Der neue Roman von Pascal Mercier nach dem Millionenbestseller »Nachtzug nach Lissabon«
Seit seiner Kindheit ist Simon Leyland von Sprachen fasziniert. Gegen den Willen seiner Eltern wird er Übersetzer und verfolgt unbeirrt das Ziel, alle Sprachen zu lernen, die rund um das Mittelmeer gesprochen werden. Von London folgt er seiner Frau Livia nach Triest, wo sie einen Verlag geerbt hat. In der Stadt bedeutender Literaten glaubt er, den idealen Ort für seine Arbeit gefunden zu haben – bis ihn ein ärztlicher Irrtum aus der Bahn wirft. Doch dann erweist sich die vermeintliche Katastrophe als Wendepunkt, an dem er sein Leben noch einmal völlig neu einrichten kann.
Der renommierte Sprecher Markus Hoffmann wählt jedes seiner Worte mit Bedacht und zieht so den Hörer in den Bann der Geschichte.
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Und plötzlich ist nicht nur der Körper gelähmt, sondern auch die Stimme ist weg. Er kann die Worte nicht mehr sagen, die doch sein Leben bedeuten. Der Engländer Simon Leyland kommt in Triest in die Klinik, ...
Und plötzlich ist nicht nur der Körper gelähmt, sondern auch die Stimme ist weg. Er kann die Worte nicht mehr sagen, die doch sein Leben bedeuten. Der Engländer Simon Leyland kommt in Triest in die Klinik, doch die Hoffnung, dass der Anfall nur eine Migraine accompagnée sei, wird durch den untrüglichen Blick des Arztes zunichtegemacht. Da ist etwas in seinem Kopf, dass da nicht hingehört und mehr als ein paar Monate werden dem Verleger und Übersetzer nicht mehr bleiben. Er erinnert sich zurück an die Zeit mit seiner Frau Livia, als sie mit den Kindern in London wohnten, dann nach dem Tod von Livias Vater und der Übernahme seines Verlages nach Triest kamen, einer seiner Sehnsuchtsstädte, denn als Junge schon stand Simon vor einer Karte und beschloss, alle Sprachen zu lernen, die rund um das Mittelmeer gesprochen werden und nun sollte er direkt an dieses ziehen. Mit der Diagnose jedoch geht das Leben, wie er es kannte zu Ende. Womöglich jedoch ist da aber noch ein Fünkchen Hoffnung darauf, dass er eine Chance auf ein zweites bekommt und jemand zu ihm sagt „Welcome home, Sir!“.
Pascal Mercier, schriftstellerisches Pseudonym des Schweizer Philosophen Peter Bieri, ist ein Virtuose im Umgang mit Worten. Sein aktueller Roman ist eine Hommage an alle Liebhaber der Literatur und Linguistik, denn im Zentrum der Gedanken seines Protagonisten stehen die Worte mit ihren Bedeutungen, Konnotationen und den Emotionen, die sie auslösen, sowie die Frage, ob man den Gedanken einer Sprache adäquat auch in einer anderen wiedergeben kann und wo sich letztlich die Grenze der Sprache befindet. Es ist eine Reise durch die Literatur und die Sprachen des Mittelmeerraums, die eingebunden ist in eine Handlung voller Schmerz, Trauer und Hoffnung gleichermaßen.
Man kann den Inhalt kaum angemessen zusammenfassen, einerseits ob der Fülle der Gedankengänge, die sich um die perfekte Übersetzung und den vollkommenen Ausdruck drehen, andererseits ohne einen wesentlichen Aspekt der Handlung vorwegzunehmen, der für Leyland essentiell werden wird. Es gibt ein Vorher, vor dem Anfall, als sein Leben geprägt ist durch Jagd nach Worten und von Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen, denen allerlei fremde Worte eigen sind und die sie mit ihm teilen. Es gibt aber auch ein Danach, als plötzlich die Menschen viel mehr in seinen Blick geraten und aller Fatalität zum Trotz immer ein Neubeginn möglich scheint.
Den knapp 600 Seiten langen Roman liest Markus Hoffmann in über 22 Stunden mit einer leisen und prononcierten Stimme, die hervorragend als Erzählstimme von Simon Leyland gewählt ist. So gerne man ihm zuhört, liegen hier aber für mich auch die einzigen beiden Kritikpunkte: ich hätte mir gewünscht, dass seine fremdsprachigen Einwürfe ebenso flüssig klingen wie die deutsche Stimme, aber leider wirken sein Englisch wie auch sein Italienisch oder das portugiesische Vorwort sehr angestrengt und bemüht. So sehr mich der Roman begeisterte und ich den mäandernden Überlegungen Leylands folgte, so ist das Hörbuch doch etwas zu lange und irgendwann wünscht man sich doch ein etwas zielgerichteteres Erzählen ohne die zahlreichen Wiederholungen bereits geschilderter Episoden.
Klappentext
Seit seiner Kindheit ist Simon Leyland von Sprachen fasziniert. Gegen den Willen seiner Eltern wird er Übersetzer und verfolgt unbeirrt das Ziel, alle Sprachen zu lernen, die rund ...
Klappentext
Seit seiner Kindheit ist Simon Leyland von Sprachen fasziniert. Gegen den Willen seiner Eltern wird er Übersetzer und verfolgt unbeirrt das Ziel, alle Sprachen zu lernen, die rund um das Mittelmeer gesprochen werden. Von London folgt er seiner Frau Livia nach Triest, wo sie einen Verlag geerbt hat. In der Stadt bedeutender Literaten glaubt er, den idealen Ort für seine Arbeit gefunden zu haben – bis ihn ein ärztlicher Irrtum aus der Bahn wirft. Doch dann erweist sich die vermeintliche Katastrophe als Wendepunkt, an dem er sein Leben noch einmal völlig neu einrichten kann.
Meinung
Vielleicht brauchen wir alle einmal einen solchen Wendepunkt um uns bewusst zu machen wie wichtig wir Dinge nehmen die im Grunde zu den eher unwichtigen gehören. Die philosophischen Betrachtungen und die ausgefeilten Charaktere geben der Geschichte Tiefe. Es.geht um Worte und wie wir damit umgehen
Der Sprecher passt wunderbar zu diesem Buch. Seine Stimme merkt man die Ausbildung an. Er übertreibt in keinster Weise, die Emotionen kommen eher leise beim Hörer an, dafür aber in einer Intensität die nicht jeder Vorleser schafft. Es ist wie, wenn einer leise spricht und trotzdem von jedem gehört wird weil alle aufmerksam zuhören.
Die Stimme fordert diese Aufmerksamkeit und vermittelt gleichzeitig das Buch so das es im Gedächtnis bleibt.
"Das Gewicht der Worte" ist mein erster Roman von Pascal Mercier und hat als Geburtstagsgeschenk zu mir gefunden. Mit über einer Woche habe ich verhältnismäßig lange für diesen 576 Seiten langen Roman ...
"Das Gewicht der Worte" ist mein erster Roman von Pascal Mercier und hat als Geburtstagsgeschenk zu mir gefunden. Mit über einer Woche habe ich verhältnismäßig lange für diesen 576 Seiten langen Roman gebraucht, der zugleich Betrachtung eines Lebens, Studie von Sprache, Worten und Literatur und philosophische Diskussion ist. Dabei ist das Geschilderte vom ersten „Welcome home, Sir“ bis zum letzten „Welcome home, Sir“ zwar durchaus beeindruckend, interessant und anregend, aber leider ohne Spannung und eher ermüdend erzählt, weshalb ein gemischter Gesamteindruck zurückbleibt.
Die Gestaltung des Romans passt ganz hervorragend zu dieser stillen, zurückhaltenden, aber ausgefeilt hintersinnigen Geschichte. Zu sehen ist die Molo Audace in Triest, die eine wichtige Rolle im Roman spielt und ein energisch schreitender Mann im Anzug, der mit seinen grauen Haaren und dem nachdenklich gesenkten Kopf durchaus der Protagonist sein könnte. Auch der Titel passt hervorragend - geht es hier doch vor allem um die Möglichkeiten, die Nuancen und den Stellenwert von Sprache. Pascal Merciers Erzählung ist in 45 Kapitel aufgeteilt, welche zum Teil Briefe und Ausschnitte aus anderen Romanen enthalten, welche kursiv abgedruckt sind.
Erster Satz: "Welcome home, Sir", sagte der Beamte bei der Passkontrolle am Londoner Flughafen."
Wir steigen bei einem wichtigen Einschnitt im Leben von Simon Leyland, dem Hauptprotagonisten in den Roman ein. Nachdem er 11 Wochen mit einer grauenvollen Fehldiagnose gelebt und seine Angelegenheiten zum Abschluss gebracht hat, wagt er nach der erleichternden Nachricht einen Neuanfang und startet in einen neuen Lebensabschnitt. Dazu zieht er nach London in die Stadt seiner Kindheit, wo ihm sein Onkel ein Haus vererbt hat, und beginnt diese neu zu entdecken und dabei sein Leben Revue passieren zu lassen. Gut die erste Hälfte des Romans bringen wir so damit zu, Leylands Vergangenheit kennenzulernen und zu erforschen, wie er an diesem Punkt gelandet ist: alleine in London mit verkauftem Verlag, erwachsenen Kindern und einer überraschend großen Menge restlicher Lebenszeit zum Füllen. Dabei passiert auf der Handlungsebene erschreckend wenig. Im Grunde betrachten wir Leyland, der sein Leben reflektiert, über Übersetzungen brütet, über Nachgedachtes mit seinen Freunden und seiner Familie diskutiert, über Diskutiertes wiederum nachdenkt und seine Schlussfolgerungen dann in Form von Briefen an seine verstorbene Frau festhält. Diese Erzählweise hat zur Folge, dass es viele Wiederholungen gibt und praktisch alle Gedanken mehrmals am Leser vorbeiziehen.
"Es war ein Dunkel nach dem Ende eines Lebens, ein Dunkel, in dem die Zeit nicht mehr floss. Er würde nachher überall Licht machen und sie von neuem zum Fließen bringen. Aber nicht gleich. Er bestellte noch einmal Tee und etwas zu essen. Jetzt, da er wieder eine Zukunft hatte, wollte er verschwenderisch mit seiner Zeit umgehen. Spüren, wie sie verstrich, ohne dass er etwas tat. Spüren, dass er nicht mehr atemlos einem Ende zutrieb. Spüren, dass er Dinge aufschieben konnte, ohne es später zu bereuen."
Diese Reflexion des Kreises von Leylands Lebens hat durchaus seinen Reiz, wenn man zwischen den Seiten versunken ist, sobald man das Buch jedoch zur Seite legt, weiß man nicht so recht, weshalb man weiterlesen sollte. Es gibt keine drängenden Fragen, deren Antwort man erhalten will, keine großartigen Entwicklungen oder Geschehnisse werden in Aussicht gestellt und auch für seine packende Handlung ist Pascal Mercier alles andere als bekannt. Es ist also von Beginn an schlichtweg keine Spannung vorhanden! Während man in der ersten Hälfte des Romans durch aufschlussreiche Rückblicke auf vergangene Geschehnisse wie Leylands Fehldiagnose, seine Kindheit oder seine verstorbene Frau bei Stange gehalten wird und ständig neue Informationen erhält, die das Gesamtbild runder machen, leidet die zweite Hälfte des Romans stärker unter dem Fehlen jeglicher Spannung. Man lässt sich auf das Lesen ein, lässt sich die ein oder andere Formulierung auf der Zunge zergehen und wartet, wohin die Geschichte hinführt. Bis etwa 130 Seiten nach Beginn hat mir das auch gereicht, doch ab dort drängte sich die Frage auf: wohin führt das Ganze?
"Alles, was für ihn jemals gezählt hatte, waren Worte. Etwas existierte erst wirklich, wenn es benannt und besprochen wurde. Er hatte sich das nicht ausgesucht, es war ihm zugestoßen und war von Anfang an so gewesen. Oft hatte er sich gewünscht, ohne Worte bei den Sachen zu sein, bei den Sachen und den Menschen und den Gefühlen und den Träumen - und dann waren ihm doch wieder die Worte dazwischengekommen."
Und die Antwort ist leider: nirgendwohin! Es kommt ein Punkt in der Geschichte, ab wo beinahe alle Geheimnisse gelüftet und viele der kleinen Spannungsbögen ihren Höhepunkt erreicht haben und nur noch schrittweise Neues passiert. Ab hier wird das Buch deutlich schwächer, büßt Lebendigkeit und Antrieb ein. Auch die Wiederholungen, die durch den besonderen Erzählstil mit bedingt sind, werden ab diesem Punkt nochmal mehr, sodass sich das letzte Drittel recht zäh liest. Dazu kommt, dass wir recht ziellos durch die Handlung steuern und ich bald das Gefühl, ich hätte noch 200 Seiten mehr über Simon Leyland lesen können, oder auch 200 Seiten weniger und das hätte keinen großen Unterschied gemacht. Ich habe die zweite Hälfte und auch das Ende also als eher willkürlich gewählt empfunden. Es fehlte mir hier eine klare Struktur, ein erkennbares Ziel, ein Schlusspunkt - so ist die gesamte Gestaltung der Handlung eher unbefriedigend.
"Wir leben ja mit dem Gefühl, in enger, nahtloser Verbindung mit unserer Vergangenheit zu stehen und den Faden unseres Lebens ohne Riss und Unterbruch von Tag zu Tag fortzuspinnen. Es wäre unerträglich, dieses Gefühl zu verlieren. Doch die Wahrheit ist es nicht: Unser Leben ist eine lange, verschlungene Kette von schwimmenden Inseln der Erinnerung umspült von Vergessen, wir springen von der einen zur anderen, hin und zurück, und wir sind Virtuosen darin, die Brüche mit Geschichten zu übertünchen, die den anderen und uns selbst ausgreifend und erfinderisch vorgaukeln, wir stünden auf einem festen Grund durchgängigen Erinnerns."
Doch bewegen wir uns mal von der zweitrangigen Handlungsebene weg und betrachten den Inhalt genauer. Um ehrlich zu sein: rückblickend fällt es mir schwer, genau zu sagen, worum es hier überhaupt ging: um alles und nichts eben. Pascal Mercier unternimmt hier eine Reise durch die Sprachen des Mittelmeerraums, durch die Literatur und stellt einige Fragen zu Tod, Freiheit, dem Wert des Lebens, dem Wesen der Zeit und der Substanz der Poesie. Dabei bleibt er jedoch an eine einzelne Perspektive, ein einzelnes Leben gebunden, das von Hoffnung, Schmerz, Orientierungslosigkeit und intensiven Begegnungen geprägt ist, weshalb die Auseinandersetzung mit den wichtigsten Themen eher einseitig erfolgt und die Reflexion nicht wirklich ins Philosophieren übergeht. Auf einigen Aspekten wie das Recht auf Selbstbestimmung des eigenen Ende werden dabei immer und immer wieder wiederholt, während anderes, was mir selbst zum Thema Freiheit einfallen würde, gar nicht erst zur Sprache kommt.
"Es ist etwas Großes, Gewaltiges, wenn man vor jemanden hintritt und ihn fragt, wie seine eigene, seine ganze besondere Stimme klinge, in der Art, wie seine Worte kämen, und der Art, wie die Bilder seiner Fantasie sich formten. Diese Frage ist geeignet, jemanden aus der Fassung zu bringen"
Einige interessante Anstöße und Gedanken werden hier zwar eingearbeitet, vieles bleibt aber sehr lebensfern und wenig greifbar, sodass ich mit einigem nicht viel anfangen konnte. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass die Hauptfigur in einer Blase lebt, in der Geld keine Rolle spielt, stundenlang über Sprachen und Worte philosophiert werden kann und alles Gewöhnliche eine außergewöhnliche Bedeutung hat. Er pendelt zwar zwischen den beiden Städten Triest und London, fährt Tube, sitzt an der Molo Audace, schreitet Straßen entlang und besucht Sehenswürdigkeiten, die ich selbst schon gesehen habe, scheint aber doch auf einem ganz anderen Planeten zu leben als ich. Pascal Leyland gibt uns tiefe Einblicke in die Gefühls- und Gedankenwelt seiner Hauptfigur, jedoch ohne wirkliche Nähe zu ihm entstehen zu lassen. Egal ob während der direkten Beschreibung des Geschehens, in Dialogen oder in Briefen - hier spricht nie die Person direkt, sondern da ist immer noch eine trennende Erzählinstanz zwischen Leser und Figur, die somit eher ein spannendes, abstraktes Untersuchungsobjekt blieb und wenig zu Bezügen zur eigenen Person einlud. Grundsätzlich finde ich es wahnsinnig spannend, die Welt aus anderen Augen zu betrachten, aber hier kann man als Leser kaum Spuren seines eigenen Lebens in der Geschichte wiederfinden und bleibt somit über die gesamten 572 Seiten hinweg ein mittelmäßig motivierter Zuhörer.
"Manchmal nimmt das Wort einer Sache den Schrecken, und es ist eine Befreiung, es auszusprechen. Doc manchmal spüren wir: Das Wort würde den Schrecken noch größer machen. Dann halten wir es unter Verschluss. Und manchmal verwechseln wir die beiden Fälle."
Zum Eindruck dieser scheinweltlichen Blase tragen auch die hier auftauchenden Figuren bei. Grundsätzlich hat mir die Gestaltung der Nebenfiguren gut gefallen. Pascal Mercier unterläuft nur ein einziger Fehler: sie sind alle vieeeel zu ähnlich. Von seinen Kindern über seinen Nachbar in London, seine ehemaligen Verlagsmitarbeiter bis hin zu befreundeten Autoren haben wir es hier ausschließlich mit feinsinnigen, aufrichtigen Gutmenschen zu tun, die sich in ihrer Tiefgründigkeit sehr gefallen, ein Geheimnis aus ihren erlebten Abgründen machen, Problemen haben sich zu öffnen und mit einem unübersehbaren Bedürfnis nach Halt und Hilfe der Hauptfigur die Möglichkeit geben, als Held aufzutreten. Entwicklungen finden hier nur statt, wenn sie der Profilierung von Leyland nutzen, alle scheinen immer einer Meinung mit ihm zu sein und bald verschwimmt der englische Apotheker Kenneth Burke mit dem russischen Ex-Häftling Andrej und selbst der vermeintlich etwas einfachere Kellner Pat entpuppt sich schnell als feingeistiger Intellektueller. Eine zupackende, andersdenkende Kontrastfigur, die Leyland aus seiner Blase ab und zu mal heraus holt, hätte der Geschichte also definitiv gut getan.
"Aus verborgenem, verschwiegenem Wissen war ausdrückliches, in Worte fassbares Wissen geworden. Es war kein abstraktes Wissen, es wirkte in das Erleben hinein. Es war wie ein Aufwachen, ein unaufhaltsames Aufwachen, das ich mit den ersten Phantasien und den ersten Sätzen in Gang gesetzt hatte, und ich war am Ende nicht mehr dieselbe wie vorher."
Ich halte also fest: kaum vorhandene Spannung, spannende Anstöße aber fehlende Greifbarkeit und Figuren, die zunehmend zu einem Einheitsbrei verschwimmen - das klingt alles andere als der Stoff, aus dem ein Stück Weltliteratur gemacht ist. Weshalb würde ich "Das Gewicht der Worte" also dennoch als lesenswert einstufen? Das hängt vor allem mit der Sprache des Autors zusammen, die hier ganz dem thematischen Fokus entsprechend leise, zurückhaltend, reflektiert und ausgefeilt ist. Vor allem die vielen Einbezüge anderer Sprachen, vor allem französisch, englisch und italienisch, machen die Erzählung vielschichtig und komplex und durch die wenige Handlung hat der Autor viel Raum, Nicht-Stoffliches in Worte zu kleiden. Dabei ist aber auch nicht die Erzählweise über jede Kritik erhaben. Negativ aufgefallen ist mir, dass man zwar deutlich merkt, wie sehr der Autor an jedem Wort gefeilt hat, aber trotzdem oder gerade deswegen nicht alles natürlich schien. "Das Gewicht der Worte" ist ohne Zweifel sehr schön und feinsinnig geschrieben, an manchen Stellen fast poetisch, aber leider hatten auch viele Worte einen angeberischen Beigeschmack und fügten sich nicht mühelos in die Erzählung ein. Pascal Mercier hat hier viele gewichtige Worte gefunden, wirklich zu berühren und mitzureißen verstehen diese jedoch nicht. Das Lesen bleibt Arbeit und man spürt das Gewicht dieser Worte mit jeder Seite.
"Die Phantasie - das spüre ich so deutlich in diesen Tagen - ist der eigentliche Ort der Freiheit."
Fazit:
Pascal Mercier erzählt leise, zurückhaltend und reflektiert von Wendungen des Lebens, der Gegenwärtigkeit der Poesie, dem Wesen der Zeit und vor allem von Sprache, Wörtern und Literatur. Sprachlich zwar auf hohem Niveau fehlt "Das Gewicht der Worte" aber Spannung, Lebendigkeit und eine klare Struktur.
Der Protagonist Simon Leyland ist seit seiner Kindheit von Sprachen fasziniert und wird später gegen den Willen seiner Eltern Übersetzer. Er verfolgt unbeirrt sein Ziel, alle Sprachen rund ums Mittelmeer ...
Der Protagonist Simon Leyland ist seit seiner Kindheit von Sprachen fasziniert und wird später gegen den Willen seiner Eltern Übersetzer. Er verfolgt unbeirrt sein Ziel, alle Sprachen rund ums Mittelmeer zu lernen. Mit seiner Frau geht er nach Triest und glaubt dort den idealen Ort für seine Arbeit gefunden zu haben. Dann wirft ihn jedoch ein ärztlicher Irrtum aus der Bahn und er sieht sein Leben als Wendepunkt und richtet sich noch einmal völlig neu ein.
Der Roman handelt von der Freiheit, unser Leben zu gestalten, und von der Freiheit, die uns dabei die Literatur verspricht.
Die angenehme Stimme des Sprechers Markus Hoffmann verleiht in der Hörbuchfassung des Romans von Autor Pascal Mercier der Geschichte auf eindrucksvolle Weise Leben und reinen Hörgenuss. Man bemerkt die Leidenschaft für das literarische Erzählen. Dieses Hörbuch ist in gekonnter Manier vorgetragen und wird sicher ebenso wie der geschriebene Roman ein Besteller.
Auf Pascal Merciers neuen Roman "Das Gewicht der Worte" hatte ich mich ganz besonders gefreut. "Nachtzug nach Lissabon" war 2004 mein Lieblingsbuch und auch "Lea" hat mir 2007 gut gefallen. Lange mussten ...
Auf Pascal Merciers neuen Roman "Das Gewicht der Worte" hatte ich mich ganz besonders gefreut. "Nachtzug nach Lissabon" war 2004 mein Lieblingsbuch und auch "Lea" hat mir 2007 gut gefallen. Lange mussten wir auf ein neues Buch warten, entsprechend hoch waren meine Erwartungen. Dass der Protagonist ein Sprachenenthusiast und Übersetzer sein würde, hat meine Vorfreude zusätzlich befeuert. Doch dann die Enttäuschung: Pascal Mercier konnte mich mit der Geschichte um Simon Leyland überhaupt nicht begeistern, ich entwickelte beim Hören der mehr als 22 Stunden umfassenden vollständigen Lesung Überdruss ob der beständigen Wiederholungen und Widerwillen gegen den eitlen Leyland und die Blase, in der er sich ausschließlich bewegt. Kein Satz über das Weltgeschehen oder Politik auf über 600 Seiten – Leyland kreist ausschließlich um seine eigene Befindlichkeit, seine gleichgesinnten Freunde und seine ihm ähnlichen erwachsenen Kinder.
Die Handlung ist schnell zusammengefasst. Simon Leyland, Anfang 60, Übersetzer, Verlagsleiter, seiner verstorbenen Frau Livia und deren Verlag zuliebe von London nach Triest umgezogen, wird das Opfer einer ärztlichen Verwechslung. 77 Tage lang hat er den schnellen Tod vor Augen, eine Zeit, in der er seinen Verlag verkauft und den Suizid plant. Dann klärt sich der Irrtum auf, Leyland bezieht ein soeben in London geerbtes Haus in London und ordnet, „jetzt, da er wieder eine Zukunft hat“, sein Leben neu.
Leider hat mir vieles die Freude an diesem Roman vergällt. Da war gleich zu Beginn das völlig unrealistische Gespräch mit dem Triester Chefarzt, der dem MRT-Bild nicht nur die Diagnose Hirntumor, sondern gleich auch noch die Histologie entnimmt. Verständlich, dass Leyland mit der Verwechslung hadert und wütend ist, doch trifft ihn, der sofort jede Mitarbeit verweigert, eine Mitverantwortung. Weniger Selbstmitleid und mehr Empathie für den Hauptleidtragenden, den tatsächlich betroffenen Patienten, dem die Therapie vorenthalten wird, wäre angebracht gewesen. Dass ihn auch nach der Aufklärung des Irrtums seltene Anfälle wegen zeitweiliger Durchblutungsstörungen im Gehirn mit vorübergehendem Verlust der Sprache treffen, beklagt er wortreich, ohne daraus Konsequenz zu ziehen. Er und alle anderen Figuren rauchen so fortgesetzt, wie ich das in dieser Intensität und Ausführlichkeit noch nie gelesen habe.
Ebenso konstruiert wie Leyland wirken auf mich seine Freunde, alle tiefsinnig, mit höchst dramatischen, außergewöhnlichen Lebensläufen, stets aus edelsten Motiven handelnd, selbst wenn dies eine Gefängnisstrafe nach sich zieht. Nur ein einziger Kritiker zieht Leylands Übersetzungen in Zweifel, doch ihn bügelt er als „kleinen, unbedeutenden Mann“ ab und unterstellt ihm einen „kleinen, miesen Rachefeldzug“. Alle anderen denken wie er und bestätigen in Gesprächen seine Gedankengänge, die Leyland in Briefen an seine tote Frau noch einmal wiederholt. Selbst interessante Themen wie das Wesen der Zeit, Krankheit, Tod, das Erlernen von Sprachen, das Handwerk des Übersetzens, Jurisprudenz und Gesundheitswesen werden so zerredet.
Gehadert habe ich auch mit der Stimme von Markus Hoffmann, die zwar deutlich ist und warm klingt, aber leider das Pathos des Textes überbetont.
Vielleicht hätte mir das Buch etwas besser gefallen als die Hörfassung und natürlich ist Pascal Merciers sprachliches Vermögen wieder beeindruckend. Leider hat das aber nicht ausgereicht, um mich über die kritisierten Aspekte hinwegzutrösten.