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Veröffentlicht am 08.04.2017

Original und Fälschung …

Das letzte Bild der Sara de Vos
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Seit vielen Generationen ist das Gemälde aus dem 17. Jahrhundert, „Am Saum eines Waldes“, schon im Besitz der Familie. Doch nun hängt im Schlafzimmer des reichen New Yorker Patentanwaltes Marty de Groot ...

Seit vielen Generationen ist das Gemälde aus dem 17. Jahrhundert, „Am Saum eines Waldes“, schon im Besitz der Familie. Doch nun hängt im Schlafzimmer des reichen New Yorker Patentanwaltes Marty de Groot plötzlich eine Kopie – vermutlich ausgetauscht bei der Wohltätigkeits-Party vor einigen Tagen. Bei dem Bild handelt es sich um das einzige verbliebene Werk der holländischen Malerin Sara de Vos, die 1631 als erste Frau in die Amsterdamer Meistergilde aufgenommen wurde. De Groot schaltet einen Detektiv ein, der auch bald den Maler der brillanten Kopie ausfindig machen kann. Es ist die junge Kunststudentin Ellie Shipley, die für den Kunsthändler Gabriel gelegentlich beschädigte Gemälde restauriert. Zu spät merkt sie, dass sie einem Betrug aufgesessen ist und für Gabriel eine Fälschung gemalt hat – mit weitreichenden Folgen …

Der Autor Dominic Smith wuchs in Sidney auf und lebt heute in Austin, Texas. Er schrieb Beiträge für einige namhafte Zeitungen und erhielt für seine historischen Romane zahlreiche Preise, doch erst mit seinem Buch „Das letzte Bild der Sara de Vos“ errang er weltweit Beachtung und Anerkennung. Der Roman zeichnet sich durch Liebe zur Malerei, großen Sachverstand und ausgezeichnete Recherche aus, das Cover dazu ist hervorragend gelungen und verrät bereits im Voraus einiges über den Inhalt.

Der Schreibstil ist sehr ansprechend und lässt sich gut und flüssig lesen. Besonders ausdrucksstark sind dem Autor die Landschaftsbeschreibungen und sehr lebendig die Lebensumstände der Protagonisten gelungen. Erklärungen zur Malerei, Maltechniken und Pinselführung sind anschaulich geschildert. Wie Dominic Smith im Nachwort erwähnt, ist die Handlung frei erfunden, wobei er jedoch biographische Details einiger Malerinnen des 17. Jahrhunderts, wie Judith Leyster und Sarah van Baalbergen, mit eingebunden hat.

Die Geschichte baut auf drei Hauptpersonen in drei verschiedenen Zeitebenen an drei verschiedenen Orten auf. Da ist die Malerin Sara de Vos, ihr Leben und Wirken in den Jahren 1636 und 1637 in Holland – der Anwalt Marty de Groot und die Kunststudentin Ellie Shipley in New York 1958 – und ein nochmaliges Zusammentreffen des Anwalts und der Fälscherin in Sidney im Jahr 2000. Handeln und Beweggründe der Protagonisten sind sehr real geschildert, menschliche Schwächen und ihre Hintergründe sind gut nachvollziehbar. Kurze Kapitel und ein stetiger Wechsel von Ort und Zeit steigern allmählich die Spannung und halten sie bis zum Schluss auf hohem Niveau. Obwohl die Grundstimmung eher melancholisch ist, blitzt doch ab und zu Humor durch, das Ende stimmt versöhnlich und lässt einen zufriedenen Leser zurück.

Fazit: Ein außergewöhnliches Buch, sehr empfehlenswert – für Kunstinteressierte ein Muss.

Veröffentlicht am 19.12.2016

Ein Prosit auf das Leben …

Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke
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Joachim ist jetzt zwanzig Jahre alt, Abitur und Austauschjahr in Amerika liegen hinter ihm. Nun freut er sich auf seine Zivildienststelle, die er im Münchner Krankenhaus Rechts der Isar absolvieren soll. ...

Joachim ist jetzt zwanzig Jahre alt, Abitur und Austauschjahr in Amerika liegen hinter ihm. Nun freut er sich auf seine Zivildienststelle, die er im Münchner Krankenhaus Rechts der Isar absolvieren soll. Besonders die Unterkunft im Schwesternwohnheim weckt in ihm so manche Hoffnungen auf amouröse Abenteuer. Doch dann bekommt er, völlig unerwartet, die Zusage, dass er an der Münchner Schauspielschule aufgenommen wurde. Aus einer Laune heraus hatte er bei der Aufnahmeprüfung mitgemacht, aber nur einen Monolog aus ‚Dantons Tod‘, statt der geforderten drei Rollen, zum Besten gegeben. So zieht er also mit gemischten Gefühlen zu seinen Großeltern in die Villa am Nymphenburger Park, ins ganz in rosa gehaltene Gästezimmer. Vorübergehend, wie er glaubt, bis er eine eigene Bleibe gefunden hat – doch daraus sollten dreieinhalb Jahre werden …

Der Autor Joachim Meyerhoff ist Schauspieler am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg und Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters. Nach seinen autobiographischen Romanen „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“, in dem er über seine Kindheit und Jugend auf dem Gelände der von seinem Vater geleiteten Psychiatrie erzählt, und „Alle Toten fliegen hoch“, in welchem er über seine Erlebnisse als Austauschschüler in den USA berichtet, schildert er in dem vorliegenden Buch „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ seine Zeit an der Otto-Falckenberg-Schauspielschule in München und seinen Aufenthalt in der noblen Villa seiner Großeltern, der ehemaligen Schauspielerin Inge Birkmann und des pensionierten Philosophieprofessors Hermann Krings, in der die Zeit stillzustehen scheint. Sein Schreibstil ist sehr ausdrucksstark und ausgereift, die Handlung eine gekonnte Mischung zwischen Ironie und Tragik.

Schonungslos offen, anrührend und voller Liebe und Zuneigung, beobachtet Meyerhoff seine Großeltern, berichtet über komische und tragische Geschehnisse und erzählt von ihren irrwitzigen Ritualen. Sie waren wohl dem Alkohol nicht abgeneigt und begannen den Tag bereits mit einer hochprozentigen Mundspülung aus Enzianschnaps. Danach gab’s zum Frühstück ein Glas Champagner, zum Mittagessen wurde Weißwein serviert, punkt sechs Uhr war „Whisky-Time“, das Abendessen wurde dann von Rotwein begleitet und zur guten Nacht gegen elf Uhr trank man noch einen Cointreau. Während die Großeltern dann leicht angesäuselt waren, musste Joachim oftmals den Treppenlift benutzen, um noch nach oben in sein rosarotes Zimmer zu kommen.

Allein schon der Gedanke, dass ein erwachsener junger Mann sich in einem rosafarbenen Mädchentraum-Zimmer einrichten muss, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Echt komisch wird es aber, wenn Meyerhoff über seine Ausbildung als Schauspieler schreibt. Er fühlt sich völlig überfordert, ist frustriert, nichts will ihm gelingen. Schon in der ersten Stunde verkrampft er, als sich die Schüler eine Stunde lang wortlos anstarren sollen. Als er dann die Aufgabe bekommt, eine Szene aus Effi Briest als Nilpferd zu spielen, geht es dem Leser an die Lachmuskeln. Er selbst konnte damals auf der Bühne weder lachen noch weinen, so dass er sich bei solchen Szenen zur Wand drehen musste.

Doch Meyerhoff berichtet nicht nur über heitere und komische Begebenheiten, es gibt auch besinnliche und traurige Momente in diesem Buch, für das ein Zitat aus Goethes „Werther“ titelgebend war: „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke, die ich hier in meinem Busen fühle.“ Diese Lücke hinterlassen in ihm geliebte Menschen. Er muss sowohl den frühen Unfalltod seines Bruders, als auch den Tod seines Vaters verarbeiten und erlebt den langsamen Verfall der betagten Großeltern. So ist die Geschichte auch eine Hommage an die geliebten Verstorbenen.

Fazit: Ein großartiges, sehr menschliches Buch – authentisch, komisch und tragisch – dabei höchst unterhaltsam.

Veröffentlicht am 12.11.2023

Wer zur Familie gehört muss morden – oder nicht?

Die mörderischen Cunninghams. Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen (Die mörderischen Cunninghams 1)
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Nur ungern fährt Ernest, passionierter Autor von Kriminalromanen, zu dem Familientreffen der Cunninghams, das aus Anlass der erwarteten Haftentlassung von Michael stattfinden soll – schließlich war er ...

Nur ungern fährt Ernest, passionierter Autor von Kriminalromanen, zu dem Familientreffen der Cunninghams, das aus Anlass der erwarteten Haftentlassung von Michael stattfinden soll – schließlich war er es, der mit seiner Aussage vor Gericht seinem Bruder zu dem dreijährigen Aufenthalt im Knast verholfen hat. Kaum ist die Familie in dem abgelegenen Skigebiet angekommen, wird auch schon eine Leiche im frisch gefallenen Schnee entdeckt. Da aufgrund der Witterungsverhältnisse mit dem Eintreffen der Polizei nicht gerechnet werden kann, muss man es als glücklichen Zufall bezeichnen, dass gerade Officer Crawford anwesend ist. Als sich jedoch herausstellt, dass dieser mit dem Fall total überfordert ist, übernimmt Ernest Cunningham die Ermittlungen …

Benjamin Stevenson ist ein australischer Autor und zusammen mit seinem Zwillingsbruder ein preisgekrönter Stand-up-Comedian. Obwohl „Die mörderischen Cunninghamsirgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen“ bereits sein drittes Buch ist, ist er in Deutschland noch weitgehend unbekannt. Die deutsche Übersetzung brachte im Oktober 2023 Ullstein Buchverlage heraus, ein zweiter Band über die mörderische Familie Cunningham ist für August 2024 geplant. Stevenson wuchs in Canberra auf, heute lebt und arbeitet er in Sidney.

Ein sehr unterhaltsamer, äußerst amüsanter und durch die vielen Wendungen und Rätsel extrem spannend gestalteter Detektivroman, den uns der Autor hier präsentiert. Er lässt den Protagonisten Ernest Cunningham als Erzähler auftreten, was uns mitten ins Geschehen zieht und uns Glauben macht, an den Ermittlungen beteiligt zu sein. Durch das Setting in der total abgeschiedenen und eingeschneiten Lodge kann ja nur einer der Anwesenden der Mörder sein. Doch kaum denkt man, man sei auf der richtigen Spur, entpuppt sich diese als falsch und man rätselt über eine andere Lösung. Die Personen sind sehr gut ausgearbeitet und ihre Charaktereigenschaften wohl durchdacht. Bei der rasanten Folge von Ereignissen und sich überstürzenden Vorfällen kann man als Leser dann und wann den Überblick verlieren, doch man darf sicher sein, zusammen mit Ernest den Fall am Ende aufzuklären.

Fazit: Skurrile Protagonisten, aberwitzige Story und total abgeschiedene Location ergeben einen etwas anderen, erfrischend heiteren und unterhaltsamen Krimi – ein geniales Lesevergnügen.

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Veröffentlicht am 06.01.2023

Anregungen aus dem Altpapier

Das glückliche Geheimnis
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Die meisten Geheimnisse sind dunkel - umso schöner, wenn jemand ein glückliches Geheimnis hat, wie der 1968 in Bregenz/Vorarlberg geborene österreichische Schriftsteller Arno Geiger. Davon berichtet er ...

Die meisten Geheimnisse sind dunkel - umso schöner, wenn jemand ein glückliches Geheimnis hat, wie der 1968 in Bregenz/Vorarlberg geborene österreichische Schriftsteller Arno Geiger. Davon berichtet er uns in seiner Biografie, die etwa 25 Jahre seines Lebens umspannt. Gleich zu Anfang des Buches verrät er uns, dass er seit seinem Auszug aus dem Elternhaus einmal wöchentlich heimlich die Altpapier-Container der Stadt Wien nach Brauchbarem, Bücher, Tagebücher, Briefe und Notizen, durchsuchte – anfangs um durch den Verkauf von Büchern auf dem Flohmarkt seinen Lebensunterhalt aufzubessern, später als seelischen Ausgleich und um durch die schriftlichen Hinterlassenschaften fremder Menschen Anregungen und Ideen für seine Romane zu finden.

Der Schreibstil Arno Geigers ist angenehm und abwechslungsreich, gespickt mit ironischen Erkenntnissen und amüsanten Lebensweisheiten. Während er seine Tätigkeit der Schatzsuche beschreibt, die er wegen der Peinlichkeit inkognito mit Mütze und alter Kleidung versehen als sportliche Betätigung betrachtete, rollt sein Leben chronologisch vor uns ab. Er grübelt über seine Beziehungen zu Frauen nach, bemerkt mit Schrecken den langsamen geistigen Verfall seines Vaters und ist sich selbst über seinen weiteren Lebensweg noch nicht im klaren. Er beobachtet, sinniert, beschreibt und philosophiert – während sich sein glückliches Geheimnis als roter Faden durch das ganze Buch zieht.

Fazit: Ein sehr offenes und ehrliches Buch, mit vielen philosophischen Betrachtungen die zum Nachdenken anregen – und das Interesse auf die anderen Bücher des Autors wecken.

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Veröffentlicht am 06.12.2021

Philosoph im Mutterleib …

Nussschale
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Die Ehe zwischen John und Trudy scheint gescheitert zu sein – die schwangere Trudy lebt weiter in Johns Haus, ihn hat sie mit der Begründung ausquartiert, dass sie zum Ende der Schwangerschaft mehr Ruhe ...

Die Ehe zwischen John und Trudy scheint gescheitert zu sein – die schwangere Trudy lebt weiter in Johns Haus, ihn hat sie mit der Begründung ausquartiert, dass sie zum Ende der Schwangerschaft mehr Ruhe benötige. In Wirklichkeit jedoch hat sie ein Verhältnis mit Johns Bruder Claude, einem einfältigen aber sexuell sehr aktiven Bauunternehmer, der bei ihr die Nächte verbringt. Noch Ehemann John ist zwar ein erfolgloser Dichter und Verleger, jedoch sein Haus mitten in London ist ein Vermögen wert. Genau darauf haben es Trudy und ihr Liebhaber Claude abgesehen und entwickeln einen perfiden Plan: John soll umgebracht, das Haus verkauft und das Baby nach der Geburt irgendwo „untergebracht“ werden. Doch die beiden haben die Rechnung ohne Johns noch ungeborenen Sohn gemacht …

Der britische Schriftsteller Ian McEwan wurde 1948 in Aldershot/England geboren. Er studierte Englische Literatur an der Universität Sussex, besuchte Kurse für kreatives Schreiben und machte seinen Master an der University of East Anglia in Norwich. Seine Masterarbeit bestand aus einer Reihe von Kurzgeschichten, die später unter dem Titel „First Love, Last Rites“ veröffentlicht wurden. McEwan schrieb zahlreiche erfolgreiche Romane die auf den Bestsellerlisten landeten und teils verfilmt wurden, für die er mit nahezu allen bedeutenden Preisen für englische Literatur ausgezeichnet wurde. Er hat zwei Söhne aus erster Ehe, ist heute in zweiter Ehe verheiratet und lebt er in London.

Zum Shakespeare-Jahr 2016 hat sich der Autor Ian McEwan den Hamlet als Inspiration für seinen Roman „Nussschale“ gewählt. Er bedient sich dabei einer ungewöhnlichen Erzählperspektive, eines ungeborenen Kindes, das hilflos im Mutterleib eingezwängt zum einzigen Zeugen eines perfiden Plans zwischen seiner Mutter und ihrem Liebhaber wird. Er kann nichts sehen und nicht sprechen, aber akustisch bekommt der zukünftige Erdenbürger alles mit, sei es durch Gespräche oder durch Radiosendungen, die sich die Mutter in schlaflosen Nächten anhört. Er reflektiert dabei die aktuelle Weltlage, denkt scharfsinnig über Umweltprobleme nach, kommentiert die Sexpraktiken des Paares und ist auch in der Lage, die verschiedenen Weine, die seine Mutter häufig und gerne konsumiert, zu unterscheiden. Neben der Tragik des Geschehens hat die Geschichte auch ihre komischen und unterhaltsamen Momente, so dass ich mich gut unterhalten gefühlt habe.

Fazit: Ein intelligenter Roman auf sprachlich hohem Niveau, mit kritischen Untertönen und voller Metaphern und Lebensweisheiten – bei dem man sich unbedingt auf die Rolle des embryonalen Erzählers einlassen sollte.

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