Erdboden verschluckt zu sein scheint und von dem sie eine Tochter hat. Hanna kommt aus reichem Hause und hat an der Front als Krankenschwester gearbeitet. Nun möchte sie in Berlin Medizin studieren, was ihrer Familie so gar nicht gefällt. Doch Hanna hat noch einen anderen Grund, in die Großstadt zu ziehen und zur damaligen Zeit besser im Verborgenen bleibt…
Elke Schneefuß hat mit „Die Frauen vom Alexanderplatz“ einen fesselnden und sehr unterhaltsamen Roman vorgelegt, der den Leser bereits mit den ersten Zeilen in die Geschichte hineinkatapultiert und nicht mehr loslässt, bis die letzte Seite gelesen ist. Auch wenn manche Kapitel recht lang sind, mag man das Buch nicht aus der Hand legen und schlägt sich lieber die Nacht um die Ohren. Der Erzählstil ist flüssig-leicht, bildhaft und gefühlvoll, wechselnde Perspektiven erlauben es dem Leser, jede einzelne Protagonistin zu begleiten und so Hanna, Vera und Fritzi sowie ihre Gedanken- und Gefühlswelt genau kennenzulernen. Der Autorin gelingt hier ein toller Spagat, denn die Wege der so unterschiedlichen Frauenschicksale verwebt sie im Verlauf des Romans miteinander. Auch der geschichtliche Hintergrund ist überzeugend in die Handlung eingepflegt, zeigt er doch die gesellschaftliche und politische Lage auf und lässt den Leser auch etwas über die damaligen Ansichten über die Rolle der Frau erfahren. Mit bildhaften Beschreibungen wird das alte Berlin wieder zum Leben erweckt, der Leser wandelt in der damaligen Zeit und lernt die Stadt von einer völlig neuen Seite kennen. Zudem hält die Autorin überraschende Wendungen für ihre Protagonisten bereit, die die Spannung merklich steigern und den Leser in Atem halten.
Die Charaktere sind sehr liebevoll und lebendig gezeichnet, sie bestechen mit ihrer Individualität und wirken authentisch und glaubwürdig. Der Leser fühlt sich von Beginn an mit ihnen wohl, kann mit ihnen leiden, hoffen und fiebern. Hanna ist eine zurückhaltende junge Frau mit offenen, freundlichen Wesen. Sie ist hilfsbereit, verlässlich und voller Hoffnung darauf, ihre Träume zu verwirklichen. Dabei besitzt sie neben einem gesunden Misstrauen auch Realitätssinn, die Dinge zu nehmen, wie sie sind und sich von allem zu trennen, was ihr nicht guttut. Vera ist eine Kämpfernatur, das hat sie im Krieg und innerhalb ihrer Familie gelernt. Manchmal wirkt sie wie aus Stahl, ist nicht auf den Mund gefallen und setzt sich für andere ein. Fritzi ist das Landei, das sich in der großen Stadt erst einmal zurechtfinden muss. In ihrem Herzen lebt sie noch in der Vergangenheit und möchte unbedingt an alten Dingen festhalten. Sie ist offenherzig und treu, aber manchmal auch naiv zu glauben, das alles wie früher wird. Ebenso tragen die weiteren Protagonisten mit ihren Auftritten zu einer rundum gelungenen Geschichte bei.
„Die Frauen vom Alexanderplatz“ ist ein fesselnder historischer Roman, der unterhaltsame und gefühlvolle Lesestunden bietet und den Leser einen kurzweiligen Aufenthalt im alten Berlin gewährt. Wunderbar erzählt, hat dieser Schmöker eine Leseempfehlung mehr als verdient. Gut gemacht!