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Veröffentlicht am 08.02.2020

Tanz der Gestirne

Sonne, Mord und Sterne
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Nein, ich habe das Erscheinungsdatum dieses Buches nicht in den Sternen gesehen. Endlich ist es soweit: Mit der Ruhrpott-Krimödie "Sonne, Mord und Sterne" hat Lotte Minck den dritten Band ihrer erfolgreichen ...

Nein, ich habe das Erscheinungsdatum dieses Buches nicht in den Sternen gesehen. Endlich ist es soweit: Mit der Ruhrpott-Krimödie "Sonne, Mord und Sterne" hat Lotte Minck den dritten Band ihrer erfolgreichen Reihe um die Astrologin Stella Albrecht vorgelegt.

Beim Bochumer Astrologiekongress versammelt sich alles, was in der Branche Rang und Namen hat, vom Geistheiler über den Engelsbotschafter bis zum Jenseitsmedium. Um zu erkennen, dass Marlene Silberstein tot ist, braucht man allerdings weder hellseherische Fähigkeiten noch muss man des Auralesens mächtig sein: Der Star der Astrologenszene wurde erschlagen, und zwar mit dem ihr gerade erst verliehenen "Saturn". Während der zunehmend genervte Kommissar Arno Tillikowski bei seinen Befragungen mit Engelskontakten als Alibi konfrontiert wird, begibt sich Stella auf die Suche nach dem Täter - wie immer mit himmlische Hilfe, aber auch ganz bodenständig unterstützt von ihren Freunden.

Das Cover von Ommo Wille ist wieder eine Klasse für sich. Der Betrachter schaut in ein Hotelzimmer, das in völlige Dunkelheit getaucht und lediglich von dem schwachen Licht mehrerer Kerzen erhellt wird. Im angrenzenden Badezimmer mustert sich eine junge Frau selbstgefällig im Spiegel und zieht sich sorgfältig die Lippen nach. Offensichtlich erwartet sie Besuch; denn sie ist aufreizend mit knallroten Dessous bekleidet. Auf einen Eindringling, der sich mit einem schweren Gegenstand in der Hand auf leisen Sohlen ins Badezimmer scheint, kann sie kaum vorbereitet sein. Auch der Titel "Sonne, Mord und Sterne" ist schlichtweg genial. Denn er nimmt das zentrale Motiv "Astrologie" auf eine lässige, selbstironische Art auf, in dem er ein bekanntes Kinderlied kurzerhand umdichtet.

Wie die Vorgänger "Planetenpolka" und "Venuswalzer" spielt das Buch "Sonne, Mord und Sterne" wieder mitten im Ruhrpott. Lotte Minck, die ungekrönte Queen of Crimedy, hat sich ein ausgefallenes Setting einfallen lassen. Sie gewährt uns einen Blick hinter die Kulissen eines Astrologie-Kongresses in Bochum, zu dem die seriöse Astrologin Stella Albrecht und ihre flotte Oma Maria Schmidt, besser bekannt als geheimnisumwitterte "Madame Pythia", geladen sind. Dort lernen sie Marlene Silberstein, den atraktiven, berühmt-berüchtigten Star der Astrologie-Szene, kennen, die sich weniger durch Fachwissen denn durch Cleverness auszeichnet. Sie ist sehr geschäftstüchtig, manipuliert ihre Mitmenschen nach Belieben, hat einige Leichen im Keller und ist mit allen Wassern gewaschen. Demzufolge ist es keine große Überraschung, das sie den ersten Preis des Events abräumt und mit dem "Saturn" für ihre Verdienste ausgezeichnet wird. Dass sich diese Statue als Tatwerkzeug entpuppt, mit dem sie selbst hinterrücks in ihrem Badezimmer erschlagen wird, dürfte sie nicht vorhergesehen haben. Verdächtige gibt es mehr als genug. Statt das schillernde Event in ihrer Heimatstadt zu genießen, steckt Stella Albrecht mitten in einem komplizierten Mordfall und unterstützt ihren Freund, Kommissar Arno Tillikowski, auf der Suche nach dem Täter...

Wieder einmal bin ich restlos begeistert von dem neuen Buch meiner Lieblingsautorin Lotte Minck. Es ist witzig-spritzig geschrieben und bietet vergnügliche, spannende Unterhaltung mit viel Lokalkolorit und tollen, schrägen Protagonisten, die jeden Leser in ihren Bann schlagen wird. Einfach eine großartige Mischung aus Krimi und Kömodie! Bitte mehr davon!

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Veröffentlicht am 29.01.2020

Gerüchteküche

Das Gerücht
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Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht. (Mark Twain)

Als ich den Klappentext dieses Buches gelesen habe, fühlte ich mich an den authentischen Fall ...

Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht. (Mark Twain)

Als ich den Klappentext dieses Buches gelesen habe, fühlte ich mich an den authentischen Fall "Mary Bell" aus den späten 1960er Jahren in Großbritannien erinnert, in dem ein heranwachsendes Mädchen zu einer Kindsmörderin wurde. Die Resozialisierung von jugendlichen Straftätern ist ein extrem heikles Thema. Haben sie eine zweite Chance verdient, wenn sie die vorgesehene Strafe abgesessen und für ihr Verbrechen gebüsst haben? Oder sollen sie lieber für immer weggesperrt werden, um die Gesellschaft vor ihnen zu schützen? Deshalb hat es mich sehr gereizt, dieses literarische Debüt von Lesley Kara zu lesen.

Joanna zieht mit ihrem Sohn Alfie von London in eine Kleinstadt am Meer. Zunächst ist es die pure Idylle – dann hört sie, dass die Kindermörderin Sally McGowan, die als Zehnjährige einen Spielkameraden umbrachte, unter anderem Namen in der Stadt leben soll. Vor Jahrzehnten machte der Fall Schlagzeilen, inzwischen ist Sally längst aus dem Gefängnis entlassen worden. Unbedacht erzählt Joanna anderen Müttern von dem Gerücht und ihrem Verdacht, wer die Mörderin von damals sein könnte. Sie ahnt nicht, was für eine verheerende Spirale von Ereignissen sie damit in Gang setzt. Und wie sehr sie selbst in diese Geschichte verstrickt ist.

Von dem in dunklen Farben gehaltenen Cover geht eine bedrohliche, düstere Atmosphäre aus. Alles ist in tiefes Schwarz getaucht, am Himmel ziehen dunkle Wolken auf, die nichts Gutes verheißen. Automatisch bleibt der Blick des Betrachters an dem in Großbuchstaben gesetzten schlichten Titel des Buches hängen, der schwachen Lichtschein in den altmodischen Häusern aufnimmt.

"In unserer Stadt lebt eine Mörderin." Dieser kurze Satz ist der zentrale Dreh- und Angelpunkt, um den dieser spannende Psychothriller kreist. Das Geschehen wird überwiegend aus der Perspektive von Joanna, einer alleinerziehenden Immobilienmaklerin, vermittelt, deren Gedanken und Gefühle wir hautnah miterleben. Durch eine unbedachte Bemerkung hat sie das Interesse der Klatschbasen in einem kleinen Dorf angefacht und eine ganze Lawine ins Rollen gebracht, die sie selbst zu vernichten droht. Sensationslüsterne Bewohner zerreissen sich ihr Maul und wühlen die Erinnerung an ein vor langer Zeit begangenes, gesühntes Verbrechen auf. Es bleibt nicht bei gewisperten Verdächtigungen; nein, bald kommt es zu Protestaktionen von 'besorgten Bürgern', die sich in brutaler Gewalt gegenüber unschuldigen Dritten entladen, die - aus welchen Gründen auch immer - aus der breiten Masse hervorstechen. Was wird geschehen?

Lesley Kara hat ein beeindruckendes literarisches Debüt vorgelegt, das ein wahres Schreckensszenario entwirft, in dem es unsere gesellschaftliche Realität spiegelt. Es ist nicht nur spannend zu lesen, sondern vermittelt eine wichtige Botschaft. Deshalb gibt es eine klare Lese-Empfehlung.

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Veröffentlicht am 23.01.2020

Faust auf Faust

Jenseits von tot
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Mit dem Krimi "Jenseits von tot" legt die Friedrich-Glauser-Preisträgerin Lucie Flebbe den dritten und letzten Teil ihrer Trilogie um die Kriminalkommissarin Edith "Eddie" Beelitz und den Security-Experten ...

Mit dem Krimi "Jenseits von tot" legt die Friedrich-Glauser-Preisträgerin Lucie Flebbe den dritten und letzten Teil ihrer Trilogie um die Kriminalkommissarin Edith "Eddie" Beelitz und den Security-Experten Joseph "Zombie" Rheinhart vor, der - ebenso wie ihre fesselnde Reihe um die Amateurdetektivin Lila Ziegler - wieder in Bochum, mitten im Revier, spielt.

Privat läuft es für Kriminalkommissarin Eddie Beelitz. Dem beruflichen Vorankommen allerdings steht ihre Teilzeitregelung im Weg. Das ändert sich schlagartig, als auf einem alten Zechengelände eine Leiche gefunden wird und die Staatsanwältin Eddie ausdrücklich ins Ermittlerteam beruft. Nachforschungen ergeben, dass die Tote, die in der Immobilienbranche arbeitete, etliche Feinde hatte. Zudem stößt Eddie auf eine Intensivpflege-Wohngemeinschaft, in der die Mutter der Ermordeten untergebracht werden sollte. Da die Polizei dort alles andere als willkommen ist, bittet Eddie ihren Freund Jo Rheinhart alias »Zombie« um Hilfe, der den Leiter der Einrichtung kennt. Als Zombie während der Ermittlungen auf einen alten Feind trifft, holt ihn sein dunkelstes Geheimnis ein. Wird ihm seine Vergangenheit zum Verhängnis?

Das Cover hat definitiv einen hohen Wiedererkennungswert. Es sticht ins Auge und hebt sich von der Masse der Kriminalromane ab, die man in den Buchhandlungen findet. Nicht zuletzt durch die verwendeten Farben strahlt der letzte Band der Reihe einen gewissen Optimismus aus, spiegelt aber auch die Zerrissenheit und Verletztlichkeit der Protagonisten. Auf den ersten Blick will die krakelige Kinderzeichnung am äußeren Bildrand gar nicht zu einem packenden Krimi passen. Sie strahlt etwas Kindliches und Unschuldiges aus, und ihre Bedeutung erschließt sich im Laufe der Lektüre.
Der Einstieg in das Buch ist mir leicht gefallen. Viele Figuren kannte ich aus den vorausgegangenen zwei Bänden, insoweit war es wie ein Wiedersehen mit guten Bekannten. Das Geschehen wird abwechselnd aus der Ich-Perspektive der Polizistin Eddie Beelitz und des Security-Experten und ehemaligen Boxers Joseph Rheinhart vermittelt, die sich während der Ermittlungen in komplizierten Mordfällen in den Bänden "Jenseits von Wut" und "Jenseits von Schwarz" kennen- und lieben gelernt haben.


Eddie Beelitz und Joseph Rheinhart sind zwei starke Protagonisten, die sich definitiv jenseits des Mainstreams bewegen. Allen Widerständen zum Trotz ist es ihnen gelungen, mit ihren Kindern eine kleine glückliche Patchwork-Familie in einem etwas gewöhnungsbedürftigen, stabilen sozialen Umfeld zu gründen, die gegen den alltäglichen Rassismus kämpft.


Nach einem schwierigen Wiedereinstieg ins Berufsleben hat Eddie gelernt, sich nicht mehr von ihren männlichen Kollegen unterbuttern zu lassen. Auch in ihrem Privatleben versucht sie, gegen ihr ausgeprägtes Helfer-Syndrom anzugehen Zombie hat die Schatten der Vergangenheit weitgehend hinter sich gelassen. Er ist kein einfacher Mensch. Wie sein Spitzname "Zombie" andeutet, sieht der dunkelhäutige, groß gewachsene Mann durch seine eigenwilligen, entstellenden Tattoos furchterregend aus, und man könnte glatt vor ihm davonlaufen. Psychisch gesehen, ist er angeschlagen. Er hat negative Erfahrungen im Umgang mit anderen Menschen aufgrund seiner Hautfarbe und schwierigen Familienverhältnisse gemacht und schleppt viele Altlasten und ein hohes Aggresionspotential mit sich herum. Trotzdem ist er ein liebevoller Partner, und er opfert sich für seine Familie auf, die alles andere als "gewöhnlich" ist.

Der neue Roman "Jenseits von tot" ist sehr vielschichtig. Lucie Flebbe ist es gelungen, nicht nur einen fesselnden, gut recherchierten Krimi, sondern gleichzeitig die private Liebesgeschichte ihrer Protagonisten glaubhaft fortzuschreiben. Ganz nebenbei werden noch soziale und gesellschaftliche Missstände wie die sexuelle Ausbeutung von Frauen und Missstände in der Pflege thematisiert. Dieser letzte Fall führt weit in die Vergangenheit zurück und bringt Eddie und Zombie an ihre Grenzen, und sie gehen nicht ganz unbeschädigt aus ihm heraus. Als liebenswerte Helden jenseits des Mainstreams, die man in sein Herz geschlossen hat, wünscht man ihnen eine glückliche gemeinsame Zukunft.

Alles in allem gibt es eine klare Lese-Empfehlung von mir - und 5 Sterne. Natürlich wünsche ich mir viele weitere Bücher von Lucie Flebbe. Was sonst.

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Veröffentlicht am 21.01.2020

Schicksalsmelodie

Die Diva
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„Es gibt Leute, die zum Glücklichsein geboren werden, und andere, die zum Unglücklichsein bestimmt sind. Ich habe einfach Pech gehabt.“
(Maria Callas)

Die Callas – la Divina, die Göttliche, die ewige ...

„Es gibt Leute, die zum Glücklichsein geboren werden, und andere, die zum Unglücklichsein bestimmt sind. Ich habe einfach Pech gehabt.“
(Maria Callas)

Die Callas – la Divina, die Göttliche, die ewige Stimme der Liebe. So lauten viele Superlative, wenn man sich mit der berühmten Operndiva näher beschäftigt. Maria Callas ist längst zum Mythos geworden. Noch heute müssen sich ihre Nachfolgerinnen an der griechisch-amerikanischen Operndiva messen lassen, die zu den bedeutendsten Sopranistinnen des 20. Jahrhunderts zählt.

In ihrem biographischen Roman "Die Diva" macht sich Michelle Marly, hinter der sich die erfolgreiche Schriftstellerin Micaela Jary verbirgt, auf die Spuren der größten Sängerin ihrer Zeit und dem Drama ihrer Liebe. Ihr Buch ist bereits der 12. Band aus der Reihe "Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe", die im Aufbau Verlag erscheinen.

Venedig, 1957: Maria Callas ist die größte Sängerin ihrer Zeit, doch die künstlerische Perfektion, die sie auf der Bühne verkörpert, beginnt ihren Tribut zu fordern. Ihre Stimme droht zu versagen, und Maria sehnt sich nach einer Auszeit – die ihr jedoch weder von der Welt der Oper noch von ihrem Mann und Manager Meneghini zugestanden wird. Dann begegnet sie dem Reeder Aristoteles Onassis, und gegen alle Widerstände verlieben sich die beiden – bis Onassis die Bekanntschaft von Jackie Kennedy macht ...

Das Cover ist in Sepia-Tönen gehalten. Es zeigt eine grazile Frauengestalt vor einer malerischen Kulisse und spiegelt die unnachahmliche Eleganz der Primadonna assoluta, die bereits zu Lebzeiten eine Legende war. Der Titel "Die Diva" unterstreicht ihre außergewöhnliche Begabung, macht aber gleichzeitig deutlich, dass sie eine schwierige, bisweilen exzentrische Persönlichkeit war .

Im Mittelpunkt dieses biographischen Romans steht die leidenschaftliche, verhängnisvolle Affäre zwischen der Operndiva Maria Callas und dem Reeder Aristoteles Onassis, die an eine griechische Tragödie erinnert. Sie waren ein schillerndes Paar, das großes Aufsehen im internationalen Jet Set erregte. Auf den ersten Blick schienen sie gar nichts miteinander gemein zu haben. Aristoteles Onassis war ein Kunstbanause, der sich nur für erfolgsversprechende Geschäfte, nicht für klassische Musik interessierte. Als ein nicht eben attraktiver, klug kalkulierender Geschäftsmann schmückte er sich mit den schönsten Frauen seiner Zeit und betrachtete seine Geliebte Maria Callas als ein wertvolles Schmuckstück in seiner Sammlung. Für Maria Callas wäre diese nüchterne Betrachtungsweise ein Affront gewesen. Sie war in leidenschaftlicher Liebe zu Aristoteles Onassis entbrannt, betrachtete ihn als die Liebe ihres Lebens und träumte nach der Scheidung von einer Legitimation ihres Status, die er ihr zeitlebens verweigerte. Stattdessen vermählte er sich in zweiter Ehe mit Jackie Kennedy, der Witwe des ermordeten amerikanischen Präsidenten, die seinen gesellschaftlichen Aufstieg in die vornehmen Kreise unterstreichen sollte. Sein egozentrisches Verhalten muss für die empfindsame Operndiva ein Schlag ins Gesicht gewesen sein. Dennoch konnte es sie nicht von ihrer toxischen Liebe zu ihrem griechischen Landsmann heilen, die sie letzendlich in die Selbstzerstörung und den viel zu frühen Tod trieb.

Auch wenn ich die Beziehung von Maria Callas und Aristoteles Onassis mehr als kritisch sehe, hat mir dieses Buch sehr gefallen. Michelle Marly ist ein einfühlsamer, tiefgründiger, sehr gut recherchierter Roman über die Callas als Inbegriff von Glamour und Charisma, als Künstlerin jenseits aller Maßstäbe, vor allem aber – als leidenschaftlich liebende Frau gelungen. Wer in eine längst vergangene Zeit, aber sehr interessante Epoche, eintauchen will, sollte diesen biographischen Roman unbedingt lesen!

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Veröffentlicht am 27.11.2019

Zwischen gestern und heute

Sehnsucht nach St. Kilda
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"Sehnsucht nach St. Kilda" ist das erste Buch, das ich von der deutschen Autorin Isabel Morland gelesen habe. Durch ihre Reisen hat sie ihre Liebe für das rauhe Schottland entdeckt, welches die Kulisse ...

"Sehnsucht nach St. Kilda" ist das erste Buch, das ich von der deutschen Autorin Isabel Morland gelesen habe. Durch ihre Reisen hat sie ihre Liebe für das rauhe Schottland entdeckt, welches die Kulisse für ihre mystisch anmutenden Liebesromane bildet.

In ihrem neuen Roman geht es um die verlassene Hebriden-Insel St. Kilda, deren letzte Einwohner vor fast 90 Jahren aufs Festland evakuiert worden. Ein seltsamer Zauber umgibt ihre schroffe Schönheit, das spürt auch die Londonerin Rachel, die nach drei schweren Schicksalsschlägen in der Abgeschiedenheit der Insel Zuflucht sucht. Gemeinsam mit einigen Helfern soll sie für den National Trust Gebäude instand setzen. Und Rachel ist nicht die Einzige, die in den hellen Nächten keinen Schlaf findet und dem Schrei der wilden Vögel lauscht: Da ist auch noch der Fotograf Ailic, der hinter einer Maske von Leutseligkeit einen tiefen Schmerz verbirgt …

Das mystisch anmutende, stimmungsvolle Cover ist in sanften Farben gehalten. Es spiegelt die herbe Schönheit der Insel und schlägt jeden Betrachter in seinen Bann. St. Kilda ist ein Sehnsuchtsort, was der Titel des Buches ausdrücklich unterstreicht.

Wenn man sich auf dieses Buch einlässt, wird man sofort von dem eigenwilligen Charme dieser Hebriden-Insel gefangengenommen. Dank der anschaulichen Landschaftsbeschreibungen springt das Kopfkino sofort an, und man taucht ein in eine fremde, faszinierende Welt, in der die Grenzen von Vergangenheit und Gegenwart verschwimmen.

Das Geschehen spielt auf zwei zeitlichen Ebenen, nämlich in der Vergangenheit, die wir in der Kindheit von Annie gegen Ende der 1920er Jahre bis Anfang der 1930er Jahre verorten können, und in der aktuellen Gegenwart, die auf 2005 festgelegt wird. Die Handlung wird aus zwei verschiedenen Perspektiven vermittelt. Hierbei wird die Vergangenheit aus dem Blickwinkel des kleinen Mädchens Annie betrachtet, die ihre geliebte Heimat aufgrund der sich extrem verschlechternden Lebensbedingungen auf St. Kilda verliert, während die Gegenwart aus der Sichtweise der alleinerziehenden jungen Mutter Rachel geschildert wird.

Im Mittelpunkt des Romans stehen zwei starke Frauengestalten, die schlimme Schicksalsschläge in ihrem Leben ertragen mussten. Annie und Rachel sind sehr sympathisch; dies gilt vor allem für Rachel, die ihren Mann durch eine unheilbare Krankheit verloren hat und mit ihrem kleinen Sohn Sam in der Metropole London lebt. Mit mehreren Jobs versucht sie, sich in der Metropole London über Wasser zu halten, bis sie sich ihr Scheitern eingestehen muss und nach Schottland zu ihrer betagten Großmutter Annie zieht. Durch einen glücklichen Zufall erhält sie einen Aushilfsjob als Köchin für einen Workshop des National Trust for Scotland und darf 4 Wochen lang auf der Hebriden-Insel St. Kilda verbringen, die für ihre Großmutter Annie untrennbar mit den Erinnerungen an ihre entbehrungsreiche, glückliche Kindheit in einer intakten Gemeinschaft und ihren zwei Jahre älteren besten Freund Finlay verbunden ist. Auf der Suche nach einem verloren gegangenen "Schatz" ihrer Großmutter verliert sie ihr Herz an den berühmten Landschaftsfotografen Ailic Burnett, der aufgrund eines traumatischen Erlebnisses einer festen Beziehung aus dem Weg gehen möchte.

Der Roman "Sehnsucht nach St. Kilda" ist eine reizvolle Mischung aus historischen Fakten und literarischer Fiktion. Für mich persönlich ist die Schilderung der geschichtlichen Ereignisse, die zur Evakuierung der einheimischen Bevölkerung auf das Festland führten, etwas interessanter gewesen als die romantische Liebesgeschichte zwischen Rachel und Ailic, die etwas zu vorhersehbar gestaltet worden ist. Dafür wird Isabel Morland jeden Leser zu Tränen rühren, weil sie gegen Ende des Buches mit einer riesengroßen Überraschung aufwartet, die man niemals erwartet hätte.

Alles in allem ist "Sehnsucht nach St. Kilda" ein Buch der leisen Töne, das jeden Leser betroffen macht. Isabel Morland beschönigt nichts, das entbehrungsreiche, harte Leben der Bewohner von St. Kilda wird anschaulich geschildert, so dass man ihre schwere Entscheidung gegen ihre Heimat und für eine Evakuierung logisch nachvollziehen kann. Auch wenn sie St. Kilda verlassen mussten, in alle Winde zerstreut wurden und gezwungen waren, ein neues Leben fernab von ihren vertrauten Nachbarn zu führen, sind ihre Herzen fest mit diesem Ort verwurzelt; die einstigen Bewohner halten die Vergangenheit lebendig und träumen von einer Rückkehr an diesen Sehnsuchtsort - und für Annie McViccar wird sich dort der Kreis wieder schließen.

Diese berührende, emotionale und unterhaltsame Familiengeschichte könnte sich zu meinem persönlichen Lese-Highlight entwickeln. Auf jeden Fall vergebe ich gern die Höchstnote und spreche eine klare Lese-Empfehlung aus.